: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :

Mittwoch, 15. Februar 2006

Die Stunde der Wahrheit für Neoconnards

und andere mit dem Hang zum Geschichtsrevisionismus, die die Mohammed-Karikaturen der Jyllands-Posten nachgedruckt sehen wollen.

Es gibt neue Bilder mit Folterszenen aus dem Irak, genauer, aus dem bereits bekannten Gefängnis Abu Gureib. Auf den Bildern wird einem Mann die Zunge herausgeschnitten, es ist eine Leiche mit durchgeschnittener Kehle zu sehen, andere Leichen weisen Brandwunden auf. Der Kopf eines Mannes wird gegen eine Stahltür geschlagen. Es gibt abartige sexuelle Misshandlungen zu sehen. Dazu kommt heraus, dass die amerikanischen Wächter und Ermittler auch die Kinder von Erwachsenen gefoltert haben, um die Väter zum Reden zu bringen.

Und da würde es mich schon interessieren zu wissen, was denn all die Herrschaften, die in den letzten Tagen den Nichtabdruck der Karikaturen als Appeasment diffamiert haben, jetzt sagen. All die, die die Meinungs- und Informationsfreiheit hochhalten wollten. Diejenigen, die der Meinung sind, dass die anderen solche Bilder ertragen müssen. Sind sie jetzt auch bereit, diese Bilder, diese Schande für den Westen und seine Werte, zu veröffentlichen? Müssen wir im Westen diese Bilder ertragen?

Vermutlich würden es manche von denen tun, weil es für sie Trophäen sind. Andere werden sich anderen Themen zuwenden, und versuchen, von diesem Problem, diesem wirklich peinlichen Dilemma, das unserer - nach ihrer, aber auch trotz allem auch meiner Meinung fortschrittlichen - westlichen Zivilisaztion entspringt, abzulenken. Also, was kann man bringen?

Für mich ist es eine vergleichsweise einfache Antwort - die Veröffentlichung steht im Widerspruch zu meinen journalistischen Grundsätzen. Ich muss mir die Bilder anschauen, ich muss die Inhalte beschreiben, aber die Achtung vor den Gefolterten gebietet es mir, diese Bilder nicht zum Thema einer sensationsgeilen Berichterstattung zu machen. Es wäre aber bezeichnen und für die Feigheit der Neoconnards bezeichnend, wenn sie sich ebenfalls auf diesen Standpunkt flüchten würden. Man wird sehen, ob sie jetzt mit dem selben Nachdruck wie in den letzten Tagen die Veröffentlichung dieser Bilder fordern werden.

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Real Life 14.02.06 - Be my Vampyrelentine

Ich habe übrigens, sagt Iris und spielt mit der abartig grossen Pralinenschachtel herum, die du beim ältesten Pralinenhersteller der Stadt gekauft hast, gerade die P. gesehen. Mit ihrer Mama.

Da fällt dir erst mal nichts mehr ein. Die P. heisst eigentlich A., und es ist mindestens zehn Jahre her, dass sie jemand in deiner Gegenwart als P. bezeichnet hat. P. ist ein Schimpfwort aus einer längst in den Aktendeckeln einer arroganten Bildungs- und Qualveranstaltung versunkenen Zeit. Die A. hast du auf dem Weg zum Cafe auch gesehen und kurz gegrüsst. Es ist nicht fair, sie heute noch als P. zu bezeichnen. Sie hat sich ziemlich gewandelt, seit damals.

Weisst du, lächelst du Iris an, es ist so... ich war damals 19 und hatte gerade das Abitur gemacht. Und den Führerschein, und ich war aus den USA zurück. Weil ich ja keinen Wehrdienst machen musste - untauglich - bin ich mit V. und vielen anderen in diesem Sommer nach Malcesine gefahren, mit meinem Bus und 6 Brettern oben drauf und dem Rennrad hinten drin - was halt Untaugliche im Sommer so machen.

