Das Haus und sein Hüter

Jeden Sonntag gehe ich nach dem Konzert in den Hof, öffne das Waschhäusl, das mit nur 12 Quadratmeter das kleinste eigenständige Gebäude des Komplexes darstellt, hole Wasser, räume die Erdhalbkreise um die Weinstöcke vom Müll der letzten Nacht frei, giesse und binde neu gewachsene Äste hinauf. Manchmal gehe ich auch zur Seite, wenn Touristen ein Photo ohne Hausbesitzer machen wollen, und es freut mich, wenn das Erhalten durch diese Anerkennung belohnt wird. Manchmal ist es aber auch anders; so wie vorgestern. Da kam die auch nicht gerade seltene Argumentation der Neubaufetischisten: So ein altes Haus, so viel Aufwand, das kann sich doch gar nicht lohnen, da hat man nur Arbeit damit, das soll man doch verkaufen, viele Reiche suchen das heute, um Steuern zu sparen, aber so hätte das alles keinen Sinn - grad so, als wären wir selbst auf der Brennsuppn dahergschwumma und wüssten nicht, wie man die Erhaltungskosten steuerlich geltend macht.



Andererseits stimmt es natürlich. Es macht Arbeit. Als ich die Provinz verlassen habe und fast 2 Jahrzehnte nur sporadisch hier war, gab es nie einen Zweifel daran, dass ich mich irgendwann darum würde kümmern müssen. Ein paar Aspekte konnte ich mir gut vorstellen - auf der Dachterasse den Sonnenuntergang anschauen, eine grosse Wohnung beziehen, am Sonntag für die Mieter Zwetschgendatschi backen, Weintrauben pflücken. Es gab auch Aspekte, die ich mir weniger vorstellen konnte - noch vor 7 Uhr Schneeräumen, die Hinterlassenschaften der nachts durchziehenden Prolls wegräumen und ab und an auch Anzeige zu erstatten, wenn mal wieder jemand meinte, aus Frust etwas beschädigen zu müssen. Folglich auch reparieren. Man glaubt gar nicht, was alles so kaputt gehen kann in so einem grossen Haus, und wie komisch es ist, wenn man nicht mehr die Hausverwaltung anrufen kann, die man selber ist. Man ist nicht so schlimm wie an ein Kind angehängt, aber man ist eben auch niemals ganz frei, und die Vorstellung, dass das Haus wirklich einmal Besitz ergreifen könnte, war früher weniger angenehm.

Aber seit drei Jahren mache ich das neben all den anderen Verpflichtungen, und ich muss gestehen, dass es von allen, insgesamt betrachtet, die leichteste und angenehmste ist. Es ist zwar faktisch falsch oder gar gelogen, aber hier gebe ich diese Verwaltungsarbeit lieber als meine Beschäftigung an, als das Wühlen in den unerfreulichen Seiten gewisser Geldanlageformen. Es ist ein simples Geschäft mit überschaubaren Risiken und vielen Freuden, man hat so gut wie nie mit Kriminellen zu tun und hat auch bei den Partnern nie den Eindruck, dass sie besser im Gefängnis aufgehoben wären. Die Rendite ist lächerlich, der - theoretische - Stundenlohn vernachlässigbar. Aber man gewöhnt sich dran, es ist sicher, es kann einen keiner feuern und man tut, was richtig ist. "Herr bin imma no I", pflegte meine Grossmutterimmer zu sagen, und sie hatte natürlich wie immer recht.



"Mia woas no grod gnua", sagen statt dessen die Konzertbesucher, die das nicht verstehen und finden, dass ich so nie eine Weltreise werde machen können, und damit natürlich auch recht haben. Ich könnte jetzt auch nicht mehr nach Berlin gehen. Und anderes tun, was ich gar nicht so entsetzlich erstrebenswert finde. In gewisser Weise sind solche Aufgaben wie das älter werden: Nicht unbedingt das, was man in der Jugend gerne erleben will, aber später ist man doch irgendwie froh, dass gewisse Dinge nun erledigt sind. Genauso, wie man bald nach dem Abitur aufhört, unreife Schulmädchen trotz Kaugummi und Bravo-Abo sexy zu finden, gewöhnt man sich später auch an Verantwortung. Netterweise so schnell, dass es wirklich das Geraunze auf der Strasse braucht, das einem die Veränderungen im Leben erst wieder bewusst macht. Es ist nicht schlimm, es ist nichts besonderes, es passiert und ist besser als ein Bandscheibenvorfall, ein Kind oder die schwarzen Blattern. Sage ich, und habe damit natürlich wie immer recht, auch wenn das bei den traditionell eher gebährfreundlichen Konzertbesuchern leicht brüskierend ankommt. Aber dafür fahre ich auch nicht in die Vorstädte und strecke ihnen die Zunge in ihre Vorgärten.

