Nachts auf der Brücke

Da hinten liegen die spiessigen Zellen aus den 70er Jahren, gleich neben der alten Grenze. Unten durchtrennt ein Zug die Stille und erschwert dort oben die Einführung schlechter Serien, billiger Chips und gereizter Primärgenitalien zum Wochenhöhepunkt.



Alles ist denkbar in diesem tagsüber dunkelgrauen Klotz, der so trostlos ist wie seine Nachbarschaft, die monotonen Schienenwege irgendwo ins Nichts der unbegrenzten Zusammenrottung von Gebäuden, die an anderen Orten der Welt vielleicht "urban" genannt wird. Es ist eine dicke Scharte in einer zerhakten Fresse, und das da drüben ist der zeklüftete Grat einer eitrigen Wunde, die Banalität heisst und nie austrocknen oder verheilen wird.

Selbstmorde sind hier trotzdem selten, sagt man. Die Brücke ist so niedrig, dass man gute Chancen hat, zu überleben - und nach dem Sprung stundenlang, vielleicht die ganze Nacht, mit gebrochenen Beinen auf stillgelegten Schienensträngen liegt, während die erlösenden ICEs alle paar Minuten zwei Gleise weiter links vorbeidonnern. Und niemand hört den Schrei nach Hilfe, bis zum nächsten Morgen.

Unschöner kann man nicht überleben. Noch nicht mal in dem Klotz da hinten.

Sonntag, 27. Juni 2004, 01:36, von donalphons | |comment

 
résumé

razors pain you;
rivers are damp;
acids stain you;
and drugs cause cramp.
guns aren't lawful;
nooses give;
gas smells awful;
you might as well live.

die gute dorothy parker

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