: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :

Mittwoch, 12. Oktober 2011

Bücher wütender Frauen 3: Nicole Huber, Kinderfrei

Beim Buch von Melanie Mühl war ich voreingenommen, weil ich die Autorin kenne.

Beim Buch von Anke Gröner war ich voreingenommen, weil ich die Autorin kenne, und mir das Thema liegt.

Beim Buch von Nicole Huber bin ich voreingenommen, weil ich die Autorin kenne, mir das Thema liegt, und ich darin sogar zwei Seiten Überzeugungsbericht beigesteuert habe.



Und wenn ich die Wahl zwischen Fettverzicht und Kinderhaben treffen müsste, würde ich den Fettverzicht wählen. Ich würde auch alle meine Rennräder hergeben. Nur die Barchetta, die spielt hier keine Rolle: Wer Kinder hat, verkauft so oder so seinen Zweisitzer und das ganze damit zusammenhängende leben. Es gibt dann Wichtigeres. Anderen, die es es nicht so sehen, die eigene Bedeutung einzureden und sie als Schmarotzer zu beleidigen. Irgendwas muss man ja für das Selbstwertgefühl machen, zwischen Kotze, eingeschleppten Bakterien vom Kindergarten, Gebrüll und Aussicht auf eine spätere Kokserkarriere des Nachwuchses.

Oh, bitte, es ist nicht so, dass ich zwingend etwas gegen Eltern hätte. Ich selbst zum Beispiel habe wirklich famose Eltern. Da kann man nichts sagen. Ob sie einen famosen Sohn haben, ist eine andere Frage, aber wegen mir hat auch noch niemand ein Tablettenproblem bekommen. Familien funktionieren, ich selbst kann dafür als Beispiel herhalten, ich kümmere mich und finde es richtig, dass das Blut zusammenläuft. Ich bin vielleicht familiärer als viele, die unbedingt mit Kindern so eine Familie gründen wollen. Nur mag ich keine Kinder. was ich aber noch weniger mag als die Schreibratzen - die können nichts dafür, dass sie so sind - sind deren Eltern, die meinen, diesen gelebten Egoismus als Wohltat für die Gemeinschaft ausgeben zu müssen.



Da kommt mir so ein Buch gegen all die Scheinargumente der Kinderwagenindiespeichenschubserinnen gerade recht. Nicole Huber hat sich nämlich hingesetzt und nachgedacht und geärgert und aus diesem Ärger die versiffte Babysabberbande nicht als verkackte - also, sie hat Eltern nicht zurückbeleidgt. Gut, ein ganz klein wenig vielleicht. Minimal. Manchmal muss etwas Polemik schon sein, nach Jahrteusenden der Überhöhung der Fruchtbarkeit. Aber im Grossen und Ganzen beschäftigt sie sich mit den diversen Argumenten, die man als kinderfreier Mensch - klingt doch gleich ganz anders als kinderlos - so zu hören bekommt. Durchaus freundlich, nie belehrend, aber immer schön fundiert und mit Überlegungen, die sich erfreulich von der allgemeinen Aussterbepanik absetzen. Denn, seien wir ehrlich: Es gibt genug Menschen. Und wenn man all die PRler, Werber, Bankster, Journalisten und, brandaktuell, Agenturspinner dieses Landes sieht, kann man sich auch mit der Idee eines partiellen Akademikeraussterbens anfreunden.

Dazu kommen freundliche Zurechtweisungen, dass Kinderfreie keine charakterlichen Defizite haben, durchaus Partner abbekommen und der Gesellschaft auch dienend zur Seite stehen, ohne die ganzen Vorteile abzugreifen, die Kindernichtfreie als gottgegebene Selbstverständlichkeiten betrachten. Anders gesagt: Hier wird die Medizin, die man sonst gerne verabreicht bekommt, sauber zurückgeflösst, und ich denke, dass die Betreffenden das Buch irgendwie so gar nicht mögen werden.



Sie werden neue Argumente brauchen. Und deren Erfindung ist nicht wirklich einfach, wenn man sich an die alten Methoden der Diskriminierung Kinderfreier gewöhnt hat. Dass wir alle, egal ob mit Kindern oder ohne, am Ende ziemlich allein sterben werden, ist ohnehin klar: Daran sind nicht die Kinderlosen schuld, sondern einfach der gesellschaftliche Wandel. Natürlich will das Buch niemandem die Kinderfreuden ausreden, natürlich darf sich jeder fortpflanzen -

aber es ist eine freundlich formulierte Bitte, diesen Lebensweg nicht jenen aufzuzwingen, die es anders sehen. Ich möchte mich auf dem Weg zum Wochenmarkt nicht vor dem Schnellnichtrestaurant beschimpfen lassen, weil ich anders bin. Benehmt Euch, Kindernichtfreie. Sonst knalle ich Euch mal mein De Rosa so rein, wie Ihr das mit den Kinderwägen macht.

