Er war ein Glückskind

Sie wohnten nicht im Westviertel, sondern zwischen der Altstadt und dem Viertel, in dem man besser nicht wohnt: Im früher 20. Jahrhundert war das das erste Villenviertel gleich beim mondänen Bahnhof, der später andere Viertel nach sich ziehen sollte, und die Villen in einen Dämmerschlaf versetzte. Und der Sohn war ein Glückskind.

Er und sein späterer Partner waren von jener Art glücklicher Jugendlicher, die schon in der Schule aus den gängigen Rastern herausgefallen sind: Nicht Aufreisser, aber etwas selbstverliebt und reizend, nicht streberhaft, aber mühelos beim Durcheilen der Klassen, und so ungewöhnlich, dass sie als sehr interessant galten. Und er, wie gesagt, war ein Glückskind. Alles flog ihm zu, die Wertschätzung seiner Eltern, der schulische Erfolg, und irgendwann gewann er auch einen teuren Rechner beim Preisausschreiben eines Kunkfoodherstellers. Das war in einer Zeit, als der normale Schüler vielleicht einen C64 und einen TI-35 hatte. Es war immer eine Gaudi mit ihm.

Und so ging es eigentlich immer weiter: Er studierte an einem Ort und wechselte, weil es dort zu langweilig war, an einen anderen Ort, hatte dort mehr Gaudi, tat sich dann mit seinem Kollegen zusammen und entwickelte eine Art Bühnenshow. Es waren die 90er Jahre, die neuen Medien (Privat-TV, Privat-Radio) galten als die Zukunft und brauchten frische Gesichter und respektlose Ideen. Und dort versuchten sie ihr Glück jenseits des Studiums, und hatten Erfolg. Sie waren auf ihre Art Stilikonen.

Es folgte das volle Münchner Programm: Adabei, Promi, Dauereingeladene, Filmfest, lange Nacht der Medien, Bayerischer Filmpreis, Produktionsfirma, Franchisingfirma, Fernsehrollen, Kinofilm, noch einer, noch einer, noch einer, Werbung, Teil der ganz lustigen Blase, Auftritte in der ganzen Republik. Das Übliche, wenn man so will. Die typische Geschichte der Gewinner des Medienwandels, die man sich gerne anschaut und etwas vergisst, auf welchem Subniveau ihre Kollegen mittlerweile daherkommen, die es nicht geschafft haben.

Aber jede Rolle ist irgendwann ausgereizt, und so war nun die Zeit gekommen, da andere Wohltaten zufliegen sollten. Mitte 30 schon ein Star, da sollte noch etwas gehen, nachdem alles andere schon gegangen ist, Fotomodellfrau, Kinder, Anwesen nördlich von München und, natürlich, finanzieller Erfolg. Jetzt wäre der Moment zum Durchstarten in neue Bereiche gewesen. Das Alte hinter sich lassen und das Neue beginnen.

Irgendwie kam aber nichts Richtiges mehr.

Sicher, weiterhin wurde er überall eingeladen und gesehen, das typische Münchner Promidasein, Bunte, Bild, AZ, aber der Übergang von einer lockeren Existenz zu einer etwas ernsthafteren Darbietungskunst war nicht so einfach. Dabei sein, das ist wie beim Computerspiel, heisst nicht zwingend mitspielen. Man sah ihn, man hörte von ihm, den Computerspielen blieb er treu, die Auftritte blieben irgendwie krass, vermutlich mangels Alternatitiven, aber eben: Nichts Konkretes. Konkret in dem Sinne, dass es mit der Ausnahmekarriere steil weitergehen würde.

Die oben gennannten Medien berichten jetzt wieder gross über ihn. Scheidung, Überschuldung, Privatinsolvenz, sie sagen auch: Zu grosser Lebensstil angesichts nicht mehr so gut laufender Geschäfte. Das Promidasein ist nicht gerade eine Garantie für einen ruhigen Lebensweg. Sein Entdecker - ein Comedytexter - schreibt jetzt übrigens ein wenig gelesenes Blog beim Süddeutschen Magazin.

Was ich damit sagen will: Ich weiss schon, warum ich in den Stützen über das ganz normale Westviertel schreibe, über die durchschnittlich Vermögenden, und nicht über die exzeptionellen Vollgasfreunde. Die sind nicht typisch. Und auch nicht immer etwas, worüber man gerne schreibt.

Freitag, 2. September 2011, 01:26, von donalphons | |comment

 
Irgendwie passt da eh etwas nicht zusammen.
Reichertshausen ist ja nicht gerade als bevorzugte Wohngegend für "Promis" bekannt.
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Schreiben Sie nur weiter über die nicht indentifizierbare P. und die Apotherstochter etc.
Es geht ja nicht um die Individuen, sondern um die Gesellschaftsschicht und deren Wandel.

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Huch! Bei dieser Überschrift habe ich mich leicht erschrocken - ich dachte, jetzt kommt eine gruselige Memento-Mori-Geschichte wie die des betrunken erfrorenen Abiturienten.
Interessant an der Geschichte finde ich nicht den heutigen "Niedergang", sondern diese neue soziale/ökonomische Beweglichkeit - dass man sich dann irgendwann neu definieren muss und Bestandswahrung eben auch Flexibilität erfordert, gehört dazu, denke ich.

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Nur um das klarzustellen: Es ist nicht so, dass mir das egal ist, und es gibt bei der ganzen Geschichte (die hier nicht steht) schon noch das ein oder andere Pro- oder Contradetail, das mir an die Nieren geht. Dieses Draufrumtrampeln der Gossenpresse, das hat kaum jemand verdient.

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Krasser Döner, ey. Auf einen Text zu diesem heimatlichen Duo habe ich schon gewartet. Immer wieder seltsam, wie manche Stars voll gegen den Baum fahren. Jetzt kommen für ihn wohl die sieben schweren, mageren Jahre. Man liest von Privatinsolvenz. Aber sicher hat jemand anderes profitiert.

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Man kann da nicht einfach so aussteigen. Und viele lassen einfach zu spät los, das hatte man ja oft genug in der New Economy. Ich will da keinesfalls urteilen. Es ist nur so, dass manchmal das Gerede kommt, ich würde ja gar nicht über die High Society schreiben - was stimmt. Ich schreibe über die 10% Reichsten im Land, also über Oberschicht, und nicht über Superreiche oder jene, die nett genug sind, der Öffentlichkeit jenen Schleier vorzuspielen, hinter dem andere anonym bleiben können.

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Aah - ich vermute mal, es gilt auch hier der alte doofe Spruch: Das Geld ist nicht weg, es hat nur jemand anders.
Andererseits, vielleicht hat es auch was Gutes und wir sehen den Herrn zukünftig in ernsten Rollen, jedenfalls nicht mehr in der, die ihn berühmt gemacht hat. Denn S&E fand ich bestenfalls zum Fremdschämen gut. Pidgin-Deutsch wurde jedenfalls von "Mundstuhl" schon immer besser und authentischer geliefert.

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Ach um den geht's!
Eine Freundin von mir hat als Höhepunkt ihrer Schauspielkarriere die Mitwirkung an einem E&S-Film vorzuweisen. Hat bei Professor *piep* studiert und wollte ums Verrecken nicht wieder aus München weg. Lieber prekär in München als normal in der heimatlichen Provinz. Jetzt geht sie einer anständigen Arbeit nach. Wem's gefällt.

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