Mittwoch, 3. Dezember 2008
Ein kleines Stück Kürbis

Grossbild hier, Mittelbild hier
Erst mal als Foodporn verbloggen. Und nachher mache ich eine Kürbistarte. Zur Feier des Tages. Also, meines Tages. Wäre ich General Motors und bräuchte schlanke 4 Milliarden sofort, um das Ende des Jahres zu überleben, oder ein amerikanischer Abgeordneter und müsste den Vollversagern von Cerberus und ihrer Klitsche Chrysler 7 Milliarden hinterherwerfen - und das alles nur für den Anfang - oder generell wohnhaft in den UdSSA, würde ich anfangen, mich an billige Hotdogs zu gewöhnen.
Und zwar von der falschen Seite des Rollwägelchens aus.
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Gute Nachrichten für Rebellmarkt-Hasser
5 Jahre Rebellen ohne Markt
überstanden, höchstens mit ein paar Magengeschwüren und schlechten Wünschen.
historischer, scheinheiliger rotschopf mit verdrehten augen aus einem unaufgeklärten zeitalter, dessen fossilien im sumpf der berliner kuschelkaufs überlebt haben
Mit etwas Glück und einer unschönen Einstellung höherer Mächte gegen mich müsst Ihr vielleicht nur noch 10 mal 5 Jahre mit dieser hübschen Seite leben. Na? Ist das nicht prima? Also, hoch Eure hässlichen, usauberen Kaffeemugs!
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: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :
Dienstag, 2. Dezember 2008
Boomurbanistik

Als der Hauptstamm meiner Familie das Haus erwarb, in dem ich jetzt schreibe, hatte der Ort 5000 Einwohner. Als ich in diesem Haus geboren wurde, waren es 60.00. Heute sind es mehr als doppelt so viele, Tendenz weiter steigend. Und wer hier wohnt und arbeiten will, arbeitet hier auch. Es gibt keinen Arbeitsplatzmangel, und für eine Grossstadt vergleichsweise minimale soziale Vewerfungen - und die wiederum in den Ecken der Stadt, in denen man unter Kohl meinte, Russlanddeutsche vor dem Kommunismus retten zu müssen. Das Wachstum hat alle mitgenommen, aus armen Schluckern wurden Facharbeiter, deren Entlohnung für einen hippen Berliner vermutlich ein Schock wäre, aus Abiturienten werden Manager, und die alte Oberschicht hat es geschafft, oben zu bleiben. Schliesslich gehörte ihnen früher das, wo jetzt die anderen sind, und manchmal gehört es ihnen bis heute. Man könnte sich zufrieden zurücklehnen und einfach zuschauen, Generation um Generation, wie das Geld reinkommt, sich durch den Konsum und den Bedarf verteilt und einen reichen, fetten Klops im Donautal macht. Gross, geschmacklos, prall, sicher auch etwas beschränkt und ein Hohn für alle Regionen, denen es dreckig geht. Das hier ist die richtige Seite.

Trotzdem gibt es Ängste, grosse Ängste. Schliesslich ist die Autobranche zu einer tödlichen Grube geworden, aus der man sich herausbetteln muss. Die Produkte des Autoherstellers sind gut und begehrt, aber auch ziemlich teuer. Die monatlichen Zulassungs- und Absatzstatistiken sind ein Quell steter Ängste, es könnte irgendwann vorbei sein. Den Neuzuwanderern kann es vergleichsweise egal sein, die gehen dann vielleicht wirder oder werden frühpensioniert. Aber die, die hier bleiben und schon immer da waren, sind vom weiteren Erfolg der gefrässigen Firma vor der Stadt abhängig. Bisher, auch diesmal, hat die Fima kein Problem, die Ängste zu zerstreuen. man sitzt hier, liest die entsetzlichen Zahlen von Opel - minus 38% -, und fragt sich, wie das jetzt in Rüsselsheim sein muss. Anders als hier, wo ich heute an der Kasse zehn Minuten warten musste, um meine neue Springform zu bezahlen. Wer hier wohnt und, wie die meisten Eltern meiner Bekannten, kein Internet hat, kennt die Finanzkrise nur aus der zeitung als etwas weit Entferntes, das sie Depots gemeinerweise schmälert. Auf den Hinweis, dass es auch hie schwerer werden könnte, sagen sie, de Seehofer werde seine Stadt schon nicht verkommen lassen.

