Scheiss des Jahres 2020

Meines Erachtens werden sich Business oder PR Blogs jenseits kleinster Nischen niemals bewähren, geschweige denn durchsetzen. Eine Ausnahme, eine dieser kleinen Nischen wird vom MEX-Blog ganz gut repräsentiert, dessen Hauptautor Robert Basic dadurch weitaus mehr Publicity bekommt und bekannter ist, als vergleichbare Jungunternehmer. Ich bin trotz seiner guten Argumente oft radikal anderer Meinung als Robert, was sein Blog für mich natürlich besonders lesenswert macht.

Gestern nun habe ich das hier bei ihm gefunden - die Beschreibung, wie und warum nichts aus einer Beteiligung eines Thinktanks namens Z-Punkt beim MEX-Blog wurde. Ich bin nicht wirklich überrascht - Z-Punkt ist am Partnerprogramm der Website change-X beteiligt, und Change-X wiederum wurde dadurch bekannt, dass sie schon mal versucht haben, eine Abstimmung zu einem hochdotierten Preis ... nun, lest selber. Ich kann mich keiner allzu guten Meinung über Change-X und der damit verbandelten Zukunfts/Marktforscher/Change Management-Szene rühmen, für mich ist schon die ideologische Ausrichtung der Firma auf eine Revolution der Arbeitswelt ein Greuel, Wippermann und Horx lassen grüssen.

Das alles bleibt Robert Basic jetzt erspart, was ihn nicht traurig stimmen sollte. Schliesslich möchte ich sein Blog weiterhin ernst nehmen, und da ist es mir ganz recht, wenn jemand aus den aktuellen Problemen der IT-Welt heraus nachdenkt, wie es besser werden könnte, als dass er Zukunftsvisionen a la Z-Punkt entwickelt, deren Menschenbild jenseits von Business Plänen und Hirnen der Marketing-Anja-Tanjas kaum exitieren dürften. So stellt sich der "Thinktank" das weibliche Kleiderkaufen des Jahres 2020 vor:

“Wir betreten ein gewöhnliches Mode-Kaufhaus. Wir sehen eine junge Frau, die zielstrebig das Eingangsportal passiert und ganz offensichtlich in Eile ist. Routiniert nimmt sie im Vorbeigehen eines der bereitliegenden Handgeräte, das sie auffordert, ihm ihre Wünsche mitzuteilen und ihre persönliche Chip-Karte mit ihren Maßen und Stilvorlieben einzuführen (Einführen? Freudscher Verschreiber oder was? d. Red). Ohne Umschweife weist ihr ein beweglicher Pfeil im Display den Weg zu dem Kleiderständer mit den pinkfarbenen T-Shirts in Größe 38, wo bereits ein Funk-Etikett mit einem Blinkzeichen auf sich aufmerksam macht. Gezahlt wird beim Durchschreiten der elektronischen Schranke, die automatisch alle mit Funk-Chips ausgestatteten Artikel in der Einkaufstüte erfasst und den Betrag vom freigegebenen Kreditkartenkonto der Käuferin einzieht. All das ist in fünf Minuten erledigt. Da bleibt noch Zeit für einen Drink im “Ambiente” um die Ecke.”

Ich bin mir ziemlich sicher, dass kein Autor dieser Studie jemals mit einer Frau Kleider einkaufen war. Keine Frau sagt "Ich will eine pinkfarbene Bluse Grösse 38 mit weissen Knöpfen für maximal 50 Euro". Allein schon Pink und Grösse 38 - jede Frau würde sagem, sie braucht 36, um sich dann über die klein ausfallenden italienischen Grössen zu beschweren. Nehmen wir mal den Fall einer sich für äussert dezent und unluxuriös haltenden, 23-jährigen Ethnologiestudentin mit schlichtem Geschmack und bar jeder Zickigkeit, im Gedächtnis mitstenografiert ab dem Moment, wo der angehende Schriftsteller einen Parkplatz in Münchens Innenstadt gefunden hat:

