Real Life 15.6.08 - Fallende Feste
Da gibt es nur ein Problem: Das Gartenfest war lang geplant und entsprechend vorbereitet; die Zelte waren angemietet und die Torten fest bestellt, eine Absage wäre unerfreulich gewesen, und als dann die Schwiegertochter in der Hoffnung auf das Ausbleiben des Ernstfalles und eine empörte Zurückweisung durch Frau H. meinte, sie könnte das ja auch übernehmen, musste sie - den von Susi verbreiteten Gerüchten zufolge - wenig erbaut erfahren, dass Frau H. die Initiative uneingeschränkt begrüsste, schliesslich musste die Eingeheiratete auch mal endlich lernen, wie man sowas macht. Und nun stehen draussen die Zelte in einem infernalischen Hagelschauer, ein paar zurückgelassene Gläser glänzen im nassen Gras, und auf den 20 Matern von den Zelten zu den trockenen Innenräumen sind alle - um es vorsichtig zu sagen - feucht geworden. Und die Schwiegertochter, die nicht erwartete, plötzlich all diese Leute im Haus zu haben, ist vor lauter Unorganisiertheit am Rande des Nervenzusammenbruchs.
Du stehst mit Susi ziemlich am Rand des Debakels, aus dem gerne jeder verschwinden würde, aber keiner natürlich nach einer Stunde einfach so gehen kann, also nässt und dampft man sich was vor und isst Kuchen im Stehen. Oder begeht einen Fauxpas.
Monika! Monika! zischt es neben dir, es ist der Herr, der an Sylvester die dumme Idee hatte, bei dir daheim Kerzen - und Krabbensalatplastikverpackung - am Gasherd anzuzünden, und die Gerufene versteht gar nicht, was sie getan hat und fragt etwas verwundert Ja? Und alle schauen sie an. Was nicht weiter verwundert, denn sie ist völlig frei und einsam in einer Isolation, die man nicht als splendid bezeichnen kann. Monolithisch steht sie auf dem grossen Seidenteppich, den sie zu überqueren gedachte; vermutlich weil er so schön frei war und alle anderen Gäste natürlich wissen, dass man sich mit schmutziggrasenen Schuhen keineswegs darüber bewegen sollte.
Monika ist neu hier, flüstert Susi. Denn der junge Herr, der gerade einen Anlass bekommt, sich in ein paar Wochen bei Frau H. zu entschuldigen, der junge Herr, dem nach Weihnachten die blonde Freundin mit Hilfe von Mama und Papa ausgezogen ist, hat jetzt wieder eine Partnerin - noch jünger, schon wieder aus der Firma, einen Import aus Norddeutschland, Assistentin in irgendeiner Abteilung der grossen Frabrik und jetzt auch Copilotin in einem weissen Werkswagen sowie Anlass zur allgemeinen Verwunderung, wie man, wenn man schon so angezogen ist, auch noch triefend über den Seidenteppich zum Klo laufen kann.
Monika ist von bewundernswerter Einfalt, sie versteht gar nicht, was los ist zuckt die Achseln und marschiert sicherheitshalber einfach mal weiter dunkle Flecken auf den hellen Feldern des Paradiesteppichs hinterlassend, einen rautenförmigen Abdruck vorne und ein kleines Löchlein dahinter bei jedem Schritt, womöglich denkt sie sogar, man bewundere ihre tief ausgeschnittene Toilette, die das Tattoo auf dem Schulterblatt ganz natürlich sehen lässt. Oder die Tasche "a la russe" mit dem auffälligen Namen in Goldbuchstaben. Für ihren Freund ist die versauende Überschreitung von Frau H.´s Heiligtum vielleicht noch etwas unangenehmer als der Moment, da die Eltern seiner Ex mit den Möbelpackern kamen - da haben es direkt nur wenige miterlebt, aber das hier sieht jeder. Da, wo Monika herkommt, haben sie Stroh auf dem Boden, gibt Susi den Tratsch der kommenden Wochen vor. Wie gefällt sie dir eigentlich so?
