Der Gesellschaftsfinger

Darüber wollte ich schon lang mal schreiben. Als ich neulich in Meran im Cafe Elisabeth sass, kamen zwei Deutsche, und der Mann soff noch schnell eine Plastikflasche leer. Und zwar dergestellat, dass er sie aussaugte, und die Flasche mit lauten Klacken zerknickte. Man konnte gar nicht anders - man musste hinschauen. Das war der Moment, da ich mir sagte: Ich werde jetzt doch über den Gesellschafstfinger schreiben. In der FAZ. Sie Schwein.

Donnerstag, 6. August 2009, 13:29, von donalphons | |comment

 
Danke! Mehr davon. - oder lieber nicht, sonst kennt meine Kaufwut vermutlich keine Grenzen mehr, wenn ich irgendwann mal wieder zu Hause bin, Teekannen, Teeservices, Möbel.

Das ist übrigens ein veritabler Nachteil des Auslandslebens: die Tischsitten in fremden Ländern. Du würdest vermutlich dauernd, reihenweise, Köpfe in Teller döppen wollen, im Kreise meiner Kollegen. Ich manchmal auch.

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Ich bin jedesmal wieder erstaunt zu lesen, wie locker Du als Mitteleuropäerin im Kongo überlebst. Ich wäre vermutlich längst tot, sei es nun durch das Ersticken an Galle oder durch wasauchimmer. Kein Heimweh?

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Oh, weites Feld, ich könnte jetzt einen Roman hier reinschreiben. Erstens: man kann sich hier ganz prima der Realität entziehen, Restaurants mit französischer Küche in ausreichender Zahl, um jeden Abend der Woche eine neue Speisekarte zu studieren, große Autos, schöne Häuser, dienstbares Personal wie bei uns vor hundert Jahren. Zweitens: ich habe reizende, großzügige, wunderbare, spannende Kollegen, sowohl Europäer als auch Kongolesen, das hilft ebenfalls (auch wenn die Tischsitten mir zuweilen.... ach, das schreibe ich in ausführlich bei mir, bei Gelegenheit). Drittens: Die schönen Momente entschädigen für manche Härte.
Heimweh - natürlich. Dann surfe ich bei eb*y.uk und stelle mir vor, wie ich ganz viele Teekannen besitzen werde. Irgendwann. Und mein eigenes KaffeeTeekränzchen nicht mehr nur virtuell pflegen werde.

Du, tot? Glaube ich nicht... ich dachte, den Bayer bringt nix um? Und so wild ist es hier gar nicht. Nur... anders.

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Nun gut, ich stelle mir den Kongo wie eine Art Grenzgebiet zwischen Thüringen und bayerischem Wald vor. Das muss man erst mal packen.

Abgesehen davon: Schon Berlin war für mich einer Dauerbelastung. Und ich nehme mal an, dass es im Kongo noch etwas berlinerischer zugeht, Personal hin, Kollegen her.

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Gott erhalte uns unsere Klischees
Ingolstadt ist alles Andere als das, was man als Norddeutscher für typisch bayerisch hält. Bayern ist für unsereins eine Mischung aus Oberammergau und Zugspitze, der Bayer als Solcher ein krachlederner angetrunkener Schreihals. Und Thüringen ist eigentlich eine Art Oberfranken ohne Weinanbau und mit Neonazis. Eigentlich geht das Alles nach dem Mad-Dog-Prinzip: Das texanische Dorf Mad Dog hat am Ortsteingang ein Schild: "Schaff Deinen schwarzen Arsch hier raus, Nigger!". Die meisten US-Amerikaner außerhalb von Texas denken, ganz Texas sei wie Mad Dog. Die meisten Erdbewohner außerhalb der USA denken, die ganzen USA seien wie Texas. Empedokles, der Kreter, sagt, dass alle Kreter Lügner sind. Spricht er die Wahrheit?

