Real Life 30.09.05 - Bilderbuchland
Es wird Zeit für einen Frottee-Bademantel. Oder besser gleich zwei, ein weiterer für Besuch aus Berlin, irgendwann wird der wohl kommen. Die Sonne scheint immer noch, aber am Morgen ist es schon empfindlich kühl. Also zwei Bademäntel. Die Strasse runter, in einer Passage, ist der Laden für solche Bedürfnisse.
Nebenan ist der Teeladen, in dem sich jetzt Scharen von Steppjackenträgerinnen drängen. Hermestücher feiern fröhliche Urstände. Chinakitsch scheint gross in Mode zu sein, Strohhüte, Eisenkannen und grobe Teeschalen sind wohl die Renner der Frühherbstsaison. Und du wolltest ohnehin mal einen Text über Chinoiserien schreiben, und die Ursachen, warum sie bei uns - und bei dir - so beliebt sind.
Du betrittst die pastellfarbene Halle, die früher mal ein Sanitärgeschäft war und in der heute vor allem Badwände mit Carraramarmor und Bisazza geplant werden. Es gibt auch noch Waschbecken, aber sie sind heute aus apricotfarbenen Speckstein gedreht, kostet keine 700 Euro. Badewannen stehen nicht mehr rum, dafür gibt es Jakuzzi in diversen Ausführungen und Duschen wie Weltraumschleusen. Im hinteren Bereich wählt ein Paar gerade Säulen und nachgemachte Amphoren für ihr Bad im griechisch-römischen Stil aus. Wenn schon Toskana, dann richtig. Aber die Bademäntel sind hier so weich und flauschig, wie sie sein sollen, und kaum teurer als bei Billiganbietern draussen im Industriegebiet.
Gegenüber vom Ausgang der Passage ist eine Galerie, die einer der besseren Herren seiner Frau geschenkt hat. Normalerweise läuft darüber die Autoflotte und ein Teil der Steuern, bis sie nach 2 Jahren die Lust verliert, aber die Besitzerin hier hat den Geschmack ihrer Peergroup getroffen. Seit 20 Jahren gibt es dieses Ding nun, es sieht aus wie die Requisitenkammer von Architectural Digest (deutsch) vor drei Jahren, und davor parkt ein Z4 im absoluten Halteverbot. Eine Kundin trägt einen mediterranen Kunstdruck aus dem Laden, legt ihn auf den Beifahrersitz, gibt der Besitzerin Bussi Bussi und fährt gemächlich davon.
Im Cafe an der Ecke kommen die ersten Mittagspausierer und Wochenendgeher zusammen. Der Kellner säubert die Tische für das grosse Fressen; Krabbencocktails sind hier momentan sehr en Vogue. Es gibt keine griesgrämigen Gesichter und keine Angst. Die Leute hier sind in Sicherheit, sie treffen sich, sind auf ihre bayerische Art charmant, vielleicht wird aus dem kurzen Verhältnis am Wochenende doch was längeres, dann heiraten sie in der traumhaft schönen Asamkirche gegenüber und bekommen semmelblonde Kinder, die eine glückliche Jugend verbringen, um später mal Sparkassenleiter zu werden wie der Onkel oder Galeriebesitzerin. Oder Innenarchitektin für Bäder.
Vor dem Stadtpalast siehst du die ersten Arbeiter. Vom Bau. Sie ziehen in der Nachbarschaft noch ein Studentenwohnheim für Elitessen hoch, ein paar Quadratmeter für fast Münchner Preise. Aber so ist das hier, im Speckgürtel, wo inzwischen alle wieder in die Altstadt wollen, wo es Krabbencocktail gibt und 100 Gramm Tee für 9 Euro. Da müssen die Elitessen mit hohen Preisen rechnen. Dafür ist dann die Amüsiermeile direkt vor der Haustür. Mit einem Sausa, das genauso ist wie das Sausa in der Türkenstrasse in München. Früh übt sich. Alles bestens. Alle zufrieden. Keine Ahnung, warum manche denken, dass die Stimmung kampagnenbedarfsmässig schlecht ist. Hier ganz sicher nicht.
Nebenan ist der Teeladen, in dem sich jetzt Scharen von Steppjackenträgerinnen drängen. Hermestücher feiern fröhliche Urstände. Chinakitsch scheint gross in Mode zu sein, Strohhüte, Eisenkannen und grobe Teeschalen sind wohl die Renner der Frühherbstsaison. Und du wolltest ohnehin mal einen Text über Chinoiserien schreiben, und die Ursachen, warum sie bei uns - und bei dir - so beliebt sind.