Die unfreiwillige Gastgeberin kommt vorbei, entschuldigt sich überflüssigerweise für das Wetter und entbindet dich von der Pflicht, etwas halbwegs Geistreiches über Nichtigkeiten so zu sagen, dass es bei Susi als Kompliment für sie selbst ankommt. Draussen ist es kalt, die Scheiben sind beschlagen, man reicht Tee für die Wärme und Sekt zum Betäuben, und als dir später Monika vorgestellt wird, lässt du vorsichtig durchblicken, was es mit dem Teppich so auf sich hat, was sie mit einem "Weia und ich bin drübergelatscht" erwidert, verlegen an ihrem Tattoo rumreibt und dir bald erählt, wo sie sonst noch die Natur ihrer Oberflächen mit welchen Mitteln modifiziert hat.
Ihr Freund bekommt das auf einem Ohr mit und weiss nicht, ob er froh sein soll, dass nur du, der bekanntermassen weltgewanderte, über die bayerischen Landesgrenzen hinausgekommene Exzentriker mit den komischen Marotten und diversen asiatisch wirkenden Bekannten das alles erfährt, oder befürchten muss, dass es von ihr demnächst auch Leuten unterbreitet wird, die seiner gesellschaftlichen Stellung schaden können. Du hättest ihn beuhigen können, Susi hat alles gehört und Stress mit ihrem Freund, womit alles, wirklich alles zu spät ist, in dieser entzückenden, gastfreundlichen Provinzstadt, wo man auch noch posthum Gartenfeste feiern würde.
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Südlich des Mains eine sehr verbreitete Verhaltensweise. Tendenz steigend je näher man den Alpen kommt.
(Gott, bin ich froh, nicht mehr dort zu wohnen)
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Natürlich sind feine Umgangsformen etwas wert, und sie helfen einem oft im Leben. Aber richtig vornehm ist nur, wer mit den Fauxpas anderer Leute souverän umgehen kann, ohne sie zu beschämen. Das ist jedenfalls ein entscheidendes Kriterium, wonach ich solche Leute beurteile.
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Aber richtig vornehm ist nur, wer mit den Fauxpas anderer Leute souverän umgehen kann, ohne sie zu beschämen.
genau so ist es.
derjenige, der schon da ist, wo der aufsteiger erst hin will, hat das ganze verbissene, letztlich aufgesetzte - hach, wie mache ich das richtig und weia, wenn ich das jetzt falsch mache - gar nicht mehr nötig. der weiss, dass er es richtig macht, und wenn er es eben falsch macht, macht er es bei sich zu hause, wo er das darf, oder bei leuten, die ihm deswegen nicht böse sind. daher kommt die souveränität dieser schicht.
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Ja, Ja, vorbei sind die Zeiten, als Chefärzte noch ihre Krankenschwestern zu heiraten pflegten!
So heißt es in der Studie des Makroökonomen Gustav Horn:
"Zugleich schotte sich die Mittel- und Oberschicht gegenüber der Unterschicht immer mehr ab. «Das ist beispielsweise auf den Heiratsmärkten deutlich zu beobachten: Vor 30 Jahren heiratete der Chefarzt gerne die Krankenschwester, heute heiratet er die Kollegin», sagte Horn."
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was mir gesichert scheint, ist, dass lehrer/innen gern im kollegenkreis heiraten.
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Ich persönlich glaube nicht, dass es diese Zeiten je gegeben hat. In meiner weiteren Familie gab es noch 1924 einen dramatischen Doppelselbstmord, weil beide Clans der Meinung waren, eine Heirat wäre durch die Klassenunterschiede nicht möglich. Der Vorfall hat dann einiges aufgebrochen, bei meiner Grossmutter wurden ihre extravaganten Heiratsansprüche einfach so hingenommen, aber auch sie wiederum hatte klare Vorstellungen, was gut für meine Mutter ist. Die härtesten Vorurteile habe ich persönlich nicht in meinem - trotz allem eher legeren Umfeld - angetroffen, wo meine Eltern mit der Verkäuferin genauso wie mit der Apothekerstochter klar kamen, sondern in der Mittelschicht, wo es den Müttern immer extrem wichtig war, dass die Freunde aus den "richtigen" und womöglich besseren Kreisen kamen. Lieber ein durchgeknallter Rechtsnwalt als ein netter kaufmännischer Angestellter war da die Devise.
