Real Life 06.07.2005 - Antreten im Morgengrauen
In Berlin gab es mal einen Tag, an dem du tatsächlich um 8 Uhr los bist. Der Grund war eine Eröffnung, gut 200 Kilometer nordwestlich. Ausserdem gab es auch mal eine PK um 10, der Thinktank begann um formal um 9, aber zuerst mal mit einem Frühstück. So kennt man das. 8 Uhr steht allenfalls mal bei irgendwelchen Ausschüssen an, aber auch das ist eher selten. Um 8 Uhr eine Präsi, ein Meeting, das ist Jahre her.
Morgen wirst du um 8 Uhr eine Präsi machen, Zielgruppenblabla und vertikale Kommunikationsstrategie, Interaktivität und low entry levels, die ganze Latte Neusprech nochmal. Du wirst im Koma sein, und sie werden hellwach sein. In einem lichten Moment wird dir einfallen, dass das hier Provinz ist, da ist ein Meeting um 8 etwas völlig normales, da denkt sich niemand was dabei, und vielleicht wirst du dir wünschen, dass es wieder so wird wie in der New Economy, als 8 Uhr gar nicht ging, weil man als Lusche galt, wenn man vor 4 ins Bett ging.
Aber das war in der Munich Area, nicht hier. Hier gehen die Uhren anders, und die Leute halten sich daran. Fuck. 8 Uhr. Und wahrscheinlich weiss da kein einziger, was so ein Blog ist, und warum man überhaupt mit den Lesern in Kontakt treten sollte. Von welcher digitalen Revolution sülzen die Trendleute eigentlich, wenn du um 8 Uhr eine Website vorführen sollst, vor Leuten, deren Behörde noch nicht mal eine Intranet hat, in einem Raum, in dem es kein Netz gibt und die Seiten auf deiner Festplatte liegen.
Morgen wirst du um 8 Uhr eine Präsi machen, Zielgruppenblabla und vertikale Kommunikationsstrategie, Interaktivität und low entry levels, die ganze Latte Neusprech nochmal. Du wirst im Koma sein, und sie werden hellwach sein. In einem lichten Moment wird dir einfallen, dass das hier Provinz ist, da ist ein Meeting um 8 etwas völlig normales, da denkt sich niemand was dabei, und vielleicht wirst du dir wünschen, dass es wieder so wird wie in der New Economy, als 8 Uhr gar nicht ging, weil man als Lusche galt, wenn man vor 4 ins Bett ging.
Aber das war in der Munich Area, nicht hier. Hier gehen die Uhren anders, und die Leute halten sich daran. Fuck. 8 Uhr. Und wahrscheinlich weiss da kein einziger, was so ein Blog ist, und warum man überhaupt mit den Lesern in Kontakt treten sollte. Von welcher digitalen Revolution sülzen die Trendleute eigentlich, wenn du um 8 Uhr eine Website vorführen sollst, vor Leuten, deren Behörde noch nicht mal eine Intranet hat, in einem Raum, in dem es kein Netz gibt und die Seiten auf deiner Festplatte liegen.
donalphons, 03:34h
Donnerstag, 7. Juli 2005, 03:34, von donalphons |
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che2001,
Donnerstag, 7. Juli 2005, 10:45
Ich weiß noch, als ich ein Vorstellungsgespräch hatte, zu dem ich, um meine Ziele zu demonstrieren, statt einer der üblichen Powerpointpräsentationen eine animierte Präsentation in Flash gebaut hatte, und dann gab es da nichtmal einen Overhead-Projektor, geschweige denn einen Beamer, und das Gespräch gestaltete sich als Kreuzverhör mit inquisitorischem Charakter. Muss wohl nicht sagen, dass aus dem Job nichts wurde.
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donalphons,
Donnerstag, 7. Juli 2005, 22:37
Immerhin kannten heute 4 von 5 Leuten ein Blog, einer meinte sogar, man muss sowas jeden Tag füllen, dann wird das richtig geil.
Manchmal überraschen sie mich doch.