Du betrittst die pastellfarbene Halle, die früher mal ein Sanitärgeschäft war und in der heute vor allem Badwände mit Carraramarmor und Bisazza geplant werden. Es gibt auch noch Waschbecken, aber sie sind heute aus apricotfarbenen Speckstein gedreht, kostet keine 700 Euro. Badewannen stehen nicht mehr rum, dafür gibt es Jakuzzi in diversen Ausführungen und Duschen wie Weltraumschleusen. Im hinteren Bereich wählt ein Paar gerade Säulen und nachgemachte Amphoren für ihr Bad im griechisch-römischen Stil aus. Wenn schon Toskana, dann richtig. Aber die Bademäntel sind hier so weich und flauschig, wie sie sein sollen, und kaum teurer als bei Billiganbietern draussen im Industriegebiet.
Gegenüber vom Ausgang der Passage ist eine Galerie, die einer der besseren Herren seiner Frau geschenkt hat. Normalerweise läuft darüber die Autoflotte und ein Teil der Steuern, bis sie nach 2 Jahren die Lust verliert, aber die Besitzerin hier hat den Geschmack ihrer Peergroup getroffen. Seit 20 Jahren gibt es dieses Ding nun, es sieht aus wie die Requisitenkammer von Architectural Digest (deutsch) vor drei Jahren, und davor parkt ein Z4 im absoluten Halteverbot. Eine Kundin trägt einen mediterranen Kunstdruck aus dem Laden, legt ihn auf den Beifahrersitz, gibt der Besitzerin Bussi Bussi und fährt gemächlich davon.
Im Cafe an der Ecke kommen die ersten Mittagspausierer und Wochenendgeher zusammen. Der Kellner säubert die Tische für das grosse Fressen; Krabbencocktails sind hier momentan sehr en Vogue. Es gibt keine griesgrämigen Gesichter und keine Angst. Die Leute hier sind in Sicherheit, sie treffen sich, sind auf ihre bayerische Art charmant, vielleicht wird aus dem kurzen Verhältnis am Wochenende doch was längeres, dann heiraten sie in der traumhaft schönen Asamkirche gegenüber und bekommen semmelblonde Kinder, die eine glückliche Jugend verbringen, um später mal Sparkassenleiter zu werden wie der Onkel oder Galeriebesitzerin. Oder Innenarchitektin für Bäder.
Vor dem Stadtpalast siehst du die ersten Arbeiter. Vom Bau. Sie ziehen in der Nachbarschaft noch ein Studentenwohnheim für Elitessen hoch, ein paar Quadratmeter für fast Münchner Preise. Aber so ist das hier, im Speckgürtel, wo inzwischen alle wieder in die Altstadt wollen, wo es Krabbencocktail gibt und 100 Gramm Tee für 9 Euro. Da müssen die Elitessen mit hohen Preisen rechnen. Dafür ist dann die Amüsiermeile direkt vor der Haustür. Mit einem Sausa, das genauso ist wie das Sausa in der Türkenstrasse in München. Früh übt sich. Alles bestens. Alle zufrieden. Keine Ahnung, warum manche denken, dass die Stimmung kampagnenbedarfsmässig schlecht ist. Hier ganz sicher nicht.
donalphons, 14:26h
Freitag, 30. September 2005, 14:26, von donalphons |
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schaefchen,
Freitag, 30. September 2005, 15:28
Wobei mir gerade einfällt: Ist es nicht merkwürdig, dass diese beschissene Kampagne ausgerechnet und punktgenau kurz nach der Bundestagswahl begonnen hat? Von Medien begonnen wird, die mir noch vor 2 Wochen einreden wollten, wie furchtbar (dank falscher Regierung) alles in Deutschland ist?
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gibsmir,
Freitag, 30. September 2005, 16:34
Sie war früher geplant. Mitte diesen Jahres, was ein netter Anlauf und Unterstützung für Schwarz-Gelb zur Wahl 2006 gewesen wäre. Dann kam Schröder mit Neuwahlen 2005, mit Schwarz-Gelb als garantiertem Sieger und man hat es auf nach der Wahl verschoben. Es hätte ja auch soooo schön zu einer schwarz-gelben Regierung gepaßt.
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nixxon,
Freitag, 30. September 2005, 16:34
Die Kampagne wurde m.E. deshalb jetzt gestartet, weil man selbstverständlich von einem klaren Wahlsieg für Schwarz-Geld ausgegangen ist. Diese Maßnahme war als Unterstützung für die neue Regierung konzipiert und von den beteiligten Medien per konsequentes Niederschreiben von Rot-Grün vorbereitet worden. Nur "leider" hat man die Rechnung ohnen den Wirt gemacht - uns. Zu stoppen war die Sache dann wohl ohne größeren wirtschaftlichen Schaden wohl nicht mehr: Sendezeiten waren schon lange gebucht, Plakatflächen angemietet, Anzeigen geschaltet. Sic transit gloria pecuniae.
