: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :

Samstag, 17. Juni 2006

Real Life 15.06.06 - Das grosse Kuchenfressen II

Im Winter ist die Gegend meist wie ausgestorben; der See zieht dann nur Eisläufer und Eisstockschützen an, aber kaum Gäste, die in dieser Gegend gesellschaftlich verkehren. Das ändert sich mit den Osterspaziergängen, und erreicht schliesslich um Sonnwend herum den Höhepunkt. Dann rufen die Bekannten nicht mehr an, um ihr Kommen anzubieten, dann veranstalten die diversen Grüppchen, Kader und Seilschaften eine lange Reihe von Gartenfesten, oftmals, wenn die Dame des Hauses in mehreren Zirkeln verkehrt, die sich natürlich allesamt spinnefeind sind, mehrmals hintereinander. Ende Juni ist es dann zu heiss für diesen Reigen der Eitelkeiten, aber bis dahin wird in den Gärten Kuchen gefressen und Kaffee gesoffen, und wer weniger als zwei Stück nimmt, wird verdächtigt, die Auswahl nicht goutiert zu haben, was das nächste Mal ein Übergehen bei der Einladung zur Folge haben kann. Was dem Berliner sein blauer Dunst über dem verbrannten Rasen des Mauer"parks" ist, ist hier der Geruch von Koffein über sattem, inzwischen oft gezielt verwildertem Grün, in dem man kaum den Schlund in die Geschmacklosigkeiten der Architektur besserer Kreise der späten 70er Jahre vermutet.



Man kann zu solchen Einladungen schlecht nein sagen, weil es als unhöflich gilt, und gerade du kannst diesmal nicht nein sagen, weil du der Sohn des Hauses bist, den Kuchen bringst und das letzte Mal schon geschwänzt hast - es muss übrigens ganz schrecklich gewesen sein, dieser Kreis requiriert sich aus Frauen, die auch nach 40 Jahren des Kinderquälens noch nicht genug davon haben und anderen Ratschläge geben, wie man die Brut am besten für ein Einserabitur abrichtet, und welche der totalitären Anstalten gerade die übelsten Leuteschinder zu bieten hat. Es war wohl wirklich gut, dass du nicht da warst und keine alten Geschichten über den H., den S. und den RR erzählt hast.

Diesmal ist das Motto Frauen mit arbeitendem Mann und missratenen Kindern, die sich vor allem für deutschsprachige Gartenzeitschriften und Kataloge - die Bibeln sind House & Garden und Unopiú - interessieren und damit nicht viel falsch machen können, denn wie das mit der Kreditkarte beim Bestellen geht, das haben sie inzwischen gelernt. Den Töchtern, die traditionell zu Fronleichnam kommen und über das Wochenende bleiben, um endlich mal die Winterreifen wechseln und Papa den kleinen Kundendienst machen zu lassen, wird eingeschärft, dass sie diese Gartenmöbel keinesfalls wegwerfen dürfen, wenn Mama dann doch endlich mal von der 500. eingebildeten Krankheit tatsächlich dahingerafft wird. Auch wenn eigentlich klar ist, dass die Tochter nie mehr als einen 5m²-Balkon ihr eigen nennen wird.

Du wählst Deine Gehässigkeiten so fein, dass Deine Gesprächspartnerinnen fast nicht irritiert sind, kaust am dritten Stück kuchen und schaust auf die Abiturienten-Rolex, wann es endlich so weit ist, dass du dich, ohne allzu höflich zu wirken, vom blumengesäumten Acker machen kannst, da kommt doch noch Rettung in Gestalt von B., die irgendwie von ihrer Mutter erfolgreich zur Teilnahme erpresst wurde. Du lässt Frau S. ziemlich schnell stehen, bringst B. ein Glas Sekt zum Betäuben und später noch eins, und überlegst, ob es

Sie ist noch bis Montag da, und der Anwalt, mit dem sie am Rhein zusammenlebt, muss eine ziemliche Schlaftablette sein, leider wohl genau die Medizin, die sie braucht und letztlich auch will. Irgendetwas ist hier im Grün dieser höllischen Gärten, oder vielleicht auch im Rosa der Torten, das sie vergiftet und ihnen, egal wo sie dann am Ende sind, die Krankheiten des Donautals, das immer und überall ist, mitgibt. Es macht ihr nichts aus, als du ihr erzählst, dass V., wegen dem sie sich beinahe mal ziemlich ernsthaft umbringen wollte, vor einem Jahr ausgerechnet die D. geheiratet hat und jetzt schon mit einem Balg, vor den Bauch geschnallt, sich auf dem Wochenmarkt zum Gespött macht, es ist ihr gleichgültig, da ist alle Hitze und Gier tot, irgendwann verkümmert, und in 20 Jahren, wenn der Wagen dann doch bei einer Vetragswerkstatt und nicht mehr bei Papi ist, wird sie auch solche Einladungen machen, ohne Abgründe und Untiefen, alles wird grün sein und in der Sommerhitze leben, nur nicht sie und ihre befreundeten Kadaver.

... link (10 Kommentare)   ... comment


Das Restaurant am Ende des universal schönen Wetters

Blogger.de hat sein hitzefrei überwunden und ist wieder da - aber jetzt muss ich weg, gesellschaftliche Verpflichtungen verlangen meine Anwesenheit, es geht um einen Stoff für einen Stuhl und um Stilberatung, und danach ein wenig Reden über Göttinnen und die kleine Welt, und am Abend nochmal, bei Steinpilzravioli.



Dennoch ist da dieses Gefühl, dass gerade etwas unwiderruflich zu Ende geht. Vielleicht ist es der Leichenwagen gewesen, der drüben im Altersheim eine Frau geholt hat, die niemals Besuch bekam, und auch jetzt war keiner dabei, aber einer kam vorbei und sagte den Sargträgern, na, wieder ein Platz frei, und was bleibt, ist der Wunsch, noch anders auffällig geworden zu sein, nicht nur was sagen, sondern ihm einfach, ohne Worte, kalt und methodisch mit einem der Stahlmülleimer das Gesicht einzuschlagen und plastisch zu verformen, das Knacken der Kiefer zu hören und das Knirschen der Zähne in ihren zu schwachen Verankerungen, nicht umbringen, aber doch so, dass sein Äusseres dem Inneren entspricht und nie mehr die glatte Oberfläche erhält, die all seine Verkommenheit versteckt.

Diese Welt hier ist perfekt, sie hat alles Unangenehme outgesourced und die Konfrontation auf ein Minimum begrenzt, ein Haufen Sperrmüll wird in den nächsten Tagen beim Altersheim stehen und von fern werden verstimmte Glocken klingen, ein paar genervte Leute werden in Schwarz schwitzen und Kinder unbedingt heim wollen, weil sie sonst den nächsten Manga versäumen. Kann sein, dass ich nachher schon gar nicht mehr daran denke, wenn ich von Samt abrate und Gelb empfehle, Mordlust lässt sich nicht lang konservieren, sie lebt von der Unmittelbarkeit und dem Moment, und eigentlich geht es mich nichts an, nur eine Frau, die ich ab und zu gesehen und gegrüsst habe, und dann gibt es auch noch das Wissen, dass nicht alle so sind.

... link (0 Kommentare)   ... comment