Privates Sammeln, öffentliches Besitzen

Keine Frage, der Deal, den der Ministerpräsident von Baden-Württemberg mit dem ehemaligen Herrscherhaus Baden ausgehandelt hat, ist widerlich: Grosser Auktionsramsch der Landesbibliothek Karlsruhe zugunsten des letzten Schlosses Salem, das der Familie noch bleibt. Und es ist auch ein Schlag ins Gesicht für alle anderen, die sich den Rücken wundarbeiten, um historische Bausubstanz zu retten, ohne dass sie dafür irgendwas anderes bekommen als teure Auflagen vom Denkmalschutz.

Natürlich ist die Erhaltung grosser Häuser ein Verdienst, den man honorieren kann, und Salem ist sicher keine kleine Verpflichtung. Würde ich mich aber hinstellen und ähnlich rumkrakeelen - da wäre nämlich durchaus noch eine Geschichte offen aus der Zeit vor 1945 - und ansonsten versuchen, dem alten Glanz der Familie durch Bewohnen von zweieinhalb Stockwerken und 25 Zimmern nachzueifern, weil es früher so war, und würde ich dann pleite gehen - keine Träne würde man mir nachweinen, und ich kann das nachvollziehen. Das Leben im 21. Jahrhundert zwingt alle Besitzer alter grosser Häuser zu Kompromissen, egal wie sehr das Ergebnnis später nach verlorener Grösse riecht. 10 Zimmer müssen für das kleine spanische Hofzeremoniell reichen ;-). Meine Mutter war eben die letzte der Familie, die noch eine Haushälterin hatte, und die Zeiten, in denen der Patron hinten aufstockt, um nochmal Platz zu schaffen für 5 Arbeitskräfte, die ihm auf Gedeih und Verderb ausgeliefert sind, sind glücklicherweise vorbei. Ich putze eben meine Wohnung selber, und wenn die Hilfskräfte Urlaub haben, sieht man mich durchaus auch beim Treppenputzen. Und nachher schneide ich den Wein. Ich mache das gerne.

Es hat also schon seine Gründe, wenn die grossen Häuser Englands, Italiens und Frankreichs meist im Staatsbesitz sind. Das ist wegen der Grösse nicht anders zu machen. Wer so ein Haus haben will, muss mit den Konsequenzen leben, und die sind durchaus heftig. Und dennoch, bei allem Widerwillen gegen diese Entscheidung des Ausverkaufs zugunsten der ehemaligen Herren, in einem Punkt kann ich die Sache nicht nachvollziehen - und das ist die Angst vor dem Übergang von Kulturgut in Privathände. Denn das Wechselspiel zwischen Privat und Öffentlichkeit hat durchaus Tradition und Sinn.



Denn wer Museumsleute und ihre Marotten kennt, weiss um die Zweiseitigkeit dieser Geschichte. Museumsleute gehören auf den Auktionen dieser Welt zum Übelsten, was man sich vorstellen kann, vom MoMa bis runter zum Ortskundezimmerchen. Der Grund dafür sind weniger die staatlichen Budgets für Ankäufe, als vielmehr der Zwang, möglichst spektakuläre Neuerwerbungen zu haben. Die Gier, die aus den Seiten mit den frischen Prunkstücken des Städel-Jahrbuchs trieft, ist immens. Museumsleute profilieren sich mit solchen Zukäufen, für die eigene Berühmtheit und zum Requirieren weiterer Mittel bei Stiftern und öffentlichen Stellen. Die Folgen sind Vorkaufsdeals mit Auktionshäusern, überzogene Preise etwa bei Chippendale- und Röntgenmöbeln, und das, obwohl die Depots weltweit überquellen von derartigen Stücken. Und nachher fehlt das Geld zur Erhaltung - man schaue sich nur mal etwas genauer in Nymphenburg oder Ansbach die Möbel an.

Was in Depots verschimmelt, in Kisten schläft oder in Hallen abgestellt wird, ist der unter dem Wasser liegende Körper des Eisbergs, ohne den es scheinbar in der Kulturpolitik nicht geht. Kein Privatsammler könnte seinen Besitz mehr wegschliessen, als die Vorratspolitik staatlicher Stellen. Und weil von dort etwas kaum mehr in den Handel gelangt, verknappt es auf Dauer die freie Zirkulation, die man sehr schön in den Katalogen von Sotheby´s und Christie nachvollziehen kann: Denn dort tauchen viele Stücke nach 20, 40, 60 Jahren wieder auf, wenn eine Sammlung zerschlagen wird. Sie wurden geschätzt, beliebt und bewundert, der Besitzer hat sich daran gefreut, und dann ist der Nächste dran, denn jeder Sammler stirbt irgendwann, Es gibt dann zumindest einen Katalog und eine Einordnung der Werke - mehr als die staatlichen Stellen hinbekommen. Und der Katalog eröffnet einen neuen Kreislauf.

