: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :

Montag, 7. Juli 2008

Benzin und Reise

Es gibt viele gute Gründe, die aktuellen Benzinpreise als unerfreulich zu erachten, angefangen bei der Unterstützung krimineller Machenschaften der beteiligten Wirtschaftszweige bishin zu den sozialen Ungerechtigkeiten, die daraus folgen. Andererseits finde ich es absolut nicht schlimm, wenn die Zeiten der Raserei auf der Autobahn zu Ende geht, Schlüsselindustrien gezwungen sind, ihre Geschäftsmodelle zu überarbeiten und andere transatlantische Regionen endlich mal einen Eindruck davon bekommen, wo sie mit ihren Verbrechern und Mördern an der Staatsspitze und deren Verschwendung hinkommen. Die Globalisierung stottert, Produktion kommt zurück zu Standortfaktoren, und man überlegt es sich gründlich, ob man das Licht brennen lässt. Kleine Läden mit grossen Fenstern haben ein paar kleine Vorteile gegenüber neonbestrahlten Shopping Malls. Sejtn a Schon, wo koa Nutzn dabei is, sagte meine Grossmutter immer, und sie hatte damit natürlich wie immer recht.



Dass sich die Zeiten ändern, erlebe ich gerade bei zwei mich ansprechenden Themenkomplexen. Der eine betrifft die Preisentwicklung von Immobilien in den Alpen. Mal abgesehen davon, dass ich für meine Wohnung nicht das bezahkt habe, was üblich ist: In den letzten Monaten ist das Angebot ausgetrocknet, bei gleichzeitig anziehender Nachfrage. Es macht den Anschein, als würde angesichts der kombinierten Kredit- und Energiekrise niemand Lust haben, seine Wohnung in inflationsgefährdetes Bargeld umzutauschen. Gleichzeitig wird nach Sicherheit gesucht, die ferne Gegenden wie Mallorca, die spanische Küste und andere südliche Regionen nicht mehr bieten. Sei es, dass man die Klimaerwärmung zu spüren bekommt wie der befreundeten Familie P., die in Tunesien war und es nur im Wasser oder unter der Klimaanlage ausgehalten hat. Oder wie Familie K. entdeckt, dass die Fluggesellschaften längst nicht mehr so viele Überkapazitäten in Richtung der Ferienwohnung am Mittelmeer anbieten, und der Spass inzwischen auch mit Billigflug richtig teuer wird.



Die Menschen tun das, was sie in Krisen immer tun: Sie fliehen zurück in Bereiche, die sie kennen;von denen sie wissen, dass sie ihnen und dem staatlichen System dahinter vertrauen können, wo das Wasser nicht rationiert wird und man nicht mit Aussicht auf eine Algenpest im Meer fast krepiert, wenn die Klimaanlage wegen Überlastung der Stomnetze ausgefallen ist. Bei uns ist das Deutschland, oder genauer, die besseren Regionen. Zumal es schneller und einfacher zu erreichen ist. Sollte Benzin noch teurer werden, bliebe bei kürzeren Strecken immer noch die Bahn als Alternative. Bei Anlegern aus Ländern wie Italien oder Russland steht wegen ähnlicher Überlegungen amüsanterweise die gleiche Region hoch im Kurs, zumal es sich in Oberbayern leichter kaufen lässt, als in der Schweiz oder in Österreich.



Wenn es hier also anzieht, geht es andernorts steil nach unten. Seit ungefähr zwei Jahren überlege ich den Kauf eines alten Autos, und in der engen Wahl ist ein britischer MG B oder Sprite. Seit zwei Jahren gucke ich wöchentlich, wie sich im Heimatland dieser Wägen die Preise entwickeln. Solche Autos sind für viele ein überflüssiger Luxus gewesen, den sie sich leisten konnten. Früher las man so gut wie nie etwas über den relativ niedrigen Verbrauch, der diese Fahrzeuge auszeichnete, oder das Problem der anziehenden Kreditzinsen. Heute sind die Anzeigen häufig ein Spiegel einer Gesellschaft, der schlicht und einfach das Geld und der Sprit ausgeht, um mal eben grössere Roadstertouren zu machen. Eine Gesellschaft, in der kleine Roadster schon fast unverkäuflich sind und in 12 Moanten ein Drittel des üblichen Preises verloren haben. Das Problem betrifft uns in Deutschland etwas abgemildert auch: Früher gehörte es fast schon zum guten Ton, am Wochenende von München aus an den Gardasee zu rasen. Das ist selten geworden.



Natürlich sagen Marktforscher, dass der Urlaub das Letzte ist, woran die Deutschen sparen. Das mag stimmen, aber es wird nicht billiger. Es gibt wenige Länder, in denen die teuerungsrate so niedrig wie in Deutschland ist. Und viele klassische Urlaubsländer, die einen enorm hohen Energieverbrauch durch Tourismus haben, dessen Kosten auf die Besucher umgelegt werden. Die Toursimusindustrie verschweigt, dass es kein Grundrecht auf 4 Wochen Ibiza mehr gibt, aber der Markt wird es so einrichten, dass diese Botschaft mit dem Geldbeutel verstanden wird. Das Konzept Ferienbomber, beheizter Pool und klimatisierte Räume in kaputtbetonierter Landschaft hat seinen Zenit überschritten, und die hohen Transportkosten werden die Konsumenten zwingen, sich zu entscheiden: Wirklich noch Ballermann, dann aber nur für eine Woche, und der Rest auf dem eigenen Balkon, so vorhanden? Oder doch lieber ein wenig länger wegfahren, aber dafür nicht mehr so weit?