(es ist gar nicht so leicht, hier ein bild von vandalismus zusammen (!) mit einem länger nicht gestrichenen Zaun zu finden)
Inzwischen sickert durch, dass es auch sehr bald ein Elektroauto geben wird, das wirklich funktioniert und schick ist, Benzinsparer und noch so ein paar Dinge, die die bessere Gesellschaft beruhigen. Die Kriminalität ist niedrig, es gibt keine Sprayerpest, es ist alles nur grösser geworden, aber nicht wirklich anders. Landschaftlich ist es hier noch immer nicht reizvoll, aber wenn man erwähnt, dass man sich da und dort eine Wohnung gekauft hat, mit See, Berg, oder mehr, ist die typische Antwort, dass der eine und andere dort ja auch was hat. Alle profitieren, keiner geht leer aus, es ist zwar inzwischen ganz schön teuer, aber man kann es sich umgekehrt auch leisten. Rs bleibt bei manchen die Angst und bei mir auch das Wissen, dass es nicht immer so wid weitergehen können, nichts hält ewig, aber vielleicht wird es dann anders weitergehen, und nicht Detroit oder Wedding an der Donau. Oder Bayerisch-Rüsselsheim.
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Christbaumkugeln, die mir gefallen könnten

Gerade Weihnachten 2009, das dem hoffnungsfrohen Wort "Jahresendrally" eine neue Bedeutung und vielen Menschen die Chance einer beruflichen Veränderung gibt, um es mal sozialverträglich zu sagen, böte sich für dieses Sujet am Baum wirklich an.
Übrigens hört man von mit der Thematik vertrauter Seite, dass die diesjährigen Weihnachtsauktionen üppige Angebote vorweisen - so mancher Münchner atellt gerade fest, dass, wie man hier sagt, nix gwies is, und trennt sich so von Teilen seiner künstlerischen Habe. Ein letzthin unfreiwillig bekannt gewordenes Bankhaus in der schönen Isarstadt etwa hatte ein Aktienprogramm für Mitarbeiter, das man nicht wirklich ablehnen konnte, und so legte man brav einen Teil des Lohns in den Geschäften des eigenen Hauses an. Und die haben mit die schlechtesten Ergebnisse dieses ohnehin schon schlechten Jahres. Wenn man dann noch Schulden abbezahlen muss, gobt man vielleicht doch etwas moderne Kunst in einen Kreislauf, der gerade zu verstopfen droht. Besitzer alter Meister stehen da noch relativ gut da. Noch.
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: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :
Montag, 1. Dezember 2008
Ihr müsst jetzt ganz hart sein.


Das ist der eigentliche Grund, warum Medien nie verstehen werden, wie das mit dem Bloggen geht.
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Manipulationsmöglichkeiten v0n Sascha Lobo
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Montag, 1. Dezember 2008
BayernND
Es gibt so Beiträge, da braucht man etwas Zeit. Die Vorgänge um die bayerische Landesbank jedenfalls versetzen auch mich, der ich einige Zeit in der Landespolitik gearbeitet habe, in Erstaunen. Man hat sich ja einiges vorstellen können, 3 bis 5 Milliarden Verluste wurden schon im Frühjahr vermunkelt, aber das, was jetzt kommt, sprengt doch alles Vorstellbare: Die Sparkassen scheiden aus und müssen vermutlich 1,4 Milliarden weitgehend abschreiben, und der Freistaat - und damit wir alle - zahlt drauf. Weit mehr als das, was die Bank in den letzten Jahrzehnten als Gewinn eingefahren hat. Und dann gibt es noch mindestens einen grossen Komplex, der in der Öffentlichkeit nicht gross besprochen wird - die Süddeutsche Zeitung etwa hat aus unerfindlichen Gründen beide Augen fest zugedrückt - der noch böse ins Kontor schlagen kann.

