Heimat schlimmer als der Tod
Man könnte nett sein und es als freie Interpretation über einen ländlichen Kleidungsstil des 18. und 19. Jahrhinderts bezeichnen. Man könnte dieses Maschgererfest für die ganze Familie als nostalgischen Spass belächeln. Oder angesichts der leinenhemdlederhosigendirndelnden Preussendrecksbande vor den Toren des oktoberfestträchtigen Münchens als harmloses Wochenendvergnügen betrachten. Ginge alles. Aber ich komme von hier.
Und diese Pseudotracht ist schlichtweg unerträglich. Diese gschelckten Lederhosen, die nie etwas anderes gesehen haben als Trachtenumzüge, Bierbänke und das Innere eines Kleiderschrankes, keinen Schmutz, keine Hobelspäne und keine Felsen, und die hier im Norden Oberbayerns fast so authentisch sind wie Seemannshemden, Zuluspeere und Kimonos. All die tätowierten, gepiercten Weiber mit rüschenverseuchter Tittenpräsi, gestern noch Malle, heute schon Dorfplatz. Und nachher erficken sie den Nachwuchs, der das Land zu dem macht, was es leider viel zu oft ist.
Ich bin tolerant. Ich verurteile niemanden wegen seines Aussehens. Bitte, von mir auch aus Trachtenjanker aus nachgemachten Mehlsäcken und Datierung auf 1899. Und klar, bitte, man kann sich auch so rund saufen, wie man sich mancher in Berlin in Richtung Delirium Tremens säuft. Niemand muss nach den Kriterien der diversen Hochglanzzeitungen rank und schlank sein, im Gegenteil, der Biafrastil ist ausgesprochen unsexy. Aber wenn ich, der ich so ziemlich normal bin, kaum mehr einen Meter durchdrängen kann, ohne an die eine oder andere am Körper hängende monströse Fleisch-, Fett- oder Gewebehalbkugel zu stossen, dann wird das irgendwann zu viel. Fasten wäre natürlich zu viel verlangt, gerade jetzt in der Saison zwischen Volksfest, Dult und Erntedank. Aber trotzdem. Es ist kein Wunder, wenn der Besuch 20 Kilo aufwärts zunehmen müsste, wenn er in die hier angebotenen alten Dirndl passen wollte. Aber auch das ist irgendwie Tradition, so stehen sie schon immer auf dem Markt, in den Statuengruppen der Kirchen und das, was sie nachher im blau bemalten Ikeabett zusammenbringen, wird diese Tradition fortsetzen.
Ich kann damit leben. Meistens. Wenn es mir nicht zu nahe kommt. Es gibt übrigens auch Ausnahmen. Wenn ein Händler meint, man könne so einen Rock auch als Kontrast nehmen, da hätte eine Kundin mit karierten Strümpfen und Turnschuhen etwas gekauft, was dann wirklich toll ausgesehen hätte. Aber der Umstand, dass ich es eben nicht mit anthropologischem Interesse betrachten kann, weil es viel zu Nahe ist, weil ich in diesem Umfeld lebe, macht es so unsagbar schwer, das einfach als reine Freude unschuldiger Toren abzutun. Ein Button mit der Aufschrift "Nicht arisch, nur vegetarisch" oder "Mein anderes Hemd trägt Zitzit" hätte meine Stimmung retten können, oder das letzte Stück vegetarischer Flammkuchen, das ein Haufen Trachtler in der Schlange vor mir auch haben wollten. Und ich rede schon wieder über das Essen. Furchtbar. Als wäre ich einer von denen.
Und diese Pseudotracht ist schlichtweg unerträglich. Diese gschelckten Lederhosen, die nie etwas anderes gesehen haben als Trachtenumzüge, Bierbänke und das Innere eines Kleiderschrankes, keinen Schmutz, keine Hobelspäne und keine Felsen, und die hier im Norden Oberbayerns fast so authentisch sind wie Seemannshemden, Zuluspeere und Kimonos. All die tätowierten, gepiercten Weiber mit rüschenverseuchter Tittenpräsi, gestern noch Malle, heute schon Dorfplatz. Und nachher erficken sie den Nachwuchs, der das Land zu dem macht, was es leider viel zu oft ist.
