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Donnerstag, 14. August 2008
Meine kleinen Hedgefonds gegen Euro und Dollar
Die hier schon bekannte Mrs. Murdock aus Pasadena hat ein Problem: Sie will im Roman "Das hohe Fenster" ihre entlaufene Schwiegertochter Linda Conquest kostenneutral loswerden und verdächtigt sie, ihr eine wertvolle Münze gestohlen zu haben. Gegenüber Marlowe zählt sie all den Luxus auf, mit dem sie diese Frau ihres Sohnes dummerweise überhäuft hat; ein stahlgrauer Mercury etwa, ein wolkiges Bernsteinarmband mit Brilliantschliesse und eine Longines-Uhr aus Platin, womit die junge Mrs. Murdock für ihre Zeit bestens ausgestattet war. Dass die Schweizer Uhrenmarke Longines zu dieser Zeit in den USA ein Begriff für Exklusivität war, lag an der Flucht europäischer Luxushersteller aus dem kriegszerstörten Kontinent in die damals wirtschaftlich Tritt fassenden USA, denn dort war das Geld und die Kundschaft und auch die Bereitschaft, sich endlich wieder etwas zu leisten. Longines war von allen europäischen Luxusherstellern derjenige, der die Chancen am schnellsten begriff und umzusetzen wusste, so dass die am amerikanischen Geschmack orientierten Uhren in den USA fast schon als amerikanische Marke gesehen wurden. Mit Wittnauer hatte Longines sogar einen Vertriebspartner in den Staaten, der auf Schweizer Werke zurückgriff.
60 Jahre später liegen die USA darnieder, und dem Euroraum geht es auch nicht mehr so gut. Es riecht nach Weltwirtschaftskrise, und es scheint mir deshalb an der Zeit, die Schweizer Flüchtlinge der 50er und 60er Jahre heimzuholen.
Das hier sind zwei Admiralmodelle von Longines mit wasserdichten Gehäusen und sehr feinen Calibern. Aus Sicht der deutschen 50er Jahre waren sie praktisch unbezahlbar, für diese beiden Uhren hätte man 2/3 eines VW Käfer kaufen können, und sollte es mit dem Benzinpreis so weitergehen, wird man dereinst für eine Uhr einen ganzen Schrottplatz bekommen. So richtig billig waren sie auch in den USA nicht, ganz im Gegenteil; 1961 machten sich Opa und Oma auf den Weg und kauften für den Enkel etwas wirklich Gutes zum Abschluss der Highschool, das sich der betreffende Herr damals selbst nie hätte leisten können. Allerdings scheint er auch nicht allzu begeistert gewesen zu sein, denn getragen wurde die Uhr praktisch nicht, die auch heute, nach 47 Jahren so gut wie neu ist:
Es war die Zeit der Babyboomer, und wie mir der Enkel dieses vor kurzem verschiedenen Absolventen schrieb, hatte er sich wohl bald danach ein paar klobige Uhren im Stil der 70er Jahre gekauft, die man eventuell noch in den USA behalten möchte; sollte man aber erneut den Internetkommerz bemühen, würde man mich vorher gerne informieren. Die Longines aber wurde auserkoren, die klamme Familienkasse über Ebay aufzubessern, und bei einem Dollarkurs von knapp 1,60 konnte ich eigentlich nichts falsch machen. Der reiche Onkel aus Deutschland, sicher eine ganz neue und ungewohnte Erfahrung für die Amerikaner. Bei uns jedoch wäre eine bessere Swatch teurer gewesen, auch teurer als das andere Exemplar mit guillochiertem Zifferblatt im Stil der Calatrava:
Es ist nicht viel Geld, das ich damit auf meiner Seite des Atlantiks Rezession und Inflation entzogen und in Sachwerte verschoben habe, auf ein anderes Desiderat warte ich noch, und vielleicht fällt mir auch noch mehr ein, was ich tun könnte, um mich gegen den kommenden Fall zu wappnen. Es sind meine kleinen, persönlichen Hedgefonds mit nicht erneuerbaren Assets, die nun entkoppelt sind vom Abwärtstrend der Währungen und desolaten Wirtschaftszahlen, und die Rendite ist vorerst nur das beruhigende Wissen, dass diese Symbole einer lang vergangenen Zeit wohl so schnell nicht mehr so billig zu haben sein werden. Ich weiss nicht, was die Verkäufer mit dem Geld machen - vielleicht füllen sie den Pickup mit Benzin und fahren in die Shopping Mall, vielleicht werfen sie es auch nur einer gierigen Bank in den Rachen oder verspekulieren es an der Börse. Ich denke, sie haben so oder so ein schlechtes Geschäft gemacht, nicht so schlecht wie das Geschäft, das uns allen gerade aufgebürdet wird, aber ihr Fehler ist am Ende mein Richtiges im Falschen, wenngleich ich auch zuversichtlich bin, dass die kommende Flut nicht mehr als meine Zehen umspielen wird, und mein Leben ansonsten so wasserdicht wie das Gehäuse einer Longines Admiral ist.
