Die rote Ungleichheit auf der Rodelstrecke

Rodeln ist ein vergleichsweise egalitärer Sport: Das Sportgerät selbst ist sehr billig und robust, der Umgang damit ist schnell zu erlernen, die Berge muss man selbst ersteigen, und auf der Abfahrt ist die Schwerkraft und der Luftwiderstand ebenso für alle gleich. Im Kern geht es, selbst wenn man es ernsthaft und mit einem Sinn für Wettbewerb betreibt, also eher um fahrerisches Können, Muskelkraft, Ausdauer, Kurvengeschwindigkeit und den Mut, erst im letzten Moment zu bremsen. Wenn man sich einen ordentlichen, niedrigen und flexiblen Rodel der Klasse über 150 Euro kauft, hat man in etwa Waffengleichheit, und der bessere Mann gewinnt. Es gibt ein paar Unterschiede; mein alter Jested, mit dem ich in diesem Winter oft unterwegs war, ist eher spurstabil und braucht Zeit etwas, um im Flachen anzugleiten, dafür wird der Naviser von Kathrein, der willigum die Kurven fetzt, ab einem bestimmten Moment kaum mehr noch schneller. Es sind keine grossen Unterschiede; auf der Neureuth überhole ich eigentlich mit jedem Rodel alles, was sich vor mir befindet.

Das könnte sich jetzt ändern:



Es wird im Internet viel geredet über Supersportrodel: Dass sie sehr schwer sind (20 Kilo), dass sie enorm teuer sind (man zahlt doppelt so viel wie für einen richtig guten Rennrodel), und dass sie eigentlich verboten gehören, wenn sie statt Stahlschienen sogenannte Belagschienen haben. Tatsächlich werden diese Rodel bei vielen Rennen ausgeschlossen, weil sie als unfair gegenüber jenen gelten, die das übliche Material fahren. Beklagt wird zudem, dass sich die höheren Kosten nicht wirklich lohnen, und so gibt es wirklich nur sehr wenige Leute, die ein derartiges Geschoss ihr Eigen nennen. Ich gehöre nun dazu, mit allen Schikanen: Extragewichte als Schienen über den Kufen, die den Schwerpunkt auf den Boden nageln, stark gewinkelte Belagschienen mit scharfen Kanten, extrem tiefe Sitzposition und eine Optik, die an Rennkatamarane erinnert. Es ist nicht das neueste Modell; in meiner typischen Tradition habe ich es gebraucht von einem Rennfahrer erstanden, der sich diese Geräte bei Gasser massschneidern liess. Ich bin kein Freund der aktuellen Modelle mit zu viel Metall und Plastik und Werbeaufdrucken; ich wollte etwas, das nicht falsch aussieht, wenn man es sich im Sepia klassischer Bergphotographie vorstellt - nicht das moderne, bunte Technikmonster, sondern ein Gerät, dem man noch seine Herkunft vom klassischen Rodel ansieht.



All der wenig freundlichen Gerüchte im Internet zum Trotz werden derartige Rodel unter Rennfahrern als unverzichtbar angesehen, es gibt also eine Diskrepanz zwischen dem Gerede und der gelebten Realität, und ich finde, es ist keine schlechte Idee, die Sache mal an einem wirklich schlechten Tag auf einer schlechten Strecke den Wallberg hinunter auszuprobieren - dort gibt es Sulz, Matsch, präparierte Streckenabschnitte, Eis, Gras und sogar Teer im Wechsel. Dazu noch einige sehr enge Kurven und als Krönung Rippen und Buckel, auf denen man abhebt. Wenn man schnell genug unterwegs ist.