A. war auch dabei. Mit ihren Freund. Im gleichen Hotel wie wir. Und wenn A. dann so auf den Steinen am Strand sass, in einem rosafarbenen Badeanzug, dann hatte sie so etwas von der Eleganz einer sich aalenden Robbe. So ziemlich jeder hat in diesem Sommer begriffen, dass A. keine P. war, sondern eine ziemlich attraktive Frau. Manchmal sieht man das jahrelang nicht, man ist blind, und dann, entsteigt sie den Fluten, nass und die Lippen leicht geöffnet, dr Badeanzug klebt an der Haut, und ZACK, alle wissen und verstehen. So war A. Nicht so derb wie die A. K., sondern so, wie solche Töchter besserer Häuser eben manchmal sind. Und alle Freunde, die damals dabei waren, begriffen, dass ihr Freund den besseren Riecher gehabt hat, als unsereins.

Mein bester Freund und ich hatten das Zimmer nach vorne raus, A. und ihr Freund waren eines dahinter. Und wie in Italien üblich, waren die Wände sehr dünn. Die ersten vier Tage lagen wir ganz still im Bett, schlaflos, ohne Freundin, und lauschten an der Wand. Es kam nichts. Kein Laut, kein Ton. Wir sind dann jeden Morgen um 7 Uhr raus in den Vento, total übermüdet vom nächtlichen Warten auf die Geräusche, die doch nie kamen.

Am fünften Tag, am Nachmittag, als wir endlich mal, vom Lauschen und Surfen erschöpft, ausschlafen konnten, hörten wir dann doch was. Erst Geschrei, dann ein Weinen. Es war nicht A., denn A. kam in unser Zimmer gerauscht, knallte sich in den 50er-jahre-Sessel, und klärte uns auf, dass sie Schluss gemacht hat, ihr Ex jetzt - unüberhörbar - drüben heult, und sie jetzt Hunger hat, und nach Verona will.

Und so sassen wir dann in meinem Bus, A. neben mir und V. hinten, und fuhren durch die warme, würzig duftende Luft die Gardesana Occidentale runter, vorbei an Palmen, Bergen und am silbrig glänzenden Wasser, bis sich das Tal weitet und der Lago eine seichte Wanne wird. A. summte vor sich hin, und klärte uns ab und zu über das miserable Wesen ihres Ex auf. Wir hörten zu und dachten uns, dass es sicher nicht übel ist, diese energische, vor Verachtung und Wut, von dem erlösenden Knall heiss glühende Frau im Bett zu haben, aber die Vorstellung, später ebenso Gesprächsthema zu sein, hielt die Stimmung den Rest des Tages in einer höchst eigenartigen Schwebe.

So war das damals, mit A. Eine P. ist sie nicht.

Ohhh, sagt Iris ironisch, pardon, ich wusste ja nicht, was da war. Lang vorbei, sagst du, und ignorierst den Stich, den du erhalten hast, diese eine Wunde, von der niemand etwas wissen kann.



Dann redet ihr über etwas anderes, und später geht ihr die Strasse mit den teuren Geschäften hinunter. In den Schaufenstern gibt es Sonderangebote für die, die ihren Frauen noch eine geschmacklose Freude machen wollen, Strassschmuck in einer kleinen Samtdose, auf der ein grauenvoller französischer Name des Geschäfts prangt, obwohl die Besitzerin der Ladens so dieser Welt verhaftet ist, dass man sie schon fast als "urig" bezeichnen könnte. Was für eine absurde Welt, diese kleine Stadt mit ihren nie endenden Geschichten, nicht auszuhalten, aber manche, die nie gelernt haben zu fliegen, sind und bleiben auf immer hier, vergessen alle Möglichkeiten, die es früher gab; ihre Grandezza, ihre Kraft, ihren Hass, und all das Grosse, das Schreckliche und das Böse schläft irgendwo verborgen und träumt sich zurück in die Zeit, als das Aussaugen des Anderen, das Wegwerfen der ausgeliebten Hüllen noch ein Dasein vorzeichnete, das nie kommen sollte.

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