Und nun reise ich nach Frankfurt, dummerweise im offenen Wagen und hoffend, dass das Luftraum unter den Türmen halbwegs frei von tieffliegenden Bankern ist, die vorher hoffentlich die Uhren abgelegt haben.
60 Jahre später liegen die USA darnieder, und dem Euroraum geht es auch nicht mehr so gut. Es riecht nach Weltwirtschaftskrise, und es scheint mir deshalb an der Zeit, die Schweizer Flüchtlinge der 50er und 60er Jahre heimzuholen.
Das hier sind zwei Admiralmodelle von Longines mit wasserdichten Gehäusen und sehr feinen Calibern. Aus Sicht der deutschen 50er Jahre waren sie praktisch unbezahlbar, für diese beiden Uhren hätte man 2/3 eines VW Käfer kaufen können, und sollte es mit dem Benzinpreis so weitergehen, wird man dereinst für eine Uhr einen ganzen Schrottplatz bekommen. So richtig billig waren sie auch in den USA nicht, ganz im Gegenteil; 1961 machten sich Opa und Oma auf den Weg und kauften für den Enkel etwas wirklich Gutes zum Abschluss der Highschool, das sich der betreffende Herr damals selbst nie hätte leisten können. Allerdings scheint er auch nicht allzu begeistert gewesen zu sein, denn getragen wurde die Uhr praktisch nicht, die auch heute, nach 47 Jahren so gut wie neu ist:
Es war die Zeit der Babyboomer, und wie mir der Enkel dieses vor kurzem verschiedenen Absolventen schrieb, hatte er sich wohl bald danach ein paar klobige Uhren im Stil der 70er Jahre gekauft, die man eventuell noch in den USA behalten möchte; sollte man aber erneut den Internetkommerz bemühen, würde man mich vorher gerne informieren. Die Longines aber wurde auserkoren, die klamme Familienkasse über Ebay aufzubessern, und bei einem Dollarkurs von knapp 1,60 konnte ich eigentlich nichts falsch machen. Der reiche Onkel aus Deutschland, sicher eine ganz neue und ungewohnte Erfahrung für die Amerikaner. Bei uns jedoch wäre eine bessere Swatch teurer gewesen, auch teurer als das andere Exemplar mit guillochiertem Zifferblatt im Stil der Calatrava:
Es ist nicht viel Geld, das ich damit auf meiner Seite des Atlantiks Rezession und Inflation entzogen und in Sachwerte verschoben habe, auf ein anderes Desiderat warte ich noch, und vielleicht fällt mir auch noch mehr ein, was ich tun könnte, um mich gegen den kommenden Fall zu wappnen. Es sind meine kleinen, persönlichen Hedgefonds mit nicht erneuerbaren Assets, die nun entkoppelt sind vom Abwärtstrend der Währungen und desolaten Wirtschaftszahlen, und die Rendite ist vorerst nur das beruhigende Wissen, dass diese Symbole einer lang vergangenen Zeit wohl so schnell nicht mehr so billig zu haben sein werden. Ich weiss nicht, was die Verkäufer mit dem Geld machen - