Das Ende des Lachens, und der leichten Lügen

Das ist das Ende, meine wunderbaren Freunde, das Ende einer langen, viel zu langen Zeit, und das, was noch zu tun ist, sind ein paar Gespräche, Telefonate, während draussen vor dem Fenster des 103 ein Mädchen im beginnenden Frühherbst ihre Nieren mit zu viel Eiswürfel in der Cola ruiniert. Immerhin liest sie dabei eines der Bücher, das der Typ neben mir sicher nicht schreiben wird, ganz gleich wie sehr er nach Gigolo aussieht und der etwas zerfallenen Blondine mit der unsäglichen Chanel-Gürtelkopie überlaut von seinem kommenden literarischen Ruhm erzählt.

Irgendetwas wird aus ihnen werden, oder auch nicht, und wenn doch, ist es auch egal. Oder wird egal gemacht, denn es ist eine kalte Stadt, die alles nach unten zieht und ziehen muss. Kalt, das ist das Wort, das ich mit dieser Stadt verbinde, abweisend auch, und berührungsresistent. Gefühllos auch. Mit ein wenig Selbstbetrug kann sich hier mancher einbilden, in einem dieser seltsamen deutschen Autorenfilme zu leben, die aus allen Bildern die warmen Farben filtern und später keinen Verleih finden, mit einer Schnittfolge, die Handlungsstränge zerstückelt und künstlerische Perspektiven vergessener, kulturlastiger Krautfilmer zitiert.

Wenn man erst mal 12 Monate in Berlin war, hat Holgi gesagt, denn kommt man auch nicht mehr weg. Ich wüsste nicht, warum man bleiben sollte; jeder Tag ist einer zu viel am Ende einer historischen Sackgasse. Das die Stadt vortäuschende Slumareal hat sich seit 150 Jahren nur noch in die falsche Richtung entwickelt; die Industrialisierung mit den mühsam kontrollierten Konflikten führte direkt in den Ersten Weltkrieg, in eine Republik ohne Republikaner, in eine Diktatur, die nur Begeisterte und Tote kannte, bis dann alle tot werden konnten, zerschlagen und in Klumpen gehauen, bis sie dann am 8. Mai 45 hätte eingeebnet werden können, aber nichts da, man hat sie zerissen wieder aufgebaut, und als sie noch nicht mehr mal als zugekotzte Latrine bei den Schützengräben des Kalten Krieges taugte, hat man das Ganze den Fonds und Banken vorgeworfen, um Platz zu schaffen für die, die tatsächlich nach 12 Monaten nicht mehr gehen können.

Heute bin ich nur noch zum Besuch hier. Es ist vorbei. Meine Pflanzen, das Lebende nehme ich mit, die zusammengerafften Reste der Bürgerlichkeit, die andere nicht mehr wollten, und keinerlei schlechten Gefühle, das lohnt nicht, dazu ist mein weiteres Leben zu schade und die Monate hier zu sehr eine an sich belanglose Episode. Ein paar Menschen hätte ich gern zumindest zeuitweise mitgenommen, ich habe den Klezmorim immer gegeben und einmal einer Katze eines ihrer Leben gerettet - insofern war es nicht umsonst.

Das ist das Ende, meine Freunde. Fragt nicht, warum ich es nicht mochte, was ich falsch aufgefasst habe. Fragt euch, warum ihr hier bleibt, begraben zwischen Trümmern, Schrott, und all den grenzenlosen Möglichkeiten und der totalen Unfähigkeit, etwas davon zu nutzen.



Es ist eure freie Entscheidung, liebe Freunde, und ich weiss, dass ihr mir nicht folgen werdet, wenn ich morgen dieses kalte Berlin a. d. Spres verlassen werde.

Hier endet nach 15 Monaten der private Teil der Berliner Aufzeichnungen von Don Alphonso Porcamadonna.

Donnerstag, 2. Juni 2005, 23:06, von donalphons | |comment

 
gute reise
:-)

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Danke :-)

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Hat das berühmte rote Möbelstück noch sein Ziel erreicht?

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Wenn die Musik vorüber ist, mach das Licht aus. Aber auch: Wir wollen die Welt, und wir wollen sie jetzt!

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Ächz - nein, das steht dann morgen früh an, mit meinem Auto.

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Winke, winke!

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@ che: Jetzt wird das Blog wieder schön und glatt, kein Grund, den Kronleuchter auszumachen (der wird gleich morgen Abend hochgemacht :-) )

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na sicher macht dieses herrlich graue Sommerwetter den ersehnten Abschied leichter :-)

gute Heimreise!

Rolf vom Kreuzberg

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Es machte zuerst mal die heutige Hinreise zur Qual - danke.

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mit einem fürchterlichem bäerlinerisch:

Mach's juut!! ;o)

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Des wead scho :-)

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Ich werde sie ja vermissen, Ihre Berlin-Geschichten.

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@girl, don: Nach dem Prinzip "Wir kommen wieder, keine Frage" und "wir bleiben troy" wird es einfach weitergehen. Wir sind verbloggt genug und auch körperlich mobil. So what?

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...sofern la dolce vita im wilden süden (hey, ist ja fast schon toskana), nicht den blick fürs wesentliche trübt. schliesslich geht nichts über einen sibirischen winter in berlin, um 20 zeilen hass zu papier, äähhh in den/ das blog zu bringen..

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Ach, da genügt ein Blick in die Fresse eines aufgequollenen BWL-Studenten mit Business Plan, der noch nie Not empfunden hat und Software zur HR-Evaluation vertickt.... Hass geht immer.

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.... ihhh das ist aber sehr eklig, schnell ... kann man den wegmachen den bwler. Software zur "HR-Evaluation" ich glaub es nicht.

