Blau macht Bunz

Überschriften, die man liebt.

Wie auch immer, Wolfgang Blau geht von der Zeit Online zum Guardian, wie Mercedes Bunz von Tagesspiegel.de ebenfalls dorthin gewechselt ist. Für eine nicht allzu lange Zeit. Laut wurde darüber geredet, als sie ging, leise wurde es dann. Bei aller Begeisterung für den Guardian: Die sind nur so gut, weil sie eine Knochenmühle und die Mitarbeiter voller Existenzangst sind.



In diesem Interview bezieht Blau Stellung, und ich denke, wie er es beschreibt, ist es nur folgerichtig: Die Zeit hat viel beim Guardian und bei der NYT gelernt, und was Blau thematisch anspricht, geht in Deutschland eher schlecht. Die Zeit hat die FAZ mehr mt besser gemachten Allgemeinthemen überholt, denn mit Debatten oder Spezialangeboten. Allein die Personalstärke ist beeindruckend, und da sitzen Leute, die wirklich gern Internet machen. Die Blogs der Zeit sind trotzdem fast immer eine schwere Enttäuschung, und nicht umsonst sind viele schnell wieder verschwunden.

Momentan verucht man es mit einem Radlblog, und da muss ich gar nicht Wochen abwarten um zu wissen, dass hier der nächste Fehlschlag kommt: Blutleer, viel zu sehr aufs Netz fixiert, keine eigenen Themen, öde Schreibe, es passiert nichts, keine Erlebnisse, und eine Autorin ohne jeden Charakter.



Dabei könnte genau das ziehen, eine Frau in einer Männersparte, was macht sie anders, wie ist ihr Blick, kann sie Frauen das Thema erschliessen, wie sieht ein guter Damensattel aus, und das alles auf einem liebenswerten, allgemein verständlichen Niveau. Sonst ist das nur wieder bunter Nerdkram. Und das gibt es schon zuhauf, dazu braucht man nicht die Zeit und auch nicht die FAZ oder den SPON, die sowas auch mal probierten.

Eigentlich, in Zeiten wie diesen, müsste man eine grosse Klammer machen: Zukunft des Individualverkehrs. Und das dann mit hübschen Themen füttern.Zum Start vielleicht einen Tweed Run organisieren, einmal ein Rad nach Leserwünschen aufbauen, und das vielleicht auch als Sondermodell anbieten. Oder ein Eisrad in Valeggio kaufen und dann damit nach Deutschland radeln und schauen, was unterwegs passiert (warum habe ich Idiot das nicht gemacht???). Irre. Charmant. Witzig. Anders. Der Markt und der Trend sind da, nur halt nicht für all die vertrockneten Eisenten, die bei der Zeit vermutlich alle Prügelstrafe kriegen, wenn sie lachen. Die FAZ ist jetzt auch nicht gerade ein Ausbund an Frohsinn und es muss nicht gossig wie SPON sein, aber die Botschaft muss lauten:

RADELN MACHT GLÜCKLICH!



Aber dieser Fail durch trockene Distanz zieht sich durch die ganze Zeitbloggerei, egal ob Berlinkultur oder Grüne Geschäfte. Man muss sich an die Leser ranschmeissen und sie mitziehen, sonst endet man bei den wirklich wichtigen Themen schnell in der Oberlehrerpose. Landlust ist ein prima Beispiel, wie man so einen Lebensstil propagieren kann, ohne so stocksteif hamburgisch daherzukommen, mit schrägen Designerwohnungen und was man sonst noch haben will, um kosmopolitisch zu wirken. Medien brauchen mehr Pron und je lahmer das Thema, desto mehr Pr0n muss drin sein.

Der richtige Riecher und die falsche Umsetzung - das ist es, was bei mir von den Zeitblogs hängen bleibt. Es ist wie Carta, ich weiss nicht, warum ich das lesen soll, es ist alles üblich und normal. Ich habe nicht den Eindruck, dass sie gelesen werden wollen. Sie wollen senden, aber nicht mit mir reden und auch nicht mich unterhalten. Thematische Brillianz trifft sagenhafte soziale Blödheit. Nicht nur ein Zeitproblem. Aber wie oft muss man diesen Fehler eigentlich noch machen?

Edit: Ich muss mich entschuldigen. Das Ferengiblog der FAZ Wirtschaft, das einfach halbgare Blogeinträge amerikanischer Ayn-Rand-Verehrer (sog. "Wissenschaftler") nachschmiert, ist natürlich nochmal erheblich schlechter.