Nur der Staat, der ist ewig. Es gibt da ein Buch in meiner Bibliothek, das eine bestimmte staatliche Stelle dringend haben will; ein Philosph hat in den 20er Jahren eines seiner wichtigsten Quellenwerke mit Anstreichungen und Notizen - noch dazu eine Originalausgabe aus dem XVIII. Jahrhundet - verschenkt, und somit ein Loch in seine Bibliothek gerissen. Durch Zufall gelangte das Buch zu mir, und wenn ich sterbe, dachte ich, können sie es haben. Sollen sie doch die Habil "Philosoph X und seine Rezeption der kleinen Romane Voltaires unter besonderer Berücksichtigung des Candide" schreiben. Aber so, wie es gerade in der Heimat des Philosphen abgeht, in Baden-Württemberg nämlich, wäre das ein doppelter Fehler - es käme zu einem gierigen Staat, der es erst wegsperrt und vielleicht später die gesparten Mittel einem noch gierigeren Haus in den Rachen wirft.

Donnerstag, 28. September 2006, 15:21, von donalphons | |comment

 
Staatliche Sammlungen ....
.... vor ein paar Wochen sass ich bei einem Mittagessen in Zürich neben einem Schweizer Berufsmilitär. Anlass war der Empfang des Oberhaupt des Hauses Reuss auf Einladung eines Mitglieds der Familie Sachsen Coburg Gotha. Anway. Der Generalstabmesch erzählte, dass er inkognito für das Landesmuseum eine von drei erhaltenen Mützen General Guisans, des Oberkommandierenden der Schweizer Armee im Zweiten Weltkrieg, ersteigert habe. Etwa CHF 90.000 inkl Aufgeld hat sich die Eidgenossenschaft diesen Spass kosten lassen. Eine andere Mütze ging für CHF 150.000 an einen Privatmann. Wenn man bedenkt, welche Rolle schon die Kopfbedeckung des Vogtes für Wilhelm Tell hatte, versteht man die «Swiss Obsession» mit Hüten.

Ach. Weil es halt so aktuell passt. Dreimal dürfen Sie raten, Don, wo der junge Markgraf zu Baden studiert hat. Bingo. St, Gallen. So viel zur Kulturgeschichte an diesem Ort.

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Wußte gar nicht, dass die Schweizer am 2.Weltkrieg teilgenommen haben...

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Die sassen bis an die Zähne bewaffnet an der Grenze und haben gewartet, dass jemand angreift. Die Schweiz war übrigens das einzige Land in Europa, das 50 Jahre Kriegsbeginn statt das Kriegsende feierlich begangen hat ....

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"und haben gewartet, dass jemand angreift."

HAHAHA, der war gut. Hihi. Aufhören, ich kann nicht mehr.

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Das ist nicht lusdisch, die warten naemlich noch immer.

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das buch da, vom dem Sie erzählen
is bestimmt aus dem Klemperer seine Bibliothek, der mußte ja Bücher abgeben

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Ne, einer, der zu dem Zeitpunkt schon nicht mehr lebte.

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Im Wiener Hofmobiliendepot gibt es ein begehbares Lager. Da wird einem die Verschwendung direkt vor Augen geführt. Ich empfinde diese Art der "Verwendung" als ein Schlag ins Gesicht des jeweiligen Handwerkers. Schließlich hat er das Stück nicht erschaffen, damit es in irgendwelchen Depots verschimmelt, sondern damit es benutzt wird oder sich zumindest noch jemand an seinem Anblick in der passenden Umgebung erfreut.

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Ich kann das noch in sofern verstehen, als dass man manchmal eine mobile Reserve für Ausstellungen und Restaurierungen braucht. Wo es aber bei mir aussetzt, sind die Zukäufe und Stiftungen, die dann verschwinden. Krasses Beispiel sind einige Museen, deren Bestände aus dem Mittelmeerraum zusammengeplündert sind und die sich weigern, auch nur Stücke aus den Depots abzugeben, obwohl die seit über 100 Jahren nie gezeigt wurden.

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Dummes Gesülze
Als Blogger, der sich am intensivsten um diesen Fall bemüht, siehe http://archiv.twoday.net, halte ich die Argumentation für absoluten Unsinn.

Richtig ist: Alle Wissenschaftler kamen an die Handschriften der BLB Karlsruhe heran, ich bezweifle, dass Journalisten mit einem nachvollziehbaren Interesse abgewiesen wurden. Von Wegsperren kann bei Bibliotheken und Archiven nicht die Rede sein.

Dank Ebay hat die Chance zugenommen, dass mittelalterliche illustrierte Handschriften zerlegt und die Einzelbilder verkauft werden.

Sodann sind in Privatsammlungen - Don Alphonsos eigene mit dem kostbaren Buch ist das beste Beispiel - überhaupt nicht öffentlich zugänglich. Ob und wer reingelassen wird (was nur in einem kleinen Teil der Fälle passieren dürfte), entscheidet der Eigentümer. Er kann sein Eigentum wegsperren, wie es ihm gefällt und wenn er lustig ist auch vernichten.