Normalerweise mache ich bei der Abfahrt ein paar Bilder. Das ist etwas riskant und doof auf dem Jested, aber wenn der Gasser erst mal Fahrt aufnimmt, ist es selbstmörderisch. Du lieber Himmel. Ich war diesen Winter ein paar mal auf Eis enorm schnell unterwegs, aber nie, kein einziges Mal so schnell wie auf der an sich eher schlechten Wallbergstrecke. Zu schnell für mehr als ein Bild:



Denn das Gerät gleitet auf jedem Untergrund enorm schnell an. Selbst wenn sich die Kufen tief in den Untergrund graben: Es ist überall schnell. Besonders schnell ist es in den Kurven, da liegt es so gerade, als wäre es einbetoniert. Ich wusste bis gestern nicht, was in Kurven möglich ist - mit jedem anderen Rodel hätte es mich aufgestellt, die Innenkufe wäre abgehoben, und es hätte mich massiv derbröselt - der Gasser klebt am Boden, schneidet ins Eis und rauscht einfach mit etwas Gewichtsverlagerung durch, solange die Kurve nicht zu eng ist. Wenn sie dann wirklich zu eng ist, sollte man vorher gut bremsen, und nicht auf den Luftwiderstand vertrauen. Aufrichten bringt so gut wie nichts. Es ist dabei nicht schwerer zu fahren, als ein normaler Rodel, nur eben erheblich schneller unter allen Bedingungen. Wie ein Sportwagen hat es deshalb auch grössere Reserven in den Kurven und auf Buckeln; es steht besser auf unterschiedlichen Bodenbeschaffenheiten und zwingt einen, nicht dauernd den Fahrstil anzupassen, wenn etwa eine Kurve stark vereist ist. Dafür hat man alle Hände voll damit zu tun, die Geschwindigkeit und das eigene Entsetzen zu kontrollieren. Es geht enorm viel, was früher nicht möglich war, solange man sich damit abfindet, dass der Körper nur ein paar Zentimeter über dem Boden schwebt - oder auch nicht, wenn man abhebt und dann bei der Landung auf dem Schnee aufsetzt. Das Gerät ist perfekt für die mitunter sehr eisigen Bedingungen auf der Neureuth, aber viel zu schnell, als dass man es dort in den unübersichtlichen Kurven wirklich ausfahren könnte. Aber gerade bei den flacheren, geraden Gleitstücken wird das sicher ein spassiger nächster Winter, wenn mal wieder ein älterer Herr auf einem normalen Rennrodel einen zur Wettfahrt herausfordert.

Bleibt die Frage: Lohnt es sich? Nein, eigentlich nicht. Man muss ja nicht rasen. Der Berg ist so schön! Aber vielleicht denke ich im nächsten Winter anders, wenn das Entsetzen über mich selbst der Lust gewichen ist.

Mittwoch, 3. März 2010, 14:12, von donalphons | |comment

 
Herzlichen Glückwunsch...
Lieber Don Alphonso, nochmals herzlichen Glückwunsch! Beachten Sie bitte auch noch den Kommentar zu Ihrem letzten Artikel - wie sind die Aussichten, dieses Jahr nochmal zu fahren? Was um Himmels Willen machen wir in der Übergangszeit zwischen Rodeln und Faltbootfahren?

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Essen!

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Bergsteigen und bergradeln, vielleicht auch beides zusammen. Und danach essen.

Heute hat es nochmal sauber gefroren, vielleucht geht am Wochenende noch was, oder am Montag? Ich war allerdings nicht auf der Neureuth, angeblich soll es dort nicht mehr gehen.

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Glückwunsch zum neuen Rodel. Allerdings, hättest Du mehr Gewicht die Neureuth hochschleppen wollen, hätte es doch wohl auch Proviant getan? Silberne Teekannen zum Beispiel. Oder Kinder, oder weibliche Begleitung?
Gib's zu, es geht sehr wohl ums Rasen. Die Bergwacht wird sich freuen.

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Liebe damenwahl, ich glaube, der gute Don Alphonso war geschockt von der Konkurrenz... :-)

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In der Tat, es scheint als hätten Sie man ihm tüchtig eingeheizt. Nächstes Jahr hingegen, nächstes Jahr wird alles anders. Man wird auf der Neureuth eine separate Spur planieren für DA und sein Geschoß.

