Idioten und Phantasten

Gestern Nacht erreichte mich die Spammail eines Neonazis, der seinen Roman mitsamt Werbeblog anpries. Der Idiot sitzt jetzt also vor seinem Rechner und schaut, ob jemand so nett ist, sein Projekt zu verlinken. Und wartet. Und es kommt nichts. Niemand. Er hat einen beschissenen Tag und denkt sich ein paar Verschwörungstheorien zum Misserfolg aus, die allesamt nicht besagen, dass er ein dummes, armes Schwein ist, das nicht schreiben kann, und das allen egal ist. In den kommenden Tagen wird er auf Bestellungen warten. Und sich wundern, warum dieses tolle Werk es nicht an die Spitze schafft und die Welt begeistert ist, dass es endlich mal jemand sagt, über die Juden, den Mossad und die feinen arischen Recken. So viel Arbeit. So wenig Ertrag. Die Welt ist nicht immer nett, zu Leuten wie ihm.



Aber ich war vor ein paar Wochen in Gossensass. Man muss den Ort nicht kennen; er ist nur noch ein Schatten seiner einstigen Grösse. Vor dem ersten Weltkrieg war das ein mondäner Badeort, und dort hat sich auch ein Grandhotel erhalten, das 2008 feierlich eröffnet und , mangels Erfolg, nach einem Jahr wieder geschlossen wurde.

Mich schmerzen solche Geschichten. Nicht wegen der verbrannten Investorengelder, sondern wegen jenen guten Seiten des alten Europas, die hier hoffnungslos zugrunde gehen, während darüber der Schwerlastverkehr über die Alpen dröhnt. Und ich würde zumindest gerne etwas darüber schreiben: Was sich verändert hat, was den Untergang bedingt, was man vielleicht erhalten sollte und was falsch gelaufen ist: Grand Tour, Grand Hotel, bessere Gesellschaft - das alles wirkt antiquiert, aber das, wogegen man es eingetauscht hat, ist jetzt auch nicht so arg toll.

Bitte, das ist kein Soft Launch und kein Wink mit dem Zaunpfahl, ich habe kein Exposee und keinen Verlag, der den berühmten FAZ-Blogger kaufen will; es ist einfach das Gefühl, dass es mal wieder an der Zeit ist, etwas zu machen, das nicht im Internet oder in einem Medium steht. Für mich selbst, in erster Linie. Und für eine Kultur, die es eigentlich nicht verdient hat, einfach so wegzukrümeln.

Samstag, 15. August 2009, 01:43, von donalphons | |comment

 
Ja, unbedingt
«für eine Kultur, die es eigentlich nicht verdient hat, einfach so wegzukrümeln». Unterstützung durch mich. Zumindest im Kopf.

... link  


... comment
 
Da fällt mir spontan das Grand Hotel Karerpass ein, das in einer meiner liebsten Klettergegenden vor sich hingammelt.

... link  


... comment
 
Schade, dass so ein Hotel offensichtlich kein Publikum mehr findet. Bei diesem Foto komme ich ins Träumen: Einrichtung mit Antiquitäten, Tea Time am Nachmittag und vor allen Dingen Menschen, die noch etwas mit ihrer Zeit anzufangen wisssen und keine nervige Animation brauchen.

... link  

 
@sabineffm - das ist der Kern des Problems, glaube ich: solche Menschen gibt es zu wenige, heutzutage. Dafür gibt es zu viele hinreissende Ressorts, die vor sich hin leiden.

... link  


... comment
 
Man muss den Ort nicht kennen; er ist nur noch ein Schatten seiner einstigen Grösse. Vor dem ersten Weltkrieg war das ... , und dort hat sich auch ein ... erhalten, das ... feierlich eröffnet und , mangels Erfolg, nach einem Jahr wieder geschlossen wurde.

Mich schmerzen solche Geschichten.

im beitrittsgebiet, so etwa in sachsen, thüringen, sachsen-anhalt gibt es viele solcher orte mit vielen solchen geschichten.

... link  

 
@auch-einer
im beitrittsgebiet, so etwa in sachsen, thüringen, sachsen-anhalt gibt es viele solcher orte mit vielen solchen geschichten.

aus welcher zeit?

... link  


... comment
 
Das könnte auch einen anderen Grund haben (aus einer Hotelberwertungsseite):

Schwierig zu bewerten, da der Hotelaltbau, der abgebildet ist und mit dem geworben wird, ist zu 90% in privaten Händen. Die damaligen Hotelzimmer wurden einzeln verkauft. Bei Ankunft ist uns sofort aufgefeallen, daß fast überall die Fensterläden des Hotels zur Frontseite geschlossen waren. Ein paar vereinzelte Familienzimmer sind verstreut auf einigen Etagen. 90% der vermieteten Doppelzimmer sind in einem Neuanbau der sehr dunkel , feucht und hellhörig ist.

NEUBAU-Doppelzimmer: dunkel, klein, sehr sehr hellhörig, da Zimmer nur mit Trennwände (Sperrholzwand) zum Nachbarn abgetrennt sind. Sogar Licht vom Nachbarn schien durch den Spalt der Trennwand herüber. Wasser- und Toilettengeräusche sind sehr laut im Zimmer zu hören. Balkon beschädigt, kaputte Glasscheiben. Balkone nicht abgetrennt- Einblick zum Nachbar ins Bett. NACH Reklamation wechselten wir inn den ALTBAU (eigentl. abgebildeter Hotelbau-!!!)
ALTBAU -Familienzimmer: geräumig, hell , zweckmäßig aber nett eingerichtet. Wir fühlten uns da wohl!


Liegt nicht nur am fehlenden Klientel.

... link  

 
Der rapide Verfall solcher Einrichtungen liegt an jenen - siehe Beitrag strappato - die mit einer asozialen Hyänenmentalität und unrealistischen Refinanzierungs-Konzepten im Kopf solche Einrichtungen möglichst billig erbaut haben. Aber es liegt nicht am Niedergang irgendwelcher gesellschaftlicher Gruppen, die es schon seit 50 Jahren nur noch irrelevante Restgrößen gibt. Man kann sich eine Décadence auch herbeireden, dabei ist es doch nur eine Insolvenz ...

... link  

 
@chat atkins, nicht nur, aber auch. Man kann auch mit edlen Absichten und gut bezahltem know-how pleite gehen, wenn der Billigkasper nebenan reüssiert.

... link  


... comment
 
Dokumentarisch oder fiktional?
Das ist die Frage, die mir gleich einfiel.

Ansonsten kann hier nur der Wunsch stehen, dass es Verlagsangebote regnen möge.

... link  

 
Mir geht es immer so beim Anblick der Ruine des Hotel Paradiso am Ende des Martelltales! Alles sehr traurig. Aber so geht es dahin.
Damals regierte wegen auch noch den Genitiv :-)
sic transit gloria mundi!

... link  


... comment