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Sonntag, 6. Juni 2004
Perser in der Provinz
Niemand liest hier die AD oder die Elle Decoration, die den handgeknüpften Teppich schon vor Jahren ausrangiert haben. Trotzdem sind Perserteppiche etwas aus der Mode gekommen. Gerade die jungen Leute, die in München gescheitert sind und jetzt zurückkommen, wollen lieber Parkett, oder Laminat. Weil es einfacher zum Reinigen ist, nicht wegen der Kinderarbeit. Und ausserden, für 4 Quadratmeter Perser bekommt man schon 15 Quadratmeter Parkett, so richtig schön helles, wie Ikeamöbel.
Ältere Leute hingegen, für die der Perser noch eine Selbstverständlichkeit ist, wie das schwarzglänzende Klavier, der Viertwagen für die Tochter und eine Sammlung schöner Stiche aus dem Rom des 18. Jahrhunderts über den Biedermeierkommoden, haben berits ihre Teppiche. Seit vielen Jahrzehnten. Nachdem sie damals nicht die billigen, sondern die vergleichsweise günstigen nahmen, die in etwa so teuer wie ein Kleinwagen kleiner Leute waren, brauchen sie bislang keinen Ersatz.
Die Katzen, die Kinder haben sie zu schätzen gerlernt; als unerschöpflicher, guter Kratzbaum oder als herrlich verruchten Ort, um Nachbars Nichte auf Sommerfrische flachzulegen, die inzwischen aber auch schon Kinder hat. Der Teppich besteht, und wenn die Tochter dann in ihre 110 Quadratmeter Altbau über der Isar zieht, dann wird das teure Fischgrätparkett mit diesen alten Teppichen zugedeckt, denn Luxus kauft man sich nicht, man überdeckt ihn mit den Spolien der eigenen Familiengeschichte. Wenn man zu dergestalt normalen, oder wie man in der Provinz sagt, anständigen Leuten gehört.
Natürlich verpflichtet das dazu, selbst ein Gefühl für diese Form des subtilen, mit Füssen getretenen Reichtums zu entwickeln. Wenn ich also in der Provinz bin, gehe ich oft am ersten Haus am Platz vorbei und begutachte das Angebot.
Diesmal steht dort ein Eheppar, vielleicht 10 Jahre älter als ich, mit einem dieser typischen Post-68-Torschlusspanik-Einzelkinder. Es sind, das erkenne ich sofort, auch anständige Leute. Sie betrachten das Angebot.
Ihr Sohn zeigt aufgeregt auf einen sehr feinen, kleinen Seidentäbriz im Schaufenster. Den will er haben. Und den Medaillonteppich da hinten an der Wand. Ein wirklich guter Sarough, denn hier gibt es nichts Schlechtes. Das Ehepaar sieht den Jungen an, und ich weiss, dass sie morgen mit dem wahrscheinlich schwarzen RS4 Kombi der Mutter vorfahren werden, und das kaufen, was der Knabe will. Das sind die Reste der antiautoritären Erziehung nach dem Marsch durch die Institutionen. Er hat Geschmack, das muss man ihm lassen. Er wird sicher auch mal ein anständiger Mensch.
Meine Eltern haben mich damals übrigens auch mitentscheiden lassen. Ich kann sagen, dass meine Wahl gut war.
Und bald, da bin ich mir sicher, wird AD wieder das Zeitalter der Teppiche ausrufen. Und die Laminatdeppen werden sich dann billige marrokanische Imitationen der Stücke kaufen, die anständige Leute schon immer hatten.
Ältere Leute hingegen, für die der Perser noch eine Selbstverständlichkeit ist, wie das schwarzglänzende Klavier, der Viertwagen für die Tochter und eine Sammlung schöner Stiche aus dem Rom des 18. Jahrhunderts über den Biedermeierkommoden, haben berits ihre Teppiche. Seit vielen Jahrzehnten. Nachdem sie damals nicht die billigen, sondern die vergleichsweise günstigen nahmen, die in etwa so teuer wie ein Kleinwagen kleiner Leute waren, brauchen sie bislang keinen Ersatz.
Die Katzen, die Kinder haben sie zu schätzen gerlernt; als unerschöpflicher, guter Kratzbaum oder als herrlich verruchten Ort, um Nachbars Nichte auf Sommerfrische flachzulegen, die inzwischen aber auch schon Kinder hat. Der Teppich besteht, und wenn die Tochter dann in ihre 110 Quadratmeter Altbau über der Isar zieht, dann wird das teure Fischgrätparkett mit diesen alten Teppichen zugedeckt, denn Luxus kauft man sich nicht, man überdeckt ihn mit den Spolien der eigenen Familiengeschichte. Wenn man zu dergestalt normalen, oder wie man in der Provinz sagt, anständigen Leuten gehört.
Natürlich verpflichtet das dazu, selbst ein Gefühl für diese Form des subtilen, mit Füssen getretenen Reichtums zu entwickeln. Wenn ich also in der Provinz bin, gehe ich oft am ersten Haus am Platz vorbei und begutachte das Angebot.
Diesmal steht dort ein Eheppar, vielleicht 10 Jahre älter als ich, mit einem dieser typischen Post-68-Torschlusspanik-Einzelkinder. Es sind, das erkenne ich sofort, auch anständige Leute. Sie betrachten das Angebot.
Ihr Sohn zeigt aufgeregt auf einen sehr feinen, kleinen Seidentäbriz im Schaufenster. Den will er haben. Und den Medaillonteppich da hinten an der Wand. Ein wirklich guter Sarough, denn hier gibt es nichts Schlechtes. Das Ehepaar sieht den Jungen an, und ich weiss, dass sie morgen mit dem wahrscheinlich schwarzen RS4 Kombi der Mutter vorfahren werden, und das kaufen, was der Knabe will. Das sind die Reste der antiautoritären Erziehung nach dem Marsch durch die Institutionen. Er hat Geschmack, das muss man ihm lassen. Er wird sicher auch mal ein anständiger Mensch.
Meine Eltern haben mich damals übrigens auch mitentscheiden lassen. Ich kann sagen, dass meine Wahl gut war.
Und bald, da bin ich mir sicher, wird AD wieder das Zeitalter der Teppiche ausrufen. Und die Laminatdeppen werden sich dann billige marrokanische Imitationen der Stücke kaufen, die anständige Leute schon immer hatten.
donalphons, 16:17h
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