Statt einer Rezension ein Kredit an mich selbst

Ich habe lange nachgedacht, wie ich am besten eine Rezension über das Buch "Hunnen und Rebellen" (Hons and Rebells) von Nancy Mitford schreibe, bin dann aber zum Entschluss gekommen, dass ich es lieber in einen normalen Beitrag verpacke und bei mir selbst verblogge. Nicht dass ich nicht Lust auf Print hätte, aber ich hatte da eine hübsche Idee für eine Einbindung, und an gängige Konventionen halte ich mich ohnehin ungern.



Denn obendrein wollte ich schon länger etwas über die Dispokredite für junge Menschen schreiben; zwischendrin kamen ja aus Berlin ein paar Nachrichten, die noch nicht mal ich mehr irgendwie als "szenetypisch" abtun kann. Meine zweite Reaktion ist dann immer: Wenn es mit den Medien in Berlin wie bei 297.986 anderen nicht läuft, aber Du bist erst 30 und hast eine Ausbildung, die man wirklich brauchen kann, dann heul nicht Leuten die Ohren voll, wie fies das ist, dass Du nicht mehr in die erste Reihe schreiben kannt in einem anderen Bereich, für den man wirklich fit sein muss - tu das, was geht und was in Deinen Möglichkeiten ist.

Weil ich ja weiss, wie man in meiner Stadt jede menge Leute dringend sucht. Meine erste Reaktion ist natürlich dennoch dieses flaue Gefühl, dass man zum Zuschauen verdammt ist, bei einer Geschichte, die nicht gut gehen kann. Das dauert ein paar Minuten, und dann bricht es aus mir heraus, dieser Hinweis, dass es noch was anderes als dieses Submininumverschimmeln im eigenen Elend gibt, dieses beleidigte Dieweltanraunzen, weil sie nicht hier und jetzt sofort bereit ist, das zu liefern, was man vom Leben erwartet. Diese miserablen First-World-first-class-Probleme in einem Land der Vollbeschäftigung, bei dem man es sich immer noch heraussuchen kann, unter welchen Strukturen man unzufrieden sein will. Erzähl das einer mal den jungen Griechen oder Spaniern. Und genau dafür ist dann ja auch der Dispokredit da, um eine verfickte Ausrede zu haben, warum das alles immer so weiterkrebsen muss. Das Minus als Verifizierung des eigenen Unbehagens, das nur sein muss, weil das Ziel die ziemlich radikale Selbstverwirklichung ist.

Und dann ist noch die Wut über mich selbst, dass ich mir solche flauen Gefühle auch nach jetzt fast zehn Jahren immer irgendwie einreden lasse. Als ob ich damals in Berlin nicht gelernt hätte, dass man dabei immer nur der Idiot ist, und wie grenzenlos diese emotionalen Löcher sind, in die man dort buttert, weil sonst keine Bindungen da sind. Das war eine teure Erfahrung, aber immerhin ist es auch wieder ein Thema für die FAZ bzw. für das Kommentarblog. Und die Rezension bekomme ich auch noch unter.

Übrigens, die hier zur Schau getragene Selbstverwirklichung ist auch nur Propaganda, genährt durch mein positives Gemüt, das jede strukturelle Abhängigkeit und jeden realbedingten Zwang irgendwie zu einer lustigen Geschichte umerfindet.

Oder, wenn es nicht geht, anderen damit nicht auf dem Sack geht.

Donnerstag, 11. April 2013, 21:25, von donalphons | |comment

 
Ich krieg ja irgendwie nix mehr mit
Was waren denn das für paar nicht szenetypische Nachrichten aus Berlin zwischendrin?

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Die taz hat ein paar Kolumnen eingestellt, und auch ein paar andere Berliner Organiationen müssen gerade sparen. Das tut manchen ziemlich weh.

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Ah so, danke. Bei der taz sind sie ja eh alle prekär beschäftigt.

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...ohne Ines Pohls TV-Honorare wärs verm. bald zappen-duster...

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Soll die TAZ doch mal wieder solch eine 50 Dm(?) - Ausgabe bringen. Yours, Solidaritätskäufer

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"Hunnen und Rebellen" (Hons and Rebells)

Äh, liegt da nicht ein kleiner Übersetzungsfehler vor? Die Hunnen sind doch die Huns, während mit Hons die Honorables gemeint sind (The Honorable wird The Hon. abgekürzt). Nur das ergibt Sinn, denn die Autorin war die Tochter eines Peers.

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Der Übersetzer nimmt dazu hinten ausführlich Stellung und ich finde, das kann man auch so machen.

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Ich glaube, ich lese das Buch trotzdem lieber im englischen Original.

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Dear Don, Sie unterschlagen in Ihrem Text auch sträflicherweise eine Mitford-Sister in Ihrer Aufzählung - meine liebe Duchess, deren Kochbuch in jede Küche gehört. Wie viele Kochbücher werden schon mit dem vorangeschobenen Hinweis geschrieben, dass die Autorin seit dem letzten Krieg nicht mehr gekocht hat...
(Außerdem braucht man doch immer mal Rezepte, die in der Mengenangabe auf mindestens 48 Portionen ausgelegt sind. Just in case we are entertaining at Chatsworth, I suppose).

