Iconographia oder die Invasion der Leipziger Kartoffelnasen
Im 18. Jahrhundert kamen mit der Aufklärung enorme Herausforderungen auf die alten Machthaber zu. Im Zentrum der rationalen Kritik stand die Gesellschaft Jesu, die als finster, verkommen und rückständig galt. Ihr Bücher waren im Vergleich zu den leichten Schriften von Lesage und Crebillion dröge, verkniffen, staubig und von dummer Enthaltsamkeit geprägt. Wenn also schon die Propaganda der Gesellschaft nicht mehr den Erfordernissen der Zeit entsprach, musste wenigstens die Verpackung, die Promo besser werden.
Zumal schon in dieser Zeit Bücher oft nur für das Regal gekauft wurden, wurde das Bohei um die Autoren sehr viel wichtiger. Anfang des 18. Jahrhunderts verabschieden sich die Jesuiten von ihren im Helldunkel des Chiaroscuro gehaltenen Asketenbildern, die von Frohn und Ausgezehr der Bücher künden. An ihre Stelle tritt eine Verkörperung der Gelehrtheit, und es ist ein echter Prachtkörper, eine Frau, die in ihrer Extase verspricht, dass jesuitische Gelehrtheit fast so geil wie ficken ist.
Nie war die heilige Katherina von Alexandrien more bedworthy. Kurz: Angesichts der eigenen, zunehmend unvermittelbaren Inhalte setzt die Gesellschaft auf das Erfolgskonzept der Aufklärer, die es verstehen, ihre Thesen mit Erotik verknüpft unter das Volk zu bringen.
Nicht weit von dieser Verzückung ist mein - aufgeklärter - Buchhändler, bei dem ich meinen de Sade und da Ponte zu bestellen pflege, und der hat ein Regal mit Neuerscheinungen. Dort finden sich gerade die Erst- und Zweitlingswerke von Autoren, die meist in Zonenkäffern mit -rode, -ow oder sonstigen slawischen Wortresten am Ende geboren wurden, und die dann in Leipzig am sog. "Deutschen Literatur Institut" einsassen, zusammen mit ein paar Lehrern, die auch nicht schreiben können und die Nichtbegabung zu vertiefen verstanden. Auf dem Cover findet sich viel Leere und triste Braun- und Beigefarben von Tapeten aus den 70er Jahren, die vorzüglich auf die darin zu findende Tristheit von Ausdruck, Gemüt und Verstand schliessen lassen. Die Heldinnen sind kotzbrechsuchtelnde Psychotanten, die später sicher mal als evangelische Religionslehrerinnen im Vorruhestand böse Leserbriefe schreiben, wenn in einem Roman Sex mit Lust und sonst nichts verbunden sein sollte.
Am Ende dieser Not finden sich dann Autorenbilder, die hinlänglich beweisen, dass man in der protestantischen Zone zu wenig von jesuitischer Cleverness versteht. Die Ikonographie umfasst Ringelshirts, die voraktuellsten Frisurentrends der Super-Illu in leichter Auflösung, möglicherweise mit Photoshop kreierte Kuhaugen, die Peter Lorre vor Neid erblassen liessen, und eine Unsymmetrie des Gesichts, die ihre Ursache im generell verkniffenen Gschau hat. Gekrönt wird das alles von Kartoffelnasen oder anderen unförmigen Rotzausleitungen, die nicht weiter von den süssen Stupsnasen der Rokokoschönheiten entfernt sein könnten. Wahrhaftigkeit wird hier zum Verbrechen, die Freudlosigkeit glotzt einen an, und vielleicht liegt diese Expression minderen Könnens und Schaffens für schleunigstes Vergessen auch schlicht in der Erkenntnis der Abgelichteten im Blitzlicht, dass sie zumindest dieses eine Mal ihr problematisches Verhältnis zur Körperpflege hätten überdenken können.
Ich werde nie verstehen, wie man Lustfeindlichkeit und Kindergartensätze, die die Teenieficker gewisser Fäuletons zu Worten wie "gefühlvoll" und "sprachlich präzise" verleiten sollen, mit derartigen Bildern garnieren kann, die den Abstand dieses Instituts zu Entzugsreha, geschlossener Station oder Magersuchtsbehandlung treffend illustrieren. Ich verstehe nicht, wer Bücher mit Titeln wie "Vielleicht, oder auch so" oder "Grünes Ekzem" kauft, denn die nicht erlebte Welt irgendwelcher Frustbeulen, die aus Langeweile, seichtem Nachdenken von Mareike und dem Schweigen von Constanze besteht, ist lediglich hirnfickrige Literatursimulation. Dieses Geschreibsel so dröge, verkniffen, staubig und von dummer Enthaltsamkeit geprägt wie Landpfarrerunterweisugen der Jesuiten in der Oberpfalz des 18. Jahrhunderts, bedarf eigentlich keines Abdrucks auf Papier, da reicht auch ein aufgegebenes Myblog mit den Abschiedsworten: "Vielleicht mach ich jetzt ein wenig schlitzen, oder ich geh rauchen, wer weiss."
