Real Life 24.6.04 - NE-Schönling

Es ist irgendwann zwischen Medienkritik und Literaturdiskurs, als erst NE-Schönling1 den Raum betritt, mit zu langen Koteletten, viel Gel und einer Pseudokreativen, die aussieht wie Franziska Gerstenberg nach 90°-Wäsche - ausgebleicht, ungebügelt und aufgequollen, was sich auf den 2. Blick aber als Babyspeck herausstellt. Ich richte meinen Kopf so, dass ein paar seiner Worte zu mir durch den Lärm dringen, vorbei am Gekreische der Blondinen, die den ersten Schweiss ihrer Volljährigkeit mit Taschen unter den Achseln aufsaugen, und hindurch zwischen dem Rumdidldum der zünftigen Volksmusik dieses Berliner Stadtteils, in dem Prostitution in Drinks und nicht in Euro entlohnt wird.

Es ist mir wohlvertraut, diese Sprache der Ahnungslosen, die sich auf das Business freuen wie der fanatisierte Rekrut auf den Krieg. Das Mädchen hört ihm zu und zeigt nackte Schultern, den Preis für seinen verbalen Heldenmut in der rethorischen Schlacht um den Markt. Man sollte aufstehen, hinübergehen und ihm sagen, dass er mit diesen Phrasen noch nicht mal Sachbearbeiter wird, aber das andere Ohr meldet, dass meine Begleiter gerade über Selbstmord als Marketinggag für Berliner Jungautoren sinnieren, wozu ich gleich auf die hohe Selbstmordrate im Februar verweise und mir dabei denke, dass sich die beste Awareness im Juli erzielen lassen würde. Wir einigen uns gerade auf eine Favoritin, die heute klagengefurzt hat, da kommt auch noch NE-Schönling2, der zwar die diskrete Eleganz eines Volksbank-Azubis verstrahlt, aber wohl auch BWL studiert. Er rumpelt beim schlecht nachgeäfften Munich-Area-Style-Bussi-Bussi an unseren Tisch, wo die Becks-Flaschen wackeln und mein Tee schwappt, setzt sich, und wendet uns den mit Schuppen bestäubten Rücken zu. Vielleicht hat es aufgrund der neuen Hose für die Wohnung mit Bad nicht gereicht?



Während ich noch darüber nachsinne, dass dieser Menschenschlag immer gleich bleiben wird, ausser auf dem Oktoberfest und im Sexkino, wo sie Sau rauslassen, kommt NE-Schönling3, ohne Gel, Koteletten und Haare, redet knieend eine Weile auf NE-Schönling2 ein. Ich mache einige nicht in den Zusammenhang passende Bemerkungen über die geistige und finanzielle Armut dieser Stadt, und ich sage es so LAUT dass sie es hören müssen.

Sie haben was anderes zu tun. NE-Schönling3 geht zwischen NE-Schönling2 und unserem Tisch hindurch, auf der Jagd nach einem Sessel, und weil die Achselschweisstäschchen-Girls gegangen sind, findet er auch eine Sitzgelegenheit. Inzwischen schiebt sich NE-Schönling2 mitsamt Stuhl ganz weit nach hinten an unseren Tisch mitsamt nun wieder wackelnden Flaschen und dem schappenden Tee, um möglichst langgestreckt der anwesenden Crowd einen freien Blick auch auf seine Leistengegend zu gestatten. Aus dieser Lage brüllt er NE-Schönling1 weitere Phrasen zu.

NE-Schönling3 kommt wieder, muss hindurch, aber statt NE-Schönling2 aufzufordern, Platz zu machen, weist er uns an, unseren Tisch zurückzuschieben. Ich tue ihm den Gefallen, und als er zwischen Stuhl von NE-Schönling2 und unserem Tisch vorbeigeht, verzichte ich darauf, ihm den Tisch ruckartig in die Kniekehlen zu stossen. Obwohl er uns beim Vorbeigehen den Rücken und das verlängerte Rückgrat zugewandt hat.

Er war wahrscheinlich als Kind nicht in der Oper, vermute ich, denn dort hätte er gelernt, wie man Menschen an einer engen Stelle passiert - Antlitz zu Antlitz. Oder eine alte Dame hätte ihm so den Stock zwischen die Beine gerammt, dass er bis heute Haltungsschäden hätte. Und bessere Manieren.

Freitag, 25. Juni 2004, 06:18, von donalphons | |comment

 
... der Ahnungslosen, die sich auf das Business freuen wie der fanatisierte Rekrut auf den Krieg...

Schön geschrieben.

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Tristesse Banal
Wie, ist es immer noch 1914?

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Nein, es ist 2004
und die abgerissenen Plünderer schreien nach einer neuen Freinacht, und glauben Gott und das Recht wären auf ihrer Seite.

