Boomurbanistik

Wir, die wir aus dem sumpfigen Nebel an der Donau kommen; wir, die hier schon etwas länger sind und aus den Erzählungen wissen, dass es immer ein Auf und ein Ab gibt, die wir Urgrossväter hatten, die mit Gold Schusser spielten und unter der Treppe einen Verschlag wissen, der in der Wohnungszwangswirtschaft die Wohnung eines jungen Mannes war, der in Russland blieb, wir also sind gerne etwas skeptisch und misstrauisch, was das Kommende angeht. Die letzte Boomphase dieser Stadt, die mit der momentanen Entwicklung vergleichbar wäre, liegt 600 Jahre zurück, und obwohl es auch damals die Reichtümer ferner Länder hierher spülte - der Herzog plünderte mit dem Segen seiner Schwester Frankreich aus - ging es schlussendlich schief. Heute dagegen tragen stilbewusste Automobilisten und Waffennarren im Staatsauftrag das Geld freiwillig in die Stadt.



Als der Hauptstamm meiner Familie das Haus erwarb, in dem ich jetzt schreibe, hatte der Ort 5000 Einwohner. Als ich in diesem Haus geboren wurde, waren es 60.00. Heute sind es mehr als doppelt so viele, Tendenz weiter steigend. Und wer hier wohnt und arbeiten will, arbeitet hier auch. Es gibt keinen Arbeitsplatzmangel, und für eine Grossstadt vergleichsweise minimale soziale Vewerfungen - und die wiederum in den Ecken der Stadt, in denen man unter Kohl meinte, Russlanddeutsche vor dem Kommunismus retten zu müssen. Das Wachstum hat alle mitgenommen, aus armen Schluckern wurden Facharbeiter, deren Entlohnung für einen hippen Berliner vermutlich ein Schock wäre, aus Abiturienten werden Manager, und die alte Oberschicht hat es geschafft, oben zu bleiben. Schliesslich gehörte ihnen früher das, wo jetzt die anderen sind, und manchmal gehört es ihnen bis heute. Man könnte sich zufrieden zurücklehnen und einfach zuschauen, Generation um Generation, wie das Geld reinkommt, sich durch den Konsum und den Bedarf verteilt und einen reichen, fetten Klops im Donautal macht. Gross, geschmacklos, prall, sicher auch etwas beschränkt und ein Hohn für alle Regionen, denen es dreckig geht. Das hier ist die richtige Seite.



Trotzdem gibt es Ängste, grosse Ängste. Schliesslich ist die Autobranche zu einer tödlichen Grube geworden, aus der man sich herausbetteln muss. Die Produkte des Autoherstellers sind gut und begehrt, aber auch ziemlich teuer. Die monatlichen Zulassungs- und Absatzstatistiken sind ein Quell steter Ängste, es könnte irgendwann vorbei sein. Den Neuzuwanderern kann es vergleichsweise egal sein, die gehen dann vielleicht wirder oder werden frühpensioniert. Aber die, die hier bleiben und schon immer da waren, sind vom weiteren Erfolg der gefrässigen Firma vor der Stadt abhängig. Bisher, auch diesmal, hat die Fima kein Problem, die Ängste zu zerstreuen. man sitzt hier, liest die entsetzlichen Zahlen von Opel - minus 38% -, und fragt sich, wie das jetzt in Rüsselsheim sein muss. Anders als hier, wo ich heute an der Kasse zehn Minuten warten musste, um meine neue Springform zu bezahlen. Wer hier wohnt und, wie die meisten Eltern meiner Bekannten, kein Internet hat, kennt die Finanzkrise nur aus der zeitung als etwas weit Entferntes, das sie Depots gemeinerweise schmälert. Auf den Hinweis, dass es auch hie schwerer werden könnte, sagen sie, de Seehofer werde seine Stadt schon nicht verkommen lassen.


(es ist gar nicht so leicht, hier ein bild von vandalismus zusammen (!) mit einem länger nicht gestrichenen Zaun zu finden)

Inzwischen sickert durch, dass es auch sehr bald ein Elektroauto geben wird, das wirklich funktioniert und schick ist, Benzinsparer und noch so ein paar Dinge, die die bessere Gesellschaft beruhigen. Die Kriminalität ist niedrig, es gibt keine Sprayerpest, es ist alles nur grösser geworden, aber nicht wirklich anders. Landschaftlich ist es hier noch immer nicht reizvoll, aber wenn man erwähnt, dass man sich da und dort eine Wohnung gekauft hat, mit See, Berg, oder mehr, ist die typische Antwort, dass der eine und andere dort ja auch was hat. Alle profitieren, keiner geht leer aus, es ist zwar inzwischen ganz schön teuer, aber man kann es sich umgekehrt auch leisten. Rs bleibt bei manchen die Angst und bei mir auch das Wissen, dass es nicht immer so wid weitergehen können, nichts hält ewig, aber vielleicht wird es dann anders weitergehen, und nicht Detroit oder Wedding an der Donau. Oder Bayerisch-Rüsselsheim.

Dienstag, 2. Dezember 2008, 20:09, von donalphons | |comment

 
Geradezu Masturbanistik. Sozusagen.

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Die einzige Region, wo die Aussage "Mia hom den Gressten" nicht als peinlich erachtet wird.

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Übrigens: Der Pleitinator. I wouldn´t wish to be a californian girl.

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HAR HAR HAR. An Six Apart verkaufen ist so gut wie mit einer Bleiente schwimmen gehen.