Nicole Hubers Buch Kinderfrei ist bei Herbig erschienen, hat auch so einen dummen "Warum"-Untertitel und kostet weniger als ein paar Packungen Kondome.

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Neuwortschöpfung

ESFailS.

Die Slowakei will in die Geschichte eingehen - entweder als das Land, das den Crash verschuldete, weil es nicht zustimmte, oder den anderen Crash nicht verhinderte, weil es dann letztlich doch zustimmte.

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Dienstag, 11. Oktober 2011

GP Nachtrag

Warim machst Du eigentlich so viele Bilder, fragte mich mal jemand bei der Mille Miglia. Und beim Gran Premio Nuvolari hätte man das auch fragen können. Ich denke, ich habe auch diesmal wieder an die 600 Bilder geschossen. Warum?



Weil mich alte Bewegungstechnik fasziniert. Und weil ich eines immer schon weiss, wenn ich die Bilder mache.



Es ist nur ein kurzer Rausch, eine kleine, hochverdichtete Zeitspanne. Ein Sirup, ein Konzentrat der Erinnerung.



Und dann wird es Herbst und drr gestank und der Lärm sind nur nich ferne Erinnerung.



Früher hätte man dann vielleicht Photoalben ausgepackt, aber ich lege eben Galerien für alle im Blog an.



Und deshalb mache ich dor so viele Bilder. ich bringe nicht alle, aber ab und zu, doch das eine oder andere.



Noch sieben verdammte Monate, sieben Monate bis zur nächsten Mille Miglia. Da sind 600 Bilder gerade genug.


















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Aus dem Wörterbuch des bayerischen Teufels

Innenminister, der: Kopf einer Vereinigung von gewerbsmässigen Internetkriminellen.

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Ich würde es mal so sagen:

Da hat der CCC den verwanzten Laptop kräftig durch die Lederhose der Bayern geschoben, und zwar so, dass er im oberen Zweithintern wieder rauskommt.

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Montag, 10. Oktober 2011

Man kann viel versprechen.

Zum Beispiel: Die Banken werden gerettet.

Der Euro bleibt.

Nachher wasche ich das Geschirr ab.

Die Sache mit den Datenbanken haben wir im Griff.



Ich verspreche ewigen Spätsommer, dreimal am Tag Tortelli di Zucca mit Buttersäure und dazu Wein, der wie premium Felgenreiniger schmeckt. Oder was auch immer. Gerne auch einen schwarzen Schwan, mit dem wir alle baden gehen werden. Wwnn die das können, kann ich das in der FAZ schon lange.

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Die bleibende Vergangenheit

Die Mafiosi, die wissen schon, warum sie ihre Befehle auf kleine Zettelchen schreiben. Und ich weiss auch, warum ist so gerne literarisiere - da muss ich nur mal ab und zu in die Referrer schauen, dann weiss ich, warum man besser so verschlüsselt und falsche Fährten legt, dass keiner draufkommt. Jeder hat so seine Abgründe, in denen er besser allein ist - und ich will niemandem etwas über meine Obsession mit Büchern erzählen.



Im Zweifelsfall, so doch jemand etwas erstöbert in all den falschen Spuren,l war es dann eben Literatur. Überhaupt, Literatur ist ganz grossartig, man kann sein und dennoch dem Zugriff entgehen. Viel gefährlichr als meine Festplatte wären jedoch die Emailentwürfe, dich ich allein schon aus Sicherheitdgründen auf einer SD-Karte habe: Was ich da oft schreibe, hat zum Glück wenig mit dem zu tun, was ich verschicke. Ich muss das erst mal reinhauen und lesen, damit ich von dem Gedanken wieder Abstand nehmen kann.



Meines Erachtens sieht dieser Trojaner sehr nach Bayern aus. Vermutlich wird man am Ende einen Übereifrigen präsentieren. Wegen eines Anschlags auf die Verfassung wird doch kein deutscher Innenminister zurücktreten.