Mittwoch, 17. Oktober 2012, 01:51, von donalphons | |comment

 
Sie hatten dieses Radblog ja schon mal vorgestellt und gestern habe ich mich nochmal durch alle Beiträge und das halbe Dutzend Kommentare gequält.
Blutleer trifft es wirklich sehr gut.
Da gibt es einige Privatblogs (nicht nur dieses hier), die das Thema richtig ansteckend behandeln und vor allem mit eigenen Photographien illustrieren.

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Landlust?
Da muß ich widersprechen: die Landlust kann einen akuten Fall von Lebensüberdruß auslösen - man schüttelt sich, geht duschen, versucht seinen Hirnspeicher zu überschreiben mit schwierigster Lektüre (Musil ohne Eigenschaften beispielsweise), nichts hilft: kleben wie Nissen bleiben trotzdem Engelshaar, Plastilin, Marmelade und Leserbrieforgasmen vorzugsweise von Frauen - die BRIGITTE (Constanze) in den 50ern des letzten Jahrhunderts war dagegen ein Kampforgan der Emanzipation und Aufklärung (in einer der letzten Ausgaben der Landlust wird erklärt wie man richtig BÜGELT - über drei Farbbildstrecken hinweg).

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Sowohl Brigitte als auch Landlust wissen nun mal, was ihre (weibliche) Leserschaft haben will. So einfach ist das. Man muss das natürlich nicht toll finden. Aber ich empfinde durchaus Respekt für deren handwerkliches Können.

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der Wurm muß dem Fisch schmecken; die Landlust ist nicht nur wirtschaftlich die Erfolgsstory, sie wird auch hemmungslos kopiert. Und das vom LANDwirtschaftsverlag Hannover. Die Chefin hat vielleicht etwas DA in der DNA.

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Nix Hannover.
MÜNSTER. Natürlich.

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Ich kann jetzt mit Landlust auch nicht unendlich viel anfangen, weil zu norddeutsch und obendrein habe ich Heuschnupfen.

Aber: Man macht das ja nicht für sich selbst, sondern für die Leser. Und wenn die das wollen, muss man halt schauen, was es ist. Nicht kopieren, sondern dann eigene Wege finden.

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Die Beiträge des Radblogs in der Zeit könnten auch von einer Texterstellungssoftware zusammengetackert worden sein, so seelenlos liest sich das alles.

Wobei ich nicht mal behaupten würde, dass ich es auf so einer breiten Plattform wesentlich besser könnte. Mir hängt an der ganzen Thematik inzwischen zu viel Lifestyle dran...

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mark793, da ist was dran. Allein schon Tatsache, dass jede zweite Trulla auf den Bildern eine von diesen Nerdbrillen tragen "muss"...

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@793
" Mir hängt an der ganzen Thematik inzwischen zu viel Lifestyle dran... "
Herr Mark,
ja gerade deshalb. Das lifestyl-ige ausblenden.
Da gibt es genug Möglichkeiten, Schwerpunkte anders zu setzen!

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Die Frage,
werter Don Ferrando, ist doch, ob nicht genau das eine der thematisch-konzeptionellen Vorgaben für das Zeit-Radlblog war, diesen Lifestyle-Faktor prominent abzubilden.

Eine gewisse konsumistisch-affirmative Grundhaltung (wie sie einen im Zeitmagazin z.T. noch viel unangenehmer anspringt) ist nun mal redaktionelle Standardeinstellung, wenn man lange genug in solchen Strukturen arbeitet. Da kann man nicht so einfach umschalten auf "out of the box"-Schreibe und "jetzt mach mal Leserdialog".

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Sowas kann mich ja aufregen.. In dem Radlblog wird ein Video präsentiert, in dem mit einem Profi-Rennrad Trail-Kunststücke gezeigt werden. Ein wenig blutleer, aber wers braucht... Aber nicht ohne mit dem erhobenen Zeigefinger zu rügen, dass der kurze Film von Werbung für Mulitfunktionsöl flankiert wird. Hallo, wer produziert solche aufwändigen Filme ohne Geldgeber? Wenn jedoch Rahmenbauer, Buchverlage, Helmbauer, oder Online-Marktplatzanbietrr in dem Blog prominent in Szene gesetzt werden, ist das super.

Grottig.

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@strappato:
Yep. Den "schalen Beigeschmack" erzeugt bei mir auch nicht der dezente Produkthinweis in dem Filmchen, sondern das krasse Missverhältnis, wenn man sich anguckt, wie unkritisch in dem Blog alle möglichen Hersteller und Zubehöranbieter abgefeiert werden. Allein die unbezahlte Werbung für diese Coffee-Table-Bildbände oder irgendwelche Typen, die stolz drauf sind, ihren Nachwuchs vor lauter Minimalismus und Singlespeed-Hipness im Wiegetritt die Hügel raufzuhetzen. Ja, nee, unter 600 Euro kriegt man natürlich kein gutes Kinderrad, schon klar...