Vielleicht sogar das tun, was ich für den richtigen Weg halte, und das nach ein paar tausend Jahren Reiseerfahrung für die vergleichsweise kurze Periode des Massenflugtourismus von 1980 bis 2008 vergessen wurde: Die Reise als Reise zu betrachten, und nicht als verlorenen Tag für An- und Abreise. Ich habe hier das Itinerar einer Verwandten, die im laubfrosch/hellgrünen Käfer Cabrio einer Reise nach Pompeji zu Beginn der 50er Jahre gemacht hat, drei Wochen lang, davon 5 Tage in jede Richtung. Es gibt kein einziges Bild, das nicht interessant ist, kein genervtes Gschau, keine Hektik. Es gibt zweimal wunderschönes Tirol, atemberaubende Berge, oberitalienische Städte, Adria und thyrrenisches Meer, Rom, Neapel, Pompeji, es ist von vorne bis hinten Urlaub, vom ersten Tag an. Autofahren war damals, als der normale Bundesbürger froh um ein Fahrrad war, Luxus und sehr teuer - niemand wäre auf die Idee gekommen, diesen Luxus nicht angemessen zu zelebrieren.



Dieses Vergnügen an der Reise muss wieder entdeckt werden. Vielleicht erinnert sich der eine oder andere auch noch an die Aufkleber, die man in den 70er Jahren auf der Reise nach Italien an jedem Pass erwerben konnte: Grossglockner, Felberntauern, Reschenpass, Sellajoch. An die Prägeautomaten, an denen man sich Erinnerungsplaketten drucken konnte. Und an die Aufregung von Frau Mama, wenn ihr Gatte die Kurven am Pordoji zu sportlich nahm. Die Reise ist von diesem Erlebnis an abgestürzt zu dem, was Kulturwissenschaftler als "gesunkenes Kulturgut" ansehen, ein Wegwerfartikel des modernen Lebens, mit austauschbaren Namen und immer gleichen Hotels. Das betrifft alle Schichten gleichermassen, egal ober Ferienbunker oder die Nobelhotels dieser Welt, die überall im gleichen pseudoklassischen Neostalinismus mit Antikmix entworfen werden, mit austauschbaren Wellnessangeboten und Thai-Chi-Molekularfrass, das Junkffod der Reichen und Gelifteten.



Diese Beliebigkeit zwischen Adlon und Ballermann, die sich fortsetzt bis in die immer gleichen Gated Communities, in die unsere Gesellschaft und Städte zerfallen, ist nur möglich durch billigen Transport von Menschen, Waren und Dienstleistungen. Nur so schafft es Tropenholz auf Dächer über alpine Pools, nur so kann man chinesischen Billiggranit für die Auffahrt verlegen, nur so kann man es sich überall leisten, das Dortige zu ignorieren und in einem substanz- und inhaltslosen Überall zu verweilen, das Reise nur als geschobene Kulisse für die Unfähigkeit begreift, das Naheliegende, oder gar das Selbst zu erkennen, zu schätzen und für sich als Erholung zu begreifen. Man kann, pauschal, all inclusive, 24/7, anything goes, es ist ganz leicht und erschwinglich - gewesen. Und jetzt ist es vorbei und kommt nie wieder. Entfernung ist teuer. Und die Nähe ist weniger schlecht, als man gemeinhin glaubt.



Wobei ich gerne zugebe, dass es mir durchaus wenig ausmachen würde, wenn eine Vielzahl von Leuten es lieber eine Woche ordentlich in den Tourismusgummizellen global krachen liesse, statt mir vier Wochen meinen hier gezeigten Radelweg zum Tortenholen nach Tegernsee mit ihrer Anwesenheit zu verpesten. Es wird wohl beides geben, manche werden kleinräumiger denken, handeln und es dennoch schätzen. Ich halte den Menschen für in Grenzen lernfähig, und das heisst umgekehrt auch, dass Grenzen beim lernen helfen können - sei es, sie zu überwinden, wenn es wichtig ist, oder sie auszufüllen, wo man sich mit ihnen abfinden muss. Es ist weniger schwer, als man glaubt - solange man nicht jetzt auf die Idee kommt, die PS-Schleuder verkaufen und noch schnell am See ein Schnäppchen machen zu wollen.

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Montag, 7. Juli 2008

Real Life 6.7.08 - Susi geht voran

Du hast ihr gesagt, dass es keinen Spass machen wird: Erst über die volle Autobahn hierher fahren, sich durch den Stau der Münchner zum Seee quälen, dann weiter über die verstopfte Uferpromenade und letztlich noch hoch zur Burg, wo es keine Parkplätze gibt. Aber so, wie früher manche selbstverständlich jeden Sonntag in die Kirche gingen, brauchen manche am Wochenende eine Matinee. Als wären die bedrängnisse nicht genug, findet sich auf der Burg ein Blick über das Tal und den See, wo sich andere vergnügen, und ein anderer Blick hinauf zu den Bergen, wo sich anhand der Wolken bald andeutet, dass es heute noch regnen und stürmen wird. Susi hat es dennoch getan, stellte dort oben fest, dass sie bedauerlicherweise auf einem Saxophonkonzert gelandet war, hielt dennoch tapfer durch, aber dann, unten am See angekommen, gibt es kein Halten mehr. Susi will jetzt, sofort an den See, der türkisgrün hinauf zur Burg funkelte, und geht voran.

Was dir Gelegenheit gibt, einerseits ihre Erscheinung zu bewundern. Mal abgesehen von der - in Berlin würde man sagen - Pornobrille, macht sie einen formidablen Eindruck, angefangen bei der Perlenkette, die sicher auch Yma Sumac gefallen hätte, über das von vorne schlicht hochgeschlossene hellblaue Sommerkleid, das nach hinten in Bänder, Schleifen und an den richtigen Stellen, wo Verhüllung bedauerlich wäre, einiges Nichts zerfällt, dazu eine grosse Tasche von Burberry und im identischen Schottenkaromuster und Farbe exakt passende Schuhe, die so aussehen, als wären sie dazu gefertigt worden. Sind sie nicht, es war ein weiter Weg zu diesen Schuhen, an denen du dich erfreuen kannst, und der Idiot, der den Weg für diese Schuhe auf sich nahm, ist schon etwas länger abgelegt, wie man das mit alten Prada-Handyanhängern macht. Susi, keine Frage, ist auch in diesem Umfeld, wo Ferraris am Strassenrand das Parkverbot missachten, eine formidable Erscheinung.

