Gentrifikation selbstgemacht
Aber, aber. Wer wird denn. Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu errichten, einen Tormann einzusetzen oder sich abzuschotten. Warum denn. Nebenan, draussen, die Strasse runter ist doch nichts, wogegen man sich abschotten müsste. Das ist das "Arzt sucht für seine Tochter (Elitestudentin) Wohnung im Stadtzentrum"-Viertel. Es ist das Viertel, in dem man nicht ausschreiben muss. Sie kommen schon, und es sind auch die Richtigen. Das fügt sich alles selbst zusammen. Man muss nicht nachhelfen. Nachhelfen wie andernorts, wo man sich absetzen muss, ist übrigens gar nicht so toll, wie man hört; dieses unnatürliche Herausstechen aus der restlichen Umgebung sorgt Drinnen und Draussen für Spannungen. Besser ist es, wenn es einfach den richtigen Bereich für die richtigen Leute gibt. Noch. Es könnte auch sein, dass sich das noch ändert und selbst dem Arztvater die Luft ausgeht. 60 m², 164.000 Euro, aber nur Erdgeschoss, darüber gleich noch mal 20.000 mehr, ist die aktuelle Preislage, in einer nicht ganz so optimalen Ecke des besseren Quartiers.
Es ist natürlich etwas unschicklich darüber zu reden, dass die Elitessen mittelfristig verdrängt werden, weil es höheren Eigenbedarf gibt. Die Stadt wächst, die gewinne steigen, die Ansprüche ziehen nach, und die Altstadt bleibt klein. Es ist auch nicht fein, die Rechnung aufzumachen, und zu überlegen, was jenseits des Inflationsangleiches möglich wäre. Der Druck von Aussen ist jedenfalls da, und man nimmt diejenigen, die passen. Unten gehen die sonntäglich gekleideten Touristenscharen vorbei und fragen sich, da sie das Schild nich nicht gelesen haben, was das hier sein mag. Ich sitze auf dem Fensterbrett, reinige fleckiges Silber im Spätsommerlicht und mache mir erschreckend wenig, definitiv zu wenig Gedanken über das einseitige Gesellschaftsmodell, das hier nach 100 Jahren Flucht in die Vorstädte nun in die alten Professorenhäuser, Collegien und Patrizieranwesen schlüpft, als wäre es der bequeme Pullover, der frisch aus der Wäsche kommt.
Es mag ketzerisch klingen, ganz wohl ist mir bei dem Gedanken auch nicht, aber mitunter mag es fast so scheinen, als sei Gentrification als soziales Problem immer mit etwas verbunden, das nicht in allen Fällen da ist: Massive soziale Unterschiede, Arm gegen Reich ohne Puffer einer Mittelschicht dazwischen. Im Prenzlauer Berg und Hamburgs Schanze ist der Verdrängungsmechanismus gegen Proletarier und Alternative knallhart und absolut, im Münchner Glockenbachviertel dagegen hat es 20 Jahre schleichender Veränderungen bedurft, und noch immer gibt es vieles nebeneinander. Bei uns stirbt eine mitunter immens reiche Generation des Nachkriegsbürgertums aus, die Häuser kommen in gute, mitunter fast zu gute Hände, werden saniert, die Kinder einer anderen Oberschicht ziehen nach, und die Weltfirmen vor den Toren der Stadt pumpen immer neues Geld nach. Von den alten Damen in ihrer blaugetupften Sommertracht ist einfach nicht zu erwarten, dass sie im Rollator einen Brandsatz für die studentischen Kleinwägen mitführen. Wäre man zynisch, verkommen oder gar FDP-Mitglied, könnte man daraus ableiten, dass die Gentrifikation weniger das Problem der zuziehenden Reichen ist, sondern das Problem der Armut derer, die doch einfach bleiben könnten, wenn sie mehr Geld und Anpassungsbereitschaft hätten.
Es ist natürlich etwas unschicklich darüber zu reden, dass die Elitessen mittelfristig verdrängt werden, weil es höheren Eigenbedarf gibt. Die Stadt wächst, die gewinne steigen, die Ansprüche ziehen nach, und die Altstadt bleibt klein. Es ist auch nicht fein, die Rechnung aufzumachen, und zu überlegen, was jenseits des Inflationsangleiches möglich wäre. Der Druck von Aussen ist jedenfalls da, und man nimmt diejenigen, die passen. Unten gehen die sonntäglich gekleideten Touristenscharen vorbei und fragen sich, da sie das Schild nich nicht gelesen haben, was das hier sein mag. Ich sitze auf dem Fensterbrett, reinige fleckiges Silber im Spätsommerlicht und mache mir erschreckend wenig, definitiv zu wenig Gedanken über das einseitige Gesellschaftsmodell, das hier nach 100 Jahren Flucht in die Vorstädte nun in die alten Professorenhäuser, Collegien und Patrizieranwesen schlüpft, als wäre es der bequeme Pullover, der frisch aus der Wäsche kommt.