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Ich fürchte, die Fahrradindustrie hat eine Allergie gegen das Wort "gebraucht". Jede Wette, dass in den nächsten 50 Häusern mindestens 100 unbenutzte Fahrräder aller Art stehen.

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Gebrauchtkauf und worauf ich achten muss: Das wäre auch so ein Thema.

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die art fahrräder zu fotografieren ist großartig. kleine stilleben. da kann hamburg ja garnicht mithalten, vom text mal ganz abgesehen.
landlust mag ja streckenweise inhaltlich betulich sein, hat aber meines erachtens durchaus gute bilder und texte, und auch solide themen, nicht bloss produktpromotion, wie viele wohn- und gartenzeitschriften.

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Und das Community-Management bei der ZEIT fand ich kafkaesk und verlogen.
.
"Bitte bemühen Sie sich, sachlich zu bleiben".
"Begriffe wie "..." sollten Sie vermeiden.
etc.
"Bemühen Sie sich um Ausgewogenheit"
.
Aber der Edelhetzer von Chefredakteur hielt seine Einseitigkeit für das Patentrezept "Debatten anzuregen" oder so.

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Die Zeit weiss, was sie will, und glaubt, das auch erzwingen zu können - umgekehrt führt das dann zur Neigung, sie zu trollen. Weswegen sie mehr löschen muss. Alles nicht so einfach.

Landlust hat einfach die Zielgruppe im Norden mittschaffs erwischt. Im Süden macht sich gerade "Servus in Stadt und Land" breit, das auf bayerische Bedürfnisse ausgerichtet ist, mehr Fett, mehr Berge, mehr Zucker und mehr Oberweite.

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"... all die vertrockneten Eisenten, die bei der Zeit vermutlich alle Prügelstrafe kriegen, wenn sie lachen. "
Der alte Fritz Jott Raddatz hat diese Stimmung & Leute in seinem Tagebüchern ja ebenfalls trefflich beschrieben, nicht nur einmal z.B. "die dusselige Gräfin".

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Bei Zeit Online arbeiten wirklich gute Leute, aber der Norden kommt im Süden nicht an.

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Frage mich gerade, warum auf zeit.de die Blogs überhaupt nicht verlinkt werden, es gibt auch sonst keinen Hinweis darauf, dass es diese Blogs überhaupt gibt, oder übersehe ich was (also wenn man jetzt nicht die Adresse blog.zeit.de kennt) ?

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Es gibt ihn. Sehr, sehr klein. Ganz, ganz oben.

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Ich verstehe das auch nicht, aber es ist so. Vermutlich sollen sich die Blogger ihre Leser extern holen, was nicht so einfach ist. Das ist halt die Frage: Will man eine interne Absicherung, um Leser zu halten, oder Beiboote, die neue Leser ziehen. Meines Erachtens sollte es beides sein.

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Nach kurzer Durchsicht der - sogenannten - Blogs bei der Zeit, ach, es ist ja schon traurig, was da so geboten wird... Kein Wunder, dass die das Zeug nicht anpreisen.

Ich würde die erstmal hier rauf schicken, von unten versteht sich: http://www.flickr.com/photos/smashred/8096944836/in/set-72157631801531818

Ob sich dann im Radlblog was ändern würde?

PS: Ich will damit nicht gesagt haben, dass ich nichts von deren Seite insgesamt halte. Ich finde die sogar gut gestaltet (zeit.de) und klar strukturiert. Schaut man sich aber mal an, wie die ihre Blogbeiträge einordnen, sind das eigentlich gar keine Blogs. Denn das Radblog findet man unter "Auto" (!), und z.B. den US-Wahlkampfblog unter "Politik"-->"Ausland".

Da finde ich den FAZ-Ansatz besser, auch wenn ich inhaltlich da große Schwankungen sehe, was nicht nur interessensbedingt ist.

Es muss doch möglich sein, ein Angebot zu schaffen mit Energie und Stimulanz, was kreativ und modern ist, unterhaltsam, ernsthaft aber leicht. Was mich auch als Leser inspiriert. Naja, vielleicht kommt das ja noch.

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Von Bormio (Tunnels) oder Müstair (Schotter) rauf ist es noch unangenehmer.

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Trentx, wenn man die mobile Version der FAZ aufruft, die ansich schon beschissen äh bescheiden ist, gibt es auch keine Möglichkeit die Blogs zu finden. Blogs sind scheinbar die Stiefkinder der Medienlandschaft - natürlich nicht zu unrecht.

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