Das Ende von der Mär vom Ende der Krise

Kennt man eigentlich bestens aus der New Economy: Ein Boom, Wachstum, eine Firma will ganz vorne mitspielen und kauft deshalb im grossen Stil Konkurrenten auf, hat sie noch nicht integriert, als der Markt zusammenbricht, versucht sich durch eine Kapitalerhöhung durch Aktienausgabe zu retten, kann die Papiere aber nicht unterbringen und hat da ein Problem, das aus einer 1,9 Milliarden Pfund schweren Kreditlinie besteht, und ein zweites, das sich auf einem Rückgang der Auftragseingänge von 60% gründet.



Und dann haben wir da noch eine Firma, die taglich, 365 Tage lang, je nach Dollarkurs etwas unter 20 Millionen Euro verbrennt. Über eine Million Dollar pro Stunde. Eine Firma, der innerhalb eines Monats ein gutes Viertel des Umsatzes weggebrochen ist. Und ich rede hier nicht über Kabel New Media und MCI WorldCom, sondern über einen Marktführer der britischen Bauunternehmen und den grössten Autohersteller der Welt.



Natürlich gibt es jetzt auch Durchhalteparolen und Meinungen vom Licht am Ende des Tunnels. Was noch fehlt, ist die Behauptung, erst wenn alle draussen seien, erst wenn sich jede Hoffnung verflüchtigt habe, könne es wieder aufwärts gehen - das sagte man 2002, als man eine "Next Economy" entdeckt haben wollte, und dann endgültig mit Neuer Wirtschaft und Nemax abstürzte. Heute ist das nicht mehr so einfach, Aktienbesitz ist in Deutschland sehr uncool geworden. Aktuell, würde ich meinen, stehen wir mit der globalen Krise dort, wo wir Ende 2000 mit der New Economy standen. Es ist vollkommen klar, dass nichts den Abwärtssog stoppen kann.



Wir können schon froh sein, wenn wir uns so lala abkoppeln können, in der Hoffnug, dass Europa (ohne England, Spanien, Irland, dazu noch Italien, Polen, Portugal, die Niederlande, Belgien, fairerweise auch Frankreich, Tschechien, eigentlich Gesamtosten plus Preussen plus Ruhrgebiet), oder besser das aus Hamburg, Frankfurt und Oberbayern bestehende, sichere Resteuropa nach dem Crash die verwertbaren Assets auf beiden Seiten des Atlantiks übernimmt und damit besser fährt als der Rest der auf Schwellenlandniveau zurückspekulierten Inflationshöllen former known as US of A.



Aber spassig ist was anderes. Die New Economy war lustig, weil der eigentliche Schaden, die falschen Investitionen in Idioten, für eine Weile eine Menge dummes Plebs in Arbeit brachte, das anderweitig als arbeitslose Rumhocker - siehe St. Oberholz - auch teuer gewesen wäre. Das war eine einzige Gummizelle, aber sie war klar begrenzt. Diesmal ist es anders, und es bleibt jedem selbst überlassen, wo er seine feuersicheren Wände gegen den Brand errichtet - ein Brand, über den ich nur weiss, dass man verdammt gute feuersichere Wände braucht.

Noch mehr Irrsinn? Bitteschön: Die Ratingagentur Moody´s erkärt die 2006er AAA-Note für hochtoxische Subprimepakete - mit einem Programmfehler. Jaja, damals (tm) lagen die Marktforscher bei ihren Pognosen auch etwas daneben.

Donnerstag, 3. Juli 2008, 01:21, von donalphons | |comment

 
Also ich verstehe dich nicht. Du musst das gelassener sehen. Die Deutsche Bank braucht zum Beispiel im zweiten Quartal noch keine Kapitalerhöhung. Das sind doch gute Nachrichten.

GM kann nur pleite gehen muss aber nicht. Die Immobilienpreise in London und Umgebung sind nicht wie verrückt gesunken sondern geben klare Kaufsignale.

Auch die Firmen die jetzt schnell und hart, ihre Produktion aus China und sonstwo zurück nach Hause holen, sind kein Signal.

Sei fröhlich. Lachend in den Untergang.

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Die Deutsche Bank braucht zum Beispiel im zweiten Quartal noch keine Kapitalerhöhung.
Exakt: Noch. Und: Die werden lustig weiter abschreiben. Quartal für Quartal.

Aber wirklich interessant ist tatsächlich Dein vorvorletzter Satz. Diese Entwicklung habe ich tatsächlich von einem meiner Profs vor ca. 3 Jahren prognostiziert bekommen - der sagte damals, dass im Zuge kontinuierlicher Rohstoff- und Treibstoffpreissteigerungen (=Transaktionskosten) und explodierender Löhne (=Produktionskosten) in den vormaligen "Entwicklungsländern" die Idee vom Outsourcing und Near- bzw. Offshoring genaugenommen tot sei. Man blicke nur nach Rumänien oder Polen, wo inzwischen der Arbeitsmarkt leergefegt ist und sich die Gehälter in den letzten paar Jahren verdreifacht haben.

