Real Life 07.02.06 - Eine Viertel Million.

250.000. Das war früher eine halbe Million Mark. Und was bekommt man dafür? 95 nackte Quadratmeter ohne Balkon. Noch nicht mal ordentlich restauriert. Ohne alles, keine Möbel, keine Küche. Und dann noch dieser Irrsinn hier. Ich fasse es nicht, ich fasse es einfach nicht. 1.500 Euro für eine Lampe.

Du lässt Iris weiter vor sich hin ärgern, denn in solchen Situationen kannst du nur das Falsche sagen. Dabei hatte alles so gut angefangen. Vor einem Monat beschloss ihr Clan, es sei jetzt wieder an der Zeit, dass Iris eine eigene Bleibe bekommt. Nach dem zermürbenden Scheidungskrieg waren 170.000 von der alten Wohnung eingegangen, und Papa legte generös nochmal 80.000 drauf. Doch die allgemeine Teuerung in der Boomtown hat aber die Preise explodieren lassen, und wer ein Haus in der Bestlage hat, verkauft nicht. Die Zeiten, wo Leute wie Iris Eltern den Stammsitz in der Stadt für den Verkehrswert verkauften und dachten, sie hätten damit die Stadt ausgenommen wie eine Weihnachtsgans, sind lange vorbei. Es gibt ein paar Wohnungen zu kaufen. Aber die kosten. Nicht zu knapp.

Und dann ist da noch die Sache mit der Einrichtung. Vorhanden ist erst mal nichts. Die kluge Frau sorgt vor und kauft jetzt schon mal ein paar Leuchter. Dachte sich Iris, und deshalb stapfst du mit ihr durch das bitterkalte, verschneite Schwabing, hinauf Richtung Hohenzollernstrasse. Hier gibt es ein gutes Dutzend Antiquitätenläden der mittleren Kategorie, was das halt so in München bedeutet: Preise, die auch verwöhnte Kundschaft schlucken lassen.



Da sind zum Beispiel die Vertreter englischer Waren. Der erste, gleich ums Eck, hat eine Art Zauberhöhle, von deren Decken die funkelnden Glaszapfen in dichtem Schauer verharren. Mit dem Inhalt könnte man ein mittleres Schloss ausstatten - wenn man ein mittleres Schloss zu Geld machen würde. Selbst die kleinste Stehlampe von dem Typus, die in Berlin 40 Euro kostete und jetzt deine Küche erhellt, kostet hier das 20-fache. Ohne das Tischchen, auf der sie steht. Das kostet nochmal, egal, es gibt ja noch weitere Läden. Weniger exklusiv eingerichtet, aber hey, das sieht man den Dingen nachher nicht an. Das heisst, wenn man das Preisschild dran lässt, dann schon - und auch die weniger hübschen Läden sehen keinen Grund, die Lüster billiger abzugeben.

So steht ihr vor dem Schaufenster, und Iris ärgert sich. Gegenüber bei der Basis Buchhandlung wühlen dick angezogene Studenten in Buchkisten und ahnen nichts vom Elend derer, die sie als Klassenfeinde wahrnehmen. Luxusproblem würden sie das vielleicht nennen. Eine Existenzfrage ist es in einer Kleinstadt, die den gesellschaftlichen Erfolg mitunter in 1,5 Meter hohen Porzellan-Tigern aus Nymphenburg, postiert neben der Glastür zur Halle zum Ausdruck bringt. Roaaarrr. Da muss man mindestens einen Kronleuchter auf dem Klo entgegensetzen, sonst wird es eng mit der Reputation. Aber das ist schwierig bei diesen Preisen.

20.000, mehr kann ich für die Einrichtung nicht ausgeben, sagt Iris. Bei den Preisen bekomme ich dafür nur die Lampen, und die Küche. Ich werde vom Boden essen müssen. Oder bei Ikea einkaufen.

Lass uns nach Berlin fahren, schlägst du vor. Eine Woche, und dann haben wir alles, die Miris, die Haidars, die Fares, der Mettré, die können dir helfen. Für einen Bruchteil dessen, was es hier kostet. Ausserdem, so einer wie da rechts ist noch in der Garage, und den Korbleuchter, den hast du auch, da lässt sich schon was machen für den Anfang. Leihweise. Im Laufe der Zeit kommen schon die Gelegenheiten, die Trouvaillen. Zum Beispiel den da links hinten, den hast du praktisch genau so beim letzten Mal in Berlin gesehen. Für 160 Euro.

Und?

Nichts und. Ich habe keinen Platz dafür. Ich habe ihn natürlich nicht genommen.

Man bräuchte, sagt Iris und zieht dich weiter in Richtung Café Alt-Schwabing, irgendso einen Ort im Internet, wo das alles drinsteht, wo die guten Sachen sind. Wo man hinschreiben kann, ich brauche 5 Kronleuchter, die und die Grösse, 3 Kommoden, 2 Schränke, eine Sitzgarnitur im englischen Stil, ein paar Barocksessel, zwei Kisten Rosenthal, einen Coffre a Courrier, sowas. Und irgendwelche Leute schauen dann, ob sie sowas finden, ob sie Orte kennen, wo es sowas gibt.

Das gibt es schon.

Ach?

Ja, www.sothebys.com.