Ich bin tolerant. Ich verurteile niemanden wegen seines Aussehens. Bitte, von mir auch aus Trachtenjanker aus nachgemachten Mehlsäcken und Datierung auf 1899. Und klar, bitte, man kann sich auch so rund saufen, wie man sich mancher in Berlin in Richtung Delirium Tremens säuft. Niemand muss nach den Kriterien der diversen Hochglanzzeitungen rank und schlank sein, im Gegenteil, der Biafrastil ist ausgesprochen unsexy. Aber wenn ich, der ich so ziemlich normal bin, kaum mehr einen Meter durchdrängen kann, ohne an die eine oder andere am Körper hängende monströse Fleisch-, Fett- oder Gewebehalbkugel zu stossen, dann wird das irgendwann zu viel. Fasten wäre natürlich zu viel verlangt, gerade jetzt in der Saison zwischen Volksfest, Dult und Erntedank. Aber trotzdem. Es ist kein Wunder, wenn der Besuch 20 Kilo aufwärts zunehmen müsste, wenn er in die hier angebotenen alten Dirndl passen wollte. Aber auch das ist irgendwie Tradition, so stehen sie schon immer auf dem Markt, in den Statuengruppen der Kirchen und das, was sie nachher im blau bemalten Ikeabett zusammenbringen, wird diese Tradition fortsetzen.
Ich kann damit leben. Meistens. Wenn es mir nicht zu nahe kommt. Es gibt übrigens auch Ausnahmen. Wenn ein Händler meint, man könne so einen Rock auch als Kontrast nehmen, da hätte eine Kundin mit karierten Strümpfen und Turnschuhen etwas gekauft, was dann wirklich toll ausgesehen hätte. Aber der Umstand, dass ich es eben nicht mit anthropologischem Interesse betrachten kann, weil es viel zu Nahe ist, weil ich in diesem Umfeld lebe, macht es so unsagbar schwer, das einfach als reine Freude unschuldiger Toren abzutun. Ein Button mit der Aufschrift "Nicht arisch, nur vegetarisch" oder "Mein anderes Hemd trägt Zitzit" hätte meine Stimmung retten können, oder das letzte Stück vegetarischer Flammkuchen, das ein Haufen Trachtler in der Schlange vor mir auch haben wollten. Und ich rede schon wieder über das Essen. Furchtbar. Als wäre ich einer von denen.
donalphons, 00:53h
Montag, 4. September 2006, 00:53, von donalphons |
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richard graf rappoldstein,
Montag, 4. September 2006, 01:31
Auf Lederbundhosen ...
... lasse ich nichts kommen. Die trage ich im Garten ständig und wenn ich in der Schweiz auf die Jagd gehen sowieso. Das ist die Rettung vor dem Nato-oliv der Jäger.
Skandal-Trachten sind doch die sexy Alternative zum Trainingsanzug aus Fallschirmseide. Did anybody mention catsuits?
Skandal-Trachten sind doch die sexy Alternative zum Trainingsanzug aus Fallschirmseide. Did anybody mention catsuits?
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andreaffm,
Montag, 4. September 2006, 03:11
genau:
Kniehosen sind das beste überhaupt zum stilvollen Radfahren. Jetzt nicht unbedingt aus Leder - aber damit umgeht man die kreischbunte Nylonkluft, die offenbar unausweichlich zum Sporteln gehört. Und ans Schräg-angeguckt-werden gewöhnt man sich auch mit der Zeit.
Leider scheine ich einen völlig anderen Sinn für Praktikabilität entwickelt zu haben als die Restmenschheit. Oder wie ist es zu erklären, daß mein monochromes Outfit immer so viel auffälliger ist als die neongelb-pinke Kombi der anderen? Da stimmt doch was grundsätzlich nicht.
Leider scheine ich einen völlig anderen Sinn für Praktikabilität entwickelt zu haben als die Restmenschheit. Oder wie ist es zu erklären, daß mein monochromes Outfit immer so viel auffälliger ist als die neongelb-pinke Kombi der anderen? Da stimmt doch was grundsätzlich nicht.
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oma-sagt,
Montag, 4. September 2006, 06:20
Das eigentlich Tragische an den Neon-Lycra-Radlern ist ja, dass die meisten fahren als hätte man ihnen die Kniescheiben rausgeprügelt. Würden Verpackung und Inhalt übereinstimmen täte ich mir zumindest deutlich leichter, über den Augenkrebs- und Idiotenfaktor hinwegzusehen, wenn mal wieder einer von denen den Radweg blockiert.
Allein die Bezeichnung "Funktionskleidung" ist ja schon so verdächtig. Da gibt's dann "Features" statt praktisch.
Allein die Bezeichnung "Funktionskleidung" ist ja schon so verdächtig. Da gibt's dann "Features" statt praktisch.
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chat atkins,
Montag, 4. September 2006, 11:32
Dieses "Ich bin tolerant" nach dem auskeilenden Absatz zuvor - das kam wirklich gut.
;-)
;-)
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donalphons,
Montag, 4. September 2006, 12:26
Schultern klein - aber der Umfang! Die Leibesfülle! Boah.