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Mein guter Mann, ich hatte es lang genug mit Primärquellen der frühen Neuzeit zu tun, um die Probleme zu kennen, angefangen vom miseablen Umgang mit Siegeln über unmenschliche Hürden, wenn man halbwegs schnell etwas brauchte, bishin zur Blockade, wenn die Bücher mal nicht in der StaBi oder im StaAr waren, sondern in irgendeinem Keller der Lokaldiktatur südlich von München. Journalistisches Arbeiten kann man da schlichtweg vergessen, es sei denn, man hat Monate Zeit. Und es kann einem sogar als Cand. Phil. passieren, dass einen ein neuer Drache aussperrt, weil der Wissenschaftler erst nach dem Magister beginnt. Man komme mir also nicht mit "Dummes Gesülze", egal wieviel man zu dem Thema geschrieben hat. Das hier

Dank Ebay hat die Chance zugenommen, dass mittelalterliche illustrierte Handschriften zerlegt und die Einzelbilder verkauft werden.

ist völliger Schwachsinn. Die Freunde der Paläographie und Illumination (nicht Illustration, wir reden von Handschriften, mein Herr!) haben schon immer bessere Wege und Mittel gehabt. Gerade bei Ebay Deutschland nachgeschaut: ca. 10 mediokre, angefressene Blätter, das ist alles.

Und was Zimelien und andere Buchschätze angeht: Das Mysterium Buch lebt davon, dass es keine wohlefeile Hure im öffentlichen Freudenhaus ist, sondern geachtet und gewahrt im Harem des Wissenden mit Liebe umsorgt wird. Ich habe da eine Aldine, deren Beschädigungen um 1580 mit der Hand nachgetragen wurde - das ist genauso natürlich wie der monumentale Stich einer römischen Kirche, die ein Idiot zur Mappe umgearbeitet hat. So, wie die Information frei sein will, will das Buch besessen und geliebt werden, und das geschieht in Archiven nicht.

Ungeachtet dessen missfällt mir der Verkauf der Bücher im aktuellen Fall.

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Privatbesitz alter Bücher und deren Genuss ist schön; indes liegt hier der Fall anders. Im Gegensatz zum privaten Besitzer, der mit seinen Zimelien machen kann was er will, hat der Staat sich verpflichtet, diese zu hüten. Dazu gehört z.B., sie nicht mehr als nötig dem Licht auszusetzen und einen Tresor zu haben wegen der Versicherung. Eine Staatsbibliothek gewährt indes jedem Bürger, auch Ihnen, Don, den Zugang, Sie brauchen nur einen Benutzerausweis. Dass man nachfragt, warum Sie das gute Stück sehen wollen, ist insofern legitim, als man so z. B. nach einer international publizierten Ausstellung den stets anbrechenden Zimelien-Tourismus mit Kamera vorm Bauch hofft einschränken zu können. Man wird Ihnen, Don, indes kaum den Zugriff verwehren, da Sie, wie es scheint, in der Lage sind, einen Bibliothekszettel auszufüllen.

Die Karlsruher Angelegenheit ist eine politische, die - käme der geplante Verkauf zustande - einen Flächenbrand initiieren könnte, der die Verluste der Anna-Amalia-Bibliothek bei weitem übersteigt. Insofern haben Sie allerdings recht: da könnten Sie, Don, mit ihren zwei, drei höchst schätzbaren Stücken in 30 Jahren eventuell eine in der Liste aufgeführte Nummer sein. Unterdessen ist jedoch womöglich die eindeutige, also nicht ironische Haltung gefragt.

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Ich habe ein ganz klein wenig Erfahrung im Umgang mit Archiven, was so ein Nebenfach wie historische Hilfswissenschaften mit Schwerpunkt auf Buchkunde so mit sich bringt. Und deshalb sind mir obige Schilderungen zu idealistisch und unpassend angesichts der realen Zustände. Sphragistiker können da lustige Geschichten erzählen. Umgekehrt wird gern lang und ausführlich gesucht. Man kann den Herrschaften durchaus einen gewissen Trott nachsagen.

Vielleicht auch etwas Unverständnis, was Texte angeht? Oben spricht sich keiner FÜR das Verkaufen der besagten Bibliothek aus. Es geht allgemein um das Raffen des Staates in jeglichem Bereich. Mit dem Ergebnis, dass der Hunger zumeist grösser ist als der Magen, der sich in übervollen Magazinen und zu wenig Geld zur Konservierung äussert. Und, offen gesagt, angesichts der Faksimilierungskünste unserer Zeit ist es durchaus zu verschmerzen, wenn das ein oder andere Buch vom einen Tresor in den nächsten wandert, der dann eben nicht mehr staatlich ist.

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Aha. Muss ich jetzt aber grad nicht verstehen als Nicht-Hilfswissenschaftler, oder?

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So schwer ist das oben Gesagte aber nicht, um es nicht zu kapieren.

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Ganz anderes Thema: Warum sind denn die Parktore zum Gehölz geschlossen?

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