: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :

Mittwoch, 15. August 2007

Verblöden leicht gemacht

Es ist kein Zufall, dass die hier so sind, wie sie sind. Die können noch nicht mal was dafür, denn einerseits kennen sie es nicht anders, und andererseits bietet es sich ja an.



Und würde man es anders haben wollen, wäre der Aufwand viel zu gross. Nichts symbolisiert die Grenzenlosigkeit der Provinz besser als ihre natürliche Grenze nach Süden, der Auwald, der einerseits ein Paradies für lange Touren ist, aber andererseits in keine Richtung ein Ende nehmen will. Man kann hier tagelang durch das Unterholz jagen und muss keine einzige Wurzel zweimal überfahren. Aber raus kommt man auch nicht. Nur zurück in die Stadt.



Und dort ist das Leben angenehm und träge, es ist wie ersaufen im Sirup, und so funktioniert das hier schon immer. Alternativen sind zu weit weg und dann auch nicht wirklich besser. Das Vereinsleben ist umfassend, man muss sich nicht mal integrieren, man wird assimiliert. Man kann sich einfach so treiben lassen. Und wie nah das alles schon ist, habe ich heute gemerkt, als ich eine Einladung zu einem Kongress bekam, die meine Pläne für September um einen gigantischen Schlenker vom schon eingeplanten Autun im Burgund über Genf und ein paar Alpenstrecken bis hinauf nach Leipzig und Berlin erweitern wird. Und ich sofort zugesagt habe.

Danach maule ich auch nicht mehr bei so einem Sonnenuntergang über den mittelalterlichen Dächern, versprochen.

... link (9 Kommentare)   ... comment


Die Freude der Nahrugsmittelverordungsignoranz

Irgendwo in einem klimatisierten Büro in Brüssel sitzt ein Beamter, der gemästet wird wie eine Sau, vom Fressen der Lobbyisten. Die Weltrevolution, die ihn neben Abmahnanwälten und Kernkraftwerkbetreibern mehr als nur den Job kosten würde ist fern, und das Liechtensteier Konto und die Urlaubsreise zum Kongress "Normierte Lebensmittel - dem Verbraucher geben, was der Verbraucher will" in einem mit Fördergeldern errichteten Hotel in Kroatien sind nah. Jetzt noch schnell eine Vorlage zum Thema Tomaten geschrieben - rund müssen sie sein, identisch gross und in Scheissepissewasser in Belgien oder mit überzogener Unterstützung im wasserarmen Spanien gereift - und dann ab in den Süden. Die PRostituierte wird ihn anlächeln und ihm das Gefühl geben, dass auch Schweine attraktiv sein können.

Nichts versteht so eine Sau von den Freuden, die das Krumme, Ungleichmässige, schräg Gewachsene in sich birgt, das aus den Höfen einer fernen Region stammt, des Morgens gepflückt und gen Mittag verkauft wird. Wie eine Sammlung von barocken Godemichés, geschaffen für alle von der Klosterschülerin bis zur Abenteurerin und sicher auch einer modernen Juliette ausreichend, finden die Erzeugnisse allerkatholischster Bauern in der Stadt neue Freunde, und sei´s nur in der überhitzten Phantasie eines glühenden Sommertages.



Wie auch immer sie verwendet werden, welchen Topf sie von innen sehen oder welches weisse Fleisch einer eines prallen Mozarella sie beglücken - sie sind verbotene Früchte, sie sind nicht für die Profite des obszönen Weltmarktes, aber ganz zur Freude einer Provinz, die stolz sein kann auf ihre Kinder, die sich nicht unterjochen lassen von Diktat und Despotie.

Libertinage und Rebellion, liebe Freunde, beginnt beim Essen.

... link (18 Kommentare)   ... comment


Empfehlung heute - Wir haben ja nichts

Ich kenne einen Oberhaifisch, der seine Fleischspiesse jenseits des Verfallsdatums erwirbt und sie in Butter brät, die durchaus schon ranzlig sein darf. So schlimm ist es bei uns noch nicht, aber auch hier gibt es kein Geld für überflüssigen Luxus, und man versucht, mit dem auszukommen, was da ist.

Da ist zum Beispiel der Gang und die Anlage meiner Räumlichkeiten. Die frühere Trennung in einen Teil für das Personal und einen Teil für die Herrschaften machte eine eigene, vom Gang aus betretbare Küchentür nötig. Wenn man so will: Der Personaleingang. Heute gibt es kein Personal mehr, eine Putzfrau beschäftigen allenfalls die Mieter, aber ich habe eine Aversion dagegen - schlimmer als gegen Ikea und Fastfood. Ein Personaleingang macht also keinen Sinn mehr. Und wie es der Zufall haben will, fand sich im Haus auch ein alter, flacher Garderobenschrank mit bekannter, massgefertigter Geschichte aus den 50er Jahren, den meine Frau Mama dem Sperrmüll übergeben wollte. Pfenninggut jedoch ist er, mit sauber eingesetzten Astlochfüllungen im Vollholz, gemacht von einem Könner seines Fachs und unter all den späteren Lack- und Tapetenschichten immer noch klassisch schön.



Er passt genau vor den Dienstboteneingang, hat mangels Rückwand bis zur Tür jetzt genug Tiefe, ersetzt die Garderobe, hält mir den Eingangsraum, nun das Wartezimmer für das kleine spanische Hofzeremoniell frei und bedurfte lediglich des Putzens und frischer Farbe. Weil, wir haben ja nichts. In der Küche gibt es das übliche, karge, selbstbereitete Mahl, und wenn wir die der fast heimischen Erde entrungenen, den Schweinen entrissenen Trüffelpilze kauen, träumen wir davon, wie es wohl sein mag, wenn man sich bei Ikea neue, teure, glänzende Möbel leisten kann und dann all die leckeren Speisen des modernen Personalersatzes fertig serviert bekommt.

... link (14 Kommentare)   ... comment