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Sonntag, 9. Oktober 2011

Heute ist vieles besser

Es ist nicht ganz zu bestreiten, dass ich - wie soll ich sagen - dass ich der Vergangenheit nicht ablehnender gegenüber stehe, als Gegenwart und Zukunft. Das hat viel mitder Kulturgeschichte zu tun, denn die Distanz, die die Menschheit immer unter ihren Möglichkeiten bleibt, ist meines Erachtens eine Konstante, und nicht wiklich schmeichelhaft. Seit Anbeginn der Zeiten etwa wissen wir, dass es weh tut, sich die Köpfe einzuschlagen. Es wäre an der Zeit für ewigen Frieden und naja... Seit vier Jahren wissen wir, dass Banken brandgefährlich sind, und dass sie mehr Eigenkapital bräuchten, und wir machen Stresstests und, siehe Dexia... wir kommen voran, angesichts der Möglichkeiten im Krebsgang seitwärts. Und sagen wir es mal so:



Früher war einfach die Unvernunft sehr viel schöner. Mit dem Wissen und der neuen Technik verschwindet das weniger Elaborierte, das Unausgereiftere - nur um einem Zustand Platz zu machen, in dem immer alles Beta ist. Dafür aber auch immer neu und ohne Schrunden. Dabei wird das Alte nicht zwingend schlechter, es wird nur etwas Anderes produziert, verkauft, vermarktet und mit neuen Fehlern den Kunden zugemutet. Man kann mit Wissenschaft die Risiken berechnen und die Vorsorge, meist ein Kostenfaktor, so klein wie möglich halten. Am Ende kommen dabei Carbonrahmen heraus, die extrem leicht und steif sind, aber nicht umfalle dürfen. Alles ist ohne Fett und Überflüssiges, aber das hat doch gar nicht wirklich geschadet! Natürlich muss da kein Flammenfurnier auf Möbel, natürlich braucht keiner Chippendalesofas, natürlich ist so ein Lampenschirm verfinsternd. Aber es ist hübsch. Und es durfte so sein, während heute vieles nicht mehr so sein darf, weil: Ineffektiv. Effektiv dagegen ist das Wegwerfen nach einem Jahr.

Und so kommt es dann zu Neuerungen. Grossen Würfen. Weg mit dem Alten. Und wenn es dann schief geht, liegt es gar nicht an mangelnden Tests und der Unfähigkeit, die Folgen des eigenen Tuns abzuschätzen, sondern an alten Resten. Da passte eine Datenbank nicht. Da hat man in den 70ern was falsch berechnet. Da wurden früher Sachen eingelagert. Die Vergangenheit ist sowas wie die Restmülldeponie der Gegenwart geworden. Nie ist die Gegenwart schlicht und einfach mies, immer muss es das Alte sein.



Und weil das so ist, hatte ich diese Woche plötzlich wahnsinnig viel Lust, mal wieder ganz etwas anderes mit alten Sachen zu tun. Ich hatte ein paar Ersatzteile günstig im Internet gefunden - nur hingen die noch an einem alten Rennradrahmen dran. Und ich hatte noch eine Kiste alter Trümmer, die zufälligerweise passten. Vielleicht, wenn die Gegenwart angenehm gewesen wäre, hätte ich den Rahmen auch noch den Winter über liegen lassen. So aber habe ich ihn restauriert und gepäppelt und poliert und wieder zu einem Stück Fortbewegung gemacht. Er ist fast 20 Jahre alt und geht prima, weil ich es kann. Ich tue so etwas gerne. Und natürlich kommt man dabei nostalgisch etwas ins Schwärmen. Und dann mag man denken: Der ist ein Nostalgiker.

Aber dem ist nicht so. Es gibt schon tolle Sachen. Zum Beispiel, der Apfelsaft. Früher gab es eine Zeit, da machte man den selbst. Auch in meiner Familie gab es eine Quelle für diesen Saft aus eigenen Früchten. Doch dann, aufgrund der Umstände, versiegte sie eines Tages, und ich trinke ja ohnehin nur Tee und Saft nur, wenn er so wäre, wie damals - was er aber nicht mehr war. Man vergisst kleine Bedürfnisse, und obendrein: Sicher, man kann Saft kaufen, aber dann die Flaschen und/oder der Müll, dazu ist man letztlich doch zuu bequem, also weiterhin Tee und Saft nur für Gäste. Bis dieses Wochenende meine Marmladenfrau so Kartons dabei hatte. Und natürlich fragt man, was das sein mag. Es ist so, dass in diesen Kartons Saft ist, 70% Apfel und 30% Birne, aus dem Garten der Dame, und zwar gleich 5 Liter und in einem Beutel mit Zapfhahn. Einmal geöffnet, hält der Saft theoretisch 6 Monate.



