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Montag, 26. Juni 2006
Brecht zitieren angesichts des Sturms
Schlimm ist der Hurrikan
Schlimmer ist der Taifun
Doch am schlimmsten ist der Mensch.
Brecht, Mahagonny
Andrea schreibt
über das Wettlesen neuerer Literatur,
Blitze erscheinen
plötzlich so niedlich und zart hingehaucht
in den Himmel.
Schlimmer ist der Taifun
Doch am schlimmsten ist der Mensch.
Brecht, Mahagonny
Andrea schreibt
über das Wettlesen neuerer Literatur,
Blitze erscheinen
plötzlich so niedlich und zart hingehaucht
in den Himmel.
donalphons, 01:00h
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Real Life 25.06.06 - Vanitas vincit papam
oder wie du dich eines schönen Morgens mit dem dir verhassten Wien, nicht aber mit dem mindestens ebenso verhassten Ratzinger etwas versöhnt hast.
Meinst Du, sagt Iris, als ihr über den staubigen, mit kleinen, spitzen Steinen übersähten Weg der Leidenschaften entlang geht, meinst Du, die machen das absichtlich, dass sie den Ratzinger in das andere Programm reinquetschen? Man hätte doch einfach eine Matinee nur mit der Ratzingermusik machen können, für die Hardcore-Gläubigen, und eine nur mit Musik von Bach, für die anderen.
Prima, sagst du, und beide Seiten führen Buch über die jeweils anderen, die nicht kommen oder auf beide Veranstaltungen gehen. Die einen sind dann die evangelenhassenden Katholen, die anderen sind die katholenboykottierenden Evangelen, die überall kommen die willenlosen Schleimer und Neureichen, die sich bei allen andienen, und solche wie wir, die gar nicht kommen, sind entweder notorische Libertins wie ich oder ihre anderen entlaufenen Metzen wie Du, und über alle hat man etwas zu tratschen. Und wenn dann das Stadtjubiläum kommt, können wir es beim Festzug nach alter Väter Sitte mit Hellebarde, Saufeder, Dolch und Gift austragen. Was wurde nur aus den schönen Sonntagen im frühen Juni, als sie noch Vivaldi spielten und Mozart und Haydn - wozu jetzt ein Mischmasch aus Bach und den oidn Ratzn?
Du fluchst noch etwas gottes - aber nicht g`tteslästerliches - und jammerst Iris die Ohren voll, dass das alles gar nicht hätte sein müssen, hätte Deinesgleichen doch vor 1970 Jahren ordentlich gearbeitet und gleich die ganze Bande, und nicht nur den einen Spinner und so, und Iris schämt sich vielleicht ein klein wenig, weil sie, wie sie sagt, schon Wert darauf legt, rechtzeitig zur Matinee zu kommen. Trotz dem dort aufgeführten Typen, der sie, eine grundlos aus dem hl. Stand der Ehe davongelaufenen Dirne, die auch noch ihren unschuldigen Gatten zwei Drittel des gemeinsamen Hauses per Anwalt beraubte, vermutlich gleich zwischen Josephine Mutzenbacher und der masturbierenden Klimtmuse Emilie Flöge verorten und einen Platz im Jenseits reservieren würde - sicher eine spannende Umgebung, wäre sie nicht etwas heiss und schmerzvoll geraten. Dass du auf Mutzenbacher und Flöge kommst, muss wohl an dem Laster mit Wiener Kennzeichen liegen, der da in Stauben vor euch steht und -
wie weggewischt ist der oide Ratzn, vergessen ist alles, denn dort steht, weswegen du gekommen bist: Ein Spiegel, den man allerorten westlich von Deutschland hoch achtet und als Louis-Philippe-Spiegel bezeichnet: Abgerundete Ecken, aufgesetzte Schnitzereien oder Stuckaturen, das alles in Gold, und der Spiegel selbst ein Quecksilber-Original und natürlich über Kreuz geschliffen - genau das, was für die Garderobe noch fehlt.
