Ode auf die Amalienstrassen-Antiquariate

Zu den Phänomenen, die gerade wieder aus den Löchern kriechen, gehört die Behauptung, das Buch als solches hätte eine Zukunft wie jeder andere Inhalt vom Range der Musik und des Films: Digitalisiert, p2p-verbreitet, digital konsumiert, also bald ähnlich tot wie die Schallplatte. Denn Bücher sind teuer, und Bücher brauchen Platz. Mit einem E-Book oder E-Paper und einem Download ist das alles kein Poblem mehr. Und so erwartet mancher schon die Einladung zum Totenmahl im Internetrestaurant am Ende der Gutenberg-Galaxis.

Das Buch, der Codex, ist in Europa jetzt gute 2000 Jahre heimisch, und hat immer gute Dienste geleistet. Mit einer kleinen Problemphase ab Mitte des 19. bis zu den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts, in der das Papier schlecht war, hat sich das Buch als extrem robuster, zuverlässiger "Datenträger" erwiesen. Und dank der technischen Entwicklung sind die Entstehungskosten der materiellen Basis auch verschwindend gering - das Buch als solches kostet selten mehr als 10% dessen, was es nachher im Laden kostet. Dafür ist es allerdings fast unbegrenzt haltbar und entsprechend robust - ein Begiff, was jeder versteht, der mal einen Laptop aus 1,5 Meter Höhe auf den Boden hat fallen und sich dann das Gegenteil dessen vergegenwärtigt, was das Gerät dann noch an Daten ausspuckt.

Dazu kommt noch ein anderer Vorteil - dessen, was man heute als Interface bezeichnet. Viele derer, die das digitale Buch promoten, haben mitmasslich kein Buch geschrieben und werden das auch nie tun - weil sie sonst wüssten, wie entsetzlich das Lesen eines grösseren Textes am Bildschirm ist. Ich weiss, wovon ich rede. Und, nicht zu vergessen: Auf Papier wirken längere Texte anders. Besser. Hochwertiger. Schöner. Unbegrenzt aufgelöst. Sie summen nicht, sie brauchen keinen Strom, sie werden nicht heiss. Ganz ohne DRM-Scheisse.



Und sie sind - alles zusammengerechnet - sicher auch nicht teurer. Denn während digitale Bücher niemals ins Antiquariat kommen und immer die gleichen Preise haben werden, weil es nichts kostet, digitale Güter zu spreichern, gelangen Bücher irgendwann wieder in den Handelskreislauf, sei es als Gebrauchtbuch, sei es als Ramsch. Ob das digitale Buch von heute in 20 Jahren noch dem technischen Standard entspricht, wird man bezweifeln dürfen, wenn man sich vergegenwärtigt, was aus Microfilm-Bibliotheken, der Zukunftstechnologie der 70er Jahre geworden ist.

Natürlich ist also das Einscannen und der Vertrieb von Büchern über das Netz kein Problem. Auch mit p2p-Technologien, egal ob geklaut oder selbst geschrieben. Es mag mitunter für gewisse Fachliteratur sogar sinnvoll sein, sei es für belanglose Dissertationen oder Texte, in die man nur einmal für ein Kapitel reinschauen muss, oder für schnell veraltende Gesetzestexte. Aber das Buch als solches, das verschenkbar ist, das man widmen kann, das die schönste aller Tapeten liefert, das immer und überall lesbar ist, auch in der Sonne, das ein Statussymbol der Bildung ist, wird für immer dominieren, solange der Mensch Texte über 10 Seiten liest.

Eine Sache vielleicht noch für die, die an einen Wandel der Kundschaft glauben: Das Buch hat den Wandel in seiner Käuferschicht längst hinter sich. Die meisten Bücher werden ohnehin von denen gekauft, die viele Bücher, über 50 pro Jahr kaufen. Das ist der Kernmarkt, das sind die, die das Buch als solches wollen. Mal ganz abgesehen davon, dass die Jagd im Antiquariatenviertel in München, das heimschleppen der Beute und der Verzehr der Bücher in der Höhle und das Einsortieren der Papiertrophäen vielleicht das letzte grosse Abenteuer für echte Männer und Frauen ist.

Und mal ehrlich: Wer weniger als 2.000 Bücher hat, kriegt doch keinen ordentlichen Geschlechtspartner.

Mittwoch, 8. Februar 2006, 17:54, von donalphons | |comment

 
Ode auf Schelling ...
Herr Alphonso, Sie haben sich ein wenig in der Adresse geirrt. Das Photo zeigt ein Antiquariat in der Schellingstrasse (ist im Hintergrund zu sehen). In der Amalienstrasse befindet sich dagegen z.B. der Buchladen der Thekla Kastner. In der Nähe des obigen A. befindet sich übrigens auch das des ollen, aber höcht honorigen Dr. Kitzinger.
Nicht zu vergessen, vielmehr hier ausdrücklich zu würdigen: die Basis und zu ihrer (sehr) Linken: Der etwas muffige Marx-Engels-Altpapierhandel, die Klassenkampfbasis, deren Überbau übrigens für den Publikumsverkehr gesperrt ist.

Erstaunlich, hätte ich Ihnen gar nicht zugetraut, dass Sie Bücher mögen. Jetzt haben Sie sogar ein wenig an Anerkennung von meiner Seite gewonnen. Nun müssen Sie nur noch zeigen, dass die Liebe zu den (kodifizierten) Gedanken anderer Sie auch immun sein lässt gegen den Hass auf Andersdenkende ...

(Vermutlich werden wir uns nie wieder so nahe kommen wie heute.)

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Richtig.
Aber: Täusche ich mich, oder ist das nicht quasi die moderne-Antiquariats-Abteilung der ehrwürdigen Thekla? Die Verkäuferin war früher doch die Kollegin.

Wie auch immer: Ode an Schelling wäre nicht so schön gewesen, und mein Amalienbild vom Booox-Nachfolger hatte ich hier schon mal verwendet.

Ansonsten: Nun, einerseits schreibe ich Bücher, was, denke ich, vorraussetzt, dass man sie liebt - Bücher sind ja eher eine brotlose Kunst. Und wenn man das Headerbild anschaut, geknipst in meiner Wohnung, so sieht man im Hintergrund ja einige Buchrücken vergangener Jahrhunderte, die dort auch nicht allein zur Zierde stehen. Wobei das Buch nicht immun ist gegen Hass - das links oben angeschnittene Buch ist Johannis Berti, Breviarium Historiae Ecclesiae, gedruckt in der Offizin Rieger, Augsburg 1768, und das ist, von heute aus gesehem, voller heissem Hass gegen alle Errungenschaften der Aufklärung, die gegen den Mob publizistisch zu verteidigen ich hier bereit stehe. Lese ich nämlich die Eynlassungen dero Absonderlichkeiten von den Puppen und der Politisch Incontinenten, dann wünsche ich mich fast wie Candide am goldenen Horn einen kleinen Garten zu bestellen, nur um wegzukommen von derley Gesindel.

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vielen dank
für das schöne plädoyer für das gedruckte wort.

neulich habe ich in ermangelung schnell zugänglicher gedruckter quellen zwei ebooks konsumiert. da ich sie zur prüfungsvorbereitung brauchte, war ich natürlich enorm froh, dass ich sie online bekommen konnte. aber ich kann nur beipflichtend mit dem kopf nicken: ebooks zu lesen ist eine qual. außerdem gehöre ich zur gattung der u-bahn-leser und so ein notebook schleppt sich 1. nicht so leicht und 2. ist es kaum hochgefahren, dann ist man auch schon an seiner haltestelle, während man sein buch einfach aufschlagen und loslesen kann.

und über stöbern in buchhandlungen (ob nun antiquariat oder nicht) kommt sowieso (fast) nix.

aber: muss ich mir jetzt sorgen machen, wenn ich keine 2000 exemplare in der studentenbude untergebracht bekomme?

