Ach, Sommer

Jetzt. Am letzten Tag der grossen Besuchsaison, nach zwei Wochen voller Wolken, Regen und Kälte. Man könnte es einen versöhnlichen Abschied nennen, als wollte die Provinz nochmal beweisen, dass sie es kann. Dass es nur ein Versehen war, ein Ausrutscher, und die Verheissung des goldenen Septembers seine unfassbar blaue Berechtigung hat.



Man kann viel tun, um gegen das diesjährige Debakel anzukämpfen. Gestern Abend, die noch leicht warme Tarte Tatin, auf der der Karamel erstarrte; eine Bibliothek, Tee zu jeder Zeit und auch angenehme Stunden im Bad, mit etwas zu lesen und heisser Zitrone, aber das alles, all der Prunk und die Grösse des Stadtpalastes, ist schal und nichtig, wenn einen dann am Morgen alle Kraft und Herrlichkeit aufweckt, und einen herrlichen Tag verspricht.



Am Rande: Der Unterschied zwischen Parvenü und Bourgeoisie, oder auch gut Bürgerlich, wird ganz gut beschrieben durch das, wie man auf kurzfristige Veränderungen im Leben reagiert. Der Parvenü, der mal aus seiner Krisenregion herauskommt und zu Werbezwecken das Dienstbotengebäude eines Herrenhauses bewohnen darf, ist beeindruckt - der Bürger würde selber für das Haupthaus zahlen, weil es da ist, wie bei ihm daheim. Man will dort sein, nicht irgendwo absteigen. Zum Glück jedoch kennt der Bürger bisweilen andere Bürger, die es als Freude betrachten, ihn zu beherbergen. Für den Weg dorthin nimmt er einen älteren, offenen Wagen, den er im Familienfundus vergefunden hat; sich dafür einen Opel geben zu lassen, und den dann toll zu finden, überlässt er dem White Trash, der auch in Containern haust, solange jemand zahlt, für Suff, Awareness und Arschkriechereien.

Es nötig haben, liebe Leser, kommt von Not. Und das ist auch eine Frage der Haltung und Einstellung.

Donnerstag, 13. September 2007, 14:50, von donalphons | |comment

 
Ein Freund wies mich kürzlich auf die Schönheit der Bedeutung des Wortes "notwendig" hin. Es wird häufig synonym zu nötig verwendet, wobei dies "notwendig" nicht gerecht werden kann, schließt letzteres doch das Vorhandensein der Wende, Hilfe und Sicherheit in der aufkommenden Not mit ein, die Not wird also sogleich zu einem Nichts.

Frau Morettis Bratapfel-Fruchtaufstrich passt übrigens ganz hervorragend zu frischen Pfannkuchen, verzehrt in der wärmenden Mittagssonne. Keine Spur von Not, auch auf dem Bauernhof.

Wie verhält sich eigentlich die heutige Bohème zu Bourgoisie und Parvenü?

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das gegenteil des parvenu ist der arrivé.

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Wir kommen bekanntlich alle aus dem Freien, dann aus der Hütte, und erst sehr spät aus dem Haus in - nun, und hier unterscheidet man dann. Oder auch nicht. Mir ist es prinzipiell egal, wo jemand herkommt, aber was mich nervt - oder auch abstösst - ist das Raushängenlassen von geliehenen Statussymbolen. Es geht also nicht um das, was jemand ist, sondern die Wege, mit denen er etwas erreichen will und dabei zeigt, dass er nichts davon versteht.

Parvenüs kommen an. In einer selbst geschaffenen Blase, in der Schlösser als Statussymbole bewundert und Waschbecken als Jux vollgepinkelt werden. Und da haben wir dann eben das Problem, das Gefangensein in Möglichkeiten ohne Anspruch und Akzeptanz. Insofern ist das ein grosses Kapitel, von Arendts jüdischen Bürgertum bis zu den aus Funk, Fernsehen und Internet bekannten Leuten in teuren, aber höchst unluxuriösen Beobachtungsschachteln.

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Das hat für mich sehr viel mit Genuß zu tun.

Der Bourgeois hat vielleicht einen erstklassiges (Maß-)Anzug, den er bei Gelegenheit gerne trägt, weil er sich darin wohlfühlt.
Der Parvenü läßt am Anzug das Ärmelschildchen dran, damit auch alle mitbekommen, was das für ein Anzug ist.
Und genießt zu wenig.

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