So ein Coffre a Courrier, allerdings als Stillmöbel, steht und Berlin in der Flughafenstrasse, fällt dir ein. Du sagts es auch, um den Groll, den Iris hegt wie deine Liebste ihren verfetteten Köter, zu besänftigen. Und auch auf die anderen Sachen wüsstest du Antworten. Du siehst so viel auf deinen Streifzügen, du kannst aber kaum mehr was brauchen, weil du schon mehr Teekannen als Teesorten hast und die Hälfte des Berliner Hausstandes immer noch unausgepackt im Keller steht. Vielleicht solltest du mal drüber schreiben, wo es was gibt, und vielleicht gibt es auch noch andere, die etwas wissen und ihre Funde präsentieren wollen, die die richtigen Läden kennen und die guten Gelegenheiten, wo man zusammenraffen kann, was man so braucht, wenn es zwar schnell gehen muss mit der Beschaffung, aber das Leben in Ikea keine Option ist.



Und als sich Iris über die Kuchentheke beugt und die Schwarzwälder Kirsch begutachtet, hat dich die Überlegung zu einem Blog über Flohmärkte, Günstiges bei Ebay und Sperrmüllraubzüge so im Griff, dass du dieses eine Mal wirklich nur zufällig und geistig völlig abwesend in eine Richtung starrst, in die zu blicken ausgesprochen unschicklich ist.

Samstag, 11. Februar 2006, 22:56, von donalphons | |comment

 
Ohja, bitte.

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Unschicklich blicken oder raubzugbloggen?

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Oh, ja

ein paar Kristall-Leuchter bitte.

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Gut, dann besetze ich mal trouvaillen.blogger.de

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Schatzbloggen, bitte. Und ohne die geistige Abwesenheit.

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jaja, schon gut. Et voilá:

http://trouvaillen.blogger.de/

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Wobei ich gerade auch wordpress.com ausprobiere, aber das macht grad nicht so den dollen Eindruck.

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1. Wohnungen in Boomtown sind schweineteuer. Außerdem ist der Markt nach der Abschaffung der Eigenheimzulage leergefegt. Übrig sind die Ladenhüter wie Dach-, Maisonett- und Altbauwohnungen, zu verkaufen an handwerklich begabte.
2. Interieur und Accessoires sind noch teurer. So was kauft man nach und nach, zB einen Lüster überm Esszimmertisch inVenedig auf der Hochzeitsreise. Wobei wir bei Punkt drei wären.
3. Ein Rat fürs Leben: gehe nie mit einer Frau Möbel einkaufen. Das ist ein Verlöbnis. Und mache es dann öffentlich. Das ist ein schriftliches Eheversprechen. Nun schau, wie Du da wieder raus kommst.

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Es würde mich nicht wundern, wenn die Dame vom Heiraten erst einmal genug hätte. Und dass donalphonso dafür aus diversen Gründen ohnehin nicht zur Verfügung steht, ist auch hinreichend bekannt - sicherlich auch einer Freundin aus alten Zeiten.

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Achhhh... ich weiss gar nicht mehr, wieviel Nachbarstöchter durch mein Bett marschieren mussten, bis man mir glaubte, dass ich nicht schwul bin... und als sie es dann glaubten, waren sie auch nicht begeistert... und nach meiner Vita bin ich in meinen Kreisen ohnehin unzumutbar. Es hat schon seine Gründe, warum die Aussenseiter dieser Gesellschaft zusammenhalten, anständige Leute würden sich mit unsereins nicht abgeben.

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Wobei.. da war diese Party bei den D.s im Garten im Sommer, als sie den Nachbarsjungen am nächsten Morgen vor der Haustür mit Alkoholvergiftung fanden und dann auch die Suche nach den Fehlenden los ging, weil man dachte, R. und ich könnten in den Bach gefallen sein... und dann haben sie uns auch gefunden, und seit genau diesem Tag war eigentlich alles klar. So gesehen waren das gar nicht so viele, damals.

Ach ja. das muss ich auch noch mal irgendwann erzählen. Wenn R.s Eltern tot sind.

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Na, das nenne ich einen Spannungsbogen aufbauen. ;-)

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Das kann noch dauern. Die D.´s sind allesamt ganz grauenvoll vitale Brocken. Das macht ihre Töchter für alles Horizontale sehr beliebt, aber es hat auch seine Nachteile. Wenigstens war R. niemand, für den man sich schämen müsste.

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Dass das Ehepaar D. sehr langlebig ist, war zu befürchten. Und falls R.s Eltern demnächst ganz plötzlich das Zeitliche segnen, wird der Verdacht prompt auf irgendwelche Blogger fallen.

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Nun, natürlich ist den D.s ein langes Leben zu wünschen, würde ihr Ableben doch die gefürchteten, berüchtigten D.-Sisters in die provinz zurückbringen - und Dutzende Männer müssten um ihre Integrität fürchten, wenn die mal loslegen würden.

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Stoff für noch mehr Geschichten. ;-)

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Ich weiss nicht, ob ich das alles aufwärmen soll. Es war nur eine bedingt lustige Zeit. Backfische beim Kiemenatmen in Spiessersosse, für die meisten mit einem dicken Ende im Ehebratrohr....

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Oh, ich dachte eher an die Einheimischen, dann hätten die wieder etwas zu klatschen (denn ich vermute einmal, die Geschichte mit R. dürfte damals für einiges Gerede gesorgt haben).

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