Das beste Oparad

Zum Ausprobieren des seltenen Vogels gibt es eine kleine Seitenstrasse, die für Autos gesperrt ist. Sollte beim Antritt eine Speiche reissen oder der Gabelschaft brechen, fällt man nur hin, und nicht unter ein Auto. Und zuerst muss man Vertrauen zu einem neuen Stück aufbauen.



Besonders, weil es in einem nicht gerade guten Zustand war. Die Inspektionen hatten vernehmlich geschludert, die Kettenblätter waren eher lose verschraubt, die Schaltung war nicht richtig justiert und das Rad zum Justieren war verklemmt, der Umwerfer war in seiner Bewegung nicht begrent, überall war etwas zu schrauben, und nur, weil es daheim läuft, muss es noch lang nicht unter Volllast gut gehen.



Allerdings: Die Schaltung ist die Beste, die ich je hatte. Ich bin bei Mavic skeptisch, denn an meinem Rocky Mountain Vertex sind die extrem hochwertig wirkenden und teuren Offroad-Komponenten aus diesem Hause: ich habe es nie geschafft, sie problemlos zum Laufen zu bringen. Egal welche Ritzel, egal welche Schaltungsrädchen und Züge: Meines Erachtens sind die Schalthebel eine Fehlkonstuktion. Bei der Mektronic geht alles wie von selbst, der Unterschied könnte nicht grosser sein. Egal wo man hingreiftt, überall ist ein kleiner, gelber Hebel, den man nur antippen muss, und wie von selbst liegt der Gang drin. Will man schnell hochschalten, bleibt man einfach drauf.



Man könnte nun denken, dass alles bestens ist unter bayerischem Himmel und über brüchigem Asphalt, denn der Rest sollte keine Probleme bereiten. Der Rahmen ist enorm steif. Der Lenker fühlt sich gut an. Die Position ist fast perfekt. Was an Dura Ace verbaut ist, funktioniert gewohnt unauffällig. Nie mehr am Lenker rumziehen, um Gänge einzulegen. Schnell antreten, denn alles ist so leicht. Rauf bis 45 km/h ohne ein Zeichen von Schwäche. Und dennoch, es hat den Fluch der besten Ausstattung.



Wer immer den Vorbesitzer beraten hat, musste nicht auf das Geld schauen. Es gibt nichts, kein Teil an diesem Rad, das nicht 2000 ein Spitzenprodukt gewesen wäre. Auch die Vollcarbongabel von Time. Diese Gabeln waren Mitte der 90er an den Rahmen der Tourgewinner, aber sie hatten keinen ungetrübten Ruf: Sie waren wie viele andere Gabeln aus Nichtitalien zu wenig gebogen, und verfügten deshalb am Rad über zu viel Nachlauf. Das verwässert die eher nervösen Lenkeigenschaften von Rennrädern. Aus italienischen Sensibelchen werden deutsche Hausfrauen. Das Votec hat schon einen recht langen Radstand und eher flache Winkel, es ist von Natur aus keine italienische Rennradzicke. Aus dem Votec macht die Timegabel ein Schienenfahrzeug. Und obwohl am Vorderrad ein Kilo weniger Gewicht als bei meinen anderen Rädern ist, habe ich keines, das so träge auf Lenkbewegungen reagiert, wie das Votec. Manchmal reicht es nicht, das Beste zu nehmen: Man muss nehmen, was am besten passt.



Es ist trotzdem ein tolles Rad. Enorm schnell, auch beim Antritt am Berg. Es hat tolle Laufräder, die jede Klingel ersetzen; man hört einfach zu treten auf, und vom Freilauf kommt ein Geräusch, als würde ein böses Tier einen grossen Knochen zernagen. Und meistens geht es ohnehin geradeaus. Während mein Colnago und Battaglin stets wissen lassen, dass sie einen jederzeit umbringen, wenn man an der Lenkung rumschlampert, dass sie in jede aberwitzige Kurve gehen, auch wenn sie damit den Fahrer töten, wenn er nicht aufpasst, sagt das Votec: Alles bestens. Zieh ruhig am Lenker, es passiert nicht viel. Ganz locker bleiben. Blöderweise kommt dann aber der Moment, da man schnell in eine Kurve hetzen muss. Und genau das tut das Votec nicht, es tut nur überrascht und will darüber reden, dass es nicht im Kleingedruckten steht, es müsse mit dieser Gabel jetzt sofort in die Kurve. Von wegen, Es geht allenfalls in einen langen Bogen, zu lang vielleicht. Tödlich ist nicht das dauernde Gezicke der Italienerinnen, tödlich ist das deutsche Einlullen über der französischen Gabel in jenem Moment, da es schnell und nicht mehr gerade gehen muss. Es ist allein wegen der irrwitzig schnellen und effektiven Schaltung und des Gewichts formal besser als mein schon sehr feines Colnago. Aber Technik ist nicht alles, es fehlt einfach ein wenig der Charakter und sehr das heisse Blut.