Dienstag, 12. August 2008, 13:34, von donalphons | |comment

 
(ok, dass gerade der dritte handwerker in folge sein kommen auf 8 uhr (zu) früh terminiert, ist jetzt nicht allzu putzig)

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und da
hält sich mein Neid in Grenzen ...

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Ich kenne das
Das mit den alten Häusern ist so ähnlich wie der Traum vom Almhaus oder Leben im Weinberg. Wenn es an die Arbeit geht, hat sich das schnell mit der Romantik. Heute ging bei jemandem der Ofen nicht. Zwei Stunden perverse Staubspiele.

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mein vermieter hat vor etwa drei wochen angekündigt, dass er ende august damit beginnen wird, den hof platt zu machen. augenblicklich gibt es in der mitte eine quadratische grünfläche mit sträuchern, die beim einzug schon da waren, und blumen, die ich gesetzt und gesät hatte. nebst einigen blumenkübeln, ein paar davon ebenfalls von mir. alles das habe ich in den letzten drei jahren regelmäßig sauber gemacht, gegossen und gejätet, natürlich ohne entgelt und ohne not, dafür allerdings in der heißen berliner sommerzeit viel öfter als bloß einmal die woche. viel öfter als bloß ab und zu bin ich spät abends nach einer verabredung von sonstwo doch noch nach hause gefahren, weil es heiß war, nicht regnen wollte und die blumen im märkischen sand, der kein wasser bei sich behalten kann, verdurstet wären, hätte sie niemand gegossen. jetzt soll alles weg und einer gepflasterten fläche weichen.

aufgrund dieser tatsache, und auch weil der vermieter einfach ein arsch ist (typ steuersparender investor mit anlagedruck und ohne jeden sinn für schönheit sowie bar irgendeiner anderen persönlichen beziehung zum haus), habe ich die blumenpflege eingestellt. es ist schon jetzt alles vertrocknet, auch der große bambus am eingang zum vorderhaus. ich weiß, ich verhalte mich so richtig. aber weh tut es schon.

(dass der vermieter ein arsch ist, zeigt sich auch daran, wie er das haus saniert hat. das haus ist baujahr 1901 mit vielen schön erhaltenen details, gründerzeit halt und in dem für friedrichshain, damals schon der größte und am dichtesten besiedelte arbeiterbezirk, typischen "einfachen" stil. den originalen stuck hat er immerhin drangelassen, auch dieser ist "einfach", in meiner wohnung ist es ein band aus huflattichblüten und -blättern. aber den hat er so dick mit wandfarbe überstrichen, dass es das relief zugematscht hat, und ausgebessert hat er ihn vorher auch nicht. die stuckrosetten in der mitte des berliner zimmers hat er ganz weggeschlagen und nicht ersetzt, nicht einmal den haken für eine gute, also schwere lampe - also schwerer als ikea - hat er gelassen. dann natürlich plastikfenster reingeknallt und eine total verschnittene plastikeinbauküche marke obi-super-billig. die bodenfliesen in der küche hat er direkt auf die abgezogenen dielen aufbringen lassen, weshalb sie jetzt nach zwei-drei jahren natürlich herausbrechen. der abgezogene dielenfußboden im übrigen teil der wohnung ist zwar schön, aber er wurde nicht gerade hochwertig versiegelt, und so gibt es jetzt schon einige tiefe kerben und löcher darin. die originalen wunderschönen türen hat er zwar anständig neu lackieren lassen, aber da wurden die fugen zwischen den verzargungen mit silikon (!) verschmiert: das vergilbt natürlich jetzt und zieht schmutz an, weshalb die ganze tür nicht mehr wie aus einem guss aussieht, und einfach überstreichen kann man es auch nicht... das sind vielleicht alles nur kleinigkeiten, aber es zeigt einem schon deutlich das hässliche gesicht von einem, dem diese dinge einfach scheißegal sind. und das mit der plattierung des hofes jetzt ist so etwas, was einen dann doch entgegen jeder neigung dazu bringt, auch selbst nix mehr zu machen. ist irgendwie zum heulen, zumal: so geht es immer weiter mit dem laissez-faire hier in der gegend, so geht dann auch das viertel schließlich kaputt, wenn einem das alles egal sein soll.)

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War da
nicht mal ein Bild von einem ererbten Häuschen zu sehen, das als Alternative herhalten könnte?