Es mag ketzerisch klingen, ganz wohl ist mir bei dem Gedanken auch nicht, aber mitunter mag es fast so scheinen, als sei Gentrification als soziales Problem immer mit etwas verbunden, das nicht in allen Fällen da ist: Massive soziale Unterschiede, Arm gegen Reich ohne Puffer einer Mittelschicht dazwischen. Im Prenzlauer Berg und Hamburgs Schanze ist der Verdrängungsmechanismus gegen Proletarier und Alternative knallhart und absolut, im Münchner Glockenbachviertel dagegen hat es 20 Jahre schleichender Veränderungen bedurft, und noch immer gibt es vieles nebeneinander. Bei uns stirbt eine mitunter immens reiche Generation des Nachkriegsbürgertums aus, die Häuser kommen in gute, mitunter fast zu gute Hände, werden saniert, die Kinder einer anderen Oberschicht ziehen nach, und die Weltfirmen vor den Toren der Stadt pumpen immer neues Geld nach. Von den alten Damen in ihrer blaugetupften Sommertracht ist einfach nicht zu erwarten, dass sie im Rollator einen Brandsatz für die studentischen Kleinwägen mitführen. Wäre man zynisch, verkommen oder gar FDP-Mitglied, könnte man daraus ableiten, dass die Gentrifikation weniger das Problem der zuziehenden Reichen ist, sondern das Problem der Armut derer, die doch einfach bleiben könnten, wenn sie mehr Geld und Anpassungsbereitschaft hätten.
donalphons, 00:31h
Montag, 1. September 2008, 00:31, von donalphons |
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itha,
Dienstag, 2. September 2008, 00:49
wenn man aber auch nicht sofort guckt!
ich finde es in gewisser weise gemein, dass hier sachen gebloggt werden, zu denen man sich selbst schon am samstag während des gangs über den in der nähe gelegenenen zentralviehhof gedanken gemacht hatte. und fotos auch. dabei hatte ich extra nicht auf dein blog geschaut, um mich in der auswahl des themas ausnahmsweise mal nicht beeinflussen zu lassen. nur brauche ich jeweils etwas länger, um so einen beitrag dann auch fertig zu machen, zumal am wochenende, wo man bei schönem wetter so viele dinge offline tun kann. aber einige andere scheinen sogar in dieser freien zeit anscheinend nichts als bloggen im sinn zu haben.
pfft!
pfft!
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donalphons,
Dienstag, 2. September 2008, 00:57
Ich fürchte, das Thema ist von hier zu da absolut nicht zu vergleichen. Berlin ist in jeder Hinsicht - Wahnwitz der Investoren und Reaktion des Umfeldes - nur aus der besonderen Lage der Stadt heraus zu erklären. Mal ganz abgesehen von der Frage, wo eigentlich die rund 15.000 extrem reichen Leute herkommen sollen, für die man aktuell baut. fast scheint es, als habe man die zähen Verkäufe von Beisheim Center und Torstrasse längst vergessen. Dummes Geld aus dem Süden der Republik von Leuten, die selbst nie auf die Idee kämen, in sowas zu wohnen.
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donalphons,
Dienstag, 2. September 2008, 01:11
Die Hoffnung richtet sich auf Berufe, die ich als Risikogruppen betrachte: Geleristen, Werber, Lobbyisten und generell Medienzeugs, die zwar alle das geile Leben schnuppern wollen, aber dennoch eine Halle mit Steinway als adäquat ansehen. Das sind so die Bilder, mit denen man im Süden auf Investorensuche geht; in der Hoffnung, dass die Berlin nicht kennen.
Berlin hat eine grosse Tradition als uneingelöstes Versprechen seit 1945 und tut alles, damit es auch so bleibt. Und weil stets neue Investoren stets neue Ecken durchsanieren, bröckelt hinter ihnen alles schon wieder zusammen, Stichwort billige Dienstleister aus Rumänien und Edelparkett aus Weissrussland. Berlin ist für die Bundesrepublik das, was für das britische Imperium die australischen Kolonien waren: Eine hervorragende Gelegenheit, sich in einer Wüstenlandschaft ungewünschter und unbrauchbarer Landeskinder zu entledigen.