Der ist aber - sehr, hm - golden, sagt Iris, als du geifernd davor stehst. Du verzichtest gnädig darauf, ihr die Unbildung um die bislang unangeknabberten Ohren zu hauen und singst dagegen vor dem Händler die berühmte, grösse Lügenarie des Don Alphonso:
"Ich würde ihn ja gern erwerben,
doch meine Gemahlin bringt mich um
und wer sollte ihn dann e- her-ben?
was die weitere Preisverhandlung dahingegend verlagert, dass der Händler, ein echter Wiener, die in Wirklichkeit gar nicht involvierte Iris auf eine Art bezirzt, die sie mindestens seit dem Heiratsantrag ihres Ex-Mannes nicht mehr erlebt hat, und sie gar nicht dazu kommt, die List aufzudecken, wenngleich sie, das sieht man ihr an, es nur zu gern tun würde.
Scheusslich, sagt sie dann, als ihr weiterzieht, um einige Scheine erleichtert, das Ding ist einfach nur hässlich, igitt, sowas von billig, wie aus dem Puff - Don? Don? Hör mal, Don, nein, komm, Du hast schon einen, wirklich, jetzt reicht es - aber da ward am nächsten Wiener Händler der Wortschwall schon übertönt von deiner zweiten grossen Lügenarie:
Meine Gattin, die wird mich erdrosseln
da hilft kein Necken und kein Busseln,
denn einen hab ich grade schon gekauft
nähm ich den, dann wird bös mit mir gerauft
wenn er mehr als, sagen wir mal, 80 Euro?
Don, nein, nicht, ruft Iris, wir haben keine Zeit, und ausserdem müssen wir in die Matinee... Küssdiehand Madame, sagt der Händler, ez schaugns amal, dea Schpigl is so heazig wana im Schlofzimma hengt, do issa fei hea, den hob I... er erzählt, und da Ratz dahoam muss ohne euch auskommen, denn es ist eine längere Geschichte und eine knallharte Preisverhandlung, in der Iris wieder nicht klarstellen kann, dass sie nicht deine Frau ist, die Ärmste. Viel zu spät dann, alle haben das Konzert schon lang verlassen, sitzt ihr bei dir in der neuen Wohnung, und Iris schaut über die Torte und den Venezianer die Neuerwerbungen schlecht gelaunt an.
Schau mal, erklärst du, diese Louis-Philippe-Spiegel werden bei uns mit falschen Augen betrachtet. Hierzulande wollen alle nur Biedermeierspiegel, schlicht, mit glattem Holzrahmen. Dabei war der Spiegel einer der teuersten Gegenstände im Raum, und weil man sich darin präsentierte, sollte er so prunkvoll wie möglich sein. Im Spiegel übernahm das Bürgertum das adlige Möbelstück par excellence, denn nach der französischen Revolution wollte man auch diese letzte Interieurbastion schleifen. Ein grosser Spiegel, das bedeutete Prunk und noch mehr, Selbstbewusstsein, man stellte die eigene Person in das Zentrum, das eigene Bild war einem etwas wert, und das wollte man nicht mit einem schnöden Holzrahmen dokumentieren, sondern spätestens ab 1830 mit einem dicken, aufwendigen Goldrahmen - deshalb heissen sie auch nach dem Herrscher der 1830er Revolution in Frankreich Louis-Philippe-Spiegel. Überall scheint man das zu wissen, nur in den Nörglerländern Deutschland und Österreich verneint man diesen objektgewordenen Willen zur Repräsentation. Wir wollen ja keinesfalls eitel sein, und uns im Goldrahmen anschauen.
Man müsste, meint Iris, die Dinger mal aufgehängt sehen - was dir die Gelegenheit gibt, sofort dem männlichen Spieltrieb nachzukommen. Reissen Jungen schon im Auto die Verpackung von Bausätzen auf, knallen Erwachsene sofort Dübel in die Wand, während die Frauen noch mit der Tasse auf dem Pralinenstuhl sitzen. Fertig, meldest du den Vollzug.
Iris betrachtet misstrauisch die kranken Stellen des Spiegels, die Verzierungen, den feinen Kreuzschliff, putzt etwas Wiener Dreck ab, du holst einen Lappen und polierst ein wenig am Gold rum. Nicht zu viel, es reicht, den Staub zu entfernen.