Man wird mit einem altenHaus nicht froh, wenn man es nur unter Renditegesichtspunkten betrachtet. Man kann auch nicht ausserhalb wohnen und hoffen, dass alles glatt geht. Entweder macht dann das Haus Zicken, ober irgendwann die Mieter, die sich schlecht betreut fühlen. Überhaupt, wäre das nicht eine Alternative: Umziehen? Selbst etwas erwerben und damit das tun, was einem richtig scheint? Mit so einem Vermieter wird man nie glücklich, vielleicht bingen ihn ja die stressigen Tage mit mäkelnden Wohnungssuchenden zur raison. Und wenn nicht heute, dann in einem halben Jahr, wenn die Kreditkrise die Strukturprobleme der Stadt durch die Strassen peitscht.

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Ein in Friedrichshain lebender Freund, der gerne umziehen würde, sagte mir neulich, dass die Wohnungssuche dort inzwischen schwierig sei. Entweder brauche man einen Wohnberechtigungsschein oder es sei zu teuer (dabei verdient er gar nicht schlecht), dazwischen gäbe es irgendwie nix.

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Modebezirk auf Durchsanierung. Das übliche. Und Investoren, deren Fonds lieber leer stehen lassen, als unter dem Prospektpreis zu vermieten. Kann man machen, solange noch Geld da ist. Ich war länger nicht mehr dort, aber vor einem Jahr hatte ich den Eindruck einer wenig sinnvollen Sozialstruktur im Wandel. Die Frage ist, ob Berlin einen zweiten Prenzlauer Berg braucht und ob es genug Leute gibt, um das dann auch zu refinanzieren - gerade, wenn sich das Einkommen nicht entsprechend zur Miete entwickelt.

Ich wollte heute noch - vergeblich - was dazu schreiben, aber ich sehe in der Krise auch einen Aspekt, der diese Träume beenden wird: Das Ende der Transferleistungen durch vermögende Eltern, die sich früher den Jux ein paar durchzechter Jahre für den Spross leisten konnten. Die Anlageformen, mit denen so etwas finanziert wurde, hat es böse getroffen. Und wenn es etwas zuerst erwischt, dann sind das die typischen Berliner Berufsvortäuschungen. In den USA sind die Verkäufe von Zeitschriften innerhalb eines Monats um 6,3% eingebrochen. Lass das mal in Deutschland kommen, und dann schaun wir mal, wie schnell da Altbauwohnungen frei werden.

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Er wollte sich daraufhin schon eine Wohnung kaufen, ich fragte ihn, ob er sicher sei, dass das in Berlin so eine gute Idee ist. Eine Wohnung war wohl auch schon gefunden, aber die derzeitigen Eigentümer kamen mit irgendwelchen Papieren nicht bei. Jetzt macht er erst einmal Urlaub - und überlegt, ob er in den Westteil ziehen soll.

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Deutschlands? Oder nur Berlin? Falls Berlin: Schöneberg! Vollkommen unterschätzt.

ich würde in Berlin nichts kaufen, was nicht signifikant unter 1000 Euro/m² wäre. Alles andere wäre mir zu riskant. ich habe am Sonntag über alte Bücher hinweg einen Herrn kennengelernt, der vor fünf Jahren eine topsanierte Wohnung in Bestlage eines bekannten Entwicklers gekauft hat, Blick über die Stadt, direkt im Dach - und der nun feststellen musste, dass der verkleidete Dachstuhl voller Schwamm steckt. So kommt man auch in Berlin nachträglich auf Münchner Preise. Bevor ich mich auf sowas und den Gutachter des Verkäufers einlassen würde, nähme ich lieber etwas mit erkennbaren Schäden und überschaubaren Kosten.

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Westen
is the new Osten. Hab ich in Bezug auf Berlin schon vor paar Jahren gesagt, verstand damals aber keiner. Ich denke mittelfristig eher nicht, dass der Friedrichshain den Weg Richtung Prenzelberg II geht. Paar Viertel werden vielleicht die Kurve kriegen, aber insgesamt wird das kein Gewinner-Bezirk.

Wenn man keine Kinder hat und sich wegen des Ausländeranteils an den Schulen keinen Kopf machen muss, dann kann man auch in Teilen von Wedding oder Kreuzberg ganz gut leben.

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Bei mir in der Körtestrasse und drumrum stehen sie neuerdings wieder in langen Schlangen zur Wohnungsbesichtigung an. Ausserdem sind in den vergangenen drei Jahren die Mieten so sehr gestiegen, dass ich mir einen einfachen Umzug auch abschminken musste. Damit habe ich nicht gerechnet. Aber immerhin hat mein Bad ein Fenster.

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Wie ist es denn in der Bergmannstr. und Umgebung?

