Weniger Licht
Noch ein Bild von der alten CF-Karte: Eines der Geschäfte, die es so wohl nur in Berlin gibt, möchte man glauben. Zumindest in Deutschland, Paris und Lissabon haben ähnliche Geschäfte. Eine Arche Noah für die Reste bürgerlicher Existenz, ein Anknüpfungspunkt. Nicht teuerer als besseres Ikea, sind hier die Lampen vergangener, mehr oder weniger grosser Eochen. Vom Bad über das Wohnzimmer bis zur Halle, für jede Raumgrösse und Geschmack ist etwas zu sehen. Die Auswahl ist phantastisch, und in den Regalen rechts gibt es alle nur erdenklichen Formen von Kristallen für Kronleuchter.
Der Niedergang der Stadt sorgt dafür, dass das Lager immer voll ist. Aus den Auflösungen besserer Haushalte, aus dem Absturz der gehobenen Lebensart speist sich ein Strom ständig neuer Waren, es gibt jede Woche etwas Neues zu entdecken, wer weiss, wo das früher gewesen sein mag; das Licht für eine Bankiersfamilie, die darunter alte Mann-Ausgaben gehortet hat, vielleicht aber auch ein Wehrmachtsgeneral, oder die Stehlampe eine als Kokotte verrufenen Gräfin, die das Licht nach ihrem Tod weitergeben musste an ihrer schmalzige Cousine, und als die dann viel zu alt und bösartig starb, brachten die Neffen alles zum Verwerter, bis sie dann wieder hier auf eine neue Geschichte, auf ein neues Treiben im von ihr erleuchteten Fluss der Zeit
So hätte es sein können. Aber die Geschichte hat kein gutes Ende, denn der Laden wurde mangels Kundschaft geschlossen, vor etwa einem halben Jahr. Obwohl er zwischen Schöneberg und Kreuzberg lag, dort, wo die hohen, stuckverzierten Decken nach diesen grossen Lüstern schreien. Der Niedergang der alten Eliten zieht keinen neuen Aufstieg anderer Schichten nach sich, zumindest keiner, die so etwas wollen, und so wird das Licht der alten Welt nicht mehr in diesem Raum gesammelt, sondern zerstreut, zu oft weggeworfen, oder jemand findet es zufällig und rettet es in die Regionen des Landes, die sich vielleicht, mit ein wenig Glück, dieser schleichenden Vernichtung entziehen können.
Der Niedergang der Stadt sorgt dafür, dass das Lager immer voll ist. Aus den Auflösungen besserer Haushalte, aus dem Absturz der gehobenen Lebensart speist sich ein Strom ständig neuer Waren, es gibt jede Woche etwas Neues zu entdecken, wer weiss, wo das früher gewesen sein mag; das Licht für eine Bankiersfamilie, die darunter alte Mann-Ausgaben gehortet hat, vielleicht aber auch ein Wehrmachtsgeneral, oder die Stehlampe eine als Kokotte verrufenen Gräfin, die das Licht nach ihrem Tod weitergeben musste an ihrer schmalzige Cousine, und als die dann viel zu alt und bösartig starb, brachten die Neffen alles zum Verwerter, bis sie dann wieder hier auf eine neue Geschichte, auf ein neues Treiben im von ihr erleuchteten Fluss der Zeit
So hätte es sein können. Aber die Geschichte hat kein gutes Ende, denn der Laden wurde mangels Kundschaft geschlossen, vor etwa einem halben Jahr. Obwohl er zwischen Schöneberg und Kreuzberg lag, dort, wo die hohen, stuckverzierten Decken nach diesen grossen Lüstern schreien. Der Niedergang der alten Eliten zieht keinen neuen Aufstieg anderer Schichten nach sich, zumindest keiner, die so etwas wollen, und so wird das Licht der alten Welt nicht mehr in diesem Raum gesammelt, sondern zerstreut, zu oft weggeworfen, oder jemand findet es zufällig und rettet es in die Regionen des Landes, die sich vielleicht, mit ein wenig Glück, dieser schleichenden Vernichtung entziehen können.
donalphons, 20:51h
Freitag, 16. September 2005, 20:51, von donalphons |
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1stepahead,
Freitag, 16. September 2005, 21:29
Nachdem ich nun schon eine Weile mitlese, hat mich dieser Beitrag dazu gebracht, mich zu registrieren, um auch mal was sagen zu können...