Das Votec sieht böse, avantgardistisch, schnell und wieselflink aus. Ist es nicht. Es ist brav, bieder, technisch ausgereift und ein prima Rad, wenn man mit relativ niedriger Leistung relativ schnell von A nach B radeln will. Es ist das vielleicht schnellste Oparad, das man sich vorstellen kann.

Sonntag, 25. Juli 2010, 20:04, von donalphons | |comment

 
Danke
ür den ausführlichen Bericht. Ich lerne bei Deinen Ausführungen ja immer was dazu, aber den Punkt mit den mehr oder weniger gebogenen Gabeln und den Konsequenzen für das Fahr-/Lenkverhalten habe ich nicht so ganz verstanden. Ich hätte eher vermutet, es sind die geraden Gabeln, die das Rad kippelig und lenkempfindlich machen. Und mehr Biegung brächte besseren Geradeauslauf, erfordere aber eben auch höhere Lenkkräfte.

Ansonsten hätte ich als Laie es auch nicht unbedingt an der Trennlinie italienisch oder nicht festgemacht, sondern eher wechselnde Moden dahinter vermutet. In den 90ern, als ich noch gelegentlich Radrennen im Fernsehen verfolgte, sind alle mit kerzengeraden Gabeln rumgefahren, wenn meine Erinnerung mich nicht völlig täuscht.

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Es ist ein wenig paradox, denn eine geringere Vorbiegung verkürzt erst mal den Radstand, und das macht das Rad erst mal kippeliger. Wenn man dann aber fährt, kommt der Nachlauf des Rades hinter der Verlängerung des Steuerrohres auf den Boden ins Spiel:

http://de.wikipedia.org/wiki/Fahrradfahren#Nachlauf

Entscheidend ist da nicht die Biegung der Rohre, sondern einfach nur die Abweichung vom Steuerrohr nach vorne, und das kann man auch mit geraden Gabeln erreichen. Ich habe da ein sehr leicht gebogenes Exemplar, fürchte ich, aber gerade 1zöllige Rennradgabeln aus Carbon gibt es so gut wie gar nicht mehr.

Typisch italienisch sind sehr kurze Hi8nterbauten, so dass man das Rad gerade noch einbauen kann, steile Sitz- und Lenkrohrwinkel (um die 74°) und ein Radstand von unter einem Meter bei einer Gabelvorbiegung von 4,5 Zentimeter oder mehr. Die Asiaten bauen dagegen meist 73° und gleichen längere Hinterbauten durch weniger Biegung der Gabeln aus. Ist halt eher was für den Massenmarkt.

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Ah,
merci, jetzt sehe ich den Einfluss der beiden Variablen Radstand und Nachlauf etwas klarer.

Wirklich mitreden kann ich aber nicht, da ich nie einen ultrakurzen Italo-Hobel gefahren bin. Ich wüßte auch nichtso recht, was damit gewonnen wäre, denn Serpentinen haben wir hier ja so gut wie keine. In der Stadt, wo es eng zugeht und ich auch mal langsamst in einem Fußgängerstrom mitschwimmen können muss, reicht mir die Wendigkeit von Sir Walter völlig aus. Mit dem Koga, das zwar einen kürzeren Hinterbau hat, aber dafür ein längeres Oberrohr, tue ich mich da deutlich schwerer.

Ist aber zum Teil schlicht Gewohnheitssache. Das erste Raleigh (der Sperrmüllfund mit dem Zeitfahrlenker) passte halt nach einigem Rumprobieren mit Sattelhöhe und Lenkerneigung ziemlich perfekt. Das hat schon geprägt irgendwie.

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Früher waren die italienischen Rahmen das Mass alles Dinge, und alle anderen ahmten sie nach, mit Ausnahme vielleicht von Look (Carbon) und Alan (Alu). Die ganzen technischen Neuerungen kommeen inzwischen komplett aus Übersee, und nachdem so viele radeln gehen, ist man auch auf andere Käufer angewiesen. Ich persönlich mag einfach das gefühl, auf einem wendigen Rad zu sitzen. Reine Gewohnheitssache.

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Man muss wissen,
was einem liegt. Meine Erfahrungen beschränken sich ja weitgehend auf die Geometrien der Reynolds-Rahmen, wie sie das Raleigh und das Peugeot-Rad von meinem Bruder aufweisen, und das passte irgendwie nach kurzer Eingewöhnungszeit.