Das sieht auch offensichtlich der Herr so, der ein wenig näher am See einen Parkplatz für seinen 5er Kombi gefunden hat und nun dabei ist, das Auto unter Anweisung seiner Bewgleiterin zu leeren. Es gibt Paare, denen sieht man an, dass der letzte Tag, an dem sie sich wirklich noch um Äusserlichkeiten gekümmert haben, der Tag der Eheschliessung war. Man ahnt instinktiv, dass es sich mit dem gegenseitige "Ja" ausgehaucht und gezärtelt hat, es folgen Karriere und die Entscheidung, ihn das Geld bringen zu lassen, und die weitere Entwicklung garantiert die Unsterblichkeit der Regionalpresse, denn über was soll man sich sonst anschweigen, am Frühstückstisch und am See. Hast du die Zeitschriften, fragt sie in dem nachsichtsfernen Tonfall, mit dem sie vielleicht auch Kinder zurechtweisen würde, und er mault irgendwas, während er Susi nachstarrt. Auf die Art, wie nur verheiratete Männer starren, weil es keine Rolle mehr spielt, wie sie wirken, und weil es deshalb auch keinen Grund gibt, sich nicht gehen zu lassen.



Es kommt, wie es kommen muss, grau bis tiefschwarz, und es reicht gerade, um einmal in den See hinaus zu schwinmen, ein wenig zu liegen, den Gebräu der Wolken über den Blaubergen zuzuschauen, dann schnell einzupacken und von Windstössen getrieben den Rückweg anzutreten. Während Susi mit den Tücken der Absätze im weichen Boden des Strandbades kämpft, schaut er ihr wieder lange nach, mit dem starren Blick einer Kuh voller falscher Medikamente, während seine Frau Anweisungen erteilt, wie er all das Mitgeschleppte sinnvoll und in einem Rutsch abtransportieren soll. Susis Haare sind noch nass, ein paar Tropfen lösen sich und perlen den zart gebräunten Rücken hinunter, fangen sich im Kleid und verleihen ihr einen vollkommen unzutreffenden, aber nicht unangenehmen, weil leicht unanständigen Eindruck, als wäre irgendetwas Heisses vorgefallen, etwas Verbotenes, Anderes, von dem nicht zu erwarten ist, dass es bei den anderen jemals wieder vorkommen sollte.

Du solltest Heiratsschwindlerin werden, du würdest hier eine glanzvolle Karriere machen, sagst du, und Susi lacht silberhell unter dem Grau des Himmels und der Leben, die ganz anders geworden sind, matt, schal und unerfreulich, was dann vielleicht auch erklärt, warum der 5er Kombi nach der Ausfahrt so drängelt und dicht auffährt, bis du abbiegst in die schmale Anliegerstrasse, und er freie Bahn hat, wo immer auch seine Wege ihn nie hinführen werden.

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Boote im Sonnenuntergang

Gestern Abend um kurz nach 9, etwas über Scholastica beim Achensee auf 1000 Meter über NN, ein ziemlich grandioser Sonnenuntergang



Grossbild hier

Danach über den Achenpass hinunter an den Tegernsee, im Ort selbst um 20 vor 10, Blick vom Park bei Kloster Tegernsee Richtung Norden.



Grossbild hier

Gar nicht so schlecht, das hier. Man könnte sich glatt daran gewöhnen.

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Samstag, 5. Juli 2008

Real Life 4.7.08 - Das Geschäftsgeheimnis der Loddirrl

Frau S., die bekanntlich keinen kleinen Anteil daran hat, dass du dem Tegernsee nahe kamst und dich nun als südlichster der bekannteren deutschen Blogger bezeichnen darfst, Frau S. nun erkennt dich, der du auf der Rückreise vom verhinderten Besuch der Silvretta Classic kommst (Autobiographische Skizze "Bildnis des Don als junger Geck") an meinem Gefährt im Rückspiegel, hält an, gebietet dir zu bremsen und nötigte dich, noch hinten mit einzusteigen, um sie, das Hannerl und eine Bekannte nach München zu begleiten. Dort sei das Wetter schöner, und du wärst sicher ein idealer Begleiter für das, was zu tun sei. Ich verrenkst dir also die Füsse auf der Rückbank eines alten 450er SLC in "Dallas Special" Gold, fürchtest dich etwas wegen der 3-Satzes der Geschwindigkeit (225 km/h, (vermutlich reale) 75 Jahre am Steuer und 25 Liter Verbrauch) und findest dich zuletzt unverletzt in einem bestimmten Antiquitätenladen wieder, in dem alles zufällig arrangiert wirkt, aber in Wirklichkeit in seiner verstaubten Überfülle verkaufsträchtig angeordnet ist.



Man denkt, dass in all dem zerfledderten Kram, bei all den zerschlissenen Stoffen und der gestapelten Melange aus echtem Rokoko und angepinselten Stilmöbeln des späten 60er Jahre irgendwas dabei sein müsste, das dem Betrachter gefällt und gleichzeitig finanzierbar wäre, wenn man es nicht gerade zur Einrichtung eines Luxusgeschäfts in der Münchner Innenstadt braucht und steuerlich geltend machen kann -

Exkurs: Wusste die Leserschaft übrigens, wie das geht? Ein grosser Teil der überteuerten Antiquitäten werden beim Kauf durch Anwalt, Architekt und Ladenbesitzer nicht heruntergehandelt, sondern zu Package Deals vereint. Statt also ein Dutzend Imariteller zu kaufen, nimmt man noch eine Karaffe und eine Teekanne dazu, die Rechnung aber nennt nur die Teller zum hohen Originalpreis, der dann benutzt wird, um die Stücke als Dekoration beim Finanzamt geltend zu machen, und nach zwei Jahren räumt man sie in die eigene Wohnung, wo Teekanne und Karaffe schon warten, und das Spiel beginnt von vorne. Nur so kann man die manchmal atemberaubenden Preise erklären. Exkurs Ende.