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Bei Gott habe ich so meine Zweifel. Immerhin muss die Sache mit dem Reichen und dem Kamel so manchen NE-Schönling zu Schaffen machen - wenn er an diese höhere Macht und nicht nur nach einem Leben nach dem Konkurs mit Selbstrichtung glaubt.

Für mich ist es bedrückend, dass diese "neuen Unternehmer" nicht nur meinen das Recht zu haben, sondern glauben, auch den Anspruch darauf zu haben. Verzogene, schlecht erzogene Kinder der Anspruchsgesellschaft.

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1914: Die Mär der kriegsgeilen Rekruten
@enotty: Es ist eine Mär, dass sich Rekruten 1914 wild auf die Schlachten waren. Kriegsgeil waren nur die Schreibtischhengste, Literaturen, Professoren, das Bildungsbürgertum, die Sozialimperialisten, der Denkschriften-Infanterie, die den "Geist von 1914" und die "Verwirklichung des deutschen Wesens" beschwörten, um Deutschland dahin zu hieven, wo keiner hingehört: an die Macht über die Welt.

Weil aber das Bildungsbürgertum, die Akademiker auch nach 1918 noch die öffentliche Meinung dekretierten, gewann schnell das Gerede von der nur lokal auftretenden Kriegseuphorie unter den Rekruten die Oberhand. Den Hype, den "bellikosen Rausch" (Wehler), haben immer die anderen gemacht. Klingt bekannt, oder? Aber so haben sie sich nach diesem völligen geistigen Bankrott wieder den Boden bereitet, die Webers, Musils, Simmels, Meineckes, Naumanns und all die weniger bekannten Schreiber und Denker.

(Ist im übrigen keine Randmeinung in der Historiographie, sondern Mainstream, auch wenn ich den wohl in der linken Sozialdemokratie zu verortenden Wehler zitiert habe.)

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schon klar
Das hindert aber einen Alexander von Schönburg nicht daran, folgendes unter sich zu lassen:

"Unsere einzige Rettung wäre eine Art Somme-Offensive. Unsere Langeweile bringt den Tod. Langsam komme ich zur Überzeugung, dass wir uns in einer ähnlichen Geistesverfassung finden wie die jungen Briten, die im Herbst 1914 enthusiastisch die Rugby-Felder von Eton und Harrow, die Klassenzimmer von Oxford und Cambridge verließen, um lachend in den Krieg gegen Deutschland zu ziehen." -- Tristesse Royale. Das popkulturelle Quintett, Berlin 1999, S. 137f.

Das passt wie Arsch auf Eimer zu der OHL Falschmeldung: "Westlich von Langemarck brachen junge Regimenter unter dem Gesang "Deutschland, Deutschland über alles" gegen die erste Linie der feindlichen Stellungen vor und nahmen sie! ".

Die Herren Popschreiber wünschen sich einen kleinen romantischen Krieg. Das ist ein hehres Ziel für das man schon mal die Geschichte fälschen kann, denn deutsch sein heisst eine Sache um ihrer selbst willen tun.

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Langemarck ist ja zu einem Mythos geworden, der die Opferbereitschaft dieser jungen Rekruten überhöhte und ihren "Heldentod" glorifizierte. Im dritten Reich wurde mit "Langemarck" an selbstlos heroisches Sterben für Nation und Vaterland appelliert.

Spuren sind auch noch heute zu finden:

http://www.glockenturm.de/geschichte4.shtml

Wäre an der Zeit, dass Schröder mit dem Hinweis auf das heroische Untergehen der NE an die selbstlose Gründung von neuen Unternehmen für Volk(swirtschaft) und vaterländische Sozialkassen appelliert.

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Na ja, vier Jahre abtauchen, dann kommt ein November 1918. Der Herr von Schönberg-Glauchau und sein Schwersterchen GvTuT werden es kaum erwarten können.

Bemißt sich ein "heruntergekommenes Gemeinwesen" daran, dass der Premier beim Geruch von Gras lächelt, oder daran, dass es solche Artikel gibt: http://www.cicero.de/php/ehrenwerte.php?galerie_id=&galerie_name=&total=9&n=2 ?

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Keine Ahnung,
aber der Autor hat ein paar in die Fresse verdient.

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Ach was, man soll ihn zwingen, mit Ken Livingston bei einem iranischen Fastfood essen zu gehen, dann schämt er sich für den Rest seines Lebens.

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Symbiose
Auch ein Grund, diese Gegend wieder zu verlassen. Aber ein Leben lang den Schönlingen voraus ziehen, NE oder nicht? Schon aus der Stadt meiner Jugend wegen Schnöseln in Barbour geflohen. Unter anderem. Der Florian war auch da, glaube ich. Längst sind sie auch hier, wie die Heuschrecken fallen sie über sanierte Gründerzeitbauten her. Aus Muttis altem Golf ist inzwischen der geleaste Alfa geworden, auch mal ein BMW Kombi. Der Florian ist auch da, glaube ich.