In der CSU-Fraktion sammelt man vermutlich für Kerzen und die Rutschwahlfahrt nach Altötting, denn diese Krise ist nichts, für das diese Herren sowas wie eine Lösung hätten. Wie auch. Die BayernLB ist ein Vehikel der Grossmannssucht, mit der man im Osten und weltweit Gewinne und auch Politik machen wollte. Das Ding hat offensichtlich weder Bremse noch Rückwärtsgang, und die Lenkung funktioniert auch dann nicht, wenn man Teile der Besatzung über Bord wirft. Und das, obwohl die Lohnkosten das allerkleinste Problem der Bank sind. Der gemeine CSU-Parlamentarier versteht davon so viel wie der Halbaffe von Raumfahrt, und die besten Kräfte der Partei sind relativ dazu vor dem Neandertaler* hängengeblieben.
Die Bank werden sie schrumpfen, die Auslandstöchter für kleinstes Geld verkaufen - aber die Schulden, die Verpflichtungen und die miesen Papiere werden bleiben. Zusammen mit den politisch gewollten und verantworteten Altlasten könnte eine Lösung eine Bad Bank sein, wie das Vehikel der Schweizer für die maroden Papiere der UBS. Damit könnte man die alten Geschichten auch etwas der Kontrolle entziehen, und den schmerzhaften Prozess der Refinanzierung der Bank etwas strecken. Aber ich fresse einen Besen, wenn die Geschichte weniger als 15 Milliarden tatsächlichen Finanzbedarf jenseits von Sicherungen bis Mitte 2009 eingespielt hat. Wenn schon die Sparkassen Angst haben, in den Untergang gerissen zu werden, muss es schlimm sein, viel schlimmer als bislang zugegeben.
Andererseits wird der Sparkurs auch ein paar Projekte begrenzen, die weniger schön sind. Manches Luxushotel, viele Shoppingcenter und vielleicht auch die neue Startbahn am Münchner Flughafen werden nicht mehr so leicht realisiert werden können. Die CSU wird nicht mehr nach Gusto in Osteuropa konservative Parteien päppeln. Und vielleicht kommt es auch mal zu einer Abrechnung mit der Ära Stoiber, die die CSU anpacken sollte, bevor die Wähler sie in die Bedeutungslosigkeit treten. Es gibt in diesem Land ein paar Faktoren, die den Crash der Landesbank nicht so hart durchschlagen lassen wird, wie der Niedergang ihrer Schwestern in Sachsen oder NRW. Trotzdem ist es in höchstem Masse nervend, nach einem ganzen Leben unter diesem verkommenen Regime jetzt, da es teilweise abgewählt ist, auch noch dafür zahlen zu müssen. Ein höhnisches Lachen bleibt da nur für die karrieregeilen FDPler, die eine Beteiligung an der Macht wollten und einen Anteil am grossen Jauchekrug Urinator Financialis bekommen.
1, 2, 3, gsuffa.
*Der Neandertaler (Homo sapiens neanderthalensis) ist der erste Mensch, dem ein dauerhaftes Überleben in Bayern zumindest in den ersten Phasen der letzten Eiszeit gelang, und der vor dem Kältemaximum die Intelligenz besass, sich rechtzeitig aus dem Staub zu machen. Man sieht: Soweit ist die CSU definitiv nicht. Vielleicht Homo Heidelbergensis (Schwaben. Naja. Hätte man sich denken können. Man führe sich den Waigel vor Augen.)
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Risikohunger

Noch nie habe ich so vorsichtig die Glühbirnen eingeschraubt wie heute, jede Fassung einzeln und einem Sicherungsschalter dazwischen, damit mir nicht die ganze Bude ausgeht - weiter unten schreibt gerade jemand an der Abschlussarbeit, heute ist der letzte Tag, und diese Ausrede für den Absturz des Rechners wäre dann doch zu exotisch gewesen. Alle Fassungen waren marode, alle Kabel durchgeschmort, und was an Isolierung nicht verkokelt war, war brüchig und bröselte aus den Halterungen. Ud warum? damit ich keinen Platz habe, wo ich ihn hängen kann. Aber hergeben werde ich ihn nach dem Stress und 10 Stunden nächtlicher Fieselarbeit auch nicht. Ich habe zu viel gelitten, geblutet und gezittert. Wir finden schon einen Ort.
Was tut man nach all der Arbeit? Man geht sich erholen. Ah, Sonntag, wie wäre es mit - Flohmarkt? Wie wäre es mit etwas Neuem, Schönen, von mir aus sogar: Etwas, das man tatsächlich brauchen kann? Und wie es so ist: Bei der Suche nach Ersatzteilen für den Lüster bin ich in einer Schublade auf ein nicht vollständiges Bruckmann-Besteck gestossen, das zwar 30 Teile hatte, aber neben sechs Messern, Gabeln und Löffeln nur 12 Desertlöffel. Und keine Kuchengabel. Ohne Kuchengabel bringt das alles nichts, und die Hoffnung, irgendwann die fehlenden Stücke zu finden, hatte ich längst aufgegeben. Heute nun kam ich an einem Bierkrug - Oktoberfest 1992 -vorbei, in dem einiges an losem Besteck eingefüllt war. Darunter auch sechs Kuchengabeln, von denen ich dachte, sie wären doch... sie könnten... da war doch auch so ein Schwung bei den Bruckmannlöffeln und so ein Endbürzelchen - und für 4 Euro -