Es gibt einen Mittelweg zwischen den drallen Tussis der Super-Illu und den Kotzbrechsuchtlerinnen mit Lektor, und ich hätte jetzt gern so eine geile Katherina, dachte ich mir nach dem Gang durch die Regale - und fand letztlich die Autobiographie von Catherine Millet.
Zumal schon in dieser Zeit Bücher oft nur für das Regal gekauft wurden, wurde das Bohei um die Autoren sehr viel wichtiger. Anfang des 18. Jahrhunderts verabschieden sich die Jesuiten von ihren im Helldunkel des Chiaroscuro gehaltenen Asketenbildern, die von Frohn und Ausgezehr der Bücher künden. An ihre Stelle tritt eine Verkörperung der Gelehrtheit, und es ist ein echter Prachtkörper, eine Frau, die in ihrer Extase verspricht, dass jesuitische Gelehrtheit fast so geil wie ficken ist.
Nie war die heilige Katherina von Alexandrien more bedworthy. Kurz: Angesichts der eigenen, zunehmend unvermittelbaren Inhalte setzt die Gesellschaft auf das Erfolgskonzept der Aufklärer, die es verstehen, ihre Thesen mit Erotik verknüpft unter das Volk zu bringen.
Nicht weit von dieser Verzückung ist mein - aufgeklärter - Buchhändler, bei dem ich meinen de Sade und da Ponte zu bestellen pflege, und der hat ein Regal mit Neuerscheinungen. Dort finden sich gerade die Erst- und Zweitlingswerke von Autoren, die meist in Zonenkäffern mit -rode, -ow oder sonstigen slawischen Wortresten am Ende geboren wurden, und die dann in Leipzig am sog. "Deutschen Literatur Institut" einsassen, zusammen mit ein paar Lehrern, die auch nicht schreiben können und die Nichtbegabung zu vertiefen verstanden. Auf dem Cover findet sich viel Leere und triste Braun- und Beigefarben von Tapeten aus den 70er Jahren, die vorzüglich auf die darin zu findende Tristheit von Ausdruck, Gemüt und Verstand schliessen lassen. Die Heldinnen sind kotzbrechsuchtelnde Psychotanten, die später sicher mal als evangelische Religionslehrerinnen im Vorruhestand böse Leserbriefe schreiben, wenn in einem Roman Sex mit Lust und sonst nichts verbunden sein sollte.
Am Ende dieser Not finden sich dann Autorenbilder, die hinlänglich beweisen, dass man in der protestantischen Zone zu wenig von jesuitischer Cleverness versteht. Die Ikonographie umfasst Ringelshirts, die voraktuellsten Frisurentrends der Super-Illu in leichter Auflösung, möglicherweise mit Photoshop kreierte Kuhaugen, die Peter Lorre vor Neid erblassen liessen, und eine Unsymmetrie des Gesichts, die ihre Ursache im generell verkniffenen Gschau hat. Gekrönt wird das alles von Kartoffelnasen oder anderen unförmigen Rotzausleitungen, die nicht weiter von den süssen Stupsnasen der Rokokoschönheiten entfernt sein könnten. Wahrhaftigkeit wird hier zum Verbrechen, die Freudlosigkeit glotzt einen an, und vielleicht liegt diese Expression minderen Könnens und Schaffens für schleunigstes Vergessen auch schlicht in der Erkenntnis der Abgelichteten im Blitzlicht, dass sie zumindest dieses eine Mal ihr problematisches Verhältnis zur Körperpflege hätten überdenken können.