Das Problem tritt an Orten wie diesen deutlich zu Tage: Mittenutten und NE-Schönlinge sind eine symbiotische Lebensform. Florian und Schweißtäschchen schieben Euros über den Tresen und ermöglichen dem Trendfrisurträger dahinter seine kreative Existenz. Dafür darf sich Schweißtäschchen zwischen den ganzen Künstlern, Autoren und Filmemachern so richtig hip fühlen. In Villingen-Schwenningen war das nicht so aufregend.

Bitte schön. Aber wenn Trendnutte nur in der Bar jobbt, um tagsüber Skulpturen aus Schrott zu schweißen, dann soll er mal auf Mutti hören und was anständiges arbeiten.

Und benehmen konnten sich die Schönlinge noch nie. Wenn man Dummheit, Arroganz und Alkohol ordentlich mischt, kommen Herrenmenschen mit Button-Down-Hemden dabei raus, die auf Parties den Schwanz aus der Bundfaltenhose hängen lassen. Coram publico.

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"...und ich sage es so LAUT dass sie es hören müssen.."
"...verzichte ich darauf, ihm den Tisch ruckartig in die Kniekehlen zu stossen.."

erinnert mich an alte Männer am Stammtisch, die die Köpfe zusammenstecken und lästern, sich aber nicht trauen Flagge zu beziehen. Nicht das ich die beschriebenn Personen jetzt besonders toll finde, aber dieses "wenn ich gewollt hätte, ja dann hätte ich ihn ganz schön in den hintern treten können, aber da hab ich großzügig nochmal drauf verzichtet" um dann hier hinterher drüber abzulästern ist schon ein bisschen erbärmlich. Und diese im-Rücken-laut-Sager-aber-nicht-direkt-Ansprecher sind auch gaaaanz toll. Das ist ja auch mal richtig mutig. Meine Herren, da haben sie es DENEN aber mal gezeigt .... da liegt die Arroganz wohl auf beiden Seiten.

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Lieber Virtualienhändler,

das hier ist ein Blog, das mit, wie links steht, satirischen Stilmitteln arbeitet. Tatsächlich ging es in diesem Text überdeutlich erkennbar, denke ich, um die Ansicht eines miesen Charakter, der keinen Jota besser ist als die, über die er herzieht, und somit eine Doppelmoral hat.

Desöftweren sind diese Geschichten hier aus der Sicht eines nicht mehr ganz jungen Mannes aus der bayerischen Provinz geschrieben, der es hasst, dass er sich nie wie sein reicher Vater einen SLK kaufen können wird, der voller Unsicherheiten ist, einerseits selbst alle Schwächen des NE-Systems hat, in dem er gelebt hat, es aber an anderen hasst, wie er überhaupt viel Hass in seinem Leben empfindet. Er ist Opfer und Täter in einem, mal Rüpel und mal Kavalier, er ist ambivalent, und - er löst, wie bei Dir, kontroverse Reaktionen aus.

Dieser Mann trägt einige Erfahrungen in sich, die ich auch gemacht habe. Er erlebt Situationen, in denen ich selbst war. Aber er binimmt sich dann ganz anderes als ich, der ich ein sonniges gemüt habe, und nachsichtig bin gegenüber jenen, die sich schlecht benehmen.

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Genau, und dafür lieben wir den Don, ich zumindest. Weil er so ein herrlich arrogantes Arschloch mit skrupelosem Herz und mit einem Faible für sozialen Elitismus ist.

Nach dieser Euloge noch eine sachliche Ergänzung: Es gibt Gegenden, wo jeder Junge, der mit Omi, Mutti oder Großtante in der Oper war, einen Stock in die Eier bekam. Was ich allerdings schon auf Kindesbeinen für eine zu starke Gewichtung der Zwangsmittel im Kampf um kulturelle Hegemonie und eine nicht fruchtbare geistige Selbstverengung gehalten habe.

Bislang hat sich noch keine Gunilla beschwert, wenn ich ihr in der Oper meinen adonischen Arsch vorm hochkarätig behängten Dekolleté hergeschoben habe.

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na dann ist ja gut. die doppelmoral war mir entgangen...

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Wo die Armut zuhaus ist
@ Ach was, man soll ihn zwingen, mit Ken Livingston bei einem iranischen Fastfood essen zu gehen, dann schämt er sich für den Rest seines Lebens.

Oder in ner Koshiri-Volksküche (Mahlzeit zu 25 Piaster) in Imbaba, bekleidet mit einer Galabeya. Oder ihn von einer Adabei-Wichtigtuer-Party auf eine Kifferparty in Ghana wegzubeamen, wo man ihn so breit macht, dass er für Ari-Safari taugt, aber ihm seine gesamten KLamotten abnimmt und verhökert. Die Knete für den Kaftan und die Schuhe aus alten Autoreifen muss er abarbeiten, z.B. den Gopel vom Brunnen drehen.

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