Hm, meint Iris. Du, Don, ich muss jetzt heim. Und sie ruft drei Stunden später nochmal an, um zu sagen, dass der Ratzinger ganz furchtbar gewesen sein muss, und sie den Spiegel eigentlich, hm, brauchen könnte. Oder auch beide. Den einen für das Bad, den anderen für das Schlafzimmer. Und nachdem sie dir beim Verhandeln so geholfen hat...
Meinst Du, sagt Iris, als ihr über den staubigen, mit kleinen, spitzen Steinen übersähten Weg der Leidenschaften entlang geht, meinst Du, die machen das absichtlich, dass sie den Ratzinger in das andere Programm reinquetschen? Man hätte doch einfach eine Matinee nur mit der Ratzingermusik machen können, für die Hardcore-Gläubigen, und eine nur mit Musik von Bach, für die anderen.
Prima, sagst du, und beide Seiten führen Buch über die jeweils anderen, die nicht kommen oder auf beide Veranstaltungen gehen. Die einen sind dann die evangelenhassenden Katholen, die anderen sind die katholenboykottierenden Evangelen, die überall kommen die willenlosen Schleimer und Neureichen, die sich bei allen andienen, und solche wie wir, die gar nicht kommen, sind entweder notorische Libertins wie ich oder ihre anderen entlaufenen Metzen wie Du, und über alle hat man etwas zu tratschen. Und wenn dann das Stadtjubiläum kommt, können wir es beim Festzug nach alter Väter Sitte mit Hellebarde, Saufeder, Dolch und Gift austragen. Was wurde nur aus den schönen Sonntagen im frühen Juni, als sie noch Vivaldi spielten und Mozart und Haydn - wozu jetzt ein Mischmasch aus Bach und den oidn Ratzn?
Du fluchst noch etwas gottes - aber nicht g`tteslästerliches - und jammerst Iris die Ohren voll, dass das alles gar nicht hätte sein müssen, hätte Deinesgleichen doch vor 1970 Jahren ordentlich gearbeitet und gleich die ganze Bande, und nicht nur den einen Spinner und so, und Iris schämt sich vielleicht ein klein wenig, weil sie, wie sie sagt, schon Wert darauf legt, rechtzeitig zur Matinee zu kommen. Trotz dem dort aufgeführten Typen, der sie, eine grundlos aus dem hl. Stand der Ehe davongelaufenen Dirne, die auch noch ihren unschuldigen Gatten zwei Drittel des gemeinsamen Hauses per Anwalt beraubte, vermutlich gleich zwischen Josephine Mutzenbacher und der masturbierenden Klimtmuse Emilie Flöge verorten und einen Platz im Jenseits reservieren würde - sicher eine spannende Umgebung, wäre sie nicht etwas heiss und schmerzvoll geraten. Dass du auf Mutzenbacher und Flöge kommst, muss wohl an dem Laster mit Wiener Kennzeichen liegen, der da in Stauben vor euch steht und -
wie weggewischt ist der oide Ratzn, vergessen ist alles, denn dort steht, weswegen du gekommen bist: Ein Spiegel, den man allerorten westlich von Deutschland hoch achtet und als Louis-Philippe-Spiegel bezeichnet: Abgerundete Ecken, aufgesetzte Schnitzereien oder Stuckaturen, das alles in Gold, und der Spiegel selbst ein Quecksilber-Original und natürlich über Kreuz geschliffen - genau das, was für die Garderobe noch fehlt.
Der ist aber - sehr, hm - golden, sagt Iris, als du geifernd davor stehst. Du verzichtest gnädig darauf, ihr die Unbildung um die bislang unangeknabberten Ohren zu hauen und singst dagegen vor dem Händler die berühmte, grösse Lügenarie des Don Alphonso:
"Ich würde ihn ja gern erwerben,
doch meine Gemahlin bringt mich um
und wer sollte ihn dann e- her-ben?
was die weitere Preisverhandlung dahingegend verlagert, dass der Händler, ein echter Wiener, die in Wirklichkeit gar nicht involvierte Iris auf eine Art bezirzt, die sie mindestens seit dem Heiratsantrag ihres Ex-Mannes nicht mehr erlebt hat, und sie gar nicht dazu kommt, die List aufzudecken, wenngleich sie, das sieht man ihr an, es nur zu gern tun würde.