Ich brauche übrigens noch ein Paar Turnschuhe, können wir schnell in die Sendlinger Strasse? Dauert nur drei Minuten, ich weiss schon, was ich brauche, schwarz und schlicht, nur zum Joggen. Was soll das heissen, auch so anziehen ... ach Don, ich mag diese roten Tunschuhe hier tagsüber, wenn es nach Dir gehen würde, würde ich nur in Pumps rumrennen wie Deine kleine Schwester... So, gleich sind wir da, ähhh, Moment... Guck mal da, Don, was sagst Du zu dem Kleid im Schaufenster? Gut, oder? Aber ob der Stoff gut ist? Egal, komm, gehen wir weiter, ich brauche das absolut nicht, ich will Turnschuhe, aber... also, meine Mutter kommt nächste Woche nach München, zum shoppen, vielleicht könnte ich doch einen klitzekleinen Blick da rein werfen, ich kaufe sowieso nichts, ich brauch nichts, so, da ist es ja - Ne, ne, der Stoff ist nicht schön, so kratzig, gut, gehen wir wieder, vielleicht noch einen kleinen Umweg zu den Tops, da brauche ich auch keins, aber gucken können wir schnell mal.

||: Was? Was ist das? Hmm... meinst Du, ich könnte das schnell probieren? Dauert nur eine Sekunde, ja? Ich will es nicht haben, nur mal schaun ob mir sowas überhaupt steht. Und Du guck nicht so rum und mach andere Frauen nervös, such lieber noch was was mir sonst noch passen könnte. Don, hörst Du mich? Es soll zur Jeans genauso passen wie zum Rock, dem mit den Sonnenblumen, schon klar, oder? Und bitte nicht zu ausgefallen, das passt nicht zu mir. Aber bitte auch keine Oma-Klamotten. Don, Don schau mal das hier, eh, nein, das ist nichts, das sieht total billig aus, das geht ja gar nicht - pah! Lieber was mit Qualität - was hast Du denn da? Hm, nein, das gefällt mir gar nicht, obwohl ich probiere es mal :||

(Da capo)
(Da capo)
(Da capo con stretta, finalmente:)
Ihhh, nein, das passt gar nicht, schau doch mal, ich habe einfach nicht die Figur dafür (leise) ich hasse meine scheissgrossen Brüste... Und Du bist Dir wirklich sicher, dass das den meisten Männern nichts ausmacht, Don? Wirklich nicht? Hmm.. Was kostet da eigentlich? 100 Euro? Spinnen die? Ist mir doch egal ob die das hören, 100 Euro, nein, und das, obwohl es schon reduziert ist. Und was ist das? Donna Karan? Iiiih, BWLler-Klamotten, das kannst Du Deinen Elitessen aufschwatzen, aber nicht mir... ich weiss auch, dass ich schöne Schultern habe in dem Ding, aber Donna Karan geht überhaupt nicht, ich bin doch noch nicht 40. So, jetzt probiere ich das da noch, Du hängst diese DK-Ding bitte gleich wieder zurück.

Und? Was sagst Du? Ja, es spannt oben und unten ist es lapprig, aber es kostet auch nur 30 Euro. Das kann ich mir gerade noch leisten. Ja, das Donna Karan Teil sah sehr viel besser aus, aber das würde ich aus Prinzip nie kaufen, wer bin ich denn, schau mich doch an, ich bin eine ganz normale, schlichte Studentin und keins von Deinen Luxusweibchen in Deinem Roman, und deshalb... obwohl, kannst Du es noch mal bringen, nur wenn ich vielleicht bei H&M etwas ähnliches sehe, weil wir sowieso gleich dahin gehen, was? Turnschuhe kaufen? Soll ich gesagt haben? Wann? Ach so, ja. Himmel schon drei, jetzt verpasse ich doch glatt die Übung und nur weil Du mich so verwirrst, na egal, und das Donna Karan Dingsda jetzt, naja, die Farbe ist wirklich toll. Ich weiss dass es Dir gefällt, Du alter Schlüsselbein-Fetischist, aber ich kann mir sowas nicht leisten, und wo sollte ich das auch anzie... - Don? Don? Wo gehst Du hin, warte doch, nein, das kannst Du nicht machen, hör mal, was soll denn mein Freund sagen, ich will es doch gar nicht, nein, packen Sie es bitte nicht ein, der meint es nicht ernst - Don? Du meinst das nicht ernst, bitte lass es... Ach Don, weisst Du was? Du bist absolut unmöglich. Ich will es nicht, ich werde es nie tragen. Du kannst es ja anziehen, ach Menno - ja. Ja. Ach hör doch auf, es ist gar nicht logisch, was wissen denn Männer von Logik, es ist noch nicht mal nett, Du degradierst mich zur Barbie-Puppe. So ein schöner Tag, und dann sowas. Ja, gut, ich nehme es. Aber nur unter Protest. Und mach das nicht nochmal, ja?

