: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :

Freitag, 6. Juni 2008

Empfehlung heute - Welt heilen

Vielleicht ist es gar nicht so schlecht, sich erst mal diese angenehm grüne Bilderserie vom lieblichen Tal der Mangfall anzuschauen.



Dann verträgt man die Schlechtigkeit der Welt im Allgemeinen und der Pharmaindustrie im Besonderen besser. Ich will auch so ein Belohnungsrecht für Skandalaufdecker.

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Real Life 5.6.2008: Eine Frage des Respekts

Vom Himmel fällt Wasser, als wäre es die amerikanische Notenbank, die einen Geldregen auf die Kriminellen an der Wallstreet niedergehen lässt. Der erste 1000er ist keine zwei Kilometer entfernt, aber du siehst ihn nicht, die Wolken schaffen es nicht mal knapp über Seehöhe, und schon auf der ersten Anhöhe über dem See schüttet es schon seit Stunden. Das Wetter ist schlecht; würde man im Hotel wohnen, hätte man sich längst in den sonnigen Norden verabschiedet. Aber da ist ein gutes Buch - die Liebestaten des Vicomte de Nantel von Crebillon d. J., in Form eines Privatdrucks des Kala Verlag Krohn KG, erschienen 1964, nummeriert 604, mit Bütten und Halbleder einer der letzten Höhepunkte der libertinen Privateditionen zur Subskription, bevor Porno mit den 68ern normal, holländisch und vulgär wurde. Da ist eine gute Tasse Tee, ein bayerischer Hefezopf mit Weinberln, dazu italienische Pfirsichmarmelade und hin und wieder der entzückende Anblick von in Plastik gehüllten Menschen, die draussen mit hohen Verlusten versuchen, dem Wetter etwas abzugewinnen. "Crebillon in den Bergen" wäre ein schöner Titel für einen leichten Sommerroman. Irgendwo wird mal wieder gerated, in München zittert die Staatskanzlei vor neuen Löchern bei der Landesbank, und Akten gehen auf Reisen in die Keller von Sekretärinnen, man weiss nie, was kommt, also gilt es, den Augenblick zu geniessen -



der justament durch Geklingel gestört wird. Du gehst zur Tür, draussen ist eine ältere Dame, die sich als Frau Dr. T. vorstellt und dir mitteilt, welche Wohnung, genauer Sommerwohnung in diesem Komplex die ihre ist. Hier geht es noch zu wie früher, man lässt niemanden draussen stehen, also bittest du sie herein und zeigst ihr die Wohnung, von der sie dank der Tratscherei im Ort ohnehin schon alles wissen dürfte, angefangen vom Muster der Teppiche bis zu dem Teil deiner Lebensgeschichte, den du für zumutbar hältst. Frau Dr. T. jedoch ist vorsichtig, sehr, sehr vorsichtig, lehnt auch Tee und Kuchen ab, und setzt dann behutsam an.

Es sei nämlich so, dass sie jetzt ein paar Wochen hier sind, und sie hofft, es würde dich nicht allzusehr stören, ihre Kinder kämen auch ab und an vorbei, und dann könnte es, nun ja, die Tochter hat einen Hund, also, der könnte bellen. Das täte ihr sehr leid.

Das ist jetzt schon die dritte Hausbewohnerin, die bei dir in Frage von bellenden Hunden vorspricht. Die anderen beiden fraglichen Exemplare, Dackel Moritz und der ältliche Hund der Familie, die meistens ohnehin in Ibiza ist, waren alles andere als laut. Also erzählst du von Hermes, dem aufgerichtet 2,10 Meter grossen Golden-Retriever-Bernhardiner-Mischling, den du bestens kennst und den du trotz seiner Neigung, lautstark Harleys zu jagen, für absolut tolerabel und zumutbar hältst, Hunde seine gar kein Problem und Sabinchen, die Hunde verhaut, kommt eh nicht mit, also alles kein Problem.

Wir werden auch sonst versuchen, Lärm zu vermeiden, betont Frau Dr. T., und langsam wirst du etwas unsicher, ob das nicht eine Anspielung auf eigenes Verhalten ist - vielleicht Nachts geduscht? Crebillons Vorschläge lautstark praktisch umgesetzt? Der Auspuff hat ein Loch? Dir fällt absolut nichts ein, kaum klingt das Klappern der Thinkpad-Tastatur durch das Schlafzimmer, und Bütten blättert sich sehr leise. Du, das ist sicher, warst es nicht. Und um der Situation die Gezwungenheit zu nehmen, berichtest du leutseelig von daheim und dem Krach, den die Elitessen bei ihren Grillversuchen im Hof machen, und dass du überhaupt keinen Anlass siehst, in dieser nun wirklich ruhigen, dezenten Anlage irgendetwas zu bemängeln. Im Gegenteil, du hoffst, dass die Umbauarbeiten nicht zu laut waren.

Und - also - was hat ihnen eigentlich der Vorbesitzer gesagt, fragt Frau Dr. T. verlgen, und langsam wunderst du dich, ob es da nicht noch irgendeinen Knaller hinter der Fassade gibt, ein privater Folterkeller vielleicht oder sonst einen Haken, der keine Erwähnung fand beim zügig durchgeführten Notverkauf im März.

Nichts, alles in Ordnung, und du lässt die ganze Geschichte des abrupten Besitzerwechsels Revue passieren, soweit der Verkäufer dabei mit seinen Spekulationen im Nebel des grauen Kapitalmarkts, die ihn am Ende zum Verkauf brachten, nicht zu schlecht wegkommt.

Ahhh, sagt Frau Dr. T., plötzlich gar nicht mehr so dezent und zurückhaltend, aha! Sie sind also nicht mit ihm verwandt oder befreundet? Und er hat ihnen nichts erzählt?

Nun aber erzählt sie. Seit dem Tod seiner Tante habe die Hausgemeinschaft unter diesem Mann gelitten, ein Scheusal sei das gewesen, wegen jedem Bellen hätte er die Polizei geholt, wenn er mal da war, Prozesse hätte er geführt wegen kleinster Vorteile, eine Delle in einem Ferrari hätte zu übelsten Verdächtigungen geführt, wo er war, sei Krieg gewesen, man habe sich gefürchtet und sei Wandern gegangen, wenn er kam, sein Sohn wäre genauso gewesen, und nach dem, was im Hause gemunkelt wurde, hätte er die Wohnung an einen Geschäftspartner der gleichen Sorte weiterverkauft, der mit ähnlichen Praktiken die Sonne über dem schönen Leben am See auch so verdunkeln würde.

Äh - nein, sagst du, die Quelle des Respekts erkennend und gleichzeitig negierend, die in den letzten Wochen diese Sturzbäche von Respekt und vorsichtigen Fragen über dich hat hereinstürzen lassen. Du redest noch etwas über erfolgreiches Konfliktmanagement im heimischen Stadtpalast, Konditoreien und den Umstand, dass du hier keinesfalls als knallharten Haifischtransporteur, sondern eher als Schriftsteller gesehen werden möchtest, und fängst dir damit auch gleich das Angebot ein, dich in Tegernsee bei der Gestaltung einiger literarischer Veranstaltungen einzubringen, sie kennt da nämlich Frau Prof. Dr. F., die macht das und ist sicher begeistert, wenn die junge deutsche Literatur hier auch etwas repräsentiert ist, neben Heimatdichtern und Dorfchronisten. Ob du denn auch sowas mit dieser Imail machst?

Mit dem Verprechen, das allseits verhasste Namensschild (mit Wappen) des Vorbesitzers an der Tür zu entfernen, um das es übrigens auch einen Rechtsstreit gab, verabschiedest du Frau Dr. T. und hoffst, dass der vergangene Krieg keinen auf die Idee bringt, Ungleiches nun mit Gleichem zu verbinden. Die Tage des Respekts jedenfalls sind jetzt vorbei.

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