Real Life 28.09.05 - Bläser

Das ist seit Kremer das 4. Konzert in Folge, das du ausfallen lässt. Schön langsam geht es runter auf das Niveau eines Primaten, aber es gab jedes Mal eine gute Begründung. Frankreich. Vortrag. München. Und heute schlichte Unlust, weil Bläser so irgendwie gar nicht deiner aktuellen Stimmung entsprechen. Die bessere Gesellschaft, die sich um Karten prügelt, findet das sicher dekadent. Aber es geht einfach nicht. Trotzdem bist du jetzt da und wartest. Dass sie rauskommt, ihre Mutter verabschiedet, und dann mit dir noch auf ein, zwei Stunden ausgeht.



Unten wartet noch jemand. Sie geht auf und ab, ganz in Schwarz, gelangweilt abwartend. Ihre hohen Schuhe knallen auf dem leeren Platz vor der Betonwüste des Theaters, und so verinnen die Minuten in dieser kühlen, aber nicht kalten Nacht. Vielleicht kennst du sie, sehr wahrscheinlich sogar, aber wenn es die ist, an die du denkst, dann willst du sie nicht treffen. Da ist zu viel passiert, es hat von Anfang an nicht geklappt, die Ablehnung war auf beiden Seiten gleich stark.

Dann rauscht drinnen wie ferner Regen der Applaus, lange, durchdringend, es kommt eine Zugabe, Applaus, da capo, und dann tröpfeln die Herrschaften heraus, überraschend viele ältere Frauen immer noch mit goldenem, silbernem, blauen und grünem Lametta um die Oberkörper, unscheinbare graue Männer, dazu einige junge Leute im Landhausstil, weiss und braun, die nächste Generation, nur wenig Abendkleider, obwohl davon oft Dutzende in den Schränken schlummern, und alle schwatzen sie durcheinander. Unter ihnen ist auch dein Date; sie weiss, dass du oben an der Treppe wartest, also schüttelt sie Frau Mama ab, die mit einer Horde anderer Leute, unter denen auch deine Eltern sind, Richtung Kanonier verschwindet.

Noch bevor du ihr entgegeneilen kannst, kommt die Frau in Schwarz die Treppe hoch, zusammen mit einer typischen, rundlichen Matrone. Sie ist nicht die, an die du gedacht hast. Und erst Stunden später, als Iris dann gegangen ist, ihr Parfum noch den Raum erfüllt und der Schlaf nicht kommen will, fallen dir all die offenen Enden, unerledigten Beziehungen und ausstehenden Telefonanrufe wieder ein, die eigentlich abgearbeitet werden müssten, wenn du hier endgültig wieder ankommen und ein Teil der Gesellschft werden willst.

Willst du aber nicht. Eigentlich.

Donnerstag, 29. September 2005, 01:05, von donalphons | |comment

 
wobei: Dass du Kremer versäumst (oder hab ich das falsch verstanden?), kann ich nicht verstehn.

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Nein, bei Kremer war ich. Versäumt habe ich eine Orgelmatinee, ein Konzert für Peter Kreuder und ein Mandolinenkonzert, was mich wirklich ärgert. Und gestern eben die Berliner Blechbläser. Als ich zurück kam, ging man selbstverständlich davon aus, dass ich doch auch 1, 2 Termine pro Woche mitmache, aber es ist dann mitunter doch zu stressig. Und dann ist da auch immer noch die Frage der Begleitung, sehr kompliziert, das alles.

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Was das hier übrigens bedeutet, mag man ermessen, wenn die Lokalpresse für das Kremer-Konzert die Zwischenüberschrift "Butterweicher Schubert" wählt. Charakteristisch für das hiesige Kulurverständnis, und genauso muss man sich auch die Pausengespräche vorstellen.

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iiiiihhhhh....
Zumal es meistens im Gegenteil grandios ist, wenn er Schubert spielt. Mich würde bei der Formulierung dann ja wirklich interessieren, wie die zeitgenössischen Russen in seinem Repertoire beschrieben wurden. Durch ihn und durch das einzige "Festival", das ich hin und wieder besuche (Hitzacker), bin ich erst zur Gubaidulina gekommen...

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toll, das war wie eine Insel, auf der ich wom anderen ausruhen durfte

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