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HR-Evaluation: Das ist doch nur ein aufgeblasenes Buzzword, das Manager und BWL-Studenten gern in den Mund nehmen. Natürlich evaluiert jede ordentliche Personalabteilung die Leistungen der Mitarbeiter (mit oder ohne Software, mit oder ohne Buzzwords). Nebenbei: Die Personalabteilungen sind meiner Erfahrung nach beim EDV-Einsatz ziemlich konservativ.

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Wichtigstes Instrument in der internen Unternehmenskommunikation, neun Buchstaben?

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... mhhh, ich zaehle zehn, respektive fuenf.

Bin ich nicht ganz auf der Hoehe der Zeit?

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Abmahnung?

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@Che: Nun löse das Rätsel schon auf :-)
Ansonsten schönes Wochenende an alle, die morgen frei haben ...

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Kandidat Hockeystick hat 100 Punkte und gewinnt eine Ehrenmitgliedschaft im CheDonistic Movement. Außerdem eine schönes Wochenende selbst an die, die nicht frei haben!

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Gott sei Dank. Einen Moment dachte ich, es sei die "Kündigung".

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Das eine und das andere geht oft Hand in Hand.

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Die Lösung aller Probleme
bzw. der erste Schritt dahin:
http://environ.de/us/che/?postid=217

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"Maybe I finally found it, way down here in the mud. Maybe from down here I can start up again, be something I can be proud of, without having to fake it, be a fake human being."

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This was my dream, my nightmare: I saw a snail, which was up-creeping a razor blade.Up-creeping a sharp razor blade - and surviving!

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".. begraben zwischen Trümmern, Schrott, und all den grenzenlosen Möglichkeiten ..."

Ein wenig Hoffnung sehen Sie scheinbar doch für uns, Don.

Berichten Sie uns dann von der Wiesn? (-;

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Oh Gott nein, die Wiesn ist das Berlin Münchens.

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Schade eigentlich.
So wie es aussieht, sind deine 15 Monate in der Hölle auch meine gewesen. Nur ist meine Hölle weiter westlich, und jetzt stehe ich vor der Rückkehr in den Slum, den du fliehst.

Viele meiner Bekannten hat es übrigens nach wenigen Monaten wieder zurück in ihre kuscheligen Provinznester gezogen. Die haben schnell gemerkt, dass sich für den Stargast der Darmstädter In-Bar in Berlin keine Sau interessiert. Sowas verkraftet nicht jeder Kleinstadt-King. Es hat halt nicht jeder die Eier für Berlin.

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Das ist keine Frage der Eier
oder anderer primärer Geschlechtsmerkmale ob man sich da wohlfühlt oder nicht. Ich konnte das Dauergemecker vom Don über Berlin zwar nicht 1:1 nachvollziehen. Aber ich verstehe, dass es einen inneren Kompass gibt, der einem sagt, bin ich hier richtig am Ort oder nicht. Kann sein, dass man diese Signale nicht mitbekommt, wenn der sensorische Apparat zu sehr mit den Keimdrüsen und ihrem Gewicht beschäftigt ist. Muss jeder selber wissen, wo er sich am wohlsten fühlt.

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Das erinnert mich sehr schmerzlich an einen Bamberger Bekannten und lokalen Szenestar, der, damals in der Provinz, einmal mit seiner Jungfilmer-Masche vor meinen Augen die diensthabende Thekenschlampe abgezogen hat.
Irgendwann erfuhr ich schließlich, daß er nach Berlin gegangen war und nach einem Jahr dort aus dem dritten Stock gesprungen ist, der allerdings höhentechnisch - nach der Aussage ihm Nahestehender leider - für sein Vorhaben nicht ganz gereicht hat.
Es ist wohl wie beim MIT. Wer in seiner Highschool in Wisconsin als Genie galt, muß es nicht unbedingt dort, wo sich alle Ex-Highschool-Genies tummeln.
Wobei ich Berlin nicht als "Künstler"-Pendant für das MIT verstanden wissen will.

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Ja, oder auch ein sehr gut aufgestellter Mittelständler auzs Isernhagen, der sich als erfolgreicher Unternehmer mit VW vergleicht und auf Unternehmerkongressen dann völlig aus der Rolle fällt.

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Nun war es beruflich hier nicht erfolglos, sondern durchaus, alles zusammengenommen, im Prinzip gutes Geld bei viel Freiheit. Das war es nicht. Es war der Moloch, die Kulisse, das Berlin in den menschen und ihre Unfähigkeit, es zu töten.

Man muss diese Stadt erst in sich umbringen, dann kann es vielleicht mal was werden.

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Eierkarton
Ich sehe, der AppKiller hat das schon richtig verstanden. Für alle anderen wären da wahrscheinlich die in diesem neumodischen Medium so beliebten Emotikons angebracht gewesen. Leider meide ich die wie die Pest.

Dem Don wünsche ich alles Gute in der alten Heimat. Umzüge sind elend. Die zurück dorthin, wo man sich wohlfühlt, etwas weniger.

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Na dann,...
...zurück zu den Wurzeln. Ein verständlicher Drang. Ginge mir bestimmt genau so.

War die erste Textzeile jetzt wirklich von den Doors?

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Ja, klar, das war "The End", weiter unten kam ich mit"When the Music´s over", Booldog zitierte aus "Heart of Darkness" von Joseph Conrad, dem Roman, der Apocalypse Now" zugrundeliegt, ich schloss mich mit einem entsprechende Zitat an.

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"People are stange when you're a stranger..."

Oops - den Heart-of-Darkness-Kommentar habe ich gerade wieder entfernt, weil er mir zu albern war.

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"time to destroy our pleasure and joy"

Das Problem ist eher, dass Du zu unalbern bist, Reiter auf dem Sturm :-)

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