Sehr zu empfehlen - Nachhaltigkeit

Der Journalist, der Berater und der Restaurator eines alten Hauses haben einiges gemeinsam: Sie wollen, wenn sie gut sind, wissen, was dahinter steckt. Das ist meist nicht einfach: Der Journalist wird ununterbrochen belogen, verarscht und betrogen; der Berater erlebt, wie die Schuld von einem zum anderen geschoben wird, während die Verdienste gehortet werden, und nur der Restaurator hat es mit einem Objekt zu tun, das seinem Auge nur wenig verbergen kann.

Allen dreien wird natürlich suggeriert, man habe nachhaltig gedacht, gearbeitet und gewirtschaftet, ganz gleich wie übel der Skandal, wie vergeblich jeder Rettungsversuch ist oder wie morsch es hinter der Fassade. Im schlimmsten Fall war man seiner Zeit vorraus und deshalb wäre es in Zukunft fraglos nachhaltig gewesen. Einem alten Haus ist die Zukunft egal, es hat schon viel Zukunft kommen und gehen sehen, in seinen Mauern wurde viel Unsinn erdacht und zu wenig Freude am hier und jetzt empfunden, und für wenige Häuser nördlich der Alpen trifft das mehr zu als dasjenige, für das der Verfasser dieses Blogs gerade all seine anderen Tätigkeiten zurückstellt. Dieser alte Brummer hier hat Aufklärer erlebt und Fanatiker, bei jedem Fick im Gebälk erschaudern die Geister von Generationen hier vielleicht noch hausender jesuitischer Memen, seine Bohlen haben junge Freidenker getragen und tote Völkermörder, und heute war es dann so weit: Wie sehen diese Bohlen eigentlich aus? Sind sie auch nach 405 Jahren noch nachhaltig?

Unten, in den vornehmen Stockwerken der Professores und ihrer Bibliotheca voller Abartigkeiten und Hass, später dann der Privatiers und Offiziere, war alles in Ordnung, doch hier oben, 15 Meter über der kleinen Stadt, war nur der Speicher. Wer weiss, ob man da nicht geschludert hat und gespart, ob hier die Zusammenarbeit zwischen hiesigen Zimmerleuten und welschen Baumeistern nicht geklappt hat, viele böse Überraschungen kann es da geben, in Würzburg, Pommersfelden, das Altmühltal hinunter bis ins Voralpenland erklingen in den oberen Geschossen die Schmerzensschreie der Besitzer, weil Feuchtigkeit, Schlamperei, billiges Material und der Holzwurm selbst Dachstühle des späten Barocks zu einer schwammigen, instabilen Masse hat werden lassen. Schräg gegenüber haben die Asams in dem damals zu diesem Komplex gehörenden Oratorium ein Dach hingepfuscht, das nach nur 250 Jahren kurz vor dem Einsturz stand. Das üben wir nochmal, Herr Asam. Wie auch immer, bleiben wir bei dem Unseren, weg mit dem Belag auf dem Boden, und:



Schön. Was sich schon weiter unten angedeutet hat: Intakte Balken aus dem Jahr 1600. 30 Zentimeter breit, 4 Zentimeter dick, Schädlingsbefall minimal, Abnutzung maximal 3 Millimeter, Abstand zwischen den Bohlen nicht mehr als 4 Millimeter - das heisst, maximal 2 Millimeter Schrumpfung in 405 Jahren. Grob gesagt: Bis hier oben etwas ausgetauscht werden muss, können nochmal mindestens 1000 Jahre Säcke geschleift und gestapelt werden. 1000 Jahre, das ist eine ziemlich lange Zeit. Die wilden Sexparties, die hier oben in den 50er und 60er Jahren stattfanden (davon später mehr) waren dagegen so gut wie keine Belastung. Hier oben wurden Vorräte untergebracht, dehalb sind unter den Bohlen auch noch Träger, und die sind 30 Zentimeter dick.

Natürlich ist das Holz nicht glatt. Da sind auch Äste drin. Die Balken sind nicht immer gleich breit, und 4 Millimeter Abstand wäre nach den Massstäben eines heutigen Laminatfussbodens unvorstellbar, ein Fall für eine Reklamation. Allerdings hätte man hier oben Laminat in den letzten 405 Jahren 10, 15 mal erneuern lassen müssen. Sprich rausschmeissen, neues Laminat kaufen und verlegen lassen. Die Gesellschaft Jesu war damals eine Bande durchgeknallter Fanatiker, gegen die ein heutiger islamischer Fundamentalist ein Musterbeispiel der Aufklärung ist, aber hier haben sie - durchaus aus Eigennutz natürlich - das ihren Schäfchen abgenommene Geld für etwas Besseres als die Unterdrückung Andersdenkender und obskure Riten ausgegeben.



Auch das hat sich natürlich erhalten. Dafür brauche ich ja auch den Raum als Bibliothek. Mit einem Giftschrank für solche Sachen. Sage bitte keiner, dass die Aufklärung dergleichen hat verschwinden lassen. Das Papier, auf dem diese Worte der Niedertracht gedruckt sind, hält wie die Bohlen viele Jahrhunderte, wenn alle Computer, auf dem dieser Text gerade erscheint, und alle Leser, und diejenigen, die sich nicht entblöden, von "totem Holz" zu schwätzen, und deren Kinder und Enkel längst zu Staub und Müll zerfallen sind.

Totes Holz oder Wollreste halten nun mal besser als toter Mensch. Und Nachhaltigkeit ist manchmal eben auch nur eine Sekundärtugend.

Dienstag, 28. Juni 2005, 00:50, von donalphons | |comment

 
Und dann startest Du eine groß angelegte Kampagne gegen den Opus Dei, el opus?

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Verglichen mit den Dominikanern waren die Jesuiten für ihre Zeit doch fast schon aufklärerisch und gemäßigt zu nennen - wobei, die Predigten südamerikanischer Dominikaner gegen Sklavenhändler sind dann schon fast wieder sympathisch.

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Beizeiten erzähle ich mal, wie "aufklärerisch" die hier bei uns waren. Kein Wunder, dass man sie 1773 rausgeschmissen hat.

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Und vor dem Opus Dei muss man sich erst mal um die Knilche des Spargels kümmern, die mit der Erfindung einer "Generation JP2" auch nicht besser sind als die Erfinder der Kinderkreuzzüge.

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