Empfehlung heute - Die Probleme der Qualität

im Onlinejournalismus fasst Christian Jakubetz in seinem Blog sehr schön zusammen.



Zusammen passen tun auch Medien und Leipzig, jeweils in der real existierenden Ausgabe. Ich bin gestern Nacht durch die Strassen gezogen, vorbei an den prunkvoll restaurierten Fassaden mit all dem Ramsch und Krempel drin, wurde ein paar Mal von irgendwelchen Hostessen angesprochen, die für irgendwelche leeren Schuppen warben, und gleich neben meinem Hotel war eine "Sauna", an deren Tür man nur kurz klingeln und eintreten sollte; keine Ahnung, was da genau geboten wird, aber die Vorstellungen, die man von sowas hat, dürften schon hinkommen. Unten dagegen war alles sauber, ein Schild verkündete die Videoüberwachung des Platzes, weshalb die pinkelnden Skins wohl auch eine Hauswand einer Nebenstrasse bevorzugten. Sehr echt, das alles, und gleichzeitig vollkommen artifiziell und surreal, wer 2 Euro hat, kriegt den Gammelfleischdöner und wer 50 mal so viel hat, eine halbe Stunde oder mehr mit frischem Fleisch aus dem Osten, alles eine Frage des Geldes, der kleine Mann kann hier kaufen, wie der Medienunternehmer; was prekär Lokales oder eine glänzende Zukunft in der Ferne, und alle glauben sie gerne an die geglätteten Schönheiten, die Dönerköchinpappfigur, das geshopte Bild im VZ und die Frau im Studio, die jede gern beerben würde, das mit den Augenbrauen beherrschen sie alle, als hätten sie sich die Wimpernparkinson geholt.

Es ist kalt in Leipzig. Windig, kalt, alles andere als schön, lebensfeindlich, wenn man es nüchtern betrachtet. Könnte anders sein, durchaus, aber es gibt in der ganzen Sache nur einen Weg, es ist meiner, in meiner Maschine gibt es nur einen Sitzplatz, die anderen müssen bleiben, schade um ein paar und man kann es eben nicht ändern, am nächsten Morgen kippe ich ab, ich schaue gar nicht weiter zurück und ziehe weg von dem allen, dem Wissen, all den Erinnerungen und der Vergangenheit, die einfach nicht verrecken will, weil ich sie nicht richtig totgemacht habe, das nächste mal dann, anderer Ort, andere Gelegenheit, die Kugeln sind immer noch im Lauf und die Zielkoordinaten sind eingegeben, also zurück zur Basis, wo -

habe ich das eigentlich schon erzählt? - wo es keine Medien mehr gibt. Ich bin eigentlich eine leichte Fehlbesetzung für Medienkongresse. Ich habe seit 20 Jahren keine Glotze mehr. Ich ertrage auch kein Radio mehr, und ich lese keine deutsche Zeitung. Ich habe hier eine High End Anlage, CDs mit Musik aus der Zeit vor 1760, das unsichtbare WLAN, ein paar Blogs, die ich gerne lese, mehr nicht, das ist alles. Leipzig, Medien, das alles ist hier unfassbar weit weg, und ich habe nicht vor, es hier nochmal einkehren zu lassen. Manchmal hätte ich einfach gern so eine Art Spam Karma für Medien und alle Relevanten, Verlinkten und Awarenessierten, die da rein wollen. Und Leipzig, natürlich.

Samstag, 29. September 2007, 00:55, von donalphons | |comment

 
"es gibt in der ganzen Sache nur einen Weg, es ist meiner..."

Ein schönes Beispiel für eine Erkenntnis, die ich in letzter Zeit immer mal wieder als Spielwiese für neue Erfahrungen nutze: What I see is what I get. Die eigene Perspektive bestimmt das Erleben, bis in's Detail.

Spannend wird es dann, wenn es mir mittendrin bewußt wird, dieses "Könnte anders sein, durchaus". Oder wenn ich wie in einem Vexierbild zwischen zwei Standpunkten hin- und herspringe, bis von irgendwoher noch ein dritter in's Bild saust. Witzigerweise erlebte ich genau dies einmal in Leipzig, einer Stadt, die sich in ihrer Brüchigkeit und Vielschichtigkeit offenbar für solche Experimente trefflich eignet.

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Gibt es überhaupt eine andere Perspektive als die eigene? Und ist nicht allein schon die Bewusstseinsmachung dieser Eigenartigkeit das Maximum, was wir den Trümmern draussen zugestehen können? Das ist schon sehr viel, wenn man sich mal die Irrealitätskonstrukte der Medien anschaut.

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"Gibt es überhaupt eine andere Perspektive als die eigene?"
Nein, aber es kann durchaus mehrere eigene Perspektiven geben. Und manchmal habe ich den Eindruck, daß diese Irrealitätskonstrukte deshalb entstehen, weil viele Leute das nicht ertragen können, weder bei sich selbst noch bei anderen...

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Ich denke, die meisten Leute sind leichter zu ertragen als der übliche Talkshowtrash, mit Ausnehme des Bereich "Langeweile" vielleicht.

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Wimpernparkinson
hahahahah

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Auch bekannt als Will-Bauernfeind-Syndrom.

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Klar, wenn man aus der spießigen bayrischen Provinz kommt, wo noch zweimal im Jahr zum Markttag eine Hexe öffentlich verbrannt wird, erscheint einem eine Stadt wie Leipzig groß, bunt und schmutzig. :)

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we were running out of witches centuries ago, sprayers have that ugly smell, so we rely on saxonians.

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Im Ernst, Leipzig ist einfach nur fertig, runtergekommen und kaputt.

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Es fehlt natürlich die jahrzehntelang gut verdienende Mittel- und Oberschicht.
Allerdings gibt Dein - im Vergleich zu Bay und BW - durchaus korrektes Bild einigen hier wahrscheinlich einen falschen Eindruck.

Im empfehle mal dem einen oder anderen eine Tour durch das Ruhrgebiet, das trotz zahlreicher Konzerne und Albrecht-Brüder gerade in der öffentlichen Infrastruktur wie ein Armenhaus aussieht. ... und für Bremen, Hannover, Rheinland-Pfalz, das Saarland sieht es nicht viel besser aus. :(

Das Problem ist aber in der Tat, daß in den ostddeutschen Städten nur "fremdes Geld" herrscht: westliche Sonder-Afa-Sanierungen, Transferleistungen... und daß sich das allein aufgrund es brain drain nicht ändern wird.

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einfach nur fertig, runtergekommen und kaputt

Das Problem an Berlin ist nicht, dass es hässlich ist, oder arm, oder kaputt. All das intendiert einen Zustand, ein Schicksal, einen unabänderlichen Niedergang. Damit könnte man leben, http://rebellmarkt.blogger.de/stories/349701/

Und mit Leipzig kann man nicht leben?

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Na ich habe dort auch andere Probleme gesehen, auch BW bringt ziemlich eklige Sachen hervor, aber da kenne ich inzwischen auch die Hausnummern. Mittelschicht schützt im Übrigen auch nicht vor Peinlichkeiten und Versagen. Aber Leipzig knallt halt über zwei Stufen durch: Früher mal DIE Stadt neben Berlin, dann immer noch die zweite Stadt der Zone, und jetzt das grösste Rückbaugebiet der Republik. Da kommt was zusammen, das merkt man. München ist relativ nicht teuer; wenn ich die Wahl hätte, für das gleiche Geld auf der halben Fläche zu wohnen, würde ich immer München nehmen, und wer da drüben nachdenkt, tut es oft genug auch.

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Klar doch, der Hasenbergl und Neuperlach sind ja auch so schön.
Im Winter ist übrigens das Wetter in München genauso ekelhaft wie in Leipzig.

Und was den Rückbau betrifft: Die fangen dort halt rechtzeitig an, was der ein oder anderen Stadt im Westen auch noch bevorsteht.

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im zdf-nachstudio hat juli zeh neulich sehr deutlich gesagt, warum sie aus leipzig weggezogen ist. sinngemäß in etwa: es ist ihr zu miefig und zu clean geworden. zuviel mittelstand und polizei.
soviel zur perspektive.

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Ich hoffe, sie findet hinter dem Ural das, was sie sucht. Leipziger Schreibsenwunder können gerne gehen, solange sie mir nicht in die Nähe kommen.

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O.K.

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Hinter dem Ural. Fast. Laut wikipedia ist sie nach Brandenburg gezogen.

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Schlecht.
Für Polen.

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Im Ernst, Leipzig ist einfach nur fertig, runtergekommen und kaputt.

ernsthaft?

was ist dann eigentlich chemnitz?

jedenfalls nicht so toll wie leipzig, aber für jemanden, der studieren will, ist chemnitz nicht das schlechteste*). und wer es eben heil, aufstrebend und dynamisch haben mag - eben jetzt ist die in bayern staatstragende partei dabei , sich und nur sich zuzuschreiben, dies für bayern erreicht zu haben. dabei gibt sich die sä. cdu doch die grösste mühe, den bay. verein an widerwärtigkeit zu übertrumpfen. aber das ist schon wieder ein eigenes thema.

bloss sehe ich im vergleich zu leipzig eben dresden, die landeshauptstadt, schön herausgeputzt und gestylt, aber eben doch landeshauptstadt. denn, sächsiches dreieck heisst es, wenn es in chemnitz gemacht, in leipzig verkauft und in dresden das geld verschwendet wird.