Nunähalso - Nein. Nicht wirklich, nicht ganz. Gerade mal so, dass man es zusammen verwenden könnte, ohne dass es auffallen müsste. Konjunktive jedoch sind immer schlecht, also geht die Suche weiter, vielleicht kommen irgendwann die passenden Gabeln.
Oder das passende Restbesteck.
Am Tegernsee ist übrigens eines mit dem passenden Bürzel. Aber ganz anders gechwungen. Hm.
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: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :
Samstag, 29. November 2008
Die Angleichung
With some decorations bought at Tiffany's,
I really do believe in you,
Let's see if you believe in me.
Eartha Kitt, Santa Baby
Ah, der Herr Porcamadonna, ah Kirweihnudl? Do, nemmas glei zwoa, bittsche.
Grias di, Oivons, a Olivntschabbada? I gib da no ans, de san heid ned ganz afganga wiara sunsd. Jo, I woass, in Italien san de olle so floch, owa I konns bessa. Nua heid hob i d´Hefn zua schpäd niedoa.
A Schtickal Opfekuacha? I gib eana glei des resdliche Viadl mid, se vadrong des scho. Ah geh. Sie miassn mea essn, Herr Porcamadonna, sunst schaugn´S aus wiara Haaring.
Jo, Orchiette homma heut a, gonz frisch. I dua dia a bissel mea nei.
Herr Porcamadonna? Herr Porcamadonna! Do, den Kranz schenk I eana, denkan´S an uns und a schens Wochnend.

So also kommt es dazu, dass es auch bei mir in gewissen jahreszeittypischen Details so aussieht, wie bei manch anderen Leuten auch. Nur falls sich jemand wundern sollte, warum ich - ausgerechnet - einen Adventskranz habe, und für die nächste Woche keine Einkäufe mehr brauche. Der Fressstress dieser Tage beginnt bei uns nicht Ende Dezember, sondern bereits Ende November, wenn man auf den Markt geht und allseits bekannt ist. Es ist hart, ich habe zu kämpfen, es ist eine Herausforderung - schliesslich muss der Apfelkuchen frisch gegessen werden - aber ich liebe es. Es gibt ja die Theorie, dass die menschliche Geschichte vor allem vom Essen und seiner Abwesenheit getrieben ist, was wir uns heute im grossen, gesamtgesellschaftlichen Rahmen nicht mehr vorstellen können, schliesslich spuckt in der Regel die Tiefkühltruhe irgendwelche Brocken aus, und Frischkäse lagert wochenlang in Plastikschachteln, aber wer weiss, ob das Thema der Nahrungsknappheit nicht bald wieder umfassend auf der Tagesordnung steht. Man spricht zwar allgemein von der Gefahr einer Deflation, aber mit etwas Pech gibt es einfach gegenläufige Entwicklungen: Der Grundbedarf wird so teuer, dass die Luxus spottbillig wird. DVD-Player, Digitalkameras, Computer, Handies und anderes Zeug, was man nicht jedes Jahr neu kaufen müsste, aber in unbegrenzten Mengen produziert wird, könnte bald billigst zu haben sein für den, der es braucht. Nahrungsmittel, wie die die Mehrheit konsumiert, sind dagegen in Deutschland künstlich extrem verbilligt, weil es einen scharfen Wettbewerb der Discounter und der TK-Abfallverwerter gibt. Sobald sich mit Billigkrusch aussenrum nichts mehr verdienen lässt, könnte sich das sehr schnell ändern. Trotzdem würde es den Anschein machen, als würde der Warenkorb, der der Inflationsberechnung zugrunde liegt, kaum teurer werden. Oder gar billiger.

Natürlich sind die Archetypen der finanziell Potenten immer noch die Leitbilder der Konsumanbieter, die Götzen, die "retreats for those invested in living" brauchen, wie es die Werbung einer nicht wirklich billigen Immobilienfirma anpreist. Nebenan werden zwei französische Blumenständer für 200,000 Dollar offeriert. Da ist noch viel Luft nach unten, die andernorts Luft nach oben lässt. Ich finde es erstaunlich, dass man diese Veränderung nicht in den Medien debattiert - vielleicht, weil die letzte derartige Krise der gegenläufigen Assetpreise die unmittelbare Zeit nach 45 war, an die man sich ungern erinnern mag. Vielleicht auch gar nicht erinnern muss, wenn man einen Retreat, einen Rückzugsort nicht braucht, sondern sowas wie eine, immer noch leicht unwillig gesagt, Heimat hat, die einen mit Speckschichten aufpolstert, als wäre man ein Plüschsofa für den Gebrauch am Kamin.
Morgen ff. werde ich dafür das Treppenhaus streichen. Für das Streichen von 50 Meter Gang kann man schon mal etwas mehr essen.
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Freitag, 28. November 2008
Anders leben über der alten Stadt

Allerdings habe ich keinen Fernseher. Man muss sich nach Art der Alten die Nacht vertreiben. Wer lesen kann, ist hier klar im Vorteil. Es gibt übrigens kaum einen Ort, an dem sich Shelleys Frankenstein oder der Mönch von Lewis so eindringlich lesen.

Keine Angst vor den Hausdämonen, das Haus haben totalitäre Unterdrücker gebaut und Massenmörder sind hier gestorben, dagegen sind ein paar Tongeister wirklich harmlos. Die weisse Frau bleibt im ersten Stock. Also, sagte meine Grossmutter.

Und habe ich schon erzählt, dass vor genau 100 Jahren ein Stockwerk darunter eine Familie mit vier unverheirateten Töchtern in solchen Novembernächten von der Typhusepidemie hinweggerafft wurde, und man nicht konnte hinein, weil eine Leiche die Tür verklemmte? Nein? Nun, wünsche gut zu schlafen, im Charme der Altbauten und hinter dicken Mauern, durch die kein Schrei dringt.
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Donnerstag, 27. November 2008
Des Nichtchristen Weihnachtsbaum

Ein Jammer, dass schon alle anderen Plätze bis ins Bad und in die Küche mit noch feineren Lüstern besetzt sind. (Ein Kronleuchter in der Küche ist übrigens der ultimative "wer ko der ko" Inbegriff der verschwenderischen Epoche, die gerade zu Ende geht) Bliebe allein noch der Gang, aber das wäre dann doch etwas dekadent.
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Real Life 26.11.08 - die Mütter allen Terrors
Ich denke, ich bin der nächste, willst du schon anheben, um die Terrormutti vor dir in Schranken zu weisen; schliesslich kam sie gerade erst an, rammte dir ihren Kinderwagen in die Kniekehle und wuselte dann um dich und Iris herum, um einen Blick auf das Angebot zu erhaschen.
Was sind denn das für Gewürze auf dem Käse, fragt sie sofort, ohne Rücksicht und Benehmen, und dann folgt eine längere Bestellungsorgie, immer wieder unterbrochen von kurzen Bekümmerungen des ungezogenen Balges; alles Tätigkeiten, die das Frieren der nachfolgenden auf dem Wochenmarkt nicht gerade verkürzen. Es ist ja nicht so, dass sie viel kaufen würde - sie will viel wissen, um dann doch etwas anderes zu wollen, oder vielleicht doch jenes, was ist denn das und was bedeutet es, wenn der Bergkäse 6 Monate alt ist?
Irgendwann zahlt sie, es könnte endlich vorbei sein, als die Verkäuferin zum Kind sagt: Magst Du den Käse hier probieren?
Entweder ist das Kind blöd, oder die Mutter, oder beide, denn letztere wendet sich an den Wurf und fragt: Magst du Käse? Magst du Käse? Hm? Magst du Käse? Zum Vergleich: Sagst du zu Minka: Miez, magst du Knuspertaschen? - versteht sie sofort, worum es geht. Die Mutter nun lässt es sich nicht nehmen, auch dieses Probierstück zu hinterfragen, um ein anderes zu verlangen, und, während das Balg mit offenem Maul jeden Anstand vergessen lässt und die Hälfte des Käses aus dem Fressloch auf den Boden fäll, noch gegenüber der Frau am Käsestand mit diesem ihres Erachtens so schönem Kind anzugeben. Dabei willst du doch nur einen Ricotta und ein Stück vom Sextener Bergkäse. Und dann mit Iris in ein Cafe, statt hier rumzustehen und auf einem Ohr mitzubekommen, dass die dumme Tussi die gleiche Masche auch nebenan am Brotstand abzieht, wo das Balg erneut gestopft wird. Jedes Balg wird hier überall gestopft. Würdest du jeden Balgstopfer boykottieren, müsstest du im Supermarkt einkaufen, oder Hühnerdieb werden.
Dabei, ist Iris etwas indiskret, als ihr endlich im Warmen angekommen seid und der heissen Zitrone neue Lebensgeister zu verdanken sind, dabei wurde letzthin über dich gesprochen, und die Frau L. meinte, du wärst ganz sicher ein grossartiger Vater für deine Kinder, bei dir müsste man keine Angst haben, dass die schlecht erzogen wären, keinen Anstand hätten, oder du die ganze Familie nach Köln oder andere Orte mitnimmst, wo es keine guten Schulen gibt und man deshalb die Kinder den Jesuiten überlassen müsste.