Es ist verdammt schade, dass solche Kleinode wie oben abgebildeter Laden, langsam aber sicher aussterben. Da ich in einem Jazz- & Klassik-CD-Geschäft arbeite, kann ich aus eigener Erfahrung sagen, dass Qualität und Charme heute leider nur noch sehr wenige Menschen interessieren. Die meisten freuen sich wie ein Schneekönig, wenn sie es irgendwo billiger bekommen und können sich nicht vorstellen, auch mal mehr zu bezahlen, um mehr zu bekommen. Das fängt bei (heimischen) Lebensmitteln an und hört bei schönen Lampen leider noch lange nicht auf. Ich kann nur hoffen, dass es auch in Zukunft ein paar Menschen geben wird, die Tradition und Stil mehr schätzen als Plastik...
Es ist verdammt schade, dass solche Kleinode wie oben abgebildeter Laden, langsam aber sicher aussterben. Da ich in einem Jazz- & Klassik-CD-Geschäft arbeite, kann ich aus eigener Erfahrung sagen, dass Qualität und Charme heute leider nur noch sehr wenige Menschen interessieren. Die meisten freuen sich wie ein Schneekönig, wenn sie es irgendwo billiger bekommen und können sich nicht vorstellen, auch mal mehr zu bezahlen, um mehr zu bekommen. Das fängt bei (heimischen) Lebensmitteln an und hört bei schönen Lampen leider noch lange nicht auf. Ich kann nur hoffen, dass es auch in Zukunft ein paar Menschen geben wird, die Tradition und Stil mehr schätzen als Plastik...
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donalphons,
Freitag, 16. September 2005, 21:56
Herzlich willkommen im Club der kronleuchterbesitzenden, wochenmarkteinkaufenden geizscheissefindenden Kulturpessimisten, die von 4000 Euro teuren IBM-Subnotes auf Biedermeiersekretären bloggen, während nebenan der Tee in der Silberkanne dampft (CdkwgKP4ISBSBTSD e.V.).
Ich bin sicher nicht optimistisch, aber auch nicht ganz hoffnungslos. Als ich aus Berlin weggezogen bin, hatte ich zehn Kronleuchter übrig - gerade mal drei sind mir geblieben, und das auch nur, weil ich sie versteckt habe. Vermutlich ist es schlicht ein Vermittlungsproblem; wenn man nur hingeführt wird, versteht man schnell die Unterschiede zwischen, sagen wir mal, frischen Pfifferlingen, die in einer Stunde auf dem Markt sind, und litauischen Pilzen, die drei Tage unterwegs waren, für 20 cent pro 100 Gramm weniger. Dass dieser Laden keine Chance hatte, liegt sicher auch an der Stadt Berlin.
Zum anderen vermute ich, dass die ewige "Lass Dich mit Geiz verarschen"-Tour auch nicht ewig anhalten wird. Es ist ein typisches Rezessionsphänomen, die Leute haben Angst und drücken auf die Ausgabenbremse, und Aldi, Lidl und Mediamarkt machen ihr Geschäft damit. Vielleicht ein, zwei Jahre, dann schlägt das Pendel wieder in die andere Richtung, hoffe ich.
Ich bin sicher nicht optimistisch, aber auch nicht ganz hoffnungslos. Als ich aus Berlin weggezogen bin, hatte ich zehn Kronleuchter übrig - gerade mal drei sind mir geblieben, und das auch nur, weil ich sie versteckt habe. Vermutlich ist es schlicht ein Vermittlungsproblem; wenn man nur hingeführt wird, versteht man schnell die Unterschiede zwischen, sagen wir mal, frischen Pfifferlingen, die in einer Stunde auf dem Markt sind, und litauischen Pilzen, die drei Tage unterwegs waren, für 20 cent pro 100 Gramm weniger. Dass dieser Laden keine Chance hatte, liegt sicher auch an der Stadt Berlin.
Zum anderen vermute ich, dass die ewige "Lass Dich mit Geiz verarschen"-Tour auch nicht ewig anhalten wird. Es ist ein typisches Rezessionsphänomen, die Leute haben Angst und drücken auf die Ausgabenbremse, und Aldi, Lidl und Mediamarkt machen ihr Geschäft damit. Vielleicht ein, zwei Jahre, dann schlägt das Pendel wieder in die andere Richtung, hoffe ich.