Ich werde nie verstehen, wie man Lustfeindlichkeit und Kindergartensätze, die die Teenieficker gewisser Fäuletons zu Worten wie "gefühlvoll" und "sprachlich präzise" verleiten sollen, mit derartigen Bildern garnieren kann, die den Abstand dieses Instituts zu Entzugsreha, geschlossener Station oder Magersuchtsbehandlung treffend illustrieren. Ich verstehe nicht, wer Bücher mit Titeln wie "Vielleicht, oder auch so" oder "Grünes Ekzem" kauft, denn die nicht erlebte Welt irgendwelcher Frustbeulen, die aus Langeweile, seichtem Nachdenken von Mareike und dem Schweigen von Constanze besteht, ist lediglich hirnfickrige Literatursimulation. Dieses Geschreibsel so dröge, verkniffen, staubig und von dummer Enthaltsamkeit geprägt wie Landpfarrerunterweisugen der Jesuiten in der Oberpfalz des 18. Jahrhunderts, bedarf eigentlich keines Abdrucks auf Papier, da reicht auch ein aufgegebenes Myblog mit den Abschiedsworten: "Vielleicht mach ich jetzt ein wenig schlitzen, oder ich geh rauchen, wer weiss."
Es gibt einen Mittelweg zwischen den drallen Tussis der Super-Illu und den Kotzbrechsuchtlerinnen mit Lektor, und ich hätte jetzt gern so eine geile Katherina, dachte ich mir nach dem Gang durch die Regale - und fand letztlich die Autobiographie von Catherine Millet.
donalphons, 00:12h
Mittwoch, 8. August 2007, 00:12, von donalphons |
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derherold,
Mittwoch, 8. August 2007, 01:08
Zur ostdeutschen Literatur: okay, so doll finde Christa Wolf auch nicht aber ihr bekanntester Roman heißt "Nachdenken über ..." und nicht "Grünes Ekzem".
... Millet hat meine Aufmerksamkeit überfordert. Ab Seite 60 war ich erschöpft... ;)
... Millet hat meine Aufmerksamkeit überfordert. Ab Seite 60 war ich erschöpft... ;)
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donalphons,
Mittwoch, 8. August 2007, 13:34
Seite 30 und noch keinerlei Ermüdungserscheinungen. Ganz im Gegensatz zum parallel gelesenen Hotel Angst von John von Düffel, das nach den ersten paar Seiten erheblich nachlässt.
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erwin666,
Mittwoch, 8. August 2007, 01:41
Ist Sibylle Berg eigentlich auch Ostliteratur?
Ansonsten: sollte sich die Abneigung gegenueber Berlin auf die ganze Ex-DDR ausweiten: Es waere nur konsequent.
Ansonsten: sollte sich die Abneigung gegenueber Berlin auf die ganze Ex-DDR ausweiten: Es waere nur konsequent.
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donalphons,
Mittwoch, 8. August 2007, 01:52
Schweiz, die Zone Europas. Kann man verklagt werden, wenn man sagt, dass Berg das für die Schweiz ist, was Buschheuer für die Zone ist?
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arboretum,
Mittwoch, 8. August 2007, 13:10
Sibylle Berg lebt zwar in Zürich, wurde aber 1962 in Weimar geboren.
Studieren am DLL nicht nicht eh überwiegend Leute aus der westdeutschen Provinz? Gibt aber auch ein paar gute Autoren, die dort waren, Sasa Stanisic und Clemens Meyer, beispielsweise, beide stammen aber nicht aus dem Westen . Meyers "Als wir träumten" habe ich gern gelesen - im Gegensatz zur Millet langweilt einen der nicht zu Tode.
Studieren am DLL nicht nicht eh überwiegend Leute aus der westdeutschen Provinz? Gibt aber auch ein paar gute Autoren, die dort waren, Sasa Stanisic und Clemens Meyer, beispielsweise, beide stammen aber nicht aus dem Westen . Meyers "Als wir träumten" habe ich gern gelesen - im Gegensatz zur Millet langweilt einen der nicht zu Tode.
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donalphons,
Mittwoch, 8. August 2007, 15:17
Weimar?
Das erklärt einiges. Zone ist letztlich im Kopf. Egal ob Ost oder West.
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manuel_le,
Mittwoch, 8. August 2007, 18:06
sicherlich keine schlechte Wahl!
Allerdings habe ich es mal angefangen, aber dann wieder weggelegt - kam nicht wirklich "rein". Vielleicht lese ich es irgendwann noch einmal. Es gibt so Bücher, die brauchen einige Anläufe ;-)
Allerdings habe ich es mal angefangen, aber dann wieder weggelegt - kam nicht wirklich "rein". Vielleicht lese ich es irgendwann noch einmal. Es gibt so Bücher, die brauchen einige Anläufe ;-)
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auch-einer,
Mittwoch, 8. August 2007, 20:05
die verlorenen illusionen von balzac, als insel taschenbuch, gabs letzte woche für 3,25 eur in der ramschkiste im supermarkt in der benachbarten sächsischen kleinstadt.
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