Man kann sich schnell täuschen

Für den Schluss habe ich mir die Strecke nach Valepp aufgehoben. Valepp ist nahe am Tegernsee, nur ein paar Kilometer entfernt, und trotzdem ahnt man schon bei der Anfahrt über Enterrottach, dass es nicht ganz leicht sein wird.



Um es ehrlich zu sagen: Die Strecke ist brutal. Das meiste am See ist ähnlich wie die schwereren Strecken im Altmühltal, aber die Mautstrasse hat es in sich: Schmal, schlecht betoniert, zwischen die Berge und einen Wildbach eingeklemmt, dem sie über alle Wassefälle hinweg folgt.



Mit bis zu 18%, und das nicht nur auf ein paar Metern. Bis zur Wasserscheide hinauf sind es nur ein paar hundert Höhenmeter, aber die Strecke ist kurz, und die Rampen wollen trotzdem nicht enden.



Es ist gut, ein Blog zu haben, für das man zwischendrin kurz anhalten kann, um ein Bild zu machen. Es ist gut, wenn man das Hochmoor mit den alten Bustouristen erreicht und sich denken kann, dass es etwas Schlimmeres als die Schmerzen in den Beinen gibt. Schlimmer als diese Strecke kann auch Italien nicht sein.



Auf der anderen Seite geht es dann fast bis zur Grenze nach Österreich, wohin man über Feldwege aufklärerische Schriften und Anleitungen für das Herunterklettern von braunen Bäumen schmuggeln könnte. Aber wenn man erst mal wieder unten im nächsten Tal ist, braucht man eine Pause am Wildbach.



Dann geht es den gleichen Weg wieder nach oben. Hier ist es allerdings weniger steil, unter den Blicken von Kühen kommt das Selbstvertrauen zurück: 300 Höhenmeter sind locker, wenn es weniger als 10% nach oben geht.



Da ist einerseits das Gefühl, nun wirklich auf dem Weg der Besserung zu sein, wenn das Rad den Pass hochfliegt, oder wenigstens das Keuchen die Lungen nicht mehr an die lädierten Rippen presst. Gleichzeitig ist es aber auch traurig, denn anderes verschwindet: Die Beine gehen noch, der Sommer dagegen, der ist schon gegangen.



Dann ist die Wasserscheide erreicht, unten, hinter dem Wald ist die verlassene Liftstation, die an solchen Tagen kaum Touristen auf die Berge schaufelt, denn kaum jemand ist hier, und die Strasse ist frei. Ganz langsam anrollen. Nichts übereilen. Dann die Bremse loslassen. Es wird steiler, steiler und schneller, und der Wind brüllt in den Ohren.



Bäume, Asphalt, Gebüsch, Bäche, alles fliegt nach hinten weg, ein paar Mountainbiker scheinen festbetoniert zu sein, so knallen die Reifen daran vorbei, mit 18% geht es bergab, und die Kurven halten das auch aus, 18% sind die Hölle auf dem Weg nach oben und die Flügel Satans auf dem Weg nach unten, schwarz wie der Wald und verlockend wie ein Geldkoffer für den Schatzmeister, man sollte das nicht tun und man würde selbst seine Kinder enterben, aber es geht so leicht und so schnell, 18% könnte man immer brauchen, und dafür hat man ja auch vorher gelitten und die Zähne zusammengebissen, für den Höllensturz entlang des tosenden Wassers, Minuten für Sekunden, Tritt und Tritt für den tosenden Orkan, der um einen herum stillsteht.



Der Körper ist wieder gesund, und das Hirn war schon immer etwas krank, vielleicht einigen wir uns auf diese Formel. Mit immer noch knapp 50 Sachen - 46 misst das Radar - geht es Richtung Enterrottach, da hinten sind noch viele Berge und Strecken, aber keine ist so eng zwischen Fluch und Erlösung gebaut, wie diese kurze, brutale Schneise in den Bergwald Richtung Valepp.