Natürlich, beste Iris, hebst du in dem überstelzten Ton an, der bei dir nie ein gutes Zeichen ist, würde ich niemandem Gegenden zumuten wollen, in denen sich auf dem Spielplatz Kondome finden und zwischen Schule und Jugendgang nur graduelle Unterschiede sind. Ich finde es gut, in einem Land zu leben, in dem man seine Kinder auf ein normales Gymnasium schicken und dabei überlegen kann, welches das Beste unter vielen Guten ist - und das, ohne einen Pfennig zu zahlen. Vermutlich würde ich dann sogar an den Tegernsee ziehen, denn Tegernsee hat das schönste Gymnasium Deutschlands, und in der Zeit davor ist es sicher nicht schlecht, den schönsten Spielplatz Deutschlands (Aussicht siehe oben) im Ort zu haben, oder Berge zum Rumtollen, oder frei laufende Hühner für die Ernährung und ungespritzte Äpfel die Strasse runter, und viele Annehmlichkeiten mehr. Im Prinzip sind Kinder auch kaum schlimmer als Katzen, sie brauchen nur länger, um stubenrein zu werden, sie sind öfters krank, man kann sie nicht alleine in der Nacht rauslassen, sie kosten nur knapp das tausendfache einer Katze und da sind die Probleme der Pubertät noch nicht mal eingerechnet - also, prinzipiell glaube ich sogar, dass man Kinder irgendwie managen könnte.

Aber, das ist das Problem in unserer Schicht, es gibt da jemanden, der sich jedem Managen widersetzt. Die bessere Kindermutter. Die bessere Kindermutter will einen 3er oder noch besser 5er Kombi, um das Balg zu diesem Spielplatz zu fahren, um sich vorher aufzudonnern mit einer der neuen Taschen - bessere Mütter brauchen immer neue Taschen, weil sie mehr mitnehmen müssen für alle Eventualitäten - um dann auf diesem harmlosen Spielplatz mit einem halben Dutzend ähnlich gestrickter Mütter über die neue Kollektion von Prada oder das richtige Studienfach der kleinen Genies zu reden, und über den neuen Kindermodenladen in Rottach, der zwar etwas teurer ist, aber man will ja nicht, dass das Spielzeug schlechter aussieht als bei den anderen. Sie tragen dabei Pornosonnenbrillen und tun so, als seien sie trotz allem die selbstständigsten aller Geschöpfe, und durch das Balg noch attraktiver. Nachdem dort keiner wohnt, der seinen Kindern die Demütigung einer Trennung antun würde - du kennst das ungeschriebene Gesetz ja - kommen sie nie in Verlegenheit, ihren Marktwert tatsächlich auf dem freien Markt bestätigen lassen zu müssen.