Scheusslich, sagt sie dann, als ihr weiterzieht, um einige Scheine erleichtert, das Ding ist einfach nur hässlich, igitt, sowas von billig, wie aus dem Puff - Don? Don? Hör mal, Don, nein, komm, Du hast schon einen, wirklich, jetzt reicht es - aber da ward am nächsten Wiener Händler der Wortschwall schon übertönt von deiner zweiten grossen Lügenarie:
Meine Gattin, die wird mich erdrosseln
da hilft kein Necken und kein Busseln,
denn einen hab ich grade schon gekauft
nähm ich den, dann wird bös mit mir gerauft
wenn er mehr als, sagen wir mal, 80 Euro?
Don, nein, nicht, ruft Iris, wir haben keine Zeit, und ausserdem müssen wir in die Matinee... Küssdiehand Madame, sagt der Händler, ez schaugns amal, dea Schpigl is so heazig wana im Schlofzimma hengt, do issa fei hea, den hob I... er erzählt, und da Ratz dahoam muss ohne euch auskommen, denn es ist eine längere Geschichte und eine knallharte Preisverhandlung, in der Iris wieder nicht klarstellen kann, dass sie nicht deine Frau ist, die Ärmste. Viel zu spät dann, alle haben das Konzert schon lang verlassen, sitzt ihr bei dir in der neuen Wohnung, und Iris schaut über die Torte und den Venezianer die Neuerwerbungen schlecht gelaunt an.
Schau mal, erklärst du, diese Louis-Philippe-Spiegel werden bei uns mit falschen Augen betrachtet. Hierzulande wollen alle nur Biedermeierspiegel, schlicht, mit glattem Holzrahmen. Dabei war der Spiegel einer der teuersten Gegenstände im Raum, und weil man sich darin präsentierte, sollte er so prunkvoll wie möglich sein. Im Spiegel übernahm das Bürgertum das adlige Möbelstück par excellence, denn nach der französischen Revolution wollte man auch diese letzte Interieurbastion schleifen. Ein grosser Spiegel, das bedeutete Prunk und noch mehr, Selbstbewusstsein, man stellte die eigene Person in das Zentrum, das eigene Bild war einem etwas wert, und das wollte man nicht mit einem schnöden Holzrahmen dokumentieren, sondern spätestens ab 1830 mit einem dicken, aufwendigen Goldrahmen - deshalb heissen sie auch nach dem Herrscher der 1830er Revolution in Frankreich Louis-Philippe-Spiegel. Überall scheint man das zu wissen, nur in den Nörglerländern Deutschland und Österreich verneint man diesen objektgewordenen Willen zur Repräsentation. Wir wollen ja keinesfalls eitel sein, und uns im Goldrahmen anschauen.
Man müsste, meint Iris, die Dinger mal aufgehängt sehen - was dir die Gelegenheit gibt, sofort dem männlichen Spieltrieb nachzukommen. Reissen Jungen schon im Auto die Verpackung von Bausätzen auf, knallen Erwachsene sofort Dübel in die Wand, während die Frauen noch mit der Tasse auf dem Pralinenstuhl sitzen. Fertig, meldest du den Vollzug.
Iris betrachtet misstrauisch die kranken Stellen des Spiegels, die Verzierungen, den feinen Kreuzschliff, putzt etwas Wiener Dreck ab, du holst einen Lappen und polierst ein wenig am Gold rum. Nicht zu viel, es reicht, den Staub zu entfernen.
Hm, meint Iris. Du, Don, ich muss jetzt heim. Und sie ruft drei Stunden später nochmal an, um zu sagen, dass der Ratzinger ganz furchtbar gewesen sein muss, und sie den Spiegel eigentlich, hm, brauchen könnte. Oder auch beide. Den einen für das Bad, den anderen für das Schlafzimmer. Und nachdem sie dir beim Verhandeln so geholfen hat...
donalphons, 22:44h
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Selbstbildnis
des Gecken mit gedeckter Apfeltorte, Tee, Liegestuhl, Sonnenschirm, Stadtpalästen und Firmament in englischer Teekanne auf der Dachterasse, daselbst geschnitten und geblogt.
Das Leben ist schön.
Das Leben ist schön.
donalphons, 19:10h
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