Was natürlich noch mit reinspielt, ist das Aussterben meiner Gesellschaftsschicht. Früher gab es einen gewissen Überschuss an in den besseren Kreisen unvermittelbaren Leuten, Exoten, Rebellen, Drittgeborenen und unehelichen Kindern mit üppiger Apanage, die ihren eigenen Weg gingen. Mit der Pille hat sich das radikal geändert, das Einzelkind ist die Regel, und es wächst im Gefühl auf, dass es etwas Besonderes ist und etwas Besonderes braucht. Dazu kommen dann auch noch Interessen wie Oper, Konzerte, gesellschaftliche Aktivitäten und Begünstigungen, die als vollkommen normal gelten und nur auffallen, wenn sie mit dem Partner nicht mehr möglich sind. An so etwas ist die Ehe einer mir gut bekannten besseren Tochter zerbrochen.
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Manche Leute stehen ja in der Kindererziehung auch heute (wieder?) auf sowas. Aber ich finde es, ehrlich gesagt, sehr demütigend - auch noch in der Erinnerung nach Jahrzehnten.
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ich sag´s mal so: Es hat der DDR, ihren Villen und dem Siedlungsbau nicht wirklich gut getan, was da gemacht wurde. Zusammen mit der Konsumwut des Westens und der sozialwen Abrissbirne gibt es eben diesen gesellschaftlichen Bruch in der Tektonik, dass die Anschlussgebiete in ihrer Gesamtheit nach unten durchgereicht wurden.
Meines Erachtens ist eine klassenlose Gesellschaft unmöglich. Was aber nicht unmöglich ist, ist die Hoffnung, dass es in allen Schichten ein Bemühen gibt, mehr zu erreichen als eine Fernbedinung für RTL-II-Nachrichten und der erste beim Sonderangebot des Supermarkts zu sein. Gerade im Bereich der Arbeiterbildung hat sich da wenig zum Besseren gewandelt, und dass auch meine Schicht in der Mitte kulturell auseinanderbricht und untergeht, steht ausser Frage. Ich habe eine gute Freundin, die hasst eigentlich Kinder, überlegt aber, trotzdem schwanger zu werden, damit sie den sich fortpflanzenden Idioten, den gierigen Karrieristen und den Verbrechern an der Spitze nicht dauerhaft das Feld überlässt.
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Ich hätte mit dieser Anspielung nichts anfangen können.
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Als Susi mal verschwinden musste, kam der Sohn der Schwiegertochter, 9 Jahre alt zu mir, der ich allein rumstand. Und erzählte mir brettlbreit, was ihm sein Vater über mich erzählt hat, von meiner wilden Jugend und ob die Beulen in meinem Auto daher kommen, dass ich immer noch ein Raser bin. ... Um dann über das Nachbarhaus zu reden und zu erklären, dass der Arzt wegen der Scheidung kein Geld mehr hat und es jetzt schon seit einem Jahr nicht weiter geht. ...
Früher hätten mir meine Eltern sowas erst gar nicht erzählt, und ich hätte es, selbst wenn ich wüsste, nie weitergetratscht. Tischmanieren waren bei uns nie ein Thema, denn das wurde uns so eingedrillt, dass ich gar nicht anders kann. Ich habe es noch mit den Büchern unter dem Arm gelernt: Jeweils ein neues Buch zwischen Oberarm und Brust eingeklemmt, und wenn ich es das Mittagessen über durchgehalten habe, durfte ich die Bücher behalten. Das einzige Problem ist dabei übrigens nicht das Essen und die aufrechte Haltung, sondern das reichen der Teller beim Servieren.
Wir waren damals alle perfekte kleine Prinzessinnen und Prinzen, es hat immer eine hand zwischen den Rücken und die Suhllehne gepasst, wir fanden das ganz normal, und natürlich haben wir das Maul gehalten, wenn Erwachsene geredet haben. Ich war letztes Jahr mit meinem Dad bei einem ehemaligen Geschäftspartner und dessen Sohn, da habe ich auch kaum was beigetragen. Das ist bei uns so.
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Vielleicht haben meine Vorfahren auch solche Erfahrungen wie Monika gemacht, ich weiß es nicht. Ich nehme ihnen ihre Vorstellungen von Erziehung aber dennoch übel. Später musste ich beruflich unter liberal erzogenen Mittelschichtskindern meinen Weg machen - und da zählten nicht Drill und Unterwürfigkeit, sondern andere Eigenschaften. Unter anderem der Mut, sogar unter "gesellschaftlich höher gestellten Menschen" gelegentlich den Mund aufzumachen.