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zonebattler,
Montag, 4. September 2006, 15:57
Der Besuch...
...braucht (und sollte) kein bißchen zuzunehmen, das fesche Lesungs-Dirndl vom Frühjahr stand ihm (ihr) doch ganz vorzüglich! ;-)
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donalphons,
Montag, 4. September 2006, 20:09
Nur war das kein echtes Dirndl. Sondern eine Replik für schmächtige Städterinnen. Hier nun trifft das pralle Land auf die eher dünne Stadt. Und da knirscht es.
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kollegenblog,
Montag, 4. September 2006, 18:26
....hehehe
...wer den Barthelmarkt überlebt hat, und noch dazu wegen der netten Kollegen dann noch auf das Gillamoos
gehen durfte, den kann nichts mehr schocken....
gibt es eigentlich sonst noch in Deutschland Volksfeste die am Montag um 6:00 Uhr früh beginnen und bei denen spätestens um 7:00 Uhr die ersten Bierleichen herumwanken ?
Oder haben wir in Bayern hier eine Alleinstellung ?
gehen durfte, den kann nichts mehr schocken....
gibt es eigentlich sonst noch in Deutschland Volksfeste die am Montag um 6:00 Uhr früh beginnen und bei denen spätestens um 7:00 Uhr die ersten Bierleichen herumwanken ?
Oder haben wir in Bayern hier eine Alleinstellung ?
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donalphons,
Montag, 4. September 2006, 20:13
Ich sage nur Jurafest Lenting, der Magnet für das bsuffane Gschleaf vo Freising bis Dengndoaf, von da an geht´s owi zum Volksfest in Beijngrias. Da waren wir gestern und haben versucht, uns am Auflauf der Massen in den zentralen Strassen vorbeizudrängeln. Aussichtslos. Über einen Feldweg dann gelang die Flucht aus dem Kollektivbesäufnis.
Sowas gibt es wirklich nur in der bayerischen Provinz.
Sowas gibt es wirklich nur in der bayerischen Provinz.
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kollegenblog,
Montag, 4. September 2006, 23:24
...Montag morgens um 6:00 Uhr
beginnt hier schon das Komasaufen.
Und das dürfte hier wohl ziemlich einmalig sein.
Auf den Dörfern rundherum gab es beispielsweise den
"Bahrtelmarkt Montag" . Da hatten dann Baugeschäfte, Raiffeisenbanken usw komplett geschlossen.
Die Belegschaften trafen sich dann Montag morgens um 5:30 Uhr und fuhren zum Barthelmarkt und dann ( siehe Einleitungssatz )
Achja und das Jurafest, die Zelte werden ja schon aufgebaut. Ein paar Pseudofahrgeschäfte und Freßbuden als Alibi damit das Zelt nicht alleine dasteht.
Vielleicht lässt sich die Blasmusi ja nur ab einer bestimmten Promillezahl ertragen ?
Wann ist eigentlich Oktoberfest ?
Und das dürfte hier wohl ziemlich einmalig sein.
Auf den Dörfern rundherum gab es beispielsweise den
"Bahrtelmarkt Montag" . Da hatten dann Baugeschäfte, Raiffeisenbanken usw komplett geschlossen.
Die Belegschaften trafen sich dann Montag morgens um 5:30 Uhr und fuhren zum Barthelmarkt und dann ( siehe Einleitungssatz )
Achja und das Jurafest, die Zelte werden ja schon aufgebaut. Ein paar Pseudofahrgeschäfte und Freßbuden als Alibi damit das Zelt nicht alleine dasteht.
Vielleicht lässt sich die Blasmusi ja nur ab einer bestimmten Promillezahl ertragen ?
Wann ist eigentlich Oktoberfest ?
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donalphons,
Dienstag, 5. September 2006, 00:26
In drei Wochen geht´s los, glaube ich. Mich darf man bei sowas nie befragen, ich meide solche Veranstaltungen, wenn irgend möglich - zuviel erlebt in München.
So richtig widerlich sind die Privatfunker, die dann Betriebsbesäufnisse verlosen, wenn der Chef es zulässt - lässt er natürlich immer.Dagegen ist der Barthelmarkt in Oberstimm ein Musterbeispiel an historischer Korrektheit und Unverdorbenheit, wenn es wieder heisst: "Licht aus, Messer raus".
So richtig widerlich sind die Privatfunker, die dann Betriebsbesäufnisse verlosen, wenn der Chef es zulässt - lässt er natürlich immer.Dagegen ist der Barthelmarkt in Oberstimm ein Musterbeispiel an historischer Korrektheit und Unverdorbenheit, wenn es wieder heisst: "Licht aus, Messer raus".
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