Keine Flaschen. Wenig Müll, sogar der Karton ist wiederverwendbar. Keine verlorenen Deckel mehr. Ein Mal, ein kurzes Mal schafft es der Mensch, an seine Möglichkeiten heranzukommen: Echter Saft aus echten Früchten ohne Spritzerei und aus der Region mit einem Zapfhahn, und es hält und funktioniert. Es stürzt nicht ab, es schmeisst den Nutzer nicht raus, es ist 100% verfügbar und tropft auch nicht. Das ist wirklich mal ein Fortschritt. Also Gegenwart. Halt Dich ran. Dann bin ich auch netter zu Dir. Du dumme Sau.

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In Dick und Dünn

Sehr feiner Beitrag bei Deus Ex Machina über die Frage, ob und wie man Kalorien für alle beschaffen kann, und wie lange das noch statistisch gut geht (so es denn überhaupt "gut" geht).

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Samstag, 8. Oktober 2011

Von den Feigen bis zu den Oliven

Und was danach kommt, mag kommen, aber es ist nicht mehr so wichtig. Ich mag diesen See und die Erinnerungen, und deshalb fahre ich hier entlang, für die Erinnerung und als Stellvertreter für alle, die es gerade nicht können.























Alles zusammengenommen ist das schon einer der Orte, an dem man bedenkenlos sein kann. Und davon gibt es nicht viele auf dieser Welt.

Es waren sehr schöne Tage hier.

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Reifezeit

Heiss war es Ende Mai. Es gibt so eine Hitze, die jeden Gedanken an Winter unglaubwürdig macht - obwohl der letzte Rodeltag erst ein paar Wochen zurück lag. Aber diese italienische Hitze in einer glühenden Stadt macht diese Vorstellung eines Winters mit Eis und Schnee hochgradig unwahrscheinlich. Für das Gefühl. Die Ratio sagt: Wenn Du Deine Schuhe holst, such gleich nach neuen Farben für den Herbst.



Denn es dauert drei Monate, bis sie dann fertig sind. Normale Schuhe dauern nur zwei Monate, aber Stiefel sind schwieriger. Da muss mehr gemacht werden. Es muss schliesslich mehr aushalten. Das dauert.



Und dann sind da noch all die Sonderwünsche. Zum Beispiel die dick profilierten Sohlen. Oder der Verzicht auf verzierte Kappen. Wenn es Winter wird, soll der Schnee nicht zu viel Halt finden. Das dauert alles, das muss alles so gemacht werden, das kostet Zeit und Geld, aber anders geht es nicht.



Im September ist Signore Tedesco-Giornalista wieder im Lande, und die Schuhe sind gerade erst fertig geworden. Und sie sind fein geworden, fast zu fein für die Idee, sie zum Rodeln anzuziehen, wenn der Winter wieder kommt. Aber auch das mag man nicht glauben, so heiss, wie die Stadt immer noch im Luftplasma kocht.



Aber es wird kommen. Alles wird sich finden, die Gelegenheit für den Schuhe, für den sicheren Tritt dort, wo er hingehört. Man kann ihn sicher am Berg auf Steine setzen, aber auch in der Stadt und im Büro tragen, falls es dort glitschig wird. Es dauert halt drei Monate, bis solche Schuhe fertig sind und etwas taugen, wenn es die richtigen Leute machen.

Das nächste Mal frage ich nach Stahlkappen und Nägeln für die Unterseite. Für die ganz harten Touren und Brocken. Es muss ja nicht immer der Berg sein.

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Donnerstag, 6. Oktober 2011

Ich weiss

Die FAZ-Blogs sind down. Alle. Und ob sie bald wiederkommen, weiss ich auch nicht. Ich weiss nur, dass das Problem als solches mittlerweile bekannt ist. Das gibt Anlass zu begrenzter Hoffnung. Man wird wohl daran arbeiten, es wird nicht von Dauer sein.



Wenn ich nur ein unengagierter Langeweiler wäre, den es überhaupt nicht interessiert, ob meine Texte gelesen werden und zur Debatte anregen, könnte mir das sogar egal sein. Vielleicht liegt der Fehler also im Kern bei mir und meiner unsympathischen Einstellung zu Leistung und Hingabe an eine Sache. So wird es wohl sein. Tjaja.