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schaefchen,
Freitag, 16. September 2005, 22:02
Scheisse, bevor ich den Artikel zu Ende gelesen hatte, wollte ich schon fragen, wo denn dieser Laden zu finden ist, da mir noch ein paar Leuchter für meine hohen, stuckverzierten Decken fehlen.Die ganzen Antiquitätenläden in der Suarezstr. kenne ich schon. Gibts sonst noch was? :-)
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donalphons,
Freitag, 16. September 2005, 22:20
Ja, die Flughafenstrasse in Neukölln. Nicht immer billig, aber ich bin da noch nie ohne Kauf weggegangen. Dann noch die Bergmannstrasse in Kreuzberg. Wenn Du von Westen, vom Mehringdamm kommst, sind die vom Preis/Leistungsverhältnis besten Läden auf der rechten Seite hinten. Die besten, aber leider auch teuersten Stücke sind die beiden Kellerläden auf der linken Strassenseite ganz hinten, bei den Miris und ihren Neffen. Dann gibt es noch einige gute Läden um die Ecke, die Friesenstrasse hoch. Ein weiterer, nicht verwandter Miri ist in der Gneisenaustrasse, von Westen aus auf der rechten Seite knapp vor dem Südstern. Preislich geht es ab 50 Euro los, 100 sollte für bessere Stücke reichen, aber nach oben gibt es wie immer keine Grenze.
Mitunter günstigere Alternativen findet man auch im Wedding, Amsterdamer/Brüsseler Strasse. Ansonsten Flohmärkte: Der beste ist der am Rathaus Schöneberg immer Samstag und Sonntag, vor allem im hinteren Bereich. Ebenfalls nicht zu verachten ist der Antikmarkt am Ostbahnhof, immer am Sonntag Vormittag.
Ich denke, wer das mal abklappert, kriegt 5, 6 ordentliche Kronleuchter in einer Woche zu Preisen, für die man in München vielleicht einen bekommen würde. kein Wunder, dass mir meine hier aus den Händen gerissen wurden :-/
Mitunter günstigere Alternativen findet man auch im Wedding, Amsterdamer/Brüsseler Strasse. Ansonsten Flohmärkte: Der beste ist der am Rathaus Schöneberg immer Samstag und Sonntag, vor allem im hinteren Bereich. Ebenfalls nicht zu verachten ist der Antikmarkt am Ostbahnhof, immer am Sonntag Vormittag.
Ich denke, wer das mal abklappert, kriegt 5, 6 ordentliche Kronleuchter in einer Woche zu Preisen, für die man in München vielleicht einen bekommen würde. kein Wunder, dass mir meine hier aus den Händen gerissen wurden :-/
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schaefchen,
Freitag, 16. September 2005, 22:24
Vielen, vielen Dank. Da werde ich sicher auch noch viele andere Dinge finden, von denen ich nur noch gar nicht weiss, dass ich sie brauche.
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gibsmir,
Freitag, 16. September 2005, 22:31
Schon mal an ein Startup gedacht? :-) "Berlin-Export, Bavaria-Import". Ein paar Studenten, die Ihnen das Zeug im VW-Bus aus Berlin nach Bayern karren. Sie nutzen ihre Connections zu den besseren Kreisen und machen auf Kulturdealer. Vielleicht mit wertlosen kulturhistorischen Gutachten das Zeug noch etwas angehübscht, etwas Illuminatenstaub drauf, 10facher Preis, fertig.
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donalphons,
Freitag, 16. September 2005, 22:41
Wo denkst Du, haben die bayerischen Händler in einer früher bitterarmen Region ihre Lagerbestände her? Aus den früheren reichen Zentren. Berlin steht da in Mitteleuropa an der ersten Stelle. mein bevorzugter Teekannenhändler in Berlin ist nicht billig, verkauft aber nie Silberbesteck an mich. Das geht alles sofort an die polnische oder deutsche Ostseeküste oder nach Petersburg, wo es an Touristen als altes deutsches/polnisches/russisches Familiensilber verkauft wird. Oft wird vorher noch eine Grafenkrone über das Monogramm eingraviert, und dann ab an den Strand damit mit 1000% Gewinn. :-)
Aber immer noch billig gegen einen gewissen Laden in Bad Wiessee und einen anderen in Regensburg, die mit dem Gerücht, alles würde vom lokalen Adel stammen, blendende Geschäfte machen.