Das mit dem Schweigen, wenn z.B. Mitglieder der eigenen Familie mit höherem Rang zugegen sind, habe ich bei Menschen adliger Herkunft übrigens auch schon mal erlebt. Es war seltsam, weil die bürgerlichen Teilnehmer der Tischrunde sich alle ganz locker unterhalten haben.
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Was die Liberalität der Erziehung angeht, bin ich gespalten, seitdem ich SchülerVZ kenne. Ich bin sehr froh, da keine Entscheidungen treffen zu müssen, die mir vom sozialen Wandel ohnehin abgenommen werden würden. Und ich bin ganz sicher nicht reaktionär.
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Und wenn die Erziehung sich zu sehr an reaktionär-konservativen Werten orientiert hat (wozu z.B. auch ein veraltetes Frauenbild gehört - nach dem Motto: Hauptsache, sie kann gut putzen und sich elegant bewegen!!!), hilft sie bei der Bewältigung des modernen Lebens auch eher weniger.
Das ist ein bisschen so wie die Eltern, die heute anscheinend ihre Vierjährigen in Power-Point-Kurse schicken. Glauben die ernsthaft, dass dieser Mist in 20 Jahren in der Geschäftswelt noch so en vogue sein wird wie heute? Ich hoffe das jedenfalls nicht...
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Dafür braucht man die Mittelschicht, die uns jetzt leider wegwegbricht.
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Am Wochenende war "Lange Nacht der Wissenschaften" und ich habe bei mir am Institut einen Stand betreut. Das Publikum war durchweg "geistige" Mittelschicht. Normale, sympathische Eltern ohne Macken, die ihren Kinder spielerisch ein paar wissenschaftlich angehauchte Dinge zeigen wollten. Die typische RTL2-Familie war nur sehr wenig vertreten, aber dafür habe ich diese Brut dann wieder in der S-Bahn erleben dürfen: laut plärrendes Handy in der einen Hand, Bier in der anderen. Der typische Mandy-Cindy-Kathleen-Ronny-Mike-Verschnitt aus Marzahn. *grmpf*
1. Es ist schade, dass die geistige Unterschicht durch den billigen Konsum und die einfachen Effekte befriedigt wird und sich damit auch zufrieden gibt. Wie kann man diese Menschen im frühen Alter wieder "einfangen" ?
2. Mir ist nie so klar geworden, welche Wichtigkeit das Bemühen der Eltern um eine behutsames Heranführen an Wissen hat - egal aus welcher Fachrichtung.
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Man kann ja über die DDR viel schlechtes sagen. Aber eine gewisse Durchlässigkeit sozialer Schichten bzw. eine Beliebigkeit hinsichtlich der Statussymbole ist für mich im Nachhinein sehr deutlich. Da wohnte eben der Abteilungsleiter eines Großbetriebes im Plattenbau...
war das mit der durchlässigkeit wirklich so?
klar wohnte der abteilungsleiter im plattenbau, und auch der facharbeiter. und beide fühlten sich auf diese weise hoch belohnt, denn nur wer durch leistung und gesellschaftliches engagement die sache der ddr und damit die der sed zu der seinen machte, durfte in den plattenbau mit zentralheizung, bad, dusche, wc.
für wen da kein platz war, in der ddr herrschte wohnungsknappheit, dem blieb der altbau mit ofenheizung und möglicherweise etagenklo.
wie war das mit dem studium?
das war abhängig von der gesinnung der eltern und der eigenen gesinnung, die kinder von kapitalisten waren im nachteil. ebenso bekennende christen, ausser man hiess kasner und der papa pastor konnte gut mit der sed. so haben wir heute eben die lage, dass jeder gelernte ddr-bürger, der in der lage ist, einen korrekten satz, womöglich noch mit haupt- und nebensatz, zu bilden, sich dies mit reichlich rotlichtbestrahlung erkauft hat.
wie war das mit den kindern der nomenklaturisten?
ich denke doch, dass die, sofern sie mitmachten, es ziemlich leicht im leben hatten. wie war das mit den kindern der intelligenz? ich nehme doch an, ähnlich. oder gab es tatsächlich so etwas wie sozialen abstieg, der nicht der opposition (bewährung in der produktion) zuzuschreiben war? ich denke doch, dass, wer da einmal oben war, wenn schon, dann doch recht weich fiel.