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Donnerstag, 6. Oktober 2011

Leben

Leben heisst zuerst einmal: Gesund bleiben. Das geht ganz gut, wenn man das Richtige erkennt und befolgt. Natürlich ist so ein Rad nicht billig, aber selbst, wenn ich 1000 hätte: Kein Cent wäre so sinnlos und dumm verschwendet wie das, was immer noch als normale Sucht angesehen wird.



Italien ist, was Nichtrauchen angeht, grossartig. Italien hat sich da wirklich gewandelt, in all der Zeit gab es nur zwei Momente, da ich mich etwas unwohl wegen Rauchern fühlte. Italien ist schmutziger als Deutschland, aber relativ gesehen ist das Kippenproblem sehr viel kleiner. Ich wohne selbst in der Altstadt. Ich sehe den Unterschied. Ausserdem wird in Italien nicht so viel gesoffen. Und schönere Rennräder haben sie ohnehin. Eines habe ich reimportiert. Das bleibt hier.



Alle fahren hier mit dem Rad, wenige rauchen. Und am Abend, so gegen 18.30 Uhr, kommen dann immer Radlergruppen an der Rotunde der Mathilde zusammen, reden eine Stunde, und verlieren sich dann wieder. Man muss länger hier sein, um das zu sehen und zu verstehen. Lern endlich italienisch, sagt Sara zu mir, jedes Mal, und sie hat ja recht. Aber andererseits bin ich auch ganz froh gewesen, nur stiller, leiser, rauchfreier Beobachter zu sein und mich gesund zu fühlen. Meinem Knie geht es sehr viel besser. Mit geht es besser.



Ach, dieses Bild. Hinter meinem Standort ist die Bäckerei mit dem Zwiebelfocaccia, das duftet hier immer so unverschämt, und auch, wenn ich viel geradelt bin und nicht geraucht habe: Abgenommen habe ich nicht. Aber gelebt und gesundet und gesündet und ein De Rosa gekauft, das habe ich.

Allerdings kostete es weniger als das, was andere in drei Monaten wegrauchen. Man mag es also entschuldigen, das einzige, kleine De Rosa.

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Fabrizio bleibt

Frabrizio liebt. Aber wird er auch geliebt?



Ich mag den Namen, weil der Held der Karthause von Parma so heisst, und mit ihm ist es ein wenig wie mit Charles Ryder in Brideshead revisited: Es sind keine sehr schönen und guten Charaktere, aber erfundene Menschen, von denen ich sehr viel lernen konnte. In gewisser Weise ergänzen sich die Bücher sehr gut; und wenn mein Leben mitunter dem von Charles Ryder glich, gibt es auch Phasen, da mir Fabrizio sehr nah ist, talentiert, aber antriebslos, privilegiert, aber ein Aussenseiter, schwierig und eingesperrt in eine Welt, die sich in die falsche Richtung entwickelt hat.

Ich muss los.



Die Umstände erlauben es nicht, dass ich nach Bergamo fahre und weiter nach Bellagio, dann über die Küstenstrasse nach Bellagio, Como und Dongo, woher Fabrizio stammt und von wo aus er flieht, um den Fehler und die grosse Tat seines Lebens zu begehen. Ich wäre gern über die Schweiz zurückgefahren, aber dazu hätte ich früh starten müssen, und die Pflichten - durchaus angenehm - haben es nicht erlaubt. Es gab noch viel zu tun in Mantua.



Mantua hat Glück gehabt, von Stendhal nicht anstelle von Parma aufgespiesst zu werden, obwohl man statt der vertrottelten Farnese auch ein paar degenerierte Gonzagas als Vorbilder der verkommenen Fürstenhöfe hätte nehmen können. Überhaupt taucht Mantua nur einmal in der grossen Literatur auf: Romeo muss hierher fliehen, und hätte sie Sache mit Julia ein gutes Ende genommen, wären sie vielleicht hierher durchgebrannt. Das Stück hätte ein gutes Ende genommen und wäre eher erfolglos geblieben, wie etwa der Sturm, der so ein seltsames Zwischenende hat, schön, bezaubernd und abgeklärt zugleich.