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moravagine,
Freitag, 30. September 2005, 17:22
Schade...
finde ich es, dass soviel Wind um eine schlecht getextete Imagekampagne mit platten Photostock/Photodisc-Bildern gemacht wird. Alles ganz billig hingeklirrt von Schwinger&Jakob oder schlimmer noch von JungUndMatt. Hätte es nicht so einen Sturm der Entrüstung, soviele "originelle" Nachbauten von Photoshop-Adepten und soviel Gewese gegeben; ich denke, keiner hätte es bemerkt. Ich kann ja verstehen, dass die Staats- und Politiksimulation solche Existenznachweise benötigt, dass diese aber durch Diskussionen und Antiparolen auch noch substantiiert werden, das geht mit völlig den subersiven Strich: Unter CRASS, Plasmatics und den seeligen Strassenjungs hättes das nicht gegeben.
Aber die Zeiten haben sich geändert: Die sinkenden Schiffe verlassen die Ratten...
Aber die Zeiten haben sich geändert: Die sinkenden Schiffe verlassen die Ratten...
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first_dr.dean,
Freitag, 30. September 2005, 17:28
Indes: Schon wieder diese Renitenz, kein Jubel, keine Aufbruchstimmung.
Ich habe heute mittag Kinder, die abgelegtes Spielzeug in einer Fußgängerzone feil boten, gefragt, ob ihr Gründerzeit-Feeling aus der Kampagne herrührt. Was soll ich sagen, die fanden die Frage doof.
An den "Du bist"-Mist konnten sie sich dann doch erinnern, hatten aber echt keine Idee, für was da Werbung gemacht wurde.
Vox populi äußert sich also wenig beeindruckt. Es war wohl nicht deutlich genug, man müsste mehr tun. Wie wäre es mit einer 3000-Mio Euro-Kampagne in der Art von Werbedauersendungen?
Warum eigentlich nicht? Ruck-Werbung anstelle von Filmfonds. Die Klingelton-Werbung wird verdrängt und man hört es dann allerorten rucken.
"Sweety" und "Crazy Frog" wären dafür super Imageträger.
Fortschritt. Deutschland. Ruck-Ruck. Wir rucken.
Ich habe heute mittag Kinder, die abgelegtes Spielzeug in einer Fußgängerzone feil boten, gefragt, ob ihr Gründerzeit-Feeling aus der Kampagne herrührt. Was soll ich sagen, die fanden die Frage doof.
An den "Du bist"-Mist konnten sie sich dann doch erinnern, hatten aber echt keine Idee, für was da Werbung gemacht wurde.
Vox populi äußert sich also wenig beeindruckt. Es war wohl nicht deutlich genug, man müsste mehr tun. Wie wäre es mit einer 3000-Mio Euro-Kampagne in der Art von Werbedauersendungen?
Warum eigentlich nicht? Ruck-Werbung anstelle von Filmfonds. Die Klingelton-Werbung wird verdrängt und man hört es dann allerorten rucken.
"Sweety" und "Crazy Frog" wären dafür super Imageträger.
Fortschritt. Deutschland. Ruck-Ruck. Wir rucken.
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donalphons,
Freitag, 30. September 2005, 19:18
Jede Zeit bekommt halt die Kampagnen, die sie verdient. Und die zwei Minuten in der Glotze kann man wnigstens zum Teeziehen verwenden. Und das Internet lassen sie uns ohnehin, das taucht auf ihrer geistigen Landkarte nicht auf. Das wäre ohnehin mal eine Überlegung wert, warum sie jenseits dieser bescheuerten "Ich-glaube-daran"-Website nichts machen, vielleicht liegt es an ihrer Medienkompetenz.
Was dagegen sehr erstaunlich ist, ist die Beteiliging am Contraprojekt. Weil es über weite Strecken witzig und gut ist. Und allein das ist es schon wert.
Dass sie die Klingeltöne vergessen haben, ist natürlich wirklich ein Problem. Ein die Deutschlandhymne furzender Frosch wäre sicher der Hit geworden.
Was dagegen sehr erstaunlich ist, ist die Beteiliging am Contraprojekt. Weil es über weite Strecken witzig und gut ist. Und allein das ist es schon wert.
Dass sie die Klingeltöne vergessen haben, ist natürlich wirklich ein Problem. Ein die Deutschlandhymne furzender Frosch wäre sicher der Hit geworden.
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donalphons,
Freitag, 30. September 2005, 22:02
Bräääämmm Bräääämm Bing Bing Binginginging Gong Gong
KRASCZZHPCHRRR.
auch die jüngeren Leser sollen ja was verstehen
KRASCZZHPCHRRR.
auch die jüngeren Leser sollen ja was verstehen
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first_dr.dean,
Samstag, 1. Oktober 2005, 00:22
Der genitale Frosch macht unserer Jugend Mut auf der Deutschland-Autobahn.
http://www.flickr.com/photo_zoom.gne?id=47977983&size=o&context=pool-34368154@N00
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