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*) weil, von allen universitätsstädten sieht mittweida am allerwenigsten nach uni aus. ich erinnere auch an die geniale kombination von bibliothek und mensa. von aussen nicht eben unmodern, drinnen, bei der benutzung kommt man darauf, warum man das anderswo getrennt hält. trotzdem bin ich auf dons bericht gespannt, weil, zum studieren halte ich mittweida nicht für das schlechteste.

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Chemnitz ?

Schon mal in der Stadtbibliothek gewesen - im ehem. Tietz-Kaufhaus (mit Atrium) ?
... und in 5 Minuten ist man im Grünen. ;)

Übel an Chemnitz sind nur Fritz-Heckert und die alte stalinistische Aufmarschstraße Straße der Nationen

... mal abgesehen davon, daß die Chemnitzer Uni-Absolventen "alle" von Westunternehmen abgeworben werden.

... und Mittweida ist Walachei... :)

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danke, herold, guter hinweis.

die öffentliche bibliothek in leipzig ist schon sehenswert, aber das tietz in chemnitz ist schon ein ding für sich, ein kaufhaus aus der kaiserzeit (es gibt in chemnitz auch noch das ehem. kaufhaus schocken, aus de 20er jahren, weiterhin noch bemerkenswerte industriebauten, aber das für den architekturhistoriker) das genug raum für die stadtbibliothek bietet.

erst gestern habe ich mich dort mit etwas lesestoff versorgt.

die uni hat auch noch verschiedene bibliotheken zu bieten, die auch für andere zu nutzen sind, aber die leser dort wissen das.

den vorteil der uni chemnitz sehe ich im vergleichsweise gutem schlüssel dozenten/studenten, aber wie das eben so ist, so bald das bekannt wird, ist es damit vorbei. das umfeld? für jemand, der studieren will, nicht schlecht, wohnungen günstig, grundnahrungsmitttel günstig, ablenkungsfaktor eher gering.

das mit mittweida als walachei macht sich in exposes eher ungünstig, besser kommt da ... im herzen des sächsichen dreiecks; oder: ...eine liebenswerte und lebenswerte kleinstadt; oder...ein ort mit tradition und zukunft

für die fh mittweida, denke ich, gilt das, was ich über die tu chemnitz gesagt habe, mit der abwandlung: ablenkungsfaktor fast null, die meisten studis dort sind pendler und wohnen zu hause in der umgegend.
ursprüglich ein privates technikum, spielen technische fächer nicht mehr die hauptrolle, besser verkaufen sich die medienleute in der öffentlichkeit; einer der granden dort gibt den moralisten, früher war der bei der bravo dafür zuständig, die jugend zu verderben.

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Nun, letztes Jahr war ich in Chemnitz, und nachdem ich fast zu spät war, kann ich nur sagen, dass die Strassen dort prima für ein Rennen geeignet sind. Mitweida sehe ich später im Jahr. Vielleicht komme ich auf dem Weg nochmal durch Chemnitz, aber alles in allem: Ich würde Verona oder Rom bevorzugen.

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"... und ich lese keine DEUTSCHE Zeitung"
Könnte man nicht Guardian und/oder NZZ importieren?

Was liest denn Don Alphonso an nicht deutschen Tages-/Wochenzeitungen oder, besser, was liest der, der ihn hostet?
Die Bandbreite des Guardian (Beilagen, subjektive Kommentare ...) fehlt mir schon. (Mein Stand: Print 2000). Online fehlt mir wg. Blogs die Muße, mehr als den aktuellen Cartoon von Steve Bell anzuschauen.
SZ enteignen und mit FR und taz unterm Dach einer Stiftung zusammenlegen. Das wäre dann etwas mit Potenzial, bei dem Leute mit Kugeln im Lauf anheuern könnten, näch? Unter der Woche online, am Freitag abend ein Packen mit Hintergründen und alternierenden Beilagen.

Aber will ich noch tiefer gehende Berichte über Burma, Schäuble, Parteien, die durch Inhalte zusammengehalten werden?

Dann bewerbe ich eher als Schabbes-Goj fürs Silberputzen und Veggie-Kochen.