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In der Tat, die guten Sitten der besseren bayerischen (oder wie auch immer regional verorteten) Gesellschaft sucht man hier länger. Manchmal gibt es überraschende Lichtblicke: ein kongolesischer Bekannter – in Belgien ausgebildet – wirkt ungemein britisch-aristokratisch, wenn er einer Dame den Vortritt läßt, mehr als alle meine europäischen Kollegen. Natürlich vermisse ich Umgangsformen manchmal, aber vielleicht nicht so wie Du – meine Eltern gehörten nicht zur Gesellschaftsfingerfraktion. Berlin hingegen und die dazugehörige Mentalität sind hier ganz weit weg, da bin ich ziemlich sicher.

@ Che2001: ich kenne eine Menge Amerikaner, die das Klischee erblassen ließen vor Neid, weil sie so amerikanisch sind. Aber auch einige, die völlig anders sind. Und die meisten hier sind beides.

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Danke schön...
sagmal, musstest Du dauernd so über die Berliner herziehen? Nicht, dass Du nicht Recht hättest, aber jetzt haben sie es sogar selbst gemerkt - und der Rest der Republik darf mal wieder die Folgen der Abwanderung tragen:
http://www.zeit.de/2009/33/Der-Berliner-Mann

Als ob in Hamburg, Lübeck und Umgebung nicht schon genug davon herumhängen würden. Mist...

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Che, soweit ich weiß, hat es auch in Oberfranken genügend Neonazis. Wunsiedel, Du weißt schon. Demnächst jährt sich ja wieder einmal der Todestag von Rudolf Heß.

Was die Tischsitten anbelangt, so soll man sich als Europäer in China ziemlich schwer tun. Auch dann, wenn man ohne Gesellschaftsfinger aufgewachsen ist.

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Da hast Du natürlich Recht, arboretum.

Tischsitten in China sind ein weites Feld, vor allem auch, WAS gegessen wird. Hühnerbeine mit Krallen dran, auf denen noch rumgekaut wird, lebende Affen, deren Hirnschale im Restaurant geöffnet wird, damit man das warme Hirn essen kann oder Tiger&Drache (Katze und Schlange in einem Topf gegart) sind nicht jedermanns Geschmack.


Habe aber auch schon geschmorte Maden und in Schokolade eingebackene Bulldog-Ameisen verzehrt und durchaus genossen. Es ist ja nicht so, dass Aussies und Berber keine exotische Küche zu bieten hätten;-)

Ansonsten kenne ich nur einen einzigen Kongolesen, einen der größten und schönsten schwarzen Männer, die ich je gesehen habe, der spricht ein Sorbonne-Französisch und ein akzentfreies Deutsch und hat ebenfalls geschliffene Sitten und Umgangsformen, die man in Europa selten findet.

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Ich bin jünger als meine Großmutter (Frau Schiffkonstruktöör, Kaiserliche Werft Kiel) damals, als wir Enkel uns damit abfanden, dass Omis kleiner Finger so gewachsen war.
Alle Damen ihres regelmäßigen Kuchenkränzchen mit Tee
(Tee, nicht Teebruch) und Klünn hatten diese verwachsenen
kleinen Finger. Tante Gerda sogar links.
Wir fanden die Finger einfach nur schick und "äfften" es nach.
Nur durch Deinen Text stelle ich jetzt mit Genugtuung wieder
fest, dass ich mein Glas Rotwein ebenso halte.
Komisch, immer wieder wurde ich darauf angesprochen und
hatte es tatsächlich vergessen.

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Hühnerfüße mit Krallen dran musste ich auch hierzulande schon essen. Auf Einladung von Chinesen, die mir als besondere Ehrenbezeugung landestypische Küche fern der üblichen Speisekarte hierzulande kredenzten. Nicht zuzugreifen hätte in ihren Augen schlechte Manieren offenbart, so schnell kann's gehen.

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"Let´s have some scrabs" sagt man in den USA oder Kanada, wenn man fast food essen geht ;-)

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sehr schön, herr alphonso, aber leider nicht so ganz vollkommen richtig. ich darf das mal in meinem eigenen virtuellen zuhause demonstrieren...

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Die Chinesen haben schon teilweise für uns sehr befremdliche Gewohnheiten... außerdem denken sie meiner Erfahrung nach genau andersherum wie unsereiner, kommen aber erstaunlich oft zum gleichen Ergebnis.

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