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Nun, es ist eine Altersfrage. Ich würde sagen: Für jedes Lebensjahrzehnt über 20 sind 1000 Bände ein Minimum. Wer also 25 ist, sollte 500 Bücher besitzen, wer 35 ist, 1.500. Ich selbst zum Beispiel achte das, was mich ein Antiquar gelehrt hat - wer weniger als 10.000 Bände hinterlässt, hat als Bibliophiler versagt. Sollte ich mein 80. Jahr erleben, so dürfte ich die 10.000 sicher voll bekommen.

Schwer ist das nicht: ich habe keine Glotze, und wer pro Woche 4 Bücher erwirbt, kommt im jahr auf 200, in 10 jahren auf 2.000 und in gerade mal 50 Jahren auf 10.ooo Bücher.

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Wie schafft man es, pro Woche 4 Bücher nicht nur zu lesen, sondern auch zu kapieren, einzuordnen und zu verarbeiten ?

(Ist nur 'ne neugierige Frage, kein ans-Bein-pinkeln)

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Ungefähr die Hälfte der Bücher haben mit Kunst und Kulturgeschichte zu tun, das muss ich lesen, um auf dem Stand der Wissenschaft zu bleiben (was aber nur begrenzt geht). Und zwei Romane pro Woche... dazu kommt, dass ich einige Rezensionsexemplare ebenfalls beruflich lese. So gesehen keine grosse Sache, wenn man bedenkt, dass ich am Tag 0 Minuten vor der Glotze sitze.

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Mirkofilm allerdings, ist das einzig "sichere" Material zur Speicherung von Daten, das auch noch in 1000 Jahren (bei entsprechender Lagerung) sicher lesbar ist. (Wenn die Technologie dazu nicht mehr vorhanden ist, kann sie leicht wieder hergestellt werden. Ob das bei CDs oder DVDs auch in 1000 Jahren noch der Fall ist, weiß niemand.)
Im "normalen" Gebrauch und nicht in der Archivierung - auch das teuerste Buch zerfällt leider irgendwann - ist das Buch als solches auch ungeschlagen. Danke für ihr Plädoyer.

Wie schön, dass ich gerade an "meinem" ersten arbeite :-)

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Viel Erfolg, bringe gerade mein Drittes heraus. Don, was den Mikrofilm angeht:In den wichtigsten Archiven ist der immer noch DAS relevante Medium zur Langzeitarchivierung!

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Meine Ablehnung von Mikrofilm kommt von handschriften des Mittelalters - der Bruch vom Pergament runter zum Bildschirm ist zu gross.

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Leider wahr,

die sinnliche Erfahrung, eine mittelalterliche Handschrift in der Hand zu halten und darin zu lesen ist schon was besonderes.

Also, wenn es tausende von Jahren halten soll, muss man es wohl in Glas einritzen.

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Back to the roots (@avantgarde)
Tontäfelchen, ich empfehle da dringend Tontäfelchen. Wird von führenden sumerischen Antiquaren dem doch zu spröden Gals vorgezogen...

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Nur: Da wird das Platzproblem schnell evident. Echtes Hadernpapier des nördlichen Mittelmeerraums, und gute Druckerschwärze, das ist bei guter Lagerung das Optimum.

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2000..Hmm... Ach deshalb bin immer nur mit so junge Britschn beinander. Hättst des moi eher gsogt. Etz is des Kraut scho ausgschütt.

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No dazua bealina Britschn. Do legst me. So a Gfrett.

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Nah, nah. Ich konzentrier mich auch von hier aus nur auf Mingara Weiwa.

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Ah so. Nochara bassds scho. Gibds vo dene so vui bei de dreggadn Breissn?

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Eben net.