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Ich importiere immerhin die FAZ in die Schweiz, weil die NZZ mittlerweile nur eines ist: albern und provinziell. Und wenn wir schon über UK reden, dann bittebittebitte nicht mit dem Infostand von 2000. Independent ist gut.
Und der Figaro mit seinen Beilagen ist super. Ansonsten empfehlen wir die Gazette de l'Hotel Drouot....

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Nur online lesen ist auch nicht das Wahre.

Aber die ganzen politischen Talkshows gehen an mir völlig vorbei. Ich kann nicht verstehen, wie man sich den Sonntag Abend mit sowas versauen mag.

Radio höre ich ganz gern. Deutschlandradio, Bayern4, auch Bayern2 macht ganz gute Features. Online findet man diese Qualität nicht. Im Fernsehen auch sehr selten. Die eine oder andere Dokumentation auf Arte oder 3sat.

Ich habe auch festgestellt, dass man innerhalb Deutschlands einen grösseren Kulturschock bekommen kann, als sagen wir mal in Italien oder im amerikanischen Osten. Als Süddeutsche fühle ich mich eh nicht wirklich deutsch. Dieses Preussische ist mir zu verklemmt und zu kleingeistig. Mit Norddeutschen geht es noch am ehesten. Die sind wenigstens etwas vom Wind durchgeweht. Ich würde ja gern was anderes sagen können. Dies betrifft auch eher die sogenannten (angefressenen und agressiven) Intellektuellen.

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in leipzig liest man die leipziger volkszeitung.

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madsack-springer, glaube ich.

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Mit importieren ...
... meinte ich das Konzept der Blätter ...

und wollte die Diskussion vom den Volksstämmen weglenken zur Idealvorstellung des Don. Würde er sich generell ausklinken - oder ist's nur den hiesigen Umständen geschuldet?

Das Unbehagen an Politik und Medien ist ja verbreitet, Resignation unter den ähnlich Gesinnten vorherrschend. Im Zweifel eher ein anderes Land wählen und Torten zu als den Tort auf sich zu nehmen, hier etwas verändern zu wollen.

Das soll kein Vorwurf sein - schließlich fühle ich wie viele hier mit - mich interessiert nur der Rebellenanteil, bei all den Kugeln im Lauf. Bin ich da nur auf die Kunstfigur hereingefallen? [Fehlerkorrektur/EDIT überschnitt sich mit Dons folgender Antwort ...]

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Mein Lebens- und Medienkonzept findet sich auf den letzten Seiten und besonders dem letzten Satz von Voltaires Candide.

Ich lese lieber Bücher, als zu glotzen. Ich schreibe mir meine Medien selber, statt mit den Medien anderer meine Zeit zu verschwenden.

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Danke.
Schöne Antwort. Setze mich schamesrot.

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Vielleicht mal wieder lesen

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loreley,

hörfunk hören, solange es noch geht.

swr 2 ist auch nicht schlecht, und als tipp: mdr figaro

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Toute la petite société entra dans ce louable dessein ; chacun se mit à exercer ses talents. La petite terre rapporta beaucoup. Cunégonde était à la vérité bien laide ; mais elle devint une excellente pâtissière ; Paquette broda ; la vieille eut soin du linge. Il n'y eut pas jusqu'à frère Giroflée qui ne rendît service ; il fut un très bon menuisier, et même devint honnête homme ; et Pangloss disait quelquefois à Candide : « Tous les événements sont enchaînés dans le meilleur des mondes possibles ; car enfin, si vous n'aviez pas été chassé d'un beau château à grands coups de pied dans le derrière pour l'amour de Mlle Cunégonde, si vous n'aviez pas été mis à l'Inquisition, si vous n'aviez pas couru l'Amérique à pied, si vous n'aviez pas donné un bon coup d'épée au baron, si vous n'aviez pas perdu tous vos moutons du bon pays d'Eldorado, vous ne mangeriez pas ici des cédrats confits et des pistaches. -- Cela est bien dit, répondit Candide, mais il faut cultiver notre jardin. »

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Ja, der letzte Satz
hat es in sich:
candide lesen? jetzt und immer von WIGLAF DROSTE


immer diese Leipziger...

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Im letzten Satz steckt eine ganze Lebensauffassung. Alt zwar, den Hortus conclusus gibt es ja schon etwas länger, lies nach bei Boccaccio und den Asolaner Gesprächen, aber doch, den Garten bei den Ungläubigen kultivieren, das ist schon was.

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Die Quandt-Doku eben in der ARD war übrigens herausragend. Anders als im Hörfunk konnte man das Gesicht von Sven Quandt sehen bei seinen unsagbar dummen Aussagen. Das alleine war mir 12 Monate G*Z-Gebühr wert.

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