Man steht also mittendrin zwischen dem Eberkopf und Möbel aus der Zeit des geköpften Louis XVI, und denkt, da müsste doch was zu machen sein. Aber nein: Teuer, teuer, so teuer, dass man auch mit Steuertricks nie, nie, nie irgendwas auch nur halbwegs güsntig erstehen könnte. Findet auch Frau S., die es dann doch nicht so arg nötig hat, ein weiteres Sofa für die Männer zu kaufen, die auf den Auswahlprozess ihrer modebedürftigen Frauen warten, erwirbt nur ein paar Gläser als Ersatz für einige Exemplare, die der Hund letzte Woche umgeworfen hatte, und dann zieht ihr weiter. Hierhin.



Das hier sieht nicht nur aus, wie ein ordinäres Heizkraftwerk, es ist auch eines. Hoch, verglast, unten ein Klotz und oben Schornsteine. Nicht wirklich das, was man in der Skyline sehen möchte, wenn man, sagen wir mal, 100 m² an der Isar hat und dann über den hinteren Balkon Richtung Altstadt schaut. Diese Panoramaverschandelung des Gärtnerplatzviertels hat einen wenig klangvolle Adresse - Müllerstrasse nämlich - und ist seit Neuestem der feuchte Traum der Münchner High End Immobilienenentwickler. Am anderen Ende der Alsttadt läuft der Verkauf der neostalinistischen Lenbachgärten gleich neben den Nazibau der Oberfinanzdirektion nach deinem Wissen nicht allzu gut, hier entsteht gewissermassen das neue, jüngere Gegenstück. Bei den Lenbachgärten wurden Universitätsgebäude abgerissen, um Platz für eine globale Elite zu machen, hier nun wird ein Heizkraftwerk umgebaut. Und du stehst davor und begreifts nicht, wie man signifikant mehr als für eine Altbauwohnung zahlen kann, nur um im alten Heizkraftwerk zu wohnen.

Wissen S´, erkärt dir Frau S. mit ihrer jahrzehntelangen Erfahrung als reale Geschäftsfrau, das ist wie hinten beim Antiquitätenladen: Sie brauchen für so einen Verkauf eine Frau und ein Loddirrl.

Exkurs 2: Loddirrl ist bayerisch für Lattentür. Eine Lattentür sind ein paar zusammengenagelte Bretter, die wenig Haltekraft haben; ein Tritt, und sie brechen zusammen. Diese Eigenschaft haben auch gewisse verheiratete Ehemänner, was dazu führt, dass man sie bei und nicht als Pantoffelhelden bezeichnet, sondern als Loddirrl. Exkurs 2 Ende.

Das geht dann so, doziert Frau S.. Die Frau und ihr Loddirrl sitzen beim Verkäufer, und der erzählt dann etwas von der exklusiven Lage, die natürlich auch den hohen Preis zur Folge hat. So sei die Wohnung dann natürlich nicht für jedermann, da kämen nur ganz bestimmte Leute rein. Dann sage man dem Loddirrl, das er, das erkenne man sofort, natürlich zu dieser Klientel zähle. Bei der Frau nun laufen zwei Prozesse ab: Einerseits will sie natürlich irgendwo leben, wo nicht alle leben, und natürlich will sie auch ein Loddirrl, der lahm und feige ist, gleichsam aber reich, potent und fähig, ihr genau das zu bieten. Am Abend lässt sie ihn dann spüren, dass sie nur zu ihm aufschauen kann, wenn er sich auch als entsprechend erfolgreich und potent erweist - und so bekommt sie am Ende die Wohnung, er mehr Spass in der Nacht und der Immobilienentwickler das Geld. So - und nur so -wird aus einem maroden Heizkraftwerk der Stadt München eine Topadresse für global agierendes Publikum.

Wie die Loddirrl und die Frauen erst mal zu solchen Immobilien kommen, schob sie nach, geht übrigens so: Wenn man ein paar Jahre eine gewisse Modezeitschrift im Abo hat, bekommt man Einladungen von "exklusiven Events" in München. Erst irgendwas kleines, um die Person einordnen zu können, und wenn die Erscheinung passt, folgen Empfänge und Modeschauen in Immobilienobjekten, die zufällig gerade fertig und zu verkaufen sind - und natürlich ist das theoretisch nicht zugänglich, aber man macht jetzt mal eine Ausnahme und zeigt eine Musterwohnung - so kommt das Loddirrl dann erst zum Verkäufer, und die Modezeitung zu sehr viel mehr Geld, als 10 Anzeigenseiten brächten. Frau S. lächelte auf eine Weise, die man mit viel gutem Willen als mokant bezeichnen könnte, aber doch eher verschlagen und zynisch war.

Du denkst etwas darüber nach, gibst Frau S. recht, und nach einem Stück Torte geht es auf der linken Spur wieder zurück an den Tegernsee, der nicht billig ist, aber spottbillig im Vergleich zu dem, was Loddirrl in München für einen verbesserten Blowjob ausgeben - bis zu dem Tag, da der nächste Investor das neueste Projekt aufmacht, und die Süddeutsche Zeitung erneut einen euphorischen Bericht bringt.

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Es gibt Reisen, die bricht man ab.