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Hängt im Moment alles am seidenen Faden. Wenn die schwäbischen Hunnen Volkswagen kapern, werden sie Audi kannibalisieren. Danach können die Ingolstädter bestenfalls noch als Fremdarbeiter nach Stuttgart ziehen.

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Höchst unwahrscheinlich. Einerseits wird Porsche in nächster Zeit ein paar ganz andere Sorgen haben, andererseits hätte man von einer verlagerten Audi nicht wirklich viel, ausser hohen Kosten und einem massiven Standirtproblem. Schliesslich ist in der Region schon ein grosser Hersteller, und so schnell bekommt man auch nicht das Personal.

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Nicht verlagern. Das Einzige, was Porsche von Audi wollen kann, liegt bei Audi in den Schubladen. Es gab da vor Kurzem so eine Aussage von Piech. Ansonsten gibt es sowieso zu viele Produktionsstädten. Die Banker sagen ja schon sei Jahren, da muß man fusionieren.

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Frankreich ausplündern
Der Gedanke gefällt mir... bei Fauchon und Hediard anfangen

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Ich würde dann schon mal zu Tajan gehen.

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Trotzdem gibt es Ängste, grosse Ängste.

jedenfalls nicht bei denen, die so tun, als hätten sie hier das sagen. frau dr merkel wurde volkskammermässig in ihrem amt bestätigt und zeigte sich darüber erfreut.

die blockpfeifen von cdu ost und bauernpartei äussern sich dahingehend, ihren widerstand eher nonverbal in camera artikuliert zu haben, und das war auch gut so, ein wessi, wer anderes denkt.

und dann kommt der grundgesetzliche auftrag zur verwendung der deutschen sprache.

hallo, bundestagabgeordnete, lest ihr eigenlich die gesetze, die ihr verabschiedet?

nein? solltet ihr aber tun, denn, was da so im bundesgesetzblatt oder im bundessteuerblatt oder in anderen veröffenlichungsorganen steht, deutsch ist es jedenfalls nicht.

ihr selber könnt auch kein deutsch, ich kann es auch nicht, ich rede weiter so, wie mir der schnabel gewachsen ist, ich kann nicht anders, will auch nicht anders. ihr aber, versucht euch ruhig in eurer selbstgewählten fremdsprache, nur zu, ihr könnt es nicht.

die letzten, die deutsch schreiben konnten, waren schopenhauer und kraus. kennt ihr nicht? dachte ich mir schon.

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mmmh... dieserlei kritik an der ach so undeutschen (jüdischen) juristensprache kommt offenbar in gewissen krisensituiationen immer wieder mal hoch. ich sage nur mal vorsichtig: sowas hat in deutschland eine gewisse geschichte. und schopenhauer. naja. den konnte und kann man prima für naive denkansätze missbrauchen. kraus mag ja zwar sprachgeschickt gewesen sein, aber er war auch ein angepasster schwachmat, politisch gesehen. nichts ist so einfach, wie es scheint.

bitte, ich mag die juristen auch nicht. aber die krux ist schlicht die, dass, wenn man ein in sich logisch stimmiges und für alle oder doch die meisten denkbaren sachlagen gültiges gesetzeswerk schaffen will, mit dem "normalem deutsch" nicht mehr hinkommt. und das ist sogar eigentlich ganz gut so.

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völlig richtig, dass die juristische fachsprache ihre berechtigung, ja, ihre notwendigkeit hat.
wenn ich teutschrechtler wäre, was ich nicht bin, obwohl ich mich zu zeiten einmal mit deutscher rechtsgeschichte befasst habe, würde ich das römische recht als die wurzel des bösen ausmachen. was ich nicht mache, denn, siehe oben, die haben eben diese spezielle fachsprache erfunden, weil sie zu diesem zweck nützlich war.

nur, bitte, man lese doch einmal das bundesgesetzblatt.

und ich bleibe dabei, ausser den federführenden ministerialen weiss da keiner, was er eigentlich beschliesst. oder halten sie, itha, die deutsche gesetzgebung für fachlich und sprachlich auf der höhe?
ich denke nicht.

die amtssprache ist bereits deutsch, dazu braucht es keinen grundgesetzlichen auftrag. das ganze ist einerseits so überflüssig wie ein kropf, aber andererseits eben leider auch ein zeichen dafür, dass diejenigen, die glauben, dieses land zu regieren, das unwichtige in den rang von wesentlichem erheben, weil sie das wesentliche gar nicht erst wahrnehmen.

wenn schopenhauer und kraus, naja, sprachlich nicht zu überzeugen vermögen, wer denn dann?

die frau dr. aus templin? der brutalstmögliche aus hessen? der volkstribun in lauerstellung aus düsseldorf? oder etwa doch mein freund tillich? lessing kam aus kamenz, aber so einer ist der herr willich nicht. nein, da überzeugt keiner von den genannten und keiner von denen, die in stuttgart darüber abstimmten.

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und überhaupt.
schopenhauer ist vielleicht doch nicht ganz der, den die dummen jungen benutzen. seine sprache, sein stil jedenfalls ist besser als alles, was derzeit geboten wird. wenn feuilletonisten offen herrn hoof als sprachlich überlegen anerkennen, das gibt doch zu denken.
karl kraus als unpolitischen schwachmaten abzutun zeugt von besonderer kenntnis des mannes, seines werkes und seines wirkens.
fällt noch was unpasendes zu lichtenberg ein?

auf eines lege ich noch besonderen wert: herrn jünger habe ich in diesem zusammenhang nicht genant. er wird überschätzt, sehr überschätzt. in frankreich hatte er wohl einen erstklassigen übersetzer.

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