Silber ist vollkommen überbewertet

Man kann den schlechteren Ecken der Blogosphäre, in denen das Geld für kurzlebige Computerprodukte, Alkohol und Zigaretten ausgegeben wird - nur Ritalin gibt es dort auf Rezept - natürlich nicht absprechen, dass sie nicht ab und an recht haben. Selbst bei Fragen, die den Kern dessen ausmachen, was in diesem kleinen Projekt geschildert wird: Vieles muss einfach nicht sein. Wer weiss, ob man auf dem Werberstrich in Kiel mit ein paar lumpigen Euro nicht auch glücklich ist, die Veröffentlichung in einem Zuschussverlag als Einstieg zum Bestsellerruhm begreift; man kann online viele Feinde der Freunde finden und mit ihnen einen Nachmittag durchfeinden, das erspart einem die Notwendigkeit, mal wieder rauszugehen und zumindest zu versuchen, sowas wie "Sex" zu bekommen, man kann sich die prekären Verhältnisse hinmanagen, und sich am Ende sicher sein, dass es einem noch besser geht als denen, die man nicht mag. Und so ist es einfach, schnurstracks an folgenden Angeboten eines netten Herrn mit einem hübschen Wagen vorüberzugehen, denn Silberwaren, pah, wer braucht das schon.



Kommt das Essen doch ohnehin aus der Einwegverpackung, der Tiefkühltruhe, vom Dönerplanet3001, oder anderen Segnungen der Moderne, die es erlauben, mehr zu bloggen und weniger zu rühren. Und sollte man doch mal irgendwas überbacken, sei es nun eine Lasagne oder Gratin, findet sich garantiert irgendwo in der Küche ein dreckiges Geschirrtuch, mit dem man das 200 Grad heisse Gefäss mitsamt der, na, sagen wir mal geniessbaren Füllung aus dem Ofen entfernt. Jetzt wäre natürlich ein Untersetzer gut, so eine heisse Glasform nimmt viel Hitze auf und kann einen Tisch schon mal ordentlich ruinieren. Mit fast schon schmerzenden Fingern absetzen, Untersetzer suchen, das glibbrige Ding unter der Kaffeekanne hervorziehen und auf den Tisch legen, die Finger an der Form verbrennen,das dreckige Geschirrtuch wieder aufnehmen und die Glasform mit dem unschön schwarzen Rand, wo der Käse verbrannt ist, abstellen: Fertig ist ein gedeckter Tisch, der optisch nicht die Unverfrorenheit besitzt, das Essen in Sachen Geschmack zu übertreffen. Dann klatscht man alles auf die Teller und schlingt es schnell hinunter, denn das Essen wird kalt, und wenn man fertig ist, setzt man sich an das Notebook inmitten des Chaos der Wohnung und verkündet: Silber ist vollkommen überbewertet, nur was für Angeber und Äusserlichkeiten sind bäh, wenn sie jemand anderes vertritt. Und es stimmt:



Es geht, wie oben beschrieben, wirklich ohne Silber. Wer aber nicht weiterstolziert, sondern den Händler kennt, der erwirbt ein silberglänzendes Rechaud mit durchaus üppiger Formgebung, einem durchbrochenen Ständer unten, einem Deckel oben und einer ofentauglichen Glasform in der Mitte. Die Idee dieses Instruments ist Folgende: Man nimmt die Glasform mit der Mahlzeit aus dem Ofen und stellt diese schon in der Küche in den Ständer. Anschliessend setzt man den Deckel darauf und nutzt jetzt die sinnigerweise am Ständer angebrachten, kalt bleibenden Griffe, das Ganze aufzutragen: Ganz ohne Topfhandschuhe oder was sonst einen in heutigen Küchen verunziert. Zu Tisch kann man das Essen ruhig etwas stehen lassen, dann den Deckel lüften, angemessene Portionen verteilen und den Rest durch den Deckel vor der Auskühlung, und im Freien vor Insekten schützen. Keiner muss schlingen, man kann eine Pause einlegen, sich unterhalten, es bleibt alles gleichmässig warm - und sollte es etwas länger dauern, kann man auch Teelichter darunterstellen - dafür gibt es übrigens auch eigene Behältnisse aus Silber.



Es mag natürlich durch das Volumen üppig erscheinen, und somit moderner Küchenideologie entgegen laufen - aber das Gegenteil ist wahr. Der Rechaud verbraucht Raum in der dritten Dimension, er reckt sich nach oben, und verbraucht auf der Tischebene weniger Platz als eine Form mit - in aller Regel grösserem - Untersetzer. Die Existenz vieler Leute jedoch, die allesamt nicht verhungern, selten kochen und dergleichen Gerät für überflüssigen Tand halten, zeigt natürlich, dass es nicht sein muss. Es geht wirklich auch ohne. Gehen sie also bitte an dem obigen Herrn vorbei, beachten sie auch weiterhin nicht sein Angebot und sorgen sie mit verbrannten Pfoten und schlechtem Frass dafür, dass auch diesmal langfristig der die besseren Chancen beim Nutzniessen unseres Rentensystems hat, der hinter Material und Form den Nutzen zu erkennen in der Lage ist.