Gestern zum Beispiel. Irgendwann reifte in mir die Erkenntnis, dass alles seine Grenzen hat. Die Reifen eine Grenze der Haftung. Die Strasse eine - leider im Wolkenbruch unsichtbare - Grenze zum Angrund. Und meine Dummheit kennt eine Grenze, selbst wenn irgendwo Oldtimer auf Passstrassen zu sehen wären. Die Grenze war ungefähr hier:



Das ist das, was andernorts der hellichte Tag ist. Und ja, das da oben ist Schnee. Neuschnee. Die Alpen sind klimatisch nicht mit dem Flachland zu vergleichen. Aber eine Geschichte mit Grenzerfahrung habe ich trotzdem mitgebracht.

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Freitag, 4. Juli 2008

Silvretta! Oder auch nicht.

Eigentlich hätte ich heute in Bielefeld sein sollen. Leider war da ein berufsbedingter, unaufschiebbarer Notartermin in München. Um drei Uhr. Als ein wichtiger Beteiligter um halb vier weder anwesend noch erreichbar war, ballten sich draussen schon Wolken zusammen, fast wie die Verbitterung und der Ärger im Raum. Mich betrifft es nicht, ich bekomme so oder so mein Geld, gerne auch für rumsitzen, und danach geht es an den See zu einem angenehmen Bad. Dachte ich. Keine Stunde später war mir dann auch nass und kalt, aber nicht durch das klare Wasser des Bergsees, sondern durch den sintflutartigen Regen, der die Auffahrt zur Wohnung in einen Sturzbach verwandelte. Und nein, weder hatte ich einen Schirm im Auto, noch die Fernsteuerung für die Tiefgarage. Wie hatte ich die Hitze der letzten Tage verflucht - nun war ich hoch oben in der Bergluft, es war kalt, düster, und ich sah unten auf dem See die Wolken von oben. Das wiederum passt so gar nicht zu meinen Plänen, die in etwa so aussahen:



Morgen kommt ab 9 Uhr die Karawane der Silvretta Classic nach Tirol, genauer nach Landeck, was von hier aus über den Achenpass, den Sylvensteinspeicher und den Zirler Berg in Form einer traumhaften Bergstrecke in zwei Stunden zu erreichen ist. Von dort geht es über die Reschenstrasse zurück in die Schweiz, und ich dachte, ich könnte bis hinter die Grenze mitfahren, ab und an ein paar hübsche Bilder von Traumautos in Traumlandschaft machen, am Ende in der Schweiz Schokolade kaufen, und im letzten Licht des Tages über eine andere, ebenfalls wunderschöne Bergstrecke zurück an den See. Unten in den Ebenen schwitzen sie, aber hier oben hätte es angenehme 25 Grad, Sonne, ein paar idyllische Wolken, und das Bimmeln der Kuhglocken mischte sich mit dem Gebrüll des Traums von Geschwindigkeit im 20. Jahrhundert, der Anno 2008 überall sonst zerstoben ist, nur hier in den Bergen dürfe man noch träumen. Vermutlich jedoch werden Bentley und Bugatti aus dem nassen Dunkeln auftauchen, wie dieses Jahr in Mantua.



Nachdem ich letzte Woche die halbe Strecke unter Wolkenbrüchen gefahren bin, frage ich mich, was ich morgen zu nachtschlafender Zeit tue, wenn ich um halb sieben hinausschaue, und schwarze Wolken im Tal hängen. Fahren und hoffen? Umdrehen und weiter schlafen? Es hinnehmen und mitleiden?

Gerade jetzt: Nieselregen.

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Empfehlung heute - die Grenze des Anspruchs auf Glück

Bei intelligent life findet sich ein Ausschnitt einer tollen Reportage über das Leben jenseits der Grenzbefestigungen, mit denen sich die USA gegen Mexiko abschotten.

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Donnerstag, 3. Juli 2008

Das Ende von der Mär vom Ende der Krise

Kennt man eigentlich bestens aus der New Economy: Ein Boom, Wachstum, eine Firma will ganz vorne mitspielen und kauft deshalb im grossen Stil Konkurrenten auf, hat sie noch nicht integriert, als der Markt zusammenbricht, versucht sich durch eine Kapitalerhöhung durch Aktienausgabe zu retten, kann die Papiere aber nicht unterbringen und hat da ein Problem, das aus einer 1,9 Milliarden Pfund schweren Kreditlinie besteht, und ein zweites, das sich auf einem Rückgang der Auftragseingänge von 60% gründet.



Und dann haben wir da noch eine Firma, die taglich, 365 Tage lang, je nach Dollarkurs etwas unter 20 Millionen Euro verbrennt. Über eine Million Dollar pro Stunde. Eine Firma, der innerhalb eines Monats ein gutes Viertel des Umsatzes weggebrochen ist. Und ich rede hier nicht über Kabel New Media und MCI WorldCom, sondern über einen Marktführer der britischen Bauunternehmen und den grössten Autohersteller der Welt.



Natürlich gibt es jetzt auch Durchhalteparolen und Meinungen vom Licht am Ende des Tunnels. Was noch fehlt, ist die Behauptung, erst wenn alle draussen seien, erst wenn sich jede Hoffnung verflüchtigt habe, könne es wieder aufwärts gehen - das sagte man 2002, als man eine "Next Economy" entdeckt haben wollte, und dann endgültig mit Neuer Wirtschaft und Nemax abstürzte. Heute ist das nicht mehr so einfach, Aktienbesitz ist in Deutschland sehr uncool geworden. Aktuell, würde ich meinen, stehen wir mit der globalen Krise dort, wo wir Ende 2000 mit der New Economy standen. Es ist vollkommen klar, dass nichts den Abwärtssog stoppen kann.



