Zeitenwandel
Ich war Profi. Die üblichen Beschränkungen von 30 km/h im Werksgelände galten für mich explizit nicht, und draussen ging es nur darum, rechtzeitig anzukommen. Ich war nicht Profi genug, es normal zu finden, einen Sport Quattro mit 160 durch die Feldwege auf dem hinteren Parkplatz zu prügeln, dafür waren die 0 - 3- 7 - 17- 39 - 57 - 78 - 99 - 124 -Sprünge der lahmen Digitalanzeige viel zu aufregend. Ein Auto, das zu schnell war für den noch lahmen Bordcomputer. Damals einer der letzten seiner Art, eine verfluchte Drecksau von Auto, ein fauchendes Monster mit einem elenden Turboloch, das man vor dem Scheitelpunkt der Kurve trat, damit es aus ihr rausexplodierte. Einmal platzte bei sowas mit dem Nachfolger der Reifen. Einbaufehler, kann passieren. Da lagen Motorteile auf dem Beifahrersitz, ich nahm den nächsten und fuhr weiter. Mit 270 Richtung Nizza, mit 60 über die Eisenbahnwagons, und manchmal einfach nur zum Tank leer fahren. Ich habe damals jede Raserei gemacht, die man erlebt haben kann, wochenlang, jeden Tag, ohne Nachdenken. Und erst, als einer vor mir mit 250 von der Autobahn abflog, begann ich zu begreifen, dass es jetzt reicht. Ich kann immer noch rasen, aber ich tue es nur noch seltenst, um mich meiner Fähigkeiten zu versichern. Das ist wie mit dem Consulting: Man verlernt es nicht. Man kann sich davon lossagen, aber es bleibt immer ein Rest übrig.
Und dieser Rest ist erstaunt über zwei Dinge der letzten Tage. Die Firma, in deren Auftrag ich das Rasen gelernt habe, bei der es selbst in den Pausen kein anderes Thema als die Geschwindigkeit gab, unter den Bildern an der Wand, die nichts ausser Raser, aufgeblasene Motoren und breite Reifen zeigten, diese Firma, die es mit dem Rasen vom Opaautohersteller zur Premiummarke geschafft hat und die damit angab, für Raser die sichersten Autos zu bauen - diese Firma hat gerade eines der bekanntesten Rennen der Welt gewonnen. Mit einem Fahrzeug, das langsamer war als die Konkurrenz, aber auch sparsamer im Verbrauch, und durch weniger Tankstopps gewann. Früher wäre das ganz verschämt irgendwo unten erwähnt worden. Aber die Siegeszeitung, die dem lokalen Schmarrnblatt beigelegt war, stellte genau diese Sache ganz gross raus. Sparsamkeit schlägt Endgeschwindigkeit.
Heute war meine absolute Lieblingszeitschrift im Briefkasten. Die bekannteste deutsche Marke für Raser wirbt darin seit jeher für ihre spritschluckenden Monster mit Hochgeschwindigkeitsbildern und dynamischen Aufnahmen, den Lesern PS-Monster aufschwatzend, die sie in aller Regel nur noch mit elektronischen Hilfen kontrollieren können - oder auch nicht. Diese Firma wirbt jetzt nicht mehr als Überflieger, sondern als Familienkonzern, mit einem Bild des allerersten Wagens, der 35 PS hatte und kaum Benzin brauchte.
Und draussen im Seeviertel ward der Z. gesehen, der seinen massigen Körper sonst nur mit dem schwersten deutschen Kabrio zu den Immobiliengeschäften bewegt, auf dem Fahrrad in Richtung Stadtmitte, nachdem er schon desöfteren über den Benzinpreis geschimpft hat. Schimpfen tun sie alle, aber jetzt lassen sie Taten folgen.
Es scheint, als würde die Zeit der Geschwindigkeit zu Ende gehen, alles wird langsamer, eine Epoche kommt zu einem jähen, aber nicht ganz überraschenden Ende. Ich habe eine neue Mieterin, die an Konzeptautos mitentwickelt - und sie ist ausgewiesene Elektroingenieurin. Der Profi in mir hat das eigentümliche Verlangen, jetzt noch einmal beim nächsten Spiel der Nazierfreuendenmannschaft in den Wagen zu klettern und es nochmal richtig krachen zu lassen wie früher, solange es geht, ein paar Kilometer, einfach, weil es jetzt noch möglich und bezahlbar ist, burnig rubber, so unverantwortlich und dumm es auch sein mag.
Aber statt dessen nehme ich ihn auf dem Rad mit zum Erdbeerfeld, und nachher streichen wir die Fenster, denn das ist der Raum, der auch bei totaler Entschleunigung erhalten bleibt. Und es muss noch nicht mal schlecht sein. Im Gegenteil, es steht zu befürchten, dass man dergleichen Rasergeschichten in 40 Jahren nicht mehr wird hören wollen, wenn man täglich mit deren Folgen konfrontiert sein wird.