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Sehr schön.


Und jetzt wollen wir den Text über Thatcher lesen!

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Samstag, zur Krawalle, und alle singen "stamp the dirt down".

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Einen Text über Thatcher aus kundiger Quelle
Falls DA gestattet zitiere ich einen Teil des Leitartikels des Economist. Da steht auch, daß rechte und Konservative die Handtasche zu spüren bekommen haben.
"Her battles with the left—especially the miners—gave her a reputation as a blue-rinse Boadicea. But she was just as willing to clobber the right, sidelining old-fashioned Tory “wets” and unleashing her creed on conservative strongholds, notably by setting off the “big bang” in the City of London. Many of her pithiest put-downs were directed at her own side: “U-turn if you want to,” she told the Conservatives as unemployment passed 2m. “The lady’s not for turning.” She told George Bush senior: “This is no time to go wobbly!” Ronald Reagan was her soulmate but lacked her sharp elbows and hostility to deficits.

She might not be for turning, but she knew how to compromise. She seized on Mikhail Gorbachev as a man she “could do business with” despite warnings from American hawks. She backed down from a battle with the miners in 1981, waiting until she had built up sufficient reserves of coal three years later. For all her talk about reforming the welfare state, the public sector consumed almost the same proportion of GDP when she left office as when she came to it.

She was also often outrageously lucky: lucky that the striking miners were led by Arthur Scargill, a hardline Marxist; lucky that the British left fractured and insisted on choosing unelectable leaders; lucky that General Galtieri decided to invade the Falkland Islands when he did; lucky that she was a tough woman in a system dominated by patrician men (the wets never knew how to cope with her); lucky in the flow of North Sea oil; and above all lucky in her timing. The post-war consensus was ripe for destruction, and a host of new forces, from personal computers to private equity, aided her more rumbustious form of capitalism"

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Bevor die große Feierstimmung ausbricht zwei Gedanken dazu:

1) Die Dame mag tot sein, aber die Haltung dass 'theres no such thing as society' ist 'alive and kicking' auch wenn es niemand mehr so offen ausspricht.

2) Auch ohne Grabtänze glaube ich dass sie jetzt eine beschissene Zeit hat. Da wo sie jetzt ist hilft ihr kein TINA und keine demonstrative Arroganz.

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Den tories sollte man bei jeder Gelegenheit Kennedy unter die Nase reiben:
Dear MPs, don't ask what your country can do for you, ask what you can do for your country (and your people).

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Interessante Perspektive auf den Hype um "arm aber sexy" / "Kreativwirtschaft" / "Berlin" : http://www.monopol-magazin.de/artikel/20101584/-chris-dercon-kuenstlerprekariat.html

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Ach je, heftiges Selbstbejammern von einem, der nicht weiß wie es in der echten Arbeitswelt aussieht.

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Sollen sie doch mal drei Monate ans Band. Das ist gar nicht schlecht.

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Da spricht ein Arrivierter. So klingt Establishment. Kultur ja, unbedingt, aber bitte nicht zuviel davon und nicht von Jedermanns.
Assimilation erfolgreich, mission accomplished.

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@melursus
Herzlichen Dank für den Hinweis auf o.g. Artikel im Economist. Darf ich um einen Link bitten?
Denn ein anderer Artikel dort
http://www.economist.com/blogs/blighty/2013/04/margaret-thatcher
hat andere Details.

@whatcrisis
Da möchte ich Ihnen widersprechen. Zum Kunstmachenwollen gehört nun mal nicht das "Grundrecht" dass Leute Einem das abkaufen. Woher haben die Kunden eigentlich ihr Geld?

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Verweise auf allerlei Avantgardekünstler, Happenings und Utopien. Hinweis auf den internetgestützten Trend zur Gratisarbeit und Selbstanbietung. Vergleiche a la erfolglose Innenarchitekten sind Zombies und immerjunge Blogger sind Vampire.

Ist das neu? Vincent konnte ohne Theo van Gogh seine Miete nicht zahlen, Manet brauchte einen Ephrussi. Baudelaire wohnte in einem Abbruchhaus und Kafka saß im Versicherungsbüro.

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Der besagte Artikel im Economist ist unter der Überschrift Freedom Fighter zu finden.

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@gelegentlich, um eine garantierte Abnahme oder ein bedingungsloses Lebenskünstlereinkommen geht es mir auch gar nicht, davon halte ich auch nichts, auch kenne ich keine Künstler, die das fordern oder erwarten, das hat also für mich so eine Note von saturierter urbaner Salonlegende.

Mich verwundert eigentlich nur, wie ein ausgewiesener Kulturfreund anderen Kulturschaffenden gleichsam vorwerfen kann, dass sie sich sinnvoll und zudem auch noch kulturschaffend betätigen. Wäre ihm lieber, sie würden nichts tun und jeden Tag Party und Komasaufen veranstalten? Täten die Disponiblen dieser Zeiten das, wärs nicht recht, machen sie was, ists auch nicht recht.