Wir können schon froh sein, wenn wir uns so lala abkoppeln können, in der Hoffnug, dass Europa (ohne England, Spanien, Irland, dazu noch Italien, Polen, Portugal, die Niederlande, Belgien, fairerweise auch Frankreich, Tschechien, eigentlich Gesamtosten plus Preussen plus Ruhrgebiet), oder besser das aus Hamburg, Frankfurt und Oberbayern bestehende, sichere Resteuropa nach dem Crash die verwertbaren Assets auf beiden Seiten des Atlantiks übernimmt und damit besser fährt als der Rest der auf Schwellenlandniveau zurückspekulierten Inflationshöllen former known as US of A.



Aber spassig ist was anderes. Die New Economy war lustig, weil der eigentliche Schaden, die falschen Investitionen in Idioten, für eine Weile eine Menge dummes Plebs in Arbeit brachte, das anderweitig als arbeitslose Rumhocker - siehe St. Oberholz - auch teuer gewesen wäre. Das war eine einzige Gummizelle, aber sie war klar begrenzt. Diesmal ist es anders, und es bleibt jedem selbst überlassen, wo er seine feuersicheren Wände gegen den Brand errichtet - ein Brand, über den ich nur weiss, dass man verdammt gute feuersichere Wände braucht.

Noch mehr Irrsinn? Bitteschön: Die Ratingagentur Moody´s erkärt die 2006er AAA-Note für hochtoxische Subprimepakete - mit einem Programmfehler. Jaja, damals (tm) lagen die Marktforscher bei ihren Pognosen auch etwas daneben.

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Don Alphonso darstellen

Ich bin absolut kein Freund von Pressephotos in dem Sinn, dass die Presse Photos von mir macht. Man hat zwar Persönlichkeitsrechte, aber einem Urheberrechtsverletzer und Lügner wie dem Pleitier Peter Turi ist das erkennbar egal, insofern behält man besser alle Rechte, dann kann man sich auch schnell und effektiv wehren. Ich würde mich auch ungern in meinem Zuhause ablichten lassen, das geht absolut nicht, vielleicht, weil ich mich weniger als Gegenstand von Berichterstattung sehen möchte, als ich letztlich bin, und deshalb auch auf mein Recht auf Privatsphäre poche.

Nun gab und gibt es in letzter Zeit einige Berichte, die fast schon in den Bereich Homestory gehen, und natürlich versuche ich, dem Bild im Blog dann auch im Interview gerecht zu werden; ich sehe mich veranlasst, eine Kunstfigur darzustellen und sie Dinge sagen zu lassen, die gar nicht unbedingt die Meinigen wären. Um hier einem Manko solcher Berichte abzuhelfen, die sich deskriptiv behelfen müssen, um die dem Gesagten natürlich angepasste Umgebung des Gesprächs in den Text zu bringen:



Ein wenig rechts vom Fenster sitze ich dann sehr breit und zurückgelehnt auf dem Sofa, biete Tarte, Torte, Tee, Kaffee und Auszogne mit hausgemachter Marmelade an, und wenn alles vorbei ist, trinke ich an Tagen wie heute ein Glas (a la facon venise) Eistee.

Ich denke, es gibt die Erwartungshaltung gut wieder, und man bekommt als Interviewer in etwa das, was man in der Redaktion vorgeschlagen hat. Und nun würde mich mal interessieren, wie es bei anderen heimgeschichteten Bloggern so aussieht.

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Mittwoch, 2. Juli 2008

Glut

In diesen heissen Tagen hat man mal wieder ein heisses Eisen gefunden, mit dem schönen Namen Construction Loans, und ein paar Idioten, die sowas in der Hand halten. Noch verdeckt sind andere Idioten, die das ganze Übel dann verbrieft aufgekauft haben.



Kurz nach diesem Bild hatte ich ein langes Telefonat mit einem Experten, der auf eine interessante Sache hinwies: Würde man die Bewertungsgrundlage der 70er Jahre nehmen, hätten wir in Deutschland akuell eine Inflation von rund 8%. Ich habe vorgestern quasi blind eine Kommode gekauft, die beim ersten Blick dann doch nicht so ganz meines war, aber nach dem Telefonat war ich froh, gekauft zu haben.

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Zeit der Extreme

Extrem sterben.



Oh, keine Frage.
Wir erleben natürlich auch Extreme des Todes.
Sogar viel anschaulicher und massiver als früher.
Damals war der Tod, das Krepieren und Gehen
nicht im Mindesten so allgegenwärtig wie heute,
da wir die Glotze nicht durchzappen können,
ohne einen stellvertretendes Tödlein zu sehen,
das zu erleben wir ansonsten - pardon - vermeiden.
Tod. Ist ja nicht so schlimm in Medien, gehört dazu,
der Held fickt nachher trotzdem die Überlebende,
Persönlichkeitskrise, warum denn, bitte Küssen,
Abspann, Tod treibt Handlung, das ist alles.

Wenn möglich, verpacken wir ihn in Zahlen,
mehrere tausend Tote wo auch immer, fern von uns,
click mich an, mach mir die Quote, schlimm, oh,
tja, nun das Wetter. Oh nein, Gewitter am Nachmittag.
Und nun zu den Produktinformationen, billiger!
Es gibt den Tod, man wird täglich darauf hingewiesen,
aber etwas anders und netter, als es früher üblich war.
Nicht so vulgär, so in der Mitte von uns allen.
Das Morbide, die Groteske, das alles packen wir
in die Kategorie Horror, ein Kitzel, aber keine Wirkung.
Wer den Tod bekommt: Nicht stören, bitte ins Altersheim.

Extrem leben.



Wir leben in bunt. Starck macht rotes Plastik,
nur Gold, da trauen wir uns nicht so richtig.
Wir Parvenüs der vergangenen Epochen
die wir Farbcodes haben und Einrichtungssendungen,
wir nehmen, was geht, und was wir uns trauen.
Wir haben Moden vom Nierentisch zu Maria Weiss
und viel Halogen, um das Elend auszuleuchten.
Nur Illusionen bauen und leben wir nicht mehr,
Grotten für den Sommer oder exotische Tapeten.
Neben uns brummt die Klimaanlage das Lied
von AKWs und Braunkohleverschwendung.