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Bayernfalle. Gleich drei Kolleginnen meiner Mutter haben ihren Kindern exakt dort etwas gekauft, zu massiv überzogenen Preisen, weil sie dachten, im Vergleich zu München ist es spottbillig. Nur kann es nicht sein: Wechselt man auf die andere Seite Richtung Schöneberg, fallen die Preise um gut 30%. Der Bergmannkiez ist eine Microregion, Berlinerisch Klein-Schwabing, inclusive Markthallen statt Viktualienmarkt und Antiquitätenläden für Mami, wenn sie mal kommt. Nach dem, was man so hört, machen die besseren Händler dort mehr als die Hälfte ihres Umsatzes mit Besuchern aus dem alten Westen.

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Westteil der Stadt, er hat eine unbefristete, anständig bezahlte Stelle, was heute ja fast schon Seltenheitswert hat. Deshalb braucht er auch einen S-Bahnanschluss in der Nähe, sagt er, damit er nicht endlos unterwegs ist. Der Arbeitstag ist schließlich schon lang genug.

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umziehen, ja. das erbstück steht allerdings in der nähe von falmouth, cornwall, und einen umzug dorthin sehe ich frühstens nach der rente. zumal dort augenblicklich der ortsansäsige poloverein logiert.

es gibt auch ein haus im sauerland, aber auch das hat noch zeit.

kaufen in berlin? never. solange man in stadtlage kauft, gewinnt man durch die fortschreitende urbanisierung zwar langfristig immer, aber unter welchen bedingungen unterhält man dann so etwas? und wer weiß, wie lange ich noch in dieser stadt bin. die mikro-modekieze fallen mir auf den wecker, zumal gerade dort ein egoistisches asoziales verhalten an den tag gelegt wird, dass einem schlecht werden könnte. übrigens von den zugezogenen studenten und den besserverdienenden, nicht von den einheimischen prolls. hingegen sind die randlagen trist, und der speckgürtel ist spießig. zurzeit entwickle ich gerade sehnsüchte, was einen ortswechsel angeht. wenn die weiter so reifen, bin ich in absehbarer zeit soweit.

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1000 Euro/m² ist eine Preiskategorie, die es bei uns in Niedersachsen und Bremen gar nicht gibt, es sei denn, in der Fußgängerzone. Selbst in Neubau-Villenvierteln (Stadtlage) liegen die Quadratmeterpreise bei 250-350 Euro, und die Leute vom Dorf finden das sauteuer.

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Bin ich sehr indiskret, wenn ich brennend gern wissen würde, wie man Besitzerin einen Polo Clubs in Falmouth, Cornwall, wird? Ich würde mir sowas vermutlich dick als Drittadresse auf die Visitenkarte drucken lassen:

Her Majesty´s Chevy Chasers Polo Club
21 Ivy Alley
Falmouth, Cornwall

Stadtpaläste, Kollegien, Burgen und ähnliches gehören bei uns ja fast schon zum guten Ton, aber ein Polo Club, ich mein... da würde ich meine Rente aber schleunigst vorverlegen.

Es ist ja nicht so, dass ich sowas in Berlin nicht auch mal überlegt hatte, als der Markt 2004 ganz weit unten war. Konkret ging es um 85m² gegenüber der BfA für gschmackige 60.000 mit Tiefgarage und Gartenanteil, Baujahr 1990. was mich aber so entmutigt hat, war das gefühl, dass es überall daneben auch gleich wieder abwärts geht. Man kann nirgends 200 Meter gehen, ohne etwas zu sehen, was kaputt, runtrgekommen und ramponiert ist, und alles andere mitzieht. Und dann braucht man nur noch renitente Mieter, um das Ding zum Alptraum werden zu lassen.

Wenn überhaupt hatte ich bei der Bergmannstrasse oder Maybachufer das Gefühl, dass es "das" sein könnte. Aber bevor man nicht ein paar hundert Sprayern die Hände abhac den Wert historischer Bausubstanz nahebringt, muss man da mit Besitz erst gar nicht anfangen. Ausserdem ist Berlin keine Stadt, in der ich gerne alt werden würde. Da klingt Sauerland noch besser.

Ich frage mich ja, wie bei solchen Hauspreisen eigentlich die Mieten sein müssen, und wie man damit Reparaturen refinanzieren will. Klingt alles nicht so gesund, wenn es nicht gerade selbst genutzt wird.

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Die Mieten waren ja schon zu Mauerzeiten in Berlin dürftig. Teils mit Gesetzen niedrig gehalten. Daher war das Interesse der Eigentümer eher gering. Was zu Freiräumen der Bewohner führt. Ein Mietshaus in Berlin ist der Alptraum. In den Wohnungen haben mit Eigeninitiative ein Dutzend Mieter sich handwerklich verewigt.

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Wenn es nur handwerklich ist, hat man schön Glück gehabt. Ausser es ist so wie ein meiner Wohnung, wo der erste Kronleuchter sofort durchgebrannt ist, wegen Leitungspfusch im Schalter.

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