Wenn die Jungen solchem Gerede alter Säcke da zunehmend innerlich abwünken, hielte ich das für eine nur berechtigte und gesunde Reaktion.

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@ flederhund
Alfred Edel (der Meister) musste das ja auch mal managen ;-)

http://www.youtube.com/watch?v=wjyNBBVtG6U

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@Spill: Dankeschön! War mir noch nicht bekannt, klingt aber gut..

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@arboretum
Herzlichen Dank!

"This is a crucial time to hang on to Margaret Thatcher’s central perception: that for countries to flourish, people need to push back against the advance of the state. What the world needs now is more Thatcherism, not less."

Verrückt: beschreibt ein gescheitertes Konzept, das unsere Gesellschaften bis heute auf dem Krankenlager festhält, und springt dann in den Glaubenssatz dass wir mehr von dieser Krankheit brauchen. Offenbar das intellektuelle Korrelat zum Anlagenotstand.

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Das ist politische Homöopathie.

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@maternuns
Wenn wir schon Vergleiche mit Medizin ziehen wollen: Neoliberalismus wie die früheren Heilungsversuche durch Schröpfen? Um die kranken Säfte, die bei den Südländern Faulheit und Völlerei verursachen, abzuziehen?

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Welche vom Neoliberalismus infizierte Volkswirtschaft steht heute eigentlich besser da als zuvor?
Bin ich betriebsblind oder ignorant, wenn mir dazu nichts einfällt?

The cure killed the cat.

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"interessante Perspektive"
@mario: Interessante Perspektive auf den Hype um "arm aber sexy" / "Kreativwirtschaft" / "Berlin" : http://www.monopol-magazin.de/artikel/20101584/-chris-dercon-kuenstlerprekariat.html

Das ist exakt die Ausgabe von Rundschwarzbrille mit auberginefarbenem Krinkelschal (Rohseide?) auf Design-Klamotten-Hintergrund, verbeamtet, arriviert, arrogant, der auf die anderen zeigt "seht her, ich bin nicht so wie jene hier" und gleichzeitig doch exakt von dem Stamm gefallen ist, den anzuprangern er die Chuzpe hat, nur daß ihn eben irgendein Kommunalpolitiker rechtzeitig aufgehoben hat, sodaß er jetzt in einer Tate modern, gerne auch im Haus der Kunst - in das ich schon deshalb nicht gehe, weil dort der Nazigeist so greifbar ist, daß man ständig seinen Oberarm herunterschlagen muß, weil er sonst nach oben schnellt - ganz von alleine, nur aus sich selbst heraus "Kurator" geworden ist.

Der Untergang des Abendlandes sind nicht prekäre Kreative, sondern von Kultur-Funktionären gezüchtete genmanipulierte Zombies in ALLEN Kulturinstituten, die auf freie Kreative glauben spucken zu dürfen. 8 EUR netto war auch im Haus der Kunst für Doktoranten der übliche Stundenlohn - bei entlegenen Ausstellungen aus entlegenen Ländern, die entlegenes Wissen benötigen, wofür man jahrelang prekär und auf eigene Kosten recherchieren, studieren und seltsame "Kultur-Projekte" für Stiftungen machen mußte:

Wo ist Vroni?

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prekäre Demo
Angesichts von 7.000 NSU-Demonstranten am Samstag am Stachus in München meint ein gepflegt aussehender junger Mann (vor McDonalds stehend) kommentieren zu müssen:

"wenn man alle verhaften würde, die HartzIV beziehen, blieben hier nur 5 Hanseln übrig".

Die prekäre Propaganda wirkt, will ich damit sagen.

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Prekäre Kunst
Interessant wie verschieden man so ein Interview lesen kann. Ich hatte weniger den Interviewten wahrgenommen, als die, wie ich finde, durchaus interessante Grundthese, dass in der sogenannten "Kreativindustrie" der Enthusiasmus / die Leidenschaft / die Opferbereitschaft einer Gruppe Menschen dazu missbraucht wird diesen möglichst viel Leistung (Kunstwerke, Reportagen, Werbetexte) ohne Gegenleistung (anständige Bezahlung, anständige Arbeitszeiten, langfristige Verträge) abzunehmen und die so erbeuteten Inhalte als Rechteverwerter (gerne noch mit den Feigenblatt der Förderung von Kunst und Künstlern) zu maximalem Profit zu machen. Ein "Spucken" oder anderweitiges Herabsetzen hab ich nicht rausgelesen...

Danke für die Infos zur Ausbeutung im Haus der Kunst, auch wenn ich da gerade weil in dem sch*** Nazibau jetzt dauerhaft entartete Kunst ausgestellt wird gerne hingehe.

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Die eigentliche Kreativität erlischt meistens wenn Künstler ihren monetär verwertbaren "Stil" gefunden haben.
Da wird aus der finanziellen Not eine Tugend und aus der Tugend ein kreativer Notfall.
Radikale Stilwechsel kommen dann ja eher weniger vor.
Aber hungernde Künstler sind jetzt auch nicht sooo...

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