Montag, 23. Juni 2008, 00:57, von donalphons | |comment

 
Ach Don, wie schön, wie zierlich wie feingearbeitet. Es gab heute bei uns etwas das, was man bösartig Lasagne nennen könnte mit einer solchen aber nur ein Paar Tomatenfilets gemein hat und Nudel/Kaninichen- Gratin heißt.

Dein schöner Rechaud, wenn ich dagegen die Mengen für heute vier Erwachsene und drei Kinder sehe, dann lobe ich mir meine großen "Auflauf"formen aus der gar nicht edlen Keramik, die aber ebenso das hässliche Bild durch die Glasscheiben der Jenaer Gefäße vermeidet, wie den absolut gleichmäßig gebräunten Zustand der Oberfläch dokumentiert.

Aber ich gebe dir recht. Silber wäre schöner aber leider nicht realisierbar. Denn vieles ist eben doch eine Preisfrage und bei Silber auch eine Fleißfrage, da uns die freundlichen Mädchen des Hauses welche das Silber unermüdlich putzten genauso abhanden gekommen sind, wie das Geld für die richtig großen Stücke.

Die Zeiten des 90 cm Backofens sind eben nicht mehr die Zeiten der kleineren Preziosen. Um die Tischdekoration beneide ich dich, ansonsten war es auch rund um die Keramiken sehr schön. Es hat übrigens keiner gesagt, das es nicht geschmeckt hat. Feige Bande.

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Denn vieles ist eben doch eine Preisfrage

Nein, ein halbwegs gutes neues Stück aus dem Laden ist sicher teurer, selbst wenn es nur Edelstahl ist.

und bei Silber auch eine Fleißfrage, da uns die freundlichen Mädchen des Hauses welche das Silber unermüdlich putzten genauso abhanden gekommen sind, wie das Geld für die richtig großen Stücke.

Es ist nichts für Leute, die nicht ab und an gerne etwas putzen. Der Aufwand hält sich allerdings in Grenzen; zwei Sonntag Nachmittage pro Jahr, und alles funkelt wieder.

Für die Grossfamilie hätte es auch einen doppelt so grossen Rechaud gegeben; obiger reicht für 4 Personen.

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"Denn vieles ist eben doch eine Preisfrage"

Darf man fragen was das gute Stück gekostet hat?

Praktisch ist es auf alle Fälle, die Beschreibung macht Lust, so etwas ebenfalls zu erwerben. Meinethalben auch in Silber, aber ich würde es lieber etwas weniger verziert bevorzugen. Dann wäre aber aber wohl nur Edelstahl und garantiert teurer (bei gleicher Qualität)...

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In Silver plated mit etwas Verhandlungsgeschick und langer Geschäftsbeziehung ab 35 Euro, bei massiv Silber ist man dann ab 200 Euro dabei. Diese Stücke kommen aus den USA, da wird man es schwer haben, schlichte Beispiele zu finden.

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"... langfristig der die besseren Chancen beim Nutzniessen unseres Rentensystems ... " - was heisst denn hier langfristig? Ich dachte das ist hier alles schon BfA basiert. Und toll ist natuerlich, dass man in das von Dir gewaehlte Altersheim seine eigenen Rechauds mitbringen darf - normalwerweise bleibt die Verwendung von Rechauds ja der Heimkueche vorbehalten ... und dann fassen die (vom ordinaeren Kuechenpersonal durchaus nur Waermewannen genannten) Behaeltnisse schon mal 150-200 Portionen ....

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Es gibt schon einen Unterschied, ob man nach Suff und Raucherei mit 60 den Löffel abgibt, oder ob man denselben noch mit 80 wohlgemut in die Kürbiscremesuppe senkt. Und für mich reicht dieses kleine Rechaud vollkommen aus - ich wüsste auch keine Rentenkasse, die dergleichen bereitstellen würde.

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Der Mercedes im Hintergrund ist auch sehr stilsicher. Ponton Coupé (220S), Baujahr Mitte bis Ender der 50er Jahre, war ziemlich das teuerste Auto, das man sich damals kaufen konnte, hat fast den doppelten Preis der Limousine gekostet. Wurden inkl. der Cabrioversion nur 2000 Stück von gebaut.

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Ja, der Mann weiss, was er tut. Es gibt Händler, die machen mit ein paar Tagen Arbeit einen ziemlich grossen Umsatz. Nebenbei importiert er auch noch Autos aus den USA, wenngleich das inzwischen nicht mehr so einfach ist wie früher. Aber der Klientenkreis, der solche Wägen jeden Tag fährt, schert sich noch nicht um den Benzinpreis. Nach seiner Aussage braucht der Wagen aber eh nur 10 Liter auf 100 Kilometer.

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