: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :

Samstag, 14. Juni 2008

Angst

Vor ein paar Wochen wurde ein Autor, der über lange Zeit keine ausreichenden Antworten auf seine Fragen - einen grösseren Wirtschaftsskandal betreffend - erhielt, dann doch eingeladen. Der Chef des Unternehmens wolle ihm Rede und Antwort stehen, alle Fragen könnten angesprochen werden, man habe nichts zu verbergen.

Als er dann eintraf, wurde es in das Besprechungszimmer geführt, und dort sass nicht der Chef und auch kein Vertreter, sondern nicht unbekannter Medienanwalt und legte ihm dar, was er für seinen Mandanten alles tun würde, wenn er auf der Beantwortung der Frage bestehen würde, weiter seine Zweifel äusserte, und welche Streitwerte man ansetzen wollte - Prozesskostenrisiken im Millionenbereich wären die Folgen gewesen, Ausgang ungewiss, über diverse Instanzen und dann natürlich auch noch ein ganz bestimmtes Gericht für die ersten Instanzen.

Der Journalist liess sich nicht einschüchtern, und der Anwalt tat dann doch nichts - ausser vermutlich seine Kosten für diese Form der in Deutschland legalen, umgangssprachlich würde man sagen - Erpressung beim Unternehmer einreichen. Eine schöne Geschichte, aber trotzdem würde ich gern ein anderes Ende lesen, in dem es um Verkehrsunfälle und ein sehr langsames, schmerzvolles Verenden ginge, was ja auch manchmal am Schluss von solchen Karrieren steht. Es gibt auch Tage, da verstehe ich den Terroristen antreibenden inneren Kohlhaas, und weitaus mehr Tage, da fühle ich in meinem Innersten, warum es ein Recht auf Widerstand gibt.



Es gibt ein Ungleichgewicht der Angst in diesem Land. Man muss überlegen, wie man die Angst dorthin zurückträgt, wo sie herkommt. Die Angst ist auf der Seite der Wehrlosen, sie ist nicht auf der Seite der Korrupten und derer, die Wanzen verstecken, Angst ist ein Instrument, gegen das es keine gesetzlichen Regelungen gibt, und die Frage, die sich mir stellt, ist eigentlich ganz einfach: Wie bleibt man legal, und produziert trotzdem Angst auf der anderen Seite, und zwar so, dass eine Abwehr mit Typen wie dem oben genannten schwer wird? Kann es sowas wie weissen Angstismus, Terror-ismus geben? Was kann das Individuum gegen das System und seine Organisationen tun, wenn der Staat sich nicht mehr dem Bürger, sondern dem halbverstaatlichten Beziehungskomplex mit seinen Lobbyisten, Vertretern und Verwaltern verpflichtet fühlt?

Natürlich ist Terrorismus in seiner klassischen Form keine Lösung. Die 68er Idee, den Staat zum Umkippen in seine faschistisch-totalitären Strukturen zu bringen, kann man sich in Zeiten des "Heimatschutzes" und der Überwachungsermächtigung und der davon profitierenden Konzerne weitgehend sparen. Die Hools, die vor meinem Fenster gerade pöbeln, sind sicher keine revolutionäre Basis, und das Prinzip der Gewalt zieht nur Leute an, mit denen nichts zu erreichen ist.

Vielleicht liegt die Lösung in der intensiven Aufklärung, in der Untersuchung nach stark wirkenden, tatsächlich aber schwachen und verletzlichen Punkten im System. Man mus lernen, was Angst ist, wie sie entsteht und wie sie wirkt. Jeder hat Angst. Dieser Staat braucht mehr davon, insofern bin ich auch den Iren für ihre Ablehnung der EU erst mal dankbar. Blöde Entscheidung, aber die Angst ist da, wo sie hingehört. Die Antwort kann nicht sein, die Iren rauszuschmeissen, die Antwort muss sein, dem System noch mehr Gegenangst zu machen.

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Der Nachwuchs der Kinderlosen

Es gibt Anzeigen für gebrauchte Roadster, die weh tun. Die gehen in etwa so: "Muss mich leider wegen Nachwuchs von meinem geliebten Zweisitzer trennen. Abzugeben nur in gute Hände."

Ein Drama steckt in diesen Worten, das man desöfteren aus den besseren Wohngegenden des Landes kennt -all die Erwartungen der Jugend und ihre Erfüllung, gegen einen Ernst des Alters, Kombiverseucht und windelndurchnässt, natürlich in deren Augen auch schön, aber in 30 Jahren, wenn der Roadster dann als Oldtimer vorbeifährt, wird es ihnen immer noch einen Stich versetzen, denn da geht er hin, der Traum, die gute, alte Zeit, als man nur an sich denken musste, nicht an die Altersversicherung und die Hypothek, und der nachwuchs wird raunzen, wieso der alte Depp diese Aufreisserkiste verkauft hat. Jede dieser Anzeigen ist eine traurige Geschichte der Trennung von Blech, das irgendwie auch Leben ist.

Aber - man darf nicht übersehen, jede dieser individuell traurigen Geschichten endet mit einer guten neuen Geschichte.



Denn in 30 Jahren wird es eben nicht nur die Jammernden gegen, sondern auch die, die den einen Gegenstand der Kümmernis haben, und den anderen zu vermeiden wussten. Heute begann so eine schöne, neue Geschichte. Und es ist besser, viel besser, als Mädchen zur Abtreibung oder zum Traualtar zu begleiten.

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