Nachtrag: Auch an Hamburg geht diese Seinsfrage nicht folgenlos vorbei.
Und dieser Rest ist erstaunt über zwei Dinge der letzten Tage. Die Firma, in deren Auftrag ich das Rasen gelernt habe, bei der es selbst in den Pausen kein anderes Thema als die Geschwindigkeit gab, unter den Bildern an der Wand, die nichts ausser Raser, aufgeblasene Motoren und breite Reifen zeigten, diese Firma, die es mit dem Rasen vom Opaautohersteller zur Premiummarke geschafft hat und die damit angab, für Raser die sichersten Autos zu bauen - diese Firma hat gerade eines der bekanntesten Rennen der Welt gewonnen. Mit einem Fahrzeug, das langsamer war als die Konkurrenz, aber auch sparsamer im Verbrauch, und durch weniger Tankstopps gewann. Früher wäre das ganz verschämt irgendwo unten erwähnt worden. Aber die Siegeszeitung, die dem lokalen Schmarrnblatt beigelegt war, stellte genau diese Sache ganz gross raus. Sparsamkeit schlägt Endgeschwindigkeit.
Heute war meine absolute Lieblingszeitschrift im Briefkasten. Die bekannteste deutsche Marke für Raser wirbt darin seit jeher für ihre spritschluckenden Monster mit Hochgeschwindigkeitsbildern und dynamischen Aufnahmen, den Lesern PS-Monster aufschwatzend, die sie in aller Regel nur noch mit elektronischen Hilfen kontrollieren können - oder auch nicht. Diese Firma wirbt jetzt nicht mehr als Überflieger, sondern als Familienkonzern, mit einem Bild des allerersten Wagens, der 35 PS hatte und kaum Benzin brauchte.
Und draussen im Seeviertel ward der Z. gesehen, der seinen massigen Körper sonst nur mit dem schwersten deutschen Kabrio zu den Immobiliengeschäften bewegt, auf dem Fahrrad in Richtung Stadtmitte, nachdem er schon desöfteren über den Benzinpreis geschimpft hat. Schimpfen tun sie alle, aber jetzt lassen sie Taten folgen.
Es scheint, als würde die Zeit der Geschwindigkeit zu Ende gehen, alles wird langsamer, eine Epoche kommt zu einem jähen, aber nicht ganz überraschenden Ende. Ich habe eine neue Mieterin, die an Konzeptautos mitentwickelt - und sie ist ausgewiesene Elektroingenieurin. Der Profi in mir hat das eigentümliche Verlangen, jetzt noch einmal beim nächsten Spiel der Nazierfreuendenmannschaft in den Wagen zu klettern und es nochmal richtig krachen zu lassen wie früher, solange es geht, ein paar Kilometer, einfach, weil es jetzt noch möglich und bezahlbar ist, burnig rubber, so unverantwortlich und dumm es auch sein mag.
Aber statt dessen nehme ich ihn auf dem Rad mit zum Erdbeerfeld, und nachher streichen wir die Fenster, denn das ist der Raum, der auch bei totaler Entschleunigung erhalten bleibt. Und es muss noch nicht mal schlecht sein. Im Gegenteil, es steht zu befürchten, dass man dergleichen Rasergeschichten in 40 Jahren nicht mehr wird hören wollen, wenn man täglich mit deren Folgen konfrontiert sein wird.
Nachtrag: Auch an Hamburg geht diese Seinsfrage nicht folgenlos vorbei.
donalphons, 17:40h
Mittwoch, 18. Juni 2008, 17:40, von donalphons |
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loreley,
Mittwoch, 18. Juni 2008, 21:33
24 Stunden von Le Mans. War total im Weg. Gab es auf Eurosport anstatt Tennis von Queen's.
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donalphons,
Mittwoch, 18. Juni 2008, 21:45
Es kommen bessere Zeiten für Tennisfreunde. Wenn es erst mal die 24 Stunden der Emissionsfreiheit gibt, suchen sich all die Machos wieder eine Alternative. Vielleicht wieder Tennis?
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nm,
Mittwoch, 18. Juni 2008, 22:51
Es mag wohl kaum einen unmännlicheren Sport als Tennis geben.
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donalphons,
Mittwoch, 18. Juni 2008, 22:59
Synchronschwimmen? Cheerleading?
In Boriszeiten gingen alle Rowdies in die Tennisclubs der Provinzstadt.
In Boriszeiten gingen alle Rowdies in die Tennisclubs der Provinzstadt.
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loreley,
Donnerstag, 19. Juni 2008, 10:53
Herrentennis ist tatsächlich nach wie vor sehr gentlemanly. Der Sport basiert auf Fair Play. Dennoch gibt es sehr verschiedene Spielertypen.