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zefix. i woass scho worum de schdod nixn fia mi is.

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Apropos "kein Platz für soviele Bücher":

Dafür gibt es Bibliotheken, ich kann nur die Bayerische Staatsbibliothek und das Deutsche Museum empfehlen.

Und apropos "extrem robuster, zuverlässiger Datenträger":

"... Rund dreieinhalb Millionen Bände der Bayerischen Staatsbibliothek, darunter wertvolle Handschriften und seltene Drucke, einmalige Schätze unseres kulturellen Erbes, sind durch Säurefraß, Kriegseinwirkung und langjährige Benützung schwer geschädigt. Fast jedes zweite Buch ist betroffen. Abhilfe ist möglich, würde aber mit den von der öffentlichen Hand zur Verfügung gestellten Mitteln weit länger als hundert Jahre dauern. Die bedrohten Bücher wären bis dahin längst zerfallen - eine Katastrophe für uns alle.
Die Bayerische Staatsbibliothek braucht deshalb die Hilfe ihrer Freunde. Helfen auch Sie! ..."
http://www.bsb-muenchen.de/foerder/fbuchpat.htm

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Ausnahmsweise mal ein Fall von Guerrillamarketing, der mir unterstützenswert erscheint :-)

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Bücher sind wie gute Freunde...
Bücher sind wie gute Freunde. Sind es zu viele, muß man sie entfernen. Sie oder ich! Wohnraum ist nicht beliebig vermehrbar.
In der Konsequenz: für jedes angeschleppte Buch muß ein anderes raus. Das schafft Platz und Bewußtsein.

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ich habe Platz, genug Platz für mindestens eine Dekade - und wenn es dann doch nicht mehr reicht, wird eben vergrössert.

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Du glücklicher unter den Sterblichen! Aber auch das Regensburger Schloß war nach vier Jahrhunderten voll und die Pretiosen wurden verramscht. So ist das Problem auf spätere Generationen abgewältzt.
Übrigens: wie kriegt man die Fotos in die Artikel? Bei mir will das nicht so.

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Wenn Du bei blogger.de oder twoday.net bist, dann geht das so: Wenn Du eingelogt bist, erscheint links oben so ein Menu:

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Bilder ist der richtige Begriff - da drücksz Du drauf. Dann steht da oben:

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Clicke auf ... add an image. Dann kommt eine Maske, daneben steht:

Local file: Durchsuchen

Auf die Durchsuchen-Schaltfläche clicken. Dann geht ein eigenes Fenster auf, und da kannst Du dann Deine Festplatte nach dem gewünschten Bild durchwühlen. Anclicken, damit es in der Maske erscheint, und dann Runterscrollen - eventuell noch die maximale Grösse in Pixel ändern, und dann auf Save drücken. damit wird das Bild hochgeladen.

Dann erscheint eine Seite mit folgendem Satz:

To insert this image into a story, comment or skin copy/paste the following code:

häckchen auf % image name="donimbettmitisabella" % häkchen zu

Und diesen Code kopierst Du und fügst ihn in den Text ein, wenn Du einen Beitrag schreibst. Also:

"Isa - geht schon.

Also, was gestern passiert ist, zeige ich mal im Bild:

häckchen auf % image name="donimbettmitisabella" % häkchen zu

gar nicht so übel"

Abschicken, und dann ist das Bild drinne.

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ich bin dazu uebergegangen, die Buecher an mehreren Orten aufzubewahren. Die alltaeglichen und in regem Gebrauch befindlichen bei mir, die anderen wohlfeilen in guter Lagerstatt bei den Eltern. Wenn die rastlosen Zeiten vorbei sind, werden sie vereint bei mir stehen.

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Der Fluch ist, wenn ich dann nachts etwas ganz bestimmtes suche und es ist nicht da. Deshalb habe ich mir die wichtigsten 100 Bücher zweimal gekauft (Gut, vom Decamerone kann man nie genug haben)

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