Ich dagegen werde immer wieder zurückkehren. Nächstes Jahr, vielleicht auch schon etwas eher, wenn Berlusconi fällt - da will ich dabei sein. Die Wohnung ist schon gemietet, und ich müsste mich mal erkundigen, was ich eigentlich bin, wenn ich drei Monate im Jahr richtig in Italien lebe. Muss ich mich dort melden, bei einem verschlafenen Beamten, und Formulare ausfüllen, die keiner liest? Geht das einfach so? Reicht es, wenn ich ab und zu kurz heimfahre, was ja nicht so tragisch ist, nur 400 der schönsten Strassenkilometer, die Europa zu bieten hat?



Man fährt da nicht nur von A nach B, man ist. Das lässt sich verschmerzen. Es sind einige Pässe im Weg, und man kann Tortendefizite bis Bozen ausgleichen. Ein paar Monate bleiben, das wäre zu klären, aber Fabrizio würde es vermutlich vergessen und ich auch, schliesslich ist es nicht so wichtig, und ich störe da unten keinen. Ich will mich nicht dem Blödsinn der dortigen Internetgesetze aussetzen, ich will Tourist sein und jederzeit gemächlich aus dem Geschehen fallen können, wie die Villen in Desenzano, die mit Seeblick langsam verrotten.



Ich will hier unten etwas mehr leben, sehen und mitnehmen als daheim. Das ist auch nicht schlecht, aber meine Heimat ist im November grau, und im Frühjahr bringen mich die Pollen um. Mantua me genuit, sagt Vergil, und im Gedenken an Nebel- und Pollentage kann ich das auch sagem wenn ich im richtigen Restaurant sitzen werde.



Man hat von hier übrigens einen ganz famosen und weitgehend unbekannten Blick auf Sant'Andrea von Alberti, wie so oft in Italien fügt sich alles zusammen, diese seltsame Harmonie der Dinge, die hier völlkommen beiläufig ist und nördlich der Alpen mit all der Kunst im Raum und der Platzgestaltung nie gut aussehen wird. Manches ist hier erleuchtet. Und anderes eine durchgebrannte Funzel. Siehe alles, was mit Politik zu tun hat.



Deshalb: Mieten. Für ein paar Wochen und Monate. Länger als ein Urlaub, kürzer als ein Leben. Die Reiseteekanne bleibt diesmal hier, das De Rosa nehme ich mit als Andenken an diese Wochen im Sommer. Sicher, in Deutschland war es auch schön, aber hier begann ich, mich wieder für Menschen zu interessieren. Genau hinzuschauen. Und ein wenig zu verschmelzen, wenn ich mit dem De Rosa, Polohemd und zweifarbigen Mocassins durch die Stadt radelte. Würde ich daheim nie machen. Hier ist es anders.



Mantua ist nicht das Parma von Fabrizio; es war gut zu mir. Und man sieht ja: Der Fabrizio im Buch stirbt an gebrochenem Herzen, aber ein neuer Fabrizio ist da und malt es heil an die Wand. In Mantua, nicht in Parma. Aloysius jedenfalls wartet schon im Wagen. Wir müssen los.

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Sensation!

Alte Frauen! Langsamkeit! Immer weniger! Es eilt gar nicht! Grosse Sensationen fehlen! Starke Handkung allenfalls in Nebensätzen! Kurz, besuchen Sie die Stützen der Gesellschaft und Damen am Krückstock, solange sie noch stehen. In der FAZ , und wie Venedig, oben Säiulen und darunter der Morast in fauligen Kanälen.

Und diesmal sind viele Klicks sehr willkommen.

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Mittwoch, 5. Oktober 2011

Wir hatten wenig Architektur

Um ehrlich zu sein, war ich auch nicht gerade oft in Kirchen, und so gut wie in keinem Gebäude, in dem ich nicht schon gewesen bin. Und diesmal hatte ich ohnehin andere Interessen. Vielleicht ist es aber auch einfach die lange Zeit, die ich dieses Jahr in Italien gewesen bin: da muss man nicht mehr alles machen. Lieber gebe ich den Cicerone zwischen Licht und Schatten.





















Ja. Ansonsten war das ein Tag historischer Dimension. Man kann nicht segeln gehen und am Kai zurückbleiben, man kann nicht Licht sein und Schatten, man muss sich irgendwann entscheiden, oder man wird von Entscheidungen anderer, manchmal mit Relevanz und manchmal nur von Wanzen, aufgefressen.

Andererseits, es kann nicht immer so weiter gehen mit dem sonnigen Italien.

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