wer heiratete wen?
heiratete des abteilungsleiters töchterlein wirklich den sohn des facharbeiters aus dem gleichen haus? dann vielleicht, wenn der schwiegersohn in lauerstellung zeigte, und das wieder durch leistung und durch gesellschafliches engagement im sinne der sed, dass er dabei war, sich für grössere aufgaben zu qualifizieren, er also der junge mann war, der eine zukunft vor sich hatte.
wenn nicht, dann doch wohl eher nicht.
was die statussymbole anging: wenn man auf einen trabi zehn jahre warten muss, und so etwas wie verbraucherkredit unbekannt ist, so dass arbeiterehepaare - beide berufstätig, das war die regel in der ddr - auch jahre auf eine anbauwand sparten, dann können mancherlei dinge zum statussymbol werden.
statussymbole waren am einfachsten durch westgeld zu erlangen. wer grosszügige westverwandschaft hatte, war klar im vorteil. klsr im vorteil war auch, wer ein geschickter organisierer und verwerdter des organisierten war, sprich handwerker, denen man nachsagte, das was sie bei der arbeit klemmten, nach der arbeit zu verlöten. von daher war einem gewissen akademischen dünkel ein dicker riegel vorgeschoben.
das mit den schrebergärten und den lauben darauf war eher der notwendigkeit als der sozialen differenzierung geschuldet, anders hätten es familien in den engen wohnungen nicht ausgehalten, vom beitrag zur frischgemüseversorgung ganz abgesehen. aber wie war das mit der datsche in feriengegenden? es gab da schon welche, die sowas hatten. wie war das mit der jagdausübung, die war doch auch den guten genossen vorbehalten, die sich auch mal so fühlen wollten wie ihr genosse staatsratsvorsitzender.
wie war das eigentlich mit den reisekadern? es durften nämlich welche zum klassenfeind, und das zu dürfen war eine ganz besondere auszeichnung, die auch von ganz besonderer zuverlässigkeit und ergebenheit gegenüber der sed zeigte, oder nicht?
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Bevor ich Dein Traktat auseinandernehme, gebe ich Dir großzügig die Gelegenheit, ein paar der gröbsten Widersprüche auszubügeln.
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und überhaupt, das legt dann doch wohl an der gastgeberin, dass da die gäste mit den nassen, dreckigen schuhen ins wohnzimmer müssen. die soll sich mal nicht so haben, selber schuldig, wenn sie mit ihrem bodenbelag protzen will. hätte sich besser einen gobelin an die wand gehängt, da wäre das nicht passiert.
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Einerseits sind wir Norddeutschen ja schon mit Gummistiefeln an den Füßen zur Welt gekommen; und so verhalten wir uns dann eben auch anderswo.
Andererseits gehören Teppiche, auf die man nicht rauftreten darf, an die Wand.
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Und dass man mit dreckigen Schuhen frisch vom zertreten Rasen nicht über einen hellen, feinen Teppich rennt, sollte eigentlich kein Geheimnis der höhreren Raketenwissenschaft sein. Die Wand, an den man diesen Teppich hängen könnte, müsste erst noch gebaut werden.
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Es ist auch nicht so, dass ich es generall als Zumutung empfände, auf gute Sachen aufzupassen. Aber Teppich bietet sich hier allenfalls im Schlafzimmer an. Oben im Wohnzimmer, wo man für gewöhnlich eh nicht in Straßenschuhen hochstapft, liegt Teppichboden. Damit ist den Belangen der Gemütlichkeit hinreichend Genüge getan, finde ich.
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Schafskälte aka Europäischer Monsun.
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Ich verstehe Leute nicht, die mit verdreckten Schuhen ein Haus betreten. Da schaut man doch, wo man hintritt. Braucht es dazu schon eine besondere Erziehung?
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Natürlich ist das alles profan. Es wird nächste Woche durch den nächsten Fauxpas abgelöst sein, den ich aber kaum erleben werde, weil ich anderweitig Verpflichtungen habe. Höchst profaner Natur, natürlich.
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Es ist schon erstaunlich, wie vielschichtig Ursache und Wirkung im Leben der Upper Class sein können.
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