Ich möchte noch einen Freund zitieren: Tennis links to fun. Er meint damit auch das Umfeld, die Leute, die den Sport betreiben. In seinem Fall wohl die Frauen, die er dabei kennenlernt. Es ist ein sehr kosmopolitsches Völkchen, das sich für Tennis interessiert. Nicht unbedingt Leute, die in Kategorien, wie männlich oder unmännlich denken.
Durch Boris Becker, Michael Stich und Steffi Graf wurde Tennis in den 80ern zum Volkssport in Deutschland. Das hat inzwischen sehr nachgelassen, weil die meisten sich anscheinend nur für einen Sport interessieren, wenn ein Deutscher bzw. eine Deutsche an der Spitze steht.
Ich möchte noch einen Freund zitieren: Tennis links to fun. Er meint damit auch das Umfeld, die Leute, die den Sport betreiben. In seinem Fall wohl die Frauen, die er dabei kennenlernt. Es ist ein sehr kosmopolitsches Völkchen, das sich für Tennis interessiert. Nicht unbedingt Leute, die in Kategorien, wie männlich oder unmännlich denken.
Durch Boris Becker, Michael Stich und Steffi Graf wurde Tennis in den 80ern zum Volkssport in Deutschland. Das hat inzwischen sehr nachgelassen, weil die meisten sich anscheinend nur für einen Sport interessieren, wenn ein Deutscher bzw. eine Deutsche an der Spitze steht.
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donalphons,
Donnerstag, 19. Juni 2008, 16:53
Ich muss mal was über die nachmittage auf der Empore des bekannten Provinzclubs schreiben, aus der Zeit, als es noch keine Beckermanie gab. Keine bösen Geschichten, allerdings spielte sich das Relevante nicht auf dem Sand ab. Seitdem ist tennis zur DNA-Beschaffungsmethode via Tennislehrer verkommen; der Tennislehrer hat hier den Ruf, den der Skilehrer in Kitzbühl geniesst.
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mark793,
Donnerstag, 19. Juni 2008, 18:47
Bei uns
in der Heimatregion des Leimeners und der Brühlerin war Tennis schon einige Jahre vor Bobbeles erstem Sieg in Wimbledon sehr populär. Bis auf wenige Ausnahmen spielten alle Jungs meiner Klasse Tennis. Gut, nicht jeder konnte oder wollte sich die Mitgliedschaft in einem der Vereine leisten, aber die Platzmieten auf den städtischen/öffentlichen Courts waren erschwinglich, Schläger und Schuhe kosteten auch nicht die Welt. In der Schule gabs sogar eine Tennis AG.
Ob irgendwelche Deutschen in den Top 100 der Weltrangliste vertreten waren, interessierte da nur am Rande. Borg, McEnroe, für die Älteren noch Connors und Nastase, das waren die Idole, denen man auf dem Platz nacheiferte. Als der große Bum-Bum-bedingte Boom kam, war das für mich nicht mehr so irrsinnig interessant, in der zweiten 80er-Hälfte lockten ganz andere (subkulturelle) Erfahrungen...
Ob irgendwelche Deutschen in den Top 100 der Weltrangliste vertreten waren, interessierte da nur am Rande. Borg, McEnroe, für die Älteren noch Connors und Nastase, das waren die Idole, denen man auf dem Platz nacheiferte. Als der große Bum-Bum-bedingte Boom kam, war das für mich nicht mehr so irrsinnig interessant, in der zweiten 80er-Hälfte lockten ganz andere (subkulturelle) Erfahrungen...
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donalphons,
Donnerstag, 19. Juni 2008, 20:32
Tennis war bei uns weitgehend auf die Oberschicht begrenzt, weil nicht ganz billig und angesichts der üblichen Mannschaftssportarten (Fussball, Fussball, Fussball, dann, äh, Fussball) eher was für Exoten. Im Prinzip das, was Golf vor 10 Jahren noch war. ich muss gestehen, mich hat Tennis nie angezogen, Laufsport ist nicht mein Ding, und dann kamen die Surfbretter, und 20 Probierstunden waren beim Teufel.
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loreley,
Donnerstag, 19. Juni 2008, 21:03
Ein Klassenkamerad von mir hat sich als Tennislehrer was dazuverdient. Später auch sein Medizinstudium damit finanziert. Aber richtig was erlebt, hat er erst als Postzusteller. Leider war ich die Leidtragende, denn er hat wegen einer ältern Frau (mit Kindern! Wahrscheinlich war sie gar nicht so alt) mit mir Schluss gemacht, die ihn zu einer Limo eingeladen hat. Das war hart.
Skilehrer können alle was erzählen. Bei Tennislehrern bin ich mir nicht so sicher. Meistens unterrichten sie Kinder.