Unser Asien ist garantiert echt und nicht lackiert,
keine Illusion, sondern echt originale Kinderarbeit
Russland schenkt uns seine gepressten Holzspäne
und Kirschfurnierimitat blinkt unter Epoxyd.
Der nordische Konzern, der unser Leben liefert,
urlaubt unser Geld an den blitzenden Bahamasstrand.
Wir machen uns nichts mehr vor, keine Phantasie bitte
oder gar etwas, das Arbeit bedeutet und Putzen,
wir fressen Ritalin vom Plastikteller und alles ist gut,
viel besser als die Deppen von früher, die tot sind,
und von denen wir uns keinesfalls stören lassen.

Aber wir leben, wir leben nicht schlecht, gut sogar
und es kann uns scheissegal, wir erfinden neu,
die Industrie hilft gerne mit Pappe und Polymeren,
wir schleppen es heim, schreien in das Fernsprechgerät,
Schatzi, ganz toll, und es war superbillig und praktisch,
praktisch ist es natürlich auch. Schatzi glotzt an
und schiebt Convenience in die Mikrowelle.
Schatzi zieht sich nachher vielleicht sogar aus,
wenn der Porno als DVD rotiert, danach Studium
der aktuellen Supermarktangebote.

Wozu noch sterben?

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Dienstag, 1. Juli 2008

Empfehlung heute - Ost/West

und wieder zurück, mit Umweg und Vigilien.



Ich habe mir erklären lassen, dass es im Moment keine Finsternis gibt, irgendwo ist immer eine leichte Dämmerung, und es stimmt, ganz im Norden zeichnen sich in tiefster Nacht die Gebäude vor dem etwas helleren Himmel ab. Jeden Tag ist es fast unerträglich heiss hier im Tal, vielleicht fahre ich demnächst wieder in die Berge, auf Sommerfrische, und schreibe Gegenentwürfe zur Nachbarin Courths-Mahler, wie Standesunterschiede sich nicht um Liebe scheren -warum sollten sie auch, gefüttert durch schlechte Reichenmagazine und faul wegen des Ausbleibens gesellschaftlicher Prügel.

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Wo man bleiben kann - Platz 2: Norditalien Altstadt

Vor eineinhalb Jahren hatte ich den Kauf einer Wohnung in Italien auf der näheren Lebensagenda stehen. Es gibt eine Reihe von Gründen, warum es nicht geklappt hat: Extrem hohe Preise rund um den Gardasee, ein bescheidenes Angebot, später dann schwere rechtliche Bedenken beim gefundenen Objekt, einer restauierungsbedürftigen Villa in Riva, die sicher irgendwie finanzierbar gewesen wäre, aber mit unabsehbaren Risiken verbunden war, und dann zeichnete sich schon damals der politische Rücksturz in die finsteren Zeiten des Berlusconi-Regimes ab - Verona beispielsweise bekam einen Bürgermeister mit rechtsextremen Ansichten. Damit bliebe nur die autonome Provinz Südtirol übrig, aber Berge und Seen kann man auch in Deutschland haben, mit weitaus weniger Fahrleistung und vermutlich weitaus höherer Belegung. Dazu kommt jetzt noch Inflation, der allgemeine wirtschaftliche Niedergang Italiens und Benzinpreise, so dass auf Platz 2 dieser Serie von Empfehlungen für die Rettung des Privatvermögens durch Immobilien etwas ganz anderes steht: Eine Altstadtwohnung dort, wo man sein will.



Einschränkend möchte ich sagen, dass es natürlich ein paar Regionen gibt, in denen man so etwas keinesfalls will: Der Osten Deutschlands, das Ruhrgebiet und ähnliche No-Go-Areas, die nachhaltig bewiesen haben, dass mit ihnen auf absehbare Zeit nicht mehr zu rechnen ist. In wirtschaftlich guten Zeiten könnte man natürlich auch dort riskieren, aber die Erfahrungen der letzten Jahre und die allgemeine Krise spricht dagegen. In wirtschaftlich halbwegs prosperierenden Regionen jedoch erscheint es mir ratsam, das Geld so schnell wie möglich in eine Immobilie umzuwandeln, mit folgenden Eigenschaften:

- im Zentrum
- in einer ruhigen Seitenstrasse
- in einem denkmalgeschützten - oder schützbaren - Altbau
- mit etwas Erfahrung: Besser eine grössere, unrestaurierte Wohnung als eine kleine, übersanierte Wohnung.

Im einzelnen würde ich es so begründen wollen: Man spart durch die Wohung im Zentrum. In aller Regel rühre ich mein Auto einmal pro Woche an, wenn ich an den Tegernsee fahre. Ansonsten brauche ich es hier nicht, es ist alles in Laufweite. Theater, Konzerte, Geschäfte, Cafes, mein Leben ist zu 100% in der Innenstadt, und dadurch bleiben die Transportkosten niedrig. Müsste ich nach draussen, gibt es keinen Ort, der nicht von hier aus am besten zu erreichen wäre. Innenstadt spart Geld und Zeit.

- natürlich ist es in der Stadt nicht gerade leise. Aber es reichen meistens 200 Meter Entfernung von den A-Lagen, dass es dort in der Nacht "doudelt" (tötelt), wie man in Bayern sagt. Ein Kneipenviertel ist in Ordnung, wenn es in Gehweite zu erreichen ist, aber es sollte nicht direkt in der Nachbarschaft sein. Solche Nebenstrassen der Altstadt haben oft ein gutes nachbarschaftliches Gefüge, in das man gerade als langfristiger Besitzer in der Regel schnell aufgenommen wird.