Manchmal überraschen sie mich doch.
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hella,
Donnerstag, 7. Juli 2005, 13:30
Obwohl ich eher früh zu Gange bin (ab 6:30 Uhr kann die Arbeit beginnen), wundere ich mich immer wieder darüber, wieviele Menschen morgens im ersten Flug nach Frankfurt (departure 6:15 Uhr) sitzen. Der ist meist knüppeldicke voll.
Was ich aber schon als Studentin gelernt habe: Leute, die spät den Arbeitstag beginnen, mache sich selber was vor. Wenn die bis 21:00 im Büro sind, haben sie das Gefühl, unglaubliche viel zu arbeiten, obwohl die effektive Arbeitszeit (abzüglich Pausen) doch nur 8-9 Stunden betragen hat. Oft weniger, weil ja abends noch gesellschaftliche Termine warten. Das muss man dann am Wochendene nachholen und kann sich wieder auf die Schulter klopfen, angesichts des eigenen Einsatzes auch am Sonntag. Insgesamz also nicht sehr effizient und das soziale Leben leidet auch. Kein Wunder, dass die NE so abgeschmiert ist ;-)
Was ich aber schon als Studentin gelernt habe: Leute, die spät den Arbeitstag beginnen, mache sich selber was vor. Wenn die bis 21:00 im Büro sind, haben sie das Gefühl, unglaubliche viel zu arbeiten, obwohl die effektive Arbeitszeit (abzüglich Pausen) doch nur 8-9 Stunden betragen hat. Oft weniger, weil ja abends noch gesellschaftliche Termine warten. Das muss man dann am Wochendene nachholen und kann sich wieder auf die Schulter klopfen, angesichts des eigenen Einsatzes auch am Sonntag. Insgesamz also nicht sehr effizient und das soziale Leben leidet auch. Kein Wunder, dass die NE so abgeschmiert ist ;-)
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franz.brandtwein,
Donnerstag, 7. Juli 2005, 13:53
Es wird ja allgemein zu viel gearbeitet - das heisst ich finde die Leute fangen zu frueh an UND hoeren zu spaet wieder auf - aber je nu - jeder wie er mag.
Interessant ist allerdings Dons Verweis auf die NE - die Meetings wurden ja nicht nur spaeter angesetzt weil die Leute am Vortag/Abend/Nacht zu lange gearbeitet hatten, nein es gab auch "Funktions/Typ-spezifische Stereotypen" die nicht durchbrochen werden durften: zB. keine Meeting vor 11:00 - denn sonst kann der Art Director nicht teilnehmen (der kam ja immer erst kurz vor 11:00 - keiner wusste warum, hinterfragt wurde das aber nicht, gut ab und an gab es sanfte Hinweise auf die Kernarbeitszeiten - who cared? (gilt vielleicht heute noch so in klassischen Werbeagenturen - wer weiss ...)
Interessant ist allerdings Dons Verweis auf die NE - die Meetings wurden ja nicht nur spaeter angesetzt weil die Leute am Vortag/Abend/Nacht zu lange gearbeitet hatten, nein es gab auch "Funktions/Typ-spezifische Stereotypen" die nicht durchbrochen werden durften: zB. keine Meeting vor 11:00 - denn sonst kann der Art Director nicht teilnehmen (der kam ja immer erst kurz vor 11:00 - keiner wusste warum, hinterfragt wurde das aber nicht, gut ab und an gab es sanfte Hinweise auf die Kernarbeitszeiten - who cared? (gilt vielleicht heute noch so in klassischen Werbeagenturen - wer weiss ...)
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donalphons,
Donnerstag, 7. Juli 2005, 22:38
Nun, ich hatte lange Zeit einen Arbeitgeber in New York, und konnte schon früher in der Nacht besser arbeiten als am Tag.
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doubl,
Donnerstag, 7. Juli 2005, 14:14
Irgendwann kam doch mal der Vorschlag (ich glaube sogar aus der Wirtschaft) dass es doch viel sinniger wäre wenn jeder nur noch die hälfte ackert. Die Industrialisierung hat zu viele Arbeitsplätze gekostet. Und Geld? So what? Muss Man unbedingt einen 3er in der Garage stehen haben? Aber das ist wohl Utopie.
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bizwriter,
Donnerstag, 7. Juli 2005, 15:58
Also zum einen hat Revolution ja nichts mit Geschwindigkeit zu tun. Revolution bedeutet schlicht Umwaelzung. Insofern wird es auch bei der digitalen Revolution etwas dauern, bis die meisten mit machen.
Ich persoenlich halte die digitale Revolution fuer eine demografische. Das heisst, es ist zu grossen Teilen eine Generationsfrage.
Was die Arbeitszeiten angeht: Ich hatte schon beide Extreme in meinem Leben. Bei einem Job sollte ich frueh um 6 Uhr anfangen. Das fand ich voellig uebertrieben. Interessierte aber niemanden.
Spaeter, als Jungredakteur wurde ich von den Sekretaerinnen schief angeschaut, wenn ich um 8 ins Buero kam, da man mich nicht vor 10 erwartet hatte und als ich fragte wieso das denn, wurde ich zum ersten mal mit dem Cliche des alkoholsuechtigen, langschlafenden Schreibers konfrontiert. Das fand ich ebenfalls voellig uebertrieben. Hat auch da niemanden interessiert.
Redakteure (und Grafiker) haben eben so zu sein.
Ich wurde nie so. Jetzt arbeite ich zu jeder Tages- und Nachtzeit. Wann immer ich produktiv bin.
So sollte es sein, finde ich. Kreativitaet laesst sich doch nicht befehligen. Das sieht man ja bei streng gefuehrten Tageszeitungsredaktionen. Da werden die Redakteure dann wirklich zu Alkoholikern, aber nicht des Cliches wegen. Das kommt dann hinterher.
Ich persoenlich halte die digitale Revolution fuer eine demografische. Das heisst, es ist zu grossen Teilen eine Generationsfrage.
Was die Arbeitszeiten angeht: Ich hatte schon beide Extreme in meinem Leben. Bei einem Job sollte ich frueh um 6 Uhr anfangen. Das fand ich voellig uebertrieben. Interessierte aber niemanden.
Spaeter, als Jungredakteur wurde ich von den Sekretaerinnen schief angeschaut, wenn ich um 8 ins Buero kam, da man mich nicht vor 10 erwartet hatte und als ich fragte wieso das denn, wurde ich zum ersten mal mit dem Cliche des alkoholsuechtigen, langschlafenden Schreibers konfrontiert. Das fand ich ebenfalls voellig uebertrieben. Hat auch da niemanden interessiert.
Redakteure (und Grafiker) haben eben so zu sein.
Ich wurde nie so. Jetzt arbeite ich zu jeder Tages- und Nachtzeit. Wann immer ich produktiv bin.
So sollte es sein, finde ich. Kreativitaet laesst sich doch nicht befehligen. Das sieht man ja bei streng gefuehrten Tageszeitungsredaktionen. Da werden die Redakteure dann wirklich zu Alkoholikern, aber nicht des Cliches wegen. Das kommt dann hinterher.
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donalphons,
Donnerstag, 7. Juli 2005, 22:44
Werden? Wieso werden? Die wollen es nach meiner Erfahrung sein, da muss ich mir nur mal die Blaumänner aus der Lokalkultur einer bekannten, in Süddeutschland beheimateten Tageszeitung anschauen, wenn die mal wieder 4 Monate alte PMs falsch abschreiben, weil für mehr nicht in der Birne ist, und dann ein schleimiges Wiedergutmachungsinterview anbieten, damit sie nichts zurücknehmen müssen. Die Betty Ford Klinik ist das reinste Trockendock gegen diese Abteilung.
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the-exit.net,
Freitag, 8. Juli 2005, 17:35
Dort in der Provinz gibt es auch ganz wenige Blogger. Ganz wenige. Ich glaube, die kann man an einer Hand abzählen.
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