So, jetzt will ich in ein Cafe, ich bin total fertig von dieser Auswählerei, ach so, die Turnschuhe... das machen wir ein ander mal, wobei... hm, Don? Was meinst Du, Don, wenn wir schon mal da sind, dann könnten wir doch mal nur eine Sekunde doch in den Schuhladen da rein, ja, die haben keine Sneaker, das weiss ich auch, nicht deshalb, sondern weil man zu diesem Top eigentlich doch nicht die roten Turnschuhe anziehen kann, vielleicht brauche ich doch ein paar helle Schuhe, ja, meinetwegen, Pumps, wenn Du unbedingt so nennen willst, ich würde das ja sowieso nur anziehen, wenn ich mit Dir unterwegs bin, weil Günther, der mit mir vorgestern dieses blaue Kleid kaufen war... Ja, ich treffe mich auch mit Günther, egal ob Du ihn magst... Nein, ich habe natürlich selbst bezahlt, Günther hat mir nur geliehen, und überhaupt, ach, mit Männern kann man einfach nicht einkaufen gehen, oder so. Und jetzt gehen wir da rein, was ist das, Bally? Ist nicht ganz billig, oder? Hm, wenn wir etwas finden, ich hab meine EC-Karte nicht dabei, könntest Du vielleicht...


(Indische Miniatur auf Elfenbein, Mitte 19. Jahrhundert - some things never change)

So kaufen Frauen ein. Schon immer. Und das wird sich nie ändern. Und wenn sie dann in einem Cafe sind, entdecken sie auf der Speisekarte erst mal das Mousse, dann wollen sie noch einen Salat für die Fitness, und dann haben sie Hunger und wollen in ein Restaurant. Und wenn sie dann Magenverstimmung haben, legen sie sich vor die Glotze und rufen an, dass sie SATC-DVDs und Tabletten und einen Martini brauchen. Wenn wir die nicht bestellten Pralinen vergessen, sind sie beleidigt. Auch noch 2020.

Deshalb ist die gesamte Vorstellung von Z-Punkt von Anfang an zu Scheitern verurteilt - und Robert kann froh sein. Nicht nur, weil ich dann nicht über solchen Bullshit in seinem Blog herfalle. Sondern auch, weil Frauen wie die obige auch 2020 noch sein Leben versüssen werden.

Montag, 25. Juli 2005, 01:55, von donalphons | |comment

 
Ich war doch nie mit Dir einkaufen ;-).

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Bei Dir müsste man noch einiges modifizieren - statt Sex and the City die handsignierte Thomas-Mann-Ausgabe von 1929, und einfache Pralinen würden es da wohl eher nicht tun ;-)

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bei längeren Beziehungen wird der Begleiter dann im benachbarten Technikcenter abgegeben. Da will er nur mal so sehen was es an neuen PC, Kameras, HIFI...so gibt und wird nach Stunden wieder abgeholt

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Dieser Beitrag ist - da kann man beim besten Willen nichts gegen sagen - wunderbar. Meisterhaft beobachtet.

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Sonst
können sie auch hier geparkt werden.

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puh, und ich dachte ich wäre alleine mit der Fixierung auf Schlüsselbeine. Das beruhigt mich jetzt aber wirklich.

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Ich bin gar nicht so - sie bahauptet das nur immer.

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