Und so gehen sie dann durch von der Gemeindeverwaltung vorzüglich geräumte Parks, versuchen dabei, wie Models auszusehen und denken, dass sie damit etwas Gutes für dieses Land tun, und man sie dafür zu achten hätte. Beispielsweise, wenn sie sich vordrängeln und den Kinderwagen als Rammbock benutzen. Oder Kinderlose diskriminieren, die da gar nicht mitreden könnten. Oder jammern, dass es in Gmund noch keinen zweisprachigen Kindergarten gibt, und sie deshalb jeden Tag nach München müssen, das sollte die Gemeinschaft hier endlich mal anbieten, damit wir nicht zurückbleiben mit unserem Nachwuchs, dieser Zukunft des Landes. So gehört in meiner Konditorei, sehr laut gesagt, damit es auch der Besitzer hört, ein bekannter CSU-Vertreter im Gemeinderat. So sind sie. Und ich würde es hassen, ich würde es nicht ertragen, wenn sowas meine Frau wäre. Wenn du das nächste Mal also Frau L. siehst, kannst du ihr von mir aus das alles gerne in allen Details erzählen.
Das, bemerkt Iris, hat meine Mutter daraufhin schon besorgt.
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Mittwoch, 26. November 2008
La Pellegrina, Intermediii 1589

Wir Alten wissen ja noch aus der New Economy, wie schnell es jetzt in den nächsten Wochen gehen wird, und ehrlich: Diesmal hätte ich gar keine Lust, das bei Dotcomtod breitzutreten, auch wenn es einen Haufen Neoliberale und Contentverticker erwischt. Ich möchte eigentlich nur in Ruhe und Gelassenheit durchkommen, mein ganzes Streben der letzten Monate war, mich von den Krisenherden zu entfernen. Hilfreich ist dabei auch ein angenehmer Strom schöner CDs mit ruhiger Musik. Daheim höre ich gerade häufig eine sehr feine, neu erschienene Platte mit Intermedii, Zwischenspielen der Spätrenaissance und der manierismus. Intermedii begannen ihre Karriere als einfache Unterbrechungen zwischen den grossen Spektakeln des Hofzeremoniells, wurden im Verlauf des 16. jahrhunderts pompöser und umfangreicher, bis sie eine eigene Kunstgattung darstellten und zu einer Frühform der Oper wurden. Das Capriccio Stravagante Renaissance Orchester und das Collegium Vocale Gent haben unter Skip Sempe nun ,mit La Pellegrina den Höhepunkt dieser Kunstgattung aufgenommen, ein grandioses Schauspiel zwischen Theater, Madrigalgesang, Tanzmusik und Prachtentfaltung, die den Hörer entführt, in den Saal der Monate in Ferrara oder mediceischen Gärten um Florenz.

Thematisch, das gebe ich gerne zu, bringt mich diese Inszenierung griechischer Sagen wie schon die Zeitgenossen an den Rand meines mythologischen Wissens, was erklärtermassen angesichts meiner Studien peinlich ist - aber der Winter wird lange dauern, im Regal sind drei Meter klassische Archäologie, und etwas mehr Bildung schadet keinem. Aber auch ohne Verständnis des Dargebotenen ist es angenehm zu hören, Musik mit Mass und Ruhe, in der so vieles angelegt ist, was später die Musikwelt bereichert. Erste Bildungslücken behebt die zweite CD, in der Skip Sempé die Natur der Intermedii erklärt. Was ich ein wenig schade fand, ist die akademische Natur der Aufnahme; man kann davon ausgehen, dass die originalen Schauspiele Musik und Handlung dynamischer und - wir befinden uns schliesslich in einer extrem lebensfreudigen Epoche - lasziver waren. Ich würde die Intermedii gerne sehen, wie sie waren, ich würde gerne die für damalige Verhältnisse unfassbar teuren Feste feiern, die sie umgaben, und weil es so nicht kommen wird, bleibt mir diese CD, und ein Blick in die Speisepläne der Zeit, um das ein oder andere dazu zu geniessen.
und ja, ich halte sie auch für also dieses konsumfest da, das die christen feiern, tauglich. besser jedenfalls als jingle bells von youtube.
Ich würde übrigens raten, die CD entweder direkt bei Paradizo zu bestellen, oder im fähigen Plattenhandel - dort erhält man nämlich auch die Sampling-CD "Pandora´s Box", was ein wirklich hübscher Name für einen Kaufanreiz dieses neuen Labels ist.
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