Skilehrer können alle was erzählen. Bei Tennislehrern bin ich mir nicht so sicher. Meistens unterrichten sie Kinder.
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mark793,
Donnerstag, 19. Juni 2008, 21:06
Mich hätte es null gereizt,
wenn Tennis lediglich eine Domäne der Arztsöhnchen gewesen wäre. Die Vereine mit ihren Wartelisten, auf denen man seine Positionen mit üppigen Spenden verbessern konnte, waren für mich/meine Eltern natürlich außer Reichweite, aber auf den Film hätt ich eh keinen Bock gehabt. Da hing ja nicht nur das Etepetete-Getue dran, sondern auch das Bohei um Vereinsrangliste und "Forderungsspiele" die man da zu bestreiten hatte.
So gesehen war es genial, dass in Mannheim die Infrastruktur da war, um auch als Hobbyspieler Bälle übers Netz dreschen zu können - ohne dass es eine Rolle spielte, ob man dabei die neueste Garnitur von Fila oder Sergio Tacchini trug oder letztjährige Adidas-Plünnen, nicht mal weiß war auf den städtischen Plätzen Vorschrift. So war das eine angenehm bodenständige Sportart ohne allzu großen Schnöselfaktor.
Viele Jahre später hatte ich mit einem Kollegen, der hier nicht ganz so wohlgelitten ist *hüstel*, einen Hallenplatz bei Boris Breskvar in Nussloch, wo Anke Huber trainierte und ihr Lover Andre Medwedev mit seinem frischgekauften Ferrari rumprolte. Auf dem Platz neben uns betätigte sich zeitgleich der Herr L. von MLP, manchmal schaute auch der Herr Tiriac vorbei. Dachte eigentlich immer, dass ich im falschen Film bin, wenn ich meinen angebeulten VW Jetta dort auf dem Parkplatz abstellte.
So gesehen war es genial, dass in Mannheim die Infrastruktur da war, um auch als Hobbyspieler Bälle übers Netz dreschen zu können - ohne dass es eine Rolle spielte, ob man dabei die neueste Garnitur von Fila oder Sergio Tacchini trug oder letztjährige Adidas-Plünnen, nicht mal weiß war auf den städtischen Plätzen Vorschrift. So war das eine angenehm bodenständige Sportart ohne allzu großen Schnöselfaktor.
Viele Jahre später hatte ich mit einem Kollegen, der hier nicht ganz so wohlgelitten ist *hüstel*, einen Hallenplatz bei Boris Breskvar in Nussloch, wo Anke Huber trainierte und ihr Lover Andre Medwedev mit seinem frischgekauften Ferrari rumprolte. Auf dem Platz neben uns betätigte sich zeitgleich der Herr L. von MLP, manchmal schaute auch der Herr Tiriac vorbei. Dachte eigentlich immer, dass ich im falschen Film bin, wenn ich meinen angebeulten VW Jetta dort auf dem Parkplatz abstellte.
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loreley,
Donnerstag, 19. Juni 2008, 21:31
Auch in unserer Gegend war Tennis schon vor Boris erschwinglicher. Etwas ausserhalb der Stadt gab es Tennisplätze zu mieten, es wurden Kurse angeboten. Das war ganz unkompliziert. Viele Kinder haben so Tennis gelernt. Ihre Eltern haben sie im Sommer einfach einen Kurs machen lassen. Es wurde sogar eine Tennishalle gebaut. Das alles hatte nichts mit dem alteingesessenen Club zu tun. Von dort aus hat sich nichts bewegt.
Das Clubleben muss man mögen. Meine Sache ist es auch nicht. Man wird immer vereinnahmt. Aber das ist im Schützenverein sicher nicht anders.
Das Clubleben muss man mögen. Meine Sache ist es auch nicht. Man wird immer vereinnahmt. Aber das ist im Schützenverein sicher nicht anders.
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mark793,
Donnerstag, 19. Juni 2008, 21:54
Tja,
hier am Niederrhein sind viele dieser Tennishallen ohne Vereinsanbindung inzwischen umgewidmet worden zu Indoor-Spielplätzen mit Hüpfburgen, Elektro-Cartbahn und Kletterturm. Auch bisschen traurig irgendwie, obschon ich als praktizierender Papi ja eigentlich nichts gegen Kinderbespaßung einzuwenden habe. Aber diese Hallen verraten dem aufmerksamen Gast halt doch, dass sie eigentlich mal für was anderes gebaut waren. In der Einrichtung in Neuss hat man sich nicht mal die Mühe gemacht, einen anderen Bodenbelag reinzulegen. Da ist immer noch der blassgrüne Teppichboden mit den Linien der Spielfelder, Grundlinie, T-Linie, Doppel-Korridor...
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