: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :

Freitag, 1. Juli 2005

Niemand hat es ihnen erzählt.

Was das ist, New Journalism. Maxim Biller kennen sie auch nicht, und Tempo ist ihnen kein Begriff. Vielleicht sowas wie MAD? Hunter S. Thompson sagt manchen vage etwas, und erst, als ich hier Fear and Loathung in Las Vegas erwähne, schnackelt es bei manchen. Das ist hart.

Irgendwas läuft in diesem Studium falsch. Diesem Studium, aus dem die Leute hervorgehen sollen, die ich später mal bewerten muss, deren Artikel bei mir landen. Natürlich ist Kommunikationswissenschaft eine Wissenschaft, in der es um Dinge wie Leserverhalten und Rezeptionsgewohnheiten geht. Und noch ein paar anderes Sachen, die aus keinen einen vernünftigen Schreiber macht. Aber so ein klein wenig Ahnung von der Revolution, die die 100 Zeilen Hass bedeutet haben, wäre den Leuten hier schon angemessen.



Es geht noch nicht mal um Blog oder Journalismus. Es geht nicht um Online-Werbung, Traffic und Marktpenetration. Es geht um die Freiheit, unmittelbar das zu tun und zu schreiben, was man will, im Gegensatz zu den zurchtgestutzten, kastrierten, Halbwirklichkeiten erlügenden Medien, diesem Drecksmoloch, dieser stinkenden Jauche der 4. Vergewaltigung, in der es nur noch wenig Raum gibt zwischen den Hirnficks der Zeit- und FAZ-Fäuletons und dem Infotainment-Rülpsern der RTLII-News, wo die Radischs und Schirmachers dieser inzestuös egoschwanzlutschenden Welt jeden Spass, jede Freude, jede Nichtsinnüberladenheit die Existenzberechtigung absprechen und auf der anderen Seite nur das gebracht wird, was Quote und Product Placement Fees bringt.

Dazwischen muss etwas neues entstehen, schnell, echt, subjektiv ehrlich, impulsiv und auf Augenhöhe mit den Lesern. Man kann es Blogs nennen, man kann über eine Renaissance des New Journalism debattieren, solange nur dem Infoabschaum und seinen obszönen Bizzrülpsern und PR-Stinkern etwas entgegengesetzt wird. Dass sie auch längst auf der anderen Seite versuchen, ihren Dreck zu verbreiten, liegt in der kranken Natur ihrer verkommenen Ekelbranche, aber ich denke nicht, dass sie ausser ihresgleichen Publikum dafür finden werden.

Im Limbo, in der Entwicklung noch darunter sind die Nachwachsenden, und sie haben die Freiheit, sich neben der Verwertung noch was anderes aufzubauen. Den vorgekauten Müll in ihrer privaten Publizistik beiseite zu lassen, über sich selbst zu schreiben oder was immer ihnen gefällt. Die Gargantua-Dimensionen der freien Form ausprobieren, ihre eigene Sache zu schaffen. Sie haben auch die Freiheit, es bleiben zu lassen, klar. Nur weil der eine will, muss der andere noch lange nicht. Und kann weitermachen mit dem Dienst nach Vorschrift, gerne auch mit 20 unbezahlten Überstunden.

Zu dumm nur, dass sich die Leser keine Vorschriften machen lassen. Da helfen auch keine Überstunden. Vielleicht hilft ihnen irgendwann auch einfach der Leidensdruck bei der Entscheidung. Früher musste man den als Journalist ertragen; heute kann man sich wehren. Blogs haben nichts zu verlieren – die Medien dagegen alles, ihr Monopol, damit ihre einzige Existenzberechtigung, ganz gleich, welche beknackte Jury der Bildergänzung Spiegel Online welche Preise verpasst.

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