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Weil die Deutsche Bank in einer Art Brandschadenverkauf einiges losgeworden ist, was langfristig dann aber auch unschöne Folgen haben wird - 1 Milliarde "Sondererlöse".

Wenn GM 1/4 weniger Autos verkauft, heisst das grob, dass bei allen Mitarbeiters in den USA sowie der gesamten Zuliefersparte Feuer am Kreditdach ist. Zusammen mit den fallenden Hauspreisen müssten diverse amerikanische Banken gleich wieder ordentlich abschreiben. Dass weltweit der Ackermann gemacht und die ganze Lage gesund gebetet wird, ist offensichtlich, aber so hart es klingt: Wir brauchen eine gesunde Rezession, um all die Blasen loszuwerden - chinesische Aktien, britische Häuser, Öl, Stahl, Kupfer.

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Es ist schon interessant, was für hanebüchene Begründungen die Rating-Agenturen jetzt anführen um den Kopf aus der Schlinge zu ziehen. Sich hinstellen und sagen: "Auch wir haben Mist gemacht" geht ja nicht. Die fälligen Schadenersatzforderungen und Milliarden-Klagen dürften sonst Moody und den anderen Rating-Agenturen (kennen die eigentlich auch was anderes als AAA und AA?) das Genick brechen.

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Ich denke, es gibt ein zu grosses Interesse, die Ratingagenturen ungeschoren zu lassen. Schliesslich will man auch morgen noch davon profitieren, dass die nicht allzu genau hinschauen. Alle. Ohne Ausnahme.

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Wäre alles kein Problem, die Politik ist schuld. Die FAZ lässt z.B. unreflektiert ein von Haus&Grund und Bausparkassen finanziertes Institut jammern: Am Rückgang des Wohnungsneubaus sind die Kommunen schuld, die zu wenig Bauland bereitstellen und damit die Preise in die Höhe treiben. Als wenn wir kein Demographieproblem hätten, kein realen Nettoeinkommensverlust und die Ballungszentren im Westen kein Problem haben, Ausgleichsflächen bereitzustellen. Krise?

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Und wieder stellen wir uns an die Tafel und schreiben zur Strafe 1000x "es gibt kein unbegrenztes Wachstum"...

Die Produktion aus China zurückholen - das gefällt mir, Ich hörte gestern, daß Steiff das gerade tut - nicht etwa wegen der Transportkosten, sondern weil die Qualitätsmängel die Ersparnis bei weitem nicht aufwiegen... dennoch ist es immer noch gegen den Trend (und gerade deshalb richtig).

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Die Abschreibungen werden irgendwann aufhören. Aber dann ist noch lange nicht geklärt, womit die Banken in Zukunft ihre hohen Renditen verdienen sollen. Das Investment Banking hat in den vergangenen Jahren vor allem vom Wahnsinn der kreditfinanzierten Übernahmen gelebt, die mittlerweile so ziemlich zum Erliegen gekommen sind. Im Privatkundengeschäft versuchen sich viele auszubreiten, aber auch dort herrscht längst ein mörderischer Wettbewerb (siehe Tagesgeld-Konditionen und kostenlose Girokonten). Außerdem kann man mit Privatkunden, die angesichts des zu erwartenden Konjunktureinbruchs kaum mehr Geld haben werden, nur schlecht Geschäft machen. Ähnliches gilt für Unternehmensfinanzierungen. Die Vermögensverwaltung gilt als lukrativ und zukunftssicher, da die Reichen so schnell nicht aussterben werden. Aber die Renditen in diesem Segment waren in den vergangenen Jahren zumindest bei der Deutschen Bank deutlich niedriger als in den anderen Geschäftsfeldern. Und ich denke, die Reichen werden ihr Geld im Moment auch lieber den feinen Privatbanken anvertrauen, weil diese sich - anders als die Großbanken - nicht selbst verspekuliert haben. Das Problem dürfte auch die UBS bekommen, die in den USA nun auch noch ein Problem mit ihrem Bankgeheimnis am Hals hat.

Es wird wohl darauf hinauslaufen, dass einige vom Markt verschwinden, während andere auf handliche Größe zusammenschrumpfen. Es sei denn, sie erkennen schnell eine neue Blase, die sich aufpumpen lässt - egal, wer am Ende die Zeche zahlt.

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Das Aufpumpen läuft schon - bei Nahrngsmitteln und Rohstoffen, wenngleich das sicher auch nicht lange gut geht und nur die ärgsten Löcher stopft. Ansonsten sind die erst mal eine Weile mit sich selbst und dem gegenseitigen Auffressen beschäftigt. Oder mit der Politik, die eigentlich für solche Leute die guten, alten Galeeren einführen sollte.