Berlin hat eine grosse Tradition als uneingelöstes Versprechen seit 1945 und tut alles, damit es auch so bleibt. Und weil stets neue Investoren stets neue Ecken durchsanieren, bröckelt hinter ihnen alles schon wieder zusammen, Stichwort billige Dienstleister aus Rumänien und Edelparkett aus Weissrussland. Berlin ist für die Bundesrepublik das, was für das britische Imperium die australischen Kolonien waren: Eine hervorragende Gelegenheit, sich in einer Wüstenlandschaft ungewünschter und unbrauchbarer Landeskinder zu entledigen.
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arboretum,
Dienstag, 2. September 2008, 01:15
Ich wundere mich eh, zu welchen Preisen Leute unbesehen Wohnungen kaufen.
Die Luftschloss Immobilien GmbH hat hier dadurch Reibach gemacht. Der Eigentümer der Wohnung, in der ich wohne, hat für diese 50 Quadratmeter 100.000 Euro bezahlt (ursprünglich sollte sie sogar noch 20.000 Euro mehr kosten, aber das wollte keine Bank finanzieren, da sind die mit dem Preis runter), und hatte nicht die paar Euro übrig gehabt für Benzin oder eine Bahnfahrkarte , um sich die Wohnung vorher überhaupt einmal anzuschauen.
Die Wohnung ist natürlich kein bisschen kernsaniert, wie sie ihm zuvor erzählt haben. Ich weiß nicht, wie viele Prozesse der schon geführt hat und noch führt - aber er beschäftigt schon den zweiten Anwalt. Und die Mieten, die ich immer pünktlich an die Nixtun-Hausverwaltung gezahlt habe, hat der auch nicht alle gesehen. Kein Einzelfall. Von Nachbarn weiß ich, dass sich irgendwann auch deren Wohnungseigentümer gemeldet haben und das Geld direkt überwiesen haben wollten. Ach ja, unsere Kautionen sollen auch weg sein - und die neue Hausverwaltung Frech & Dreist hat dem Hausmeister, der hier seit Februar tätig war, noch keinen Pfennig bezahlt. Wenn ich richtig mitgezählt habe, ist das der vierte Hausmeister, der seinen Lohn nicht bekommen hat. Sowohl die Nixtun-Hausverwaltung als auch die Frech & Dreist blieben den ausstehenden Lohn stets schuldig. Seit Mitte Juli können wir Mieter zusehen, wie die Mülltonnen auf die Straße kommen. Dafür haben wir jetzt zur Abwechslung mal keine Polinen, sondern brasilianische(?) Transvestiten in dem Bordell, das hier einer der Wohnungskäufer gegenüber eingerichtet hat.
Der Geschäftsführer der Luftschloss Immobilien GmbH, Kühn, und der Geschäftsführer der Nixtun-Hausverwaltung, Popel, haben inzwischen zwei andere Immobilienfirmen am Laufen. In einer davon führen sie die Geschäfte sogar gemeinsam. Ich habe Fotos von Kühn und Popel im Netz gesehen: Wenn man für die Rolle von zwei schmierigen Immobilienheinis zwei Typen casten müsste, die beiden bekämen den Job. Klar, dass alle beide in früheren Jahren im Osten schon im Immobiliengeschäft tätig waren. Das geben die sogar noch stolz auf ihrer einen Homepage an.
Die Luftschloss Immobilien GmbH hat hier dadurch Reibach gemacht. Der Eigentümer der Wohnung, in der ich wohne, hat für diese 50 Quadratmeter 100.000 Euro bezahlt (ursprünglich sollte sie sogar noch 20.000 Euro mehr kosten, aber das wollte keine Bank finanzieren, da sind die mit dem Preis runter), und hatte nicht die paar Euro übrig gehabt für Benzin oder eine Bahnfahrkarte , um sich die Wohnung vorher überhaupt einmal anzuschauen.