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Nun ja, werte damenwahl, ehrlich gesagt sind meine Rodelkünste weniger als mäßig. Don Alphonso hat so ein Gerät wesentlich besser im Griff und das merkt man dort, wo es darauf ankommt: in der Kurve. Dort war er aber nicht so spurtreu und hat Probleme bereitet. Allerdings stimmt es, daß mein Naviser (übrigens auch von Gasser) schneller in Fahrt kam. Das liegt womöglich an den Stahlkufen, sein alter Rodel hat aber eigentlich auch Stahlkufen, also so ganz bin ich noch nicht dahintergekommen.

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Also die Herren, sollte es doch nochmal ordentlich schneien,
bin ich natürlich für eine weitere Abfahrt zu haben, auch wenn der Hausherr beinahe unverhältnismäßig aufrüstet.

Und bis dahin wird einfach, um genug Gewicht auf die Kufen zu bringen, nach Herzenslust geschlemmt!

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Damenwahl, wenn ich damit in die Botanik einschlage, muss man keine neue Strecke mehr schlagen, denn der geht durch bis in die Swimmong Pools von St. Quirin!

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Wie oben schon gesagt: Zeitnah und eventuell am Wallberg, das könnte an einem kalten Morgen noch gehen. Ansonsten Christlum, aber das ist halt schon weiter weg und nicht hundetauglich.

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Kann der Super-Wunder-Rodel auch schwimmen? Oder brauchen die Herren dann zusätzlich zur Bergwacht noch die Seenotrettung?

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Mit Geschwindigkeiten unter 70 km/h dürfte er wie eine Bleiente schwimmen.

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Go Faster…
http://www.gestalten.com/motion/clip?id=122

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Don Alphonso, gleissentaler - Derzeit schneit es ja wieder, auf der Webcam in Gmund ist schon alles weiß, morgen angeblich auch. Die Temperaturen sollen niedrig bleiben. Meinen Sie, es wird reichen?

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mawu, denke für die Neureuth reicht es noch nicht; aber vielleicht am Sonntag?!?!
Bin familiär und krankheitstechnisch auch frühestens am Sonntag wieder einsatzfähig, von daher...

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Sonntag kann ich sicher, morgen vielleicht.

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Lieber gleissentaler, morgen bin ich schon mit komplettem Gefolge in Schliersee, da meine dort wohnende Tante runden Geburtstag feiert. Das läßt sich mit Rodeln schonmal schlecht verbinden.

Leider sind die Kinder derzeit krank und gehen mir schon die ganze Woche auf die Nerven, da sie nicht im Kindergarten sind. Bis Sonntag werden die sicher nicht einsatzfähig sein und ich muß dann auch etwas die Stellung halten, denn das wäre natürlich eine ganz gute Idee gewesen: Frau und Kinder rodeln unten, wir fahren den Wallberg rauf und runter... Mist!!!

Außerdem ist derzeit sehr viel zu tun, sodaß ich einfach sehen muß, wann und ob es mir kommende Woche passt. Einer von Ihnen wird ja berichten, wie es ging!

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Dann gute Besserung!

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Es schneit, es schneit...
Puh. Waren heute in Schliersee. Gut, daß ich ein paar Schleichwege kenne, um die Autobahn zu umgehen. Ich denke, alle Rodelstrecken dürften kommende Woche wieder bestens befahrbar sein...

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Denke ich auch.

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Mühen der Ebene
Werter Don, Sie sind wohl einer der wenigen, die sich über den Schnee freuen. Es sei Ihnen vergönnt, womöglich kommen noch einige schöne Sonnenuntergangsfotos mit fliederzartfarbenem Schnee dabei heraus. Die in der Ebene werden es Ihnen danken, gerne schaue ich mir auch nochmal ein Strudelfoto an, umso lieber als mich heute morgen beim Anblick städtischen Neuschnees beinahe der Schlag getroffen hätte!

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