In Rottach wieder alte Leute, Feinkost, Hausbetreuung, Busse, Frauen mit obszön goldenen Handtaschen, die vielleicht etwas von den überzogenen Konten, aber nichts von der Süsse der Hingabe wissen.

Donnerstag, 16. September 2010, 01:58, von donalphons | |comment

 
@...46 misst das Radar:
exakt soviel hatte ich auf der Anzeige hinterm Ortseingang Erkrath auch noch stehen sehen, als ich dieser Tage von Hochdahl runterkesselte. Das ist jetzt verglichen mit Deinem Terrain keine Super-Abfahrt, aber da keine Spitzkehre einen zum abrupten Abbremsen zwingt, kann mans schön laufen lassen.

Freut mich jedenfalls zu lesen, dass es allmählich wieder rund läuft. Und die Fotos sind wie immer echte Hingucker. Ich habe heute mit der älteren Casio bisschen was probiert, aber nichts Vorzeigbares zustande gebracht.

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Leider war das Wetter knapp vor dem Regen, der Himmel war grau und das Licht wenig ansprechend. Das letzte Mal war ich mit dem Auto dort, aber die Bilder habe ich nicht gebracht. Die Kurven die Strecke runter sind kein Problem, wenn man sie schneiden kann, und auch das geht meistens gefahrlos (und für die scheinbar schnellen Bilder bin ich extra noch mal hoch und habe mit hoher Blende und langen Belichtungszeiten in dunklen Passagen geknipst, bei Tempo 20, oder so).

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Sehr schön. Allerdings fehlt eindeutig ein Feinkost mit Kännchen-Bild am Schluss.

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Das ist wegen Blogeintragfürdiefazpflicht diesmal ausgefallen. Aber Marmelade habe ich nebenher aus dem Glas gelöffelt.

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wenn mal sich mal überlegt...
... dass die Profis 46 oder so als Schnitt fahren...

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Die gehen aber nicht nur dann zum Arzt, wenn sie über den Lenker geflogen sind.

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"...aber hey, gebrochene Rippen sind sowieso überbewertet", sagte Voigt
Die würden aber auch ohne die Arztbesuche noch einen Schnitt von, sagen wir mal, 44 fahren.

Man darf dabei natürlich nicht vergessen, dass es sich im Peloton viel, viel schneller dahinsaust als alleine.

Für die Abfahrten mit 90 oder 100 Sachen brauchen die Profis den Arzt nicht, es sei sie stürzen, wie z.B. der Voigt unlängst, mit platzendem Vorderreifen bei 70, 80 km/h.

Ich selbst habe vor den Abfahrten mehr Respekt als vor der Quälerei bergauf. Der Anstieg mag eine wahre Schinderei sein, aber z.B. nach einem Wetterumschwung im Regen und mit klammen Finger einen Pass herunterzusausen, nun ja ...

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In der Zeit zwischen Abitur und Studium habe ich mich auf einen 35er-Schnitt Solo hochgearbeitet, jeden Tag 70 Kilometer am Morgen und am Wochenende mit Freunden auch erheblich mehr. Das war gar nicht so schwer, aber damals war ich auch erst 20. Der Körper setzte damals Leistung ganz anders in Muskulatur um. Mein Kernproblem (und warum ich nie wirklich gut wurde) war der Heuschnupfen, der jedes Trainung für drei Monate unmöglich machte. Heute ist es so, dass ich mit Rodeln recht weit ins Jahr komme, aber dann sind immer noch zwei Monate, in denen nichts geht, und das muss dann erst wieder antrainiert werden, an einen Körper, der sich viel langsamer wieder aufbaut. Da verstärken sich also zwei Effekte, die mit 20 und einem Trainingsaufenthalt im Süden keine Rolle spielen würden. Altern, so die Konsequenz, macht nicht durchgehend Spass, man ist schon mit kleineren Erfolgen zufrieden.

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hockeystick, zum Arzt gehen die ja nicht so häufig. Improvisierte Bluttransfusionen in versifften Hotelbadewannen scheinen normal zu sein. Das ist so irre...