- Denkmalschutz verlangt natürlich behutsamen Umgang mit der Substanz, aber gewisse Dinge am Haus oder die Restaurierung sind teilweise steuerlich absetzbar, oder erhalten sogar einen Zuschuss, wenn die Kommune finanziell halbwegs gut dasteht.

- Überrestaurierte Wohungen sind wie gespachtelte Oldtimer: Man sieht ihnen ihre Macken und Probleme nicht an, der Pfusch liegt unter Putz und kann zu bösen Überraschungen führen. Aus meiner Erfahrung mit in diesem Beeich tätigen Fonds heraus würde ich behaupten, dass die Risiken solcher Wohnungen höher sind, als die Probleme der eigenen Restaurierung. Generell würde ich also eher zu einer unrestaurierten Wohnung greifen, die bei gleichem Preis mehr Raum bietet, und sie nicht innerhalb von 3 Monaten umbauen lassen, sondern langsam selbst Raum für Raum vorgehen, Detail für Detail vorgehen. Dann mal den Boden machen lassen. Oder die Fenster. Und sehr genau überlegen, welche Patina bleiben kann. Ein paar Jahre Zeit lassen. Man wird noch länger dort sein.



Letzteres hat auch mit der allgemeinen Preisentwicklung zu tun. Nachdem mein Objekt denkmalgeschützt ist, und ich alle Käufe entsprechend nachweisen muss, habe ich hier im Blick, wie sich die Preise für Farbe, Putz, Heizungsrohre und Kleinzeug verändert haben. (Letzte Woche: Hausabrechnung, das Übel des Vermietens). Von 2001 bis 2008 haben sich viele Preise gradraus vedoppelt. Und im nächsten Jahr erwarten meine Handwerker einen Preisanstieg von mindestens 10 bis 15 Prozent bei ganz normalen Baustoffen. Wer einen Armatur von Grohe aus den 60er Jahren hat, alte Porzellanschalter für das Licht oder Türen, die sich retten lassen: Nichts wegwerfen. In aller Regel ist das, was vor Jahrzehnten noch finanzierbar war, nicht nur auf langfristige Nutzung ausgelegt, sondern heute auch erheblich teurer. Ein Wasserhahn, der seit 50 Jahren klaglos seinen Dienst tut, wird ihn auch in den kommenden 50 Jahren erfüllen - ein billigeres Ersatzmodell, das ich in einer Wohnung vor 11 Jahren verbaut habe, hat letzten Winter dagegen den Abgang gemacht, und es mitsamt des Schadens zu ersetzen war nicht wirklich billig.

Diese Teuerung wird mittelfristig auf Mieten und Immobilienpreise durchschlagen. Nicht sofort, nicht überall, aber ich wage die Prognose, dass es derartige Objekte nicht mehr lang halbwegs günstig geben wird. Einfach, weil unter Berücksichtigung aller Kostenfaktoren und der sozialen und demographischen Entwicklung die Altstadt die grösste Sicherheit für das Geld bietet, das man dort investiert. Solange man es selber tut, mit der Bohrmaschine umgehen kann, gerne was werkelt und man sich nicht auf Projekt- und Steuersparentwickler verlässt.

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: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :

Montag, 30. Juni 2008

Welch herrlicher Abend

Das tiefe Blau des Himmels, die warme Luft, ein paar angerötete Wolken nach einem dramatischen Sonnenuntergang, und noch Stunden werde ich draussen sitzen können.



Ein paar Autotüren schlagen, ein paar Leute verlassen die Stadt, und irgendwo gab es auch mal einen Schrei, ansonsten ist es angenehm still hier. Meine Tarte schmeckt vorzüglich, und sollte es doch nochmal etwas lauter werden: In meiner Anlage läuft eine CD mit spanischer Renaissancemusik.

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Empfehlung heute - Deutschland halt die Fresse

Du bist als Nation so unsagbar peinlich, und es ist gut, wenn es Dir ein Südtiroler mal deutlich sagt. (Überhaupt: Südtiroler, die einzige deutschsprachige Gruppe, die ansatzweise von sich behaupten kann, sexy zu sein)

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Nichts ist passiert

Alle Befürchtungen, Überlegungen und ausgefeilten Gemeinheiten - umsonst. Keine Skandale, kein Protest, kein wütendes Verlassen des Gartens, alle waren zufrieden, haben danach den Kuchen gegessen und dem sozialen Zweck freundlich unter die Arme gegriffen. Auch danach gab es keinen Faux Pas, keine Eifersüchteleien, und böses Getratsche ist mir auch nicht zu Ohren gekommen.

Das ist etwas schade, denn eigentlich hoffte ich, dass daraus in der Rückschau wieder eine neue Geschichte erwächst, die andernorts für Erheiterung sorgen könnte. Es war einfach nur ein weisses Zelt voller kultivierter Menschen mit Anstand und Benehmen, ohne Gequatsche, schlechte Manieren und Twitter. Ich habe oft genug in Berlin Auftritte gehabt, ich kann auch damit leben, dass sich sowas wie Felix Schwenzel ins Publikum zwängt, sich einen Awarenessgeilen abtwittert und dann in den Boden starrt, wenn er an mir vorbei gehen muss. Früher gab es die Wichtigtuer mit den nervigen Fragen, heute lassen die gleichen einfach das Handy an, egal wie das Getippe und Gekischer den anderen Zuhörern auf die Nerven geht. Es war wirklich sehr erfrischend, mal wieder vor Menschen aufzutreten, die einfach nur eine Lesung hören wollten.



Sicher amüsanter als mein Erlebnis, das jetzt nahtlos in die Fertigung einer Tarte übergeht, ist der drei teilige Bericht von Andrea Diener über diesen komischen Literaturpreis da im literaturfreien Schurkenstaat Österreich, der seine einzige Existenzberechtigung aus Andreas Berichten bezieht. Also, der Preis, meine ich, Österreich selbst ist nicht zu entschuldigen.

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