Die Wohnung ist natürlich kein bisschen kernsaniert, wie sie ihm zuvor erzählt haben. Ich weiß nicht, wie viele Prozesse der schon geführt hat und noch führt - aber er beschäftigt schon den zweiten Anwalt. Und die Mieten, die ich immer pünktlich an die Nixtun-Hausverwaltung gezahlt habe, hat der auch nicht alle gesehen. Kein Einzelfall. Von Nachbarn weiß ich, dass sich irgendwann auch deren Wohnungseigentümer gemeldet haben und das Geld direkt überwiesen haben wollten. Ach ja, unsere Kautionen sollen auch weg sein - und die neue Hausverwaltung Frech & Dreist hat dem Hausmeister, der hier seit Februar tätig war, noch keinen Pfennig bezahlt. Wenn ich richtig mitgezählt habe, ist das der vierte Hausmeister, der seinen Lohn nicht bekommen hat. Sowohl die Nixtun-Hausverwaltung als auch die Frech & Dreist blieben den ausstehenden Lohn stets schuldig. Seit Mitte Juli können wir Mieter zusehen, wie die Mülltonnen auf die Straße kommen. Dafür haben wir jetzt zur Abwechslung mal keine Polinen, sondern brasilianische(?) Transvestiten in dem Bordell, das hier einer der Wohnungskäufer gegenüber eingerichtet hat.
Der Geschäftsführer der Luftschloss Immobilien GmbH, Kühn, und der Geschäftsführer der Nixtun-Hausverwaltung, Popel, haben inzwischen zwei andere Immobilienfirmen am Laufen. In einer davon führen sie die Geschäfte sogar gemeinsam. Ich habe Fotos von Kühn und Popel im Netz gesehen: Wenn man für die Rolle von zwei schmierigen Immobilienheinis zwei Typen casten müsste, die beiden bekämen den Job. Klar, dass alle beide in früheren Jahren im Osten schon im Immobiliengeschäft tätig waren. Das geben die sogar noch stolz auf ihrer einen Homepage an.
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donalphons,
Dienstag, 2. September 2008, 01:45
Auf das Wort "kernsaniert" hin kann man keine Prozesse gewinnen. Es lässt sich sehr viel begründen, was dann doch stehen blieb. mal ganz abgesehen davon, dass man einer Ziegelwand der 60er Jahre immer noch mehr trauen kann als Rigipsraumeinteilern der 90er. Und man darf auch nicht übersehen, dass gerade die Besorgnisfreiheit ein ganz wichtiger Punkt bei der Verkaufe ist. Normalerweise läuft es so: Man baut das Ding, besorgt schon mal ein paar Mieter, die formal hohe Preise zahlen, oder gar eine Hilfsgesellschaft, die anmietet und erst mal Verluste macht. Dann denken sich die Käufer: Toll, die Bauschutt & Bogen Invest AG bringt ja wirklich die fetzenrendite und prahlen damit bei ihren Freunden. Die hören sich das ein Jahr an und sagen sich, das können sie auch. Für die gibt es dann den Blütenweiss Westenbogen, eintausenvierhundert kaputte Wohnungen der Billigwohnbaugesellschaft der Stadt, deren Sanierung man der Bauschutt & Bogen Invest AG überlassen hat, für ein paar Millionen. Es gibt eine Schauwohnung und tolle Untersuchungen zum Standort und Renditesicherheit sowieso.
Daaaaann - dann passiert in der Regel noch Folgendes. Der Verkäufer redet über die pöhsen Panken, die die Finanzierung des Gesamtprojekts nicht wirklich leichter machen, also solche Schweine nicht wahr, und dabei zocken sie gleich zweimal ab, einmal bei ihm als Bauträger und dann beim Käufer als Kreditnehmer. Im Prinzip, wenn er jetzt sofort und auf der Stelle, dann könnte man vielleicht 20000 weniger und dann hat er gleich das Geld und muss nicht an die Banken und so, und das zieht. Jeder macht gern ein Schnäppchen.
Daaaaann - dann passiert in der Regel noch Folgendes. Der Verkäufer redet über die pöhsen Panken, die die Finanzierung des Gesamtprojekts nicht wirklich leichter machen, also solche Schweine nicht wahr, und dabei zocken sie gleich zweimal ab, einmal bei ihm als Bauträger und dann beim Käufer als Kreditnehmer. Im Prinzip, wenn er jetzt sofort und auf der Stelle, dann könnte man vielleicht 20000 weniger und dann hat er gleich das Geld und muss nicht an die Banken und so, und das zieht. Jeder macht gern ein Schnäppchen.
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flawed,
Mittwoch, 3. September 2008, 00:21
Ach, es gibt ja sogar Leute, die ihre selbstbewohnte Eigentumswohnung vor dem Kauf nicht angeschaut haben. Obwohl sie in der gleichen Stadt wohnten.
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