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Phoenix
So wie amelia das sagt, würde, zuende gedacht, Krise um Krise der Kapitalismus sich selber fertig machen. (Diese "Theorie" hat es in der Geschichte der Arbeiterbewegung tatsächlich gegeben; ein böser Fall von Situation falsch eingeschätzt.) Das ist seit 250 Jahren jedoch erkennbar nicht so.

Denn Verschwinden und Zusammenschrumpfen sind nur Funktionselemente des steten innerkapitalistischen Fortschrittsprozesses zugunsten größerer Einheiten: der Erfüllung der Schrift von der Konzentration und Akkumulation des Kapitals.

An der "gesellschaftlichen Oberfläche" (Marx) ist dies von allerlei moralisch Erregendem begleitet, etwa den Hungerspekulanten und dem Hunger, ein Phänomen, welches uns zeigt, dass der Kapitalismus das Kunststück fertigt bringt, ein Phönix zu sein, der – entgegen dem Mythos – nicht aus eigener, sondern aus fremder Asche – der Asche der Opfer - immer wieder aufsteigt.

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Es ist aber die Frage, ob der Kapitalismus mehrere dicke Spekulationsblasen innerhalb eines einzigen Jahrzehnts benötigt, um richtig funktionieren zu können. Er zum Beispiel ist da anderer Meinung:

http://www.wifo.ac.at/wwa/servlet/wwa.upload.DownloadServlet/bdoc/WP_2007_305$.PDF

Auch die Marktwirtschaft funktioniert nie ohne bestimmte Rahmenbedingungen, die ihr gegeben werden. Mal sind sie freier, mal restriktiver - es muss eben der richtige Weg gefunden werden. Ob es wirklich die ideale Lösung ist, dem Kapitalmarkt so freien Lauf zu lassen, wie es in den vergangenen Jahren geschehen ist, das halte ich für zumindest fragwürdig.

Es ist ja bezeichnend, dass ausgerechnet Managed-Futures- (Trendfolge-) Hedgefonds schon wieder hohe Renditen abwerfen (http://www.hedgeindex.com/hedgeindex/de/default.aspx?cy=USD). Die tun ja im Wesentlichen nichts anderes, als anhand der vergangenen Wertentwicklung bestimmter Anlageklassen auf eine bestimmte zukünftige Entwicklung zu wetten. Welchen volkswirtschaftlichen Nutzen das hinsichtlich einer "fairen Preisbildung" haben soll, ist mir schleierhaft. Es funktioniert einfach nur gut, solange alle in eine Richtung rennen und man selbst es schafft, weit vorne zu sein. Und letzten Endes führen solche Investmentstrategien nur dazu, dass vorhandene Trends verstärkt werden, ganz egal, ob sie in irgend einer Weise fundamental gerechtfertigt sind oder nicht.

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ach bitte.... nicht hier, nicht jetzt, nicht so.

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Das Einzige, was Du bei genauerem Lesen sagst, ist, dass der Kapitalismus überleben wird. Das habe ich beim schnellen Lesen nicht verstanden, weil ich selbst vorher überhaupt nicht behauptet habe, dass der Kapitalismus vom Tode bedroht sei. Ich glaube auch beim näheren Nachdenken nicht, dass man das aus meiner Argumentation schließen kann. Man kann allerhöchstens daraus schließen, dass die Abneigung der Bevölkerung gegen diese Wirtschaftsform steigen könnte. Fragt sich, wer hier an wem vorbeiredet...

Aber es gibt auch hartnäckige Argumentatoren, die behaupten, dass die ganzen Übertreibungen ja alle ihren tieferen Sinn gehabt hätten, dass der Häuser-Boom in den USA ja Arbeitsplätze geschaffen habe und so weiter. Und dass das, was am Kapitalmarkt passiere, ja eigentlich nur faire Marktpreisbildung sei. An diese Adresse war mein Posting gerichtet. Du warst vermutlich die falsche Adresse, das gebe ich zu.

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Warum sollte sich der Kapitalismus auch durch so etwas zu Grunde richten? Klar, es gibt eine gewisse Umverteilung des Kapitals und dadurch Gewinner und Verlierer, aber an der Konzentration in wenigen Händen scheint das nicht viel zu ändern. Vielleicht hätte man Kapital effizienter anhäufen können, wenn man ernsthaft damit gewirtschaftet hätte, anstatt am Kapitalmarkt zu zocken. Aber anscheinend bringen Zockereien dem Einzelnen ohnehin mehr als ernsthaftes Wirtschaften (womit wir wieder bei den Thesen von Schulmeister wären). Nein, ich kenne Marx' Theorien nicht im Detail, aber ich sehe in der aktuellen Situation keinen Grund, den Niedergang des Kapitalismus zu erwarten (jedenfalls nicht ohne irgend eine Art von Revolution).

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