Bruderherz ist übrigens seit dem Koga-Fehlkauf (letztlich war wohl weniger RH 60 das Problem als vielmehr die Oberrohrlänge) ziemlich verunsichert und unschlüssig, was er eigentlich will. Da fällt öfters mal das Stichwort Fitnessbike, und ich weiß gar nicht so recht, was ich mir darunter konkret vorstellen soll. Wahrscheinlich der Versuch, eine eierlegende Wollmilchsau zu züchten. Wie auch immer, ich sollte nicht lästern, denn ohne diese Irrungen und Wirrungen wäre das Koga nicht zu mir gekommen...

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Der Tacho
im 2. Bild zeigt aber hoffentlich gerade die Temperatur, oder?
Ich meine, bei 35.4 Km/h würde ich auf solchen Wegen nicht unbedingt noch ein Photo davon machen wollen, wenn ich gerade damit fahren sollte.

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Das ist die zu diesem Zeitpunkt Maximalgeschwindigkeit. Und man kann die Kamera auch gar nicht halten, wenn man kurbelt, die meisten Bilder sind mit 15 km/h gemacht.

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Vielen Dank!
Täuscht es, oder ist der Votec-Rahmen insgesamt auch etwas größer, als die von Colnago und Müsing?
Das wäre eine weitere Erklärung, für die gefühlte relative Trägheit; wie die Kanuten sagen: "Länge läuft" ...

Oparad - sehr schön, Ihre Diktion.
Vielleicht könnte man auch sagen: Sie haben sich einen veritablen Triathleten ins Haus geholt.

Wie auch immer, genießen doch Sie den Luxus, zu verschiedenen Anlässen aus verschiedenen handlings wählen zu können.
(Für mich gehört das seit Jahren zum Spaß dazu...)
Im Gebirge, würde ich denken, macht man mit dem Colnago sowieso immer die bessere Figur.

Hier haben Sie ein Gerät, mit dem Sie die ach so gestählten Mittzwanziger am See gleich dutzendweise fressen können - so es Ihnen beliebt!

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Er ist bei 2 Zentimeter niedrigerem Rahmen un 1 Zentimeterr kürzerer Gabel genauso lang wie das Colnago. Für Votec war das rennrad nur ein Nebenprodukt, da kann es schon sein, dass sie einen Rahmen bauten, der für alle irgendwie taugte. Zumal Votec ja generell ein wenig der Ruf anhaftete, für den Verkauf vor allem Räder für finanziell Bessergestellte zu bauen, ähnlich wie Colnago auch. Colnago gilt vielen als Zahnarztmarke.

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... vielleicht haben sie es sogar direkt um die Mektronic herum entworfen, die ja seinerzeit *der* Kracher war ..?

Ich fürchte aber, auch mit einer anderen Gabel wird sich am Fahrverhalten nur wenig ändern, es liegt wahrscheinlich mehr am Winkel des Steuerrohrs.

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Ah, die gebogenen Gabeln haben auch etwas mit Federkomfort durch die Elastizität des Materials zu tun. Je gerader, desto agiler und härter das Ganze. Deswegen schwören viele Alufahrer auch auf Carbon Gabeln, da die vom Aufbau her eine leichte Nachgibigkeit in der Längsachse bieten dabei aber sehr verwindungssteif sind. Der Gewichtsunterschied dürfte je nach Gabel dabei kaum interessant sein.
Interessante Felgen habe Sie da. Sind das Rolf Vektor (Pro)? Mit denen gabs mal tierisch Stress, wurden eingeschickt und prompt hieß die Firma Bontrager – und nicht mehr Rolf.

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schauerfeld, dass es ein Rad nicht nur zum fahren, sondern auch zum zeigen war, steht ausser Frage, nur hätte man auch andere Entscheidungen treffen können. Es ist absolut kein schlechtes Rad, es fährt sich nur anders, als es aussieht.

der flash, diese Gabel wiegt damals sensationelle 350 Gramm, das ist weniger als die Hälfte einer normalen SLX-Stahlgabel und immer noch 200 Gramm weniger als eine typische Alugabel - und am Ende summeriert es sich eben unter 8 Kilo.

Ich habe neben den Vektor Pro (´die weitaus weniger Probleme als die billigeren Versionen machten) auch Sestriere aus dem gleichen Haus. Die Sestriere wurden auch in diversen Rennen und auf Pässen von einem Triathleten gefahren und haben das auch ausgehalten. Ich habe gestern mal mit aller Kraft versucht, einen Spurt anzuziehen - kein Problem. Ich denke, das Kernproblem all dieser Räder ist die langfristig sehr hohe Speichenspannung. Und vielleicht auch das Anspruchsdenken der Kunden, die bei 1000 Euro pro Laufrad schnell rebellsich werden. Mavic Ksyrium und Zipp haben auch Probleme, und ich hatte mal einen Laufradstz mit geraden, "bruchsicheren" Speichen - nichts ist öfters gebrochen.

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Habe jetzt die SPD-Pedale gegen farblich und zeitlich perfekt passende Look Carbon 256 getauscht. Am Rennrad werde ich einfach kein Freund von SPD.

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... Time wäre da auch gegangen, aber wenn der Fundus (und das Schuhwerk!) Look hergeben - hervorragend!

An den Pedalen übrigens macht sich der ganze inkompatible Systemwirrwarr aus meiner Sicht am idiotischsten bemerkbar.
Eigentlich möchte man doch jedes Rad mal so und mal so nutzen, was, pro Fahrrad, schon mal mindestens 2 Paar Schuhe bedeutet; und dann gibt's ja noch die feineren Anlässe, bei denen man auch ganz gern mal vorfährt, also:
http://www.antrieb.com/FAHRRAD_SCHUHE/MARRESI/marresi-marresi-lederschuh-eroica-2loch-sohle-cp-2078_2732-p-4756.html
- und wieviel Paar davon sollen's dann am Ende sein?

Ganz zu schweigen vom Wechsel der Jahreszeiten, der den Füßen nun einfach nicht egal sein kann ...

Ich habe mich irgendwann zu einen wachsweichen Kompromiß durchgerungen, und auf alle Gefährte crankbrothers montiert; die
cleats haben SPD-Bohrungen, d.h. eine große Auswahl an Schuhen.

Was die Direktheit der Kraftübertragung, seitliche Führung etc. betrifft, ist das natürlich fern ab jeden wirklichen Rennpedals.
Aber, was soll's: Erstens sind die Teile m.E. ganz hübsch, und sie sind leicht.

Und gerade hab ich z.B. ein ganz passables Paar Wanderschuhe erworben; das hat 'ne SPD-Bohrung, und paßt somit auf alle 3 Räder; machen Sie das mal mit LookTimeKeo ...

Ein kurzes Wort noch in Sachen Gabel: Die Epoche der wirklich schönen Karbongabeln scheint vor drei, vier Jahren schon wieder zu Ende gegangen zu sein, könnte man zumindest glauben, wenn man sich anschaut, was heute so angeboten wird.
http://www.dedacciai.net/eng-frame-cycle-technology/cycling-technology-forks-tt.php
Und in Nichtitalien, wie Sie so schön sagen, sieht's kein bißchen weniger häßlich aus ...

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Mich interessiert kolossal, was den der werte Herr Alphons auf dem Opa-Rad so als passende Bekleidung trägt?
Fotos, bitte !

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Hatten wir schon erörtert:

http://rebellmarkt.blogger.de/stories/1617091/#1618456

Ein zum Stil der Zeit passendes Outfit.

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Danke strappato. Die Altersdemenz, ich vergaß!
Nichtsdestotrotz fehlen immer noch Fotos vom radelnden Alphons, auf welchen man zumindest die Kleidung evaluieren kann !

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Man stelle sich ein Hängebauchschwein in Wurstpelle in der Haltung eines Affen auf dem Schleifsteinh vor Das geht nicht beim Alleinradeln. Auf dem Votec: Once-Teamtrikot, schwarze Hose, schwarzgelbe Diadoraschuhe.

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Hmmm, war es denn aber nicht so, dass die wortreiche Rechtfertigung für den Kauf der zahllosen Fahrräder die ungeheure Vielzahl der Besucher war, mit denen man gemeinsam auf Tour gehen wollte? Oder können die alle keine Kamera halten?

(Ich verstehe Sie ja, aber man könnte ja auch so fotografieren, dass das Gesicht nicht zu sehen ist. Mit dem bereits angesprochenen Mapei-Trikot und den bunt blühenden Wiesen am Tegernsee im Hintergrund könnte man, aus gebührender Entfernung fotografiert, sogar ein Suchbild draus machen)

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"Das Votec sieht böse, avantgardistisch, schnell und wieselflink aus. Ist es nicht."
Vielleicht liegt es auch daran:

"Man stelle sich ein Hängebauchschwein in Wurstpelle in der Haltung eines Affen auf dem Schleifsteinh vor."

Hüstel...

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Das haben jetzt aber Sie gesagt.

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Ein tolles Rad.
Ich beneide Sie um diesen tollen Renner. Welchen Schnitt fahren Sie damit noch halbwegs bequem und schnell?

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Ausserorts und allein kann man mit 27km/h ganz gut trödeln, ohne ausser Puste zu kommen. (In der Bucht taucht sowas alle paar Wochen mal auf, meisten aus dem Münchner Süden von älteren Herren)

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