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Mich hat der Heuschnupfen ja erst vor ein paar Jahren heimgesucht, nachdem ich leichtsinnigerweise mit dem Rauchen aufgehört hatte. Aber so schlimm, dass gar nichts geht, ist es gottseidank nicht. Nach ein paar Tagen Gerotze schlägt das freiverkäufliche Antiallergikum einigermaßen an, dass ich wieder radeln kann.

Und ja, man freut sich im fortgeschrittenen Alter über kleine Erfolge - etwa, dass jetzt auch wieder 20 Liegestütze am Stück gehen nachdem ich jahrelang gar nichts machte. Und das Radfahren, ich kann das gar nicht oft genug sagen, trägt schon sehr zum gesteigerten Wohlbefinden bei.

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Ja, der Winter. Üble Angelegenheit. Ich habe mir fest vorgenommen, dieses Jahr auch im Winter zu fahren, wann immer möglich und mich zu diesem Zwecke kleidungsmäßig auszustatten bzw. die alten Sachen, die teilweise noch irgendwo stecken müssen, auszukramen. Und die Rolle werde ich wieder aufbauen, damit ich wenigstens nicht ganz raus komme. Das ist zwar stinkelangweilig und der Schweiss tropft übel von der Nasenspitze, aber mal sehen, vielleicht mit einem Monitor davor und einem Film währenddessen, könnte es gehen.

35er Schnitt ist ganz schön schnell, alle Achtung.

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@anderl:
Selbst wenn man nicht das Pensum der warmen Jahreszeit fahren kann, das bringt schon was, sich auch im Winter ab und zu auf den Sattel zu schwingen. Mit einem Satz geeigneter Textilien, die ich zum Geburtstag im November bekam, habe ich gelegentlich den inneren Schweinehund überlistet. Wobei ich sagen muss: Unterhalb von fünf Grad plus machts mir keinen Spaß mehr, da kommt meine Lunge mit der kalten Luft nicht so gut klar.

Im Frühjahr haben sich die gelegentlichen Ausritte des Winters aber bezahlt gemacht, ich musste nicht wieder mehr oder weniger bei Null anfangen. Und so gedenke ichs auch heuer wieder zu halten.

Eben seit längerem mal wieder eine üble Regendusche abbekommen. Bis ich anhalten konnte, um die Regenjacke aus dem Rucksack zu ziehen, war ich schon gut durchnässt - und das natürlich am entferntesten Punkt der Tour. Tja...

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mark,
ich habe heute 40 km geschafft, ohne in einen Regenguss zu kommen. Gestern dagegen ging es nach 4 km los und im Nu fühlte sich die Radhose an wie eine Pampers. Und fast hätte es mich, man glaubt es kaum, in einer Regenablaufrinne zerlegt. Meine bessere Hälfte fährt fast das ganze Jahr über mit dem Rad zur Arbeit. 15 km hin, 15 zurück, mit ein paar Ausnahmen, wenn es wirklich wie aus Eimern gießt. Jetzt will sie unbedingt ein weiteres Rad. Ich soll suchen, ich soll kaufen, ich soll es hinstellen. Aber die Farbe, die gibt sie vor.

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15 Kilometer zu einem Termin in der Sonne, sonst nichts. Stress!

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18%
Ist die Parallele zur FDP gewollt und beabsichtigt oder lese ich sie nur hinein in den schönen Text.

Der langsame qualvolle Aufstieg bis zur letzten Bundestagswahl und nun der rasante Absturz nach unten, daß es den Liberalen um die Ohren saust?

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hihi, sehr schön..
Rebellmarkt - jetzt auch mit Sekundärliteratur!

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nach übereinstimmendem Sprachverständnis
sagt man (eher):

In die Valepp (iSv Talgrund), oder zum Forsthaus Valepp oder an der Valepp (iSv Bach, gibt's zweifarbig) entlang.

vgl. in die Jachenau, in den Ahornboden.

Und weil wir hier erst letztens Gefahren der Strasse hatten (b472), hier lauert die Gefahr in der Manifestation des RVO Busses, der interessanterweise die Strasse in interessaten Geschwindigkeiten befährt.

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