München so mies und gemein wie immer

Früher waren es ganz junge Leute. Heute drängeln die älteren Herrschaften, Anfang bis Mitte 30, in die freie unbezahlte Mitarbeit in diesem Medienprojekt. Ich habe ihnen zufällig eine kleine Einführung in die Technik gegeben, die Regler erklärt und sie beruhigt, dass Anfängerfehler ganz normal sind.

Einer kam später nochmal rein und fragte mich, ob wir uns nicht kennen. Doch, tun wir. 1999, als alles dunkel wurde, als die ewige Nacht anbrach und niemand es sehen wollte, hatten wir miteinander zu tun. Er hatte eine Idee und war dabei, ziemlich viel Geld dafür zu bekommen. Ich war einer derjenigen, die das Ding beurteilen mussten. Meine negative Meinung interessierte damals niemanden, und so wurde aus einem Absolventen ein CFO mit viel Hoffnung und, wie sich bald zeigen sollte, wenig Zukunft.

Aber die Zeit war wie im Rausch, Menschen waren nur Nebelschwaden, schon morgen konnten sie Multimillionäre, pleite oder mit Burnout in der Klappse sein, Bekanntschaften hielten nicht lange, und Sex war irgendwie kein Thema, in dieser vollkommen vrrückten Zeit.

Ich hatte keine Lust, ihm meine ganze Geschichte seit 1999 mit all ihren Wirrungen zu erzählen, und wollte seine auch nicht hören. Klar, wie haben uns mal gesehen. Elmau 2000, stimmt´s?

Stimmt, sagte er, und was machst Du hier?

Nur noch eine alte Liebe, die mich hier hält, im Moment bin ich eher in Berlin.

Hast Du dort einen Job, wollte er wissen.

Ja, sagte ich, und schluckte das "klar" dahinter runter. Heute könnte sowas als Arroganz gegenüber einem Schwachen aufgefasst werden.

Sonntag, 2. Mai 2004, 21:49, von donalphons | |comment

 
Medienprojekt. Haben die den nichts dazu gelernt?

Das "Hast du dort einen Job" hat mich zum Nachdenken gebracht. Junge Leute, gut und teuer ausgebildet, noch 30 Jahre bis zur Rente und trotzdem ohne Hoffnung.

Sind das die gleichen, die damals Leute mit einem normalen "Beschäftigungsverhältnis" ausgelacht habeb?

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Nicht ausgelacht
Aber die flippigeren unter den Festangestellten umschmeichelt und geködert. Wirklich widerlich sind meines Erachtens nur die, die Studis aus den Seminaren rausgezogen haben, die weder fachlich noch psychisch auf den Irrsinn vorbereitet waren. Aus diesen Leuten requiriert sich momentan das Post-NE-Lumpenproletariat: 1999 eingestiegen, Anfang 2001 rausgeflogen, nochmal mit biedrigeren Ansprüchen bei zwei, drei anderen Klitschen mit 2 Monaten Lehrlauf dazwischen bis Ende 2002, dann erst mal arbeitslos bis Mitte 03 - nach sowas ist der Zug zur Uni entgültig abgefahren.

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Da muss ich an den FirstTuesday denken. Ich war letztens mal wieder in Bremen dabei. Immer noch die dämlichen bunten Punkte auf den Namensschildern. Der Unterschied ist nur, dass nun alle von öffentlichen Subventionen bezahlt werden. Dementsprechend klopft man dem Staatsrat auf die Schulter und scherzt mit dem Personal der Bremer Investitionsgesellschaft, der Innovationsagentur, den "Bremen-in-time"-Verantwortlichen usw. In der Provinz hat sich die NE noch gehalten - auf Kosten des Steuerzahlers.

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Das würde ich nicht so laut kommunizieren, sonst denken die ganzenDropouts hier in München darüber nach, nach Norden zu ziehen.

Hier in Bayern ist nichts mehr zu holen; die Staatsregierung hatte das ganze Land mit Businessplanwettbewerben, Innovationszentren und Gründungsbuden überzogen. Kein Witz: Teile der Oberpfalz ausgenommen, musste man in Bayern nie weiter als 40 Kilometer zum nächsten New-Economy-Traumgespinst fahren. Es gab überall einen dummen Ortshäuptling, der sich schon als Silicon Hinterampfing betrachtete.

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Wo glaubst du sind die Sonderzuweisungen des Bundes seit 1994 von über 8 Milliarden Euro hingegangen? Die grosse Koalition hat schon aufgepasst, dass kein Schäfchen vergessen wurde.

In Bremen gibt es ein Magazin ("t.i.m.e. - Der Guide für E- und M-Business, Bildung und Entertainment, Trends, Projekte, Lösungen und Netzwerke im Land Bremen") das in bester NE-Manier die business-Chancen abfeiert und Unternehmer vorstellt. Aus dem aktuellen Heft: "Geistesblitz? Gründergeist? Geschäftsidee? Wenn Sie eine innovative Idee rund um das Thema Gesundheitswirtschaft haben, können wir Sie fördern und unterstützen. Bremer Innovations-Agentur"

Aus der Pressemitteilung zur Ernennung als "Stadt der Wissenschaft 2005: " Bremen und Bremerhaven haben sich in Bonn im Doppelpack als weltoffene, moderne und innovationsfreudige Wissenschafts- und Technologiestandorte präsentiert, in denen Wirtschaft, Wissenschaft und Politik eng miteinander kooperieren."

Na, werden da Erinnerungen wach?

PS. Gibt es in München noch einen FirstTuesday?

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Erinnerung allerschlimmster Sorte. Hochglanzbroschüren, Powerpints und Häppchen von Leuten, die gerade die Hälfte ihrer Belegschaft gefeuert haben und unter voller Ausschöpfung des Kreditrahmens noch 2 Wochen haben und weiterhin lächeln.

First Tuesday gibt´s schon lang nicht mehr. Was es noch eine Weile gab, war der Nachfolger Founders United. Aber auch das ist heute nicht mehr möglich. Auch das Munich Network, früher mal allmächtig, ist heute nur noch ein Schatten seiner selbst.

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Wie vor Ypern
oder Verdun, ein paar Generationen zuvor. Alles eine Frage der Ehre, wie Kubrick es nennen würde. Man braucht neues, junges Fleisch, dass sich in den Bleihagel der roten Zahlen hinaustraut. Immerhin macht man es jetzt freiwillig, nach besagter Hochglanzlektüre und Häppchen als Appetizer.
Polenfeldzug ist vorbei, der Blitzkrieg vorüber, jetzt kommt der Stellungskampf.

Wie die Lektüre zum Neunzigsten doch das denken beeinflusst.

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