Aber immer noch billig gegen einen gewissen Laden in Bad Wiessee und einen anderen in Regensburg, die mit dem Gerücht, alles würde vom lokalen Adel stammen, blendende Geschäfte machen.
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donalphons,
Freitag, 16. September 2005, 23:02
Nein zum Überfluss!
@ schäfchen: Pass bloss auf, sonst hast Du nach einen Jahr auch 24 silberne Tortenheber und 1720 Pralinenschäufelchen. Man denkt sich so oft, ach, 2, 4 Euro, was soll´s - und dann muss man losziehen und auch noch einen Schrank für das Silber kaufen.
Glaub mir, Besitz wird schnell zur Last! Man hat ohnehin zu viel. Bescheidenheit ist besser.
Und wenn ich wieder nach Berlin komme und mir jemand all das schöne Silber und die Teppiche und die Kronleuchter weggekauft hat, werde ich grantig.
Glaub mir, Besitz wird schnell zur Last! Man hat ohnehin zu viel. Bescheidenheit ist besser.
Und wenn ich wieder nach Berlin komme und mir jemand all das schöne Silber und die Teppiche und die Kronleuchter weggekauft hat, werde ich grantig.
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first_dr.dean,
Samstag, 17. September 2005, 03:04
Berlin kann mit Antiquitäten-Sammelei kombiniert zur Sucht werden. Es gibt viele Fälle. Bekommt man das nicht in Griff, kauft der Betroffene sich irgendwann (am Ende einer sehr langen, kaum vermeidbaren Entwicklung) gar preußische Pickelhauben und übersieht das Blade-Runner-Ambiente, aus dem die Lieblingsstücke herausgefischt werden...
(*g* nicht ernst gemeint)
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schaefchen,
Samstag, 17. September 2005, 13:45
Besitz kann nie zur Last werden, sofern man keine unnützen Dinge anhäuft. 100 Ein paar Silbergäbelchen können nie unnütz sein. Die Pickelhaube muss aber wirklich nicht sein.
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1stepahead,
Samstag, 17. September 2005, 14:30
Niemals
...würde ich Tee trinken, noch habe ich einen Biedermeier-Sekretär, aber ich schätze durchaus den geerbten Schlafzimmerschrank meiner Uroma aus echtem Holz und auseinandernehmbar (!) und werde den auch liebend gern zur Aufarbeitung geben lassen, anstatt mir von dem Geld, was das kostet, einen neuen zu kaufen ;-)
Ansonsten: vielen Dank für das Willkommen-Heißen!
Ansonsten: vielen Dank für das Willkommen-Heißen!
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donalphons,
Samstag, 17. September 2005, 19:58
110 111 112 113 114 115 116 117 118 119 120 121 122 123 124 silberne Gäbelchen... sollte ja eigentlich reichen...
Kein Tee? Das kann in der kommenden Jahreszeit unerbaulich werden. Ich habe gerade zum ersten Mal nach dem Sommer die Heizung angeworfen. Das mit dem Auseinandernehmbar ist eine wunderbare Sache - gerade wenn man das Monster irgendwie durch eine 60 cm schmale Tür durchwuchten muss. Wie bei mir. Ich habe auch so ein Monsterteil im Speicher, damit könnte man auch Panzer aufhalten.
Kein Tee? Das kann in der kommenden Jahreszeit unerbaulich werden. Ich habe gerade zum ersten Mal nach dem Sommer die Heizung angeworfen. Das mit dem Auseinandernehmbar ist eine wunderbare Sache - gerade wenn man das Monster irgendwie durch eine 60 cm schmale Tür durchwuchten muss. Wie bei mir. Ich habe auch so ein Monsterteil im Speicher, damit könnte man auch Panzer aufhalten.
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1stepahead,
Sonntag, 18. September 2005, 15:06
Statt Tee gibt es bei mir Kakao mit Milch.
Und: letzte Nacht schlief ich mit Decke, 2 Pullovern und 2 Socken ohne zu schwitzen. Tragisch, der Sommer ist vorbei...
Und: letzte Nacht schlief ich mit Decke, 2 Pullovern und 2 Socken ohne zu schwitzen. Tragisch, der Sommer ist vorbei...
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