Real Life 04.06.05 - Zu spät. 10 Minuten.

Und Schuld ist wie immer letztlich deine Unfähigkeit, nach einem Tag harter Arbeit mit 3 Stunden Sclaf auszukommen, und das jetzt schon den 6. Tag in Folge. Das über wir nochmal, sagst du dir im Stau kurz vor München, und rufst den Fotografen an, der schon im Regen auf dich wartet. Die wollen ein Bild vor einem grossen, leeren, unvermietbaren Bürokomplex, um deine kritische Haltung zu gewissen Hypeideen und den verursachenden Brüllaffen zu dokumentieren. Ausserdem passt es zum Blog. Und als du ankommst, siehst du, dass sich der Fotograf was dabei gedacht hat. Das Gebäude kommt so lebendig wie ein verwesender Fisch im Busch, und er hat auch noch einen kaputten Bürostuhl gefunden - Dirt Pucture Contest Munich Area Version.

Dann geht alles rasend schnell, ein Film ratscht durch, dann wird der Regen stärker, die Tastatur des Notebooks wird nass, viel Zeit ist ohnehin nicht mehr, also nochmal 12 Bilder im Schnelldurchlauf. Dann hat der Fotograf nur noch 20 Minuten, um zum Entwickeln zu kommen, und du sagst, dass du ihn schnell zum Bahnhof bringst, damit das alles was wird, Mitte nächster Woche, und ein paar Typen so richtig was zum Abkotzen haben. So sagst du es natürlich nicht, denn der junge Mann hat nicht wirklich Ähnung, um was es hier eigentlich so genau geht.

Er steht noch am Anfang eines Wegs, den du jetzt schon eine Weile gegangen, gestolpert und gerannt bist, und er hat noch sowas von Zuversicht. Kann schon sein. Die Bildqualität der meisten Medien ist verbesserungswürdig, nachdem sich allerorten die Unsitte breit gemacht hat, Praktis die Digicam in die Hand zu drücken - eines deiner übelsten Bilder verdankst du einer New-Media-Blondine einer öffentlich-rechtlichen Anstalt, die irgendwie dachte, dass man auch aus einem halben Meter Entfernung ein Gesicht mit Blitz ausleuchten kann. Is it a ghost? Is it a Supernova? No, it´s Hyperbelichtungs-Alphonso! Sowas kommt übrigens besonders gut, wenn man danach wieder zum Moderator der TV-Sendung schauen soll und die zerschmorten Pupillen nur mittels Gehör positionieren kann.

Der Junge neben dir ist aus anderem Holz geschnitzt. Er hat das gelernt, eine ordentliche und abgeschlossene Ausbildung. Aber als du ihm erzählst, dass das heute hier dein erster Tag in München nach 15 Monaten Berlin ist, will er wissen, was in Berlin so geht. Nichts natürlich, 50 Tacken für ein Bild sind schon viel in Berlin, und davon gehen noch die Kosten weg. Ausserdem gibt es viele Amateure, und wenige Aufträge, also stehen Profis ohne Netzwerk auf verlorenem Posten. Und bis man die Kosten für die Umsiedlung wieder drin hat, dauert das ziemlich lang trotz des dortigen Preisniveaus.

München ist was für Kreative, Berlin ist was für Leute, die kreativ sein möchten. Es gibt da einen Fotografen, der mit seiner Mittelformatkamera durch Mitte zieht, schräge Perspektiven knipst und grosse Abzüge davon auf dem Flohmarkt am Mauerpark verkauft. Nicht schlecht, auch ein Weg, aber sicher nicht das, was er eigentlich erwartet hat. Saubere Arbeit, aber kein Respekt, irgendwie schade um den Mann. Aber zumindest macht der mehr draus als all die Versager, deren Manuskripte in den Verlagen gleich in die Tonne wandern.

Der Junge glaubt dennoch, dass in Berlin mehr los ist, dass da mehr geht. Du weisst, dass es in München wieder losgehen wird, vielleicht auch in Frankfurt, aber ganz sicher nicht in Berlin. Draussen gleiten die noblen Geschäfte der Ludwigstrasse vorbei, der Regen lässt nach, und du überlegst, ob du in den kommenden Tagen nicht vielleicht doch, wie eigentlich versprochen, einen kleinen Einkaufsführer für Berlin schreiben sollst, für Leute wie ihn, die natürlich das Recht haben, ihre eigenen Erfahrungen zu machen - nur muss es ja nicht ganz so teuer werden.

Du bist 5 Minuten vor Ladenschluss beim Labor. Schnell, zuverlässig, dynamisch, in time. München eben. Und die Brüllaffen werden nächste Woche kotzen.

Samstag, 4. Juni 2005, 14:49, von donalphons | |comment

 
@ München ist was für Kreative, Berlin ist was für Leute, die kreativ sein möchten - dann ist Hamburg was für Kreative, die gut verdienen möchten, und niemand unterschätze gute Agenturen in der Provinz, z.B. die Standorte Braunschweig und Göttingen. Auffällig an München ist, dass viele kommerzielle Mode- und Werbefotografen, Bernd Schuler fiele mir auf anhieb ein, so gut verdienen, dass sie Zeit und Geld haben, nebenher l ´Art pour l´Art zu machen.

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Hier schien heute die Sonne :-)

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Oh ja - Goettingen, Braunschweig - Keimzelle, Ursprung und geheimes Zentrum aller deutschen Kreativen ... ich moechte mal anmerken dass da noch Goslar, Braunlage und Clausthal-Zellerfeld vergessen wurden bei der Aufzaehlung.

Mal ehrlich - nicht einmal tot ueber den Zaun haengen moechte ich dort im Zonenrandgebiet.

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Ich war am Donnerstag in Bitterfeld - auch das ist eine dieser cutting edge areas, nein danke...

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Ich dachte, cutting wrist area...

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In jedem Fall ein einschneidendes Erlebnis.

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und sehen wir uns nicht auf dieser Welt,
dann sehen wir uns in Bitterfeld.

Dazu faellt mir spontan der Silbersee Richtung Wolfen ein,
darin konnte man durch 5 sekuendiges Eintauchen seine Filme entwickeln.

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Für die Einen ist es ein See, für die Anderen das wahrscheinlich größte Orwochrombad der Welt :-)

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Dort war Anfang der 90-er eine Belüftungsanlage in Betrieb mit nebenan auf einem glänzenden Schild polierten Versprechen, dass man "bald" wieder baden gehen koennen soll.*prust lufthol*

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