Ein kleiner Genuss spät Abends

Klischees sind Klischees, weil sie stimmen. Luxus ist teuer, Berlin ist dreckig, München ist hohl, Starnberg ist überschätzt, in Grünwalds Villen wird gemordet, der Elitesse frisst so lang Fertigpizza bis sie Mangelerscheinungen hat, und die Jeunesse Doree kleiner Städte, nun, und hier bekommt das Bild Risse, die überlebenden Mitglieder, die nicht in der Klapse oder der Ehe gelandet sind, die streichen im Schweisse ihres Angesichts Fensterrahmen hoch über der Stadt, kümmern sich um Blumen und richten anderen den Abfluss. Kurz, gegen Sonnenuntergang endet der Arbeitstag, der mit einem bescheuerten Anruf einer typisch uninformiertenBerliner Verwaltungsangestellten begann, die zwar um 8 Uhr am Telefon, nicht aber wirklich bei Besinnung ist. Und der letzte Vertreter der Jeunesse überlegt bei einer Kanne Tee, was er heute Abend zu sich nehmen will. Gegenüber blickt er direkt in die Küchenzeile einer Elitesse, die junge Dame öffnet den Kühlschrank und entnimmt ihm das charakteristische Pappquadrat von Maitre Dr. Oetker - hoffentlich. Oder aber auch irgendwelche No-Name-Pizza.

Das muss nicht sein. Die 2,30 Euro für den vorproduzierten Tiefkühlkrempel - ja, schon gut, auch der Verfasser hat schon mal, trotzdem kein Grund, es zu tun - sind anderweitig besser angelegt. Zum Beispiel mit einem in etwa gleich teuren Omlett, dessen Zutaten heute frisch auf dem Wochenmarkt eingekauft wurden. Das geht ausserdem schneller. Und zwar so:



2 erstklassige Eier aus Biohaltung (0,40 Euro) in einer Schale gut durchquirlen. Etwas Butter (0,05 Euro) bei mittlerer Hitze in einer Pfanne zerlaufen lassen, dazu etwas Petersilie und Rosmarin aus dem Dachgarten.70 Gramm Oberpfälzer Pfifferlinge (1 Euro) waschen und brechen, in der Pfanne etwa 4 Minuten andünsten. Eine Handvoll Rucola (0,25 Euro) waschen und in 2 cm lange Stücke schneiden. 30 Gramm jungen Asiago (0,50 Euro) in kleine Stücke schneiden. Die Eier in die Pfanne geben, nach zwei Minuten den Ruccola dazu und mit dem Käse überstreuen. Salzen und frisch pfeffern; sobald der Käse schön zerlaufen ist, sollte das Omlett unten goldbraun und gut durch sein - und dann sofort auf der Dachterasse serviert werden. Macht 2,20 Euro und etwa 15 Minuten Arbeit. Ein leichter Weisswein wäre für Nichtabstinenzler angemessen, ein würziges Weissbrot, etwa mit Kümmel, ist dazu sehr zu empfehlen.

Gegenüber hat die Elitesse inzwischen den Rolladen runtergelasen und erspart dem Betrachter damit die Verpflichtung, Mitleid bei ihrem Anblick vor kargem Mahl von Ikea-Keramik empfinden zu müssen, selbst, wenn es ein selbstgewähltes, nicht weniger frei bestimmtes Schicksal als das des Verfassers ist. Statt dessen wendet sich der Blick zwischendrin zum Universum, das in seiner unendlichen Güte nicht weniger als diesen Himmel auffährt, an dem gemessen die 16,7 Millionen Farben einer Digitalkamera erbärmlich wenig sind.


hier ca. 67kb gross

Allein die Dokumantationszwecke rechtfertigen diesen müden Abklatsch. Und hier, bei diesem Anblick nun fügt sich das Klischee der oben erwähnten Jeunesse Doree wieder zu einem harmonischen Ganzen: Auf der Dachterasse liegend, selbstzufrieden und ein ganz klein wenig arrogant. Danach in Waughs schiefer Ebene lesend, bis es ganz dunkel wird und am Firmament die unendliche Pracht der Sterne erglüht.

Donnerstag, 23. Juni 2005, 02:26, von donalphons | |comment

 
Aufräumen
Weil hier oft von 'Elitessen' die Rede ist: Werden Sie ihre Aufgabe als Trümmerfrauen meistern können, ähnlich Ihrer Großmütter? Werden Sie darauf vorbereitet sein das Eingestürzte abzutragen, das Abgetragene als Fundament zu legen? Wer bereitet Sie vor, sagt die Wahrheit?

cuez

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Also ich weiß nicht Herr Alphonso, langsam wird mir das hier zu arg. Das passt alles nicht zu Ihnen, diese Überheblichkeit. Das nehm ich Ihnen nicht ab.

Ich kannte Menschen, die glaubten sie wären cool, aber die waren eigentlich nur langweilig und haben ihr leben mit 20 schon verpasst.

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@ cuez: Die lesen das hier, ich sehe es an den IPs. Sage also keiner, sie hätten es nicht gewusst.

@ rollinger: Mit dem "ein ganz klein wenig arrogant" und dem Verweis auf Waughs bitterböse Abrechnung mit den pseudocoolen Snobs und Nobs im Roman "Auf der schiefen Ebene" dachte ich eigentlich mich indirekt genug von der dünkelhaften, dümmlichen Person distanziert zu haben, die ich bisweilen vorzugeben beliebe.

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ja, fiel mir auf, daß da so "Abstandshalter" drinnen sind. Aber wenn man so mal zwischendurch liest, könnte es einem manchmal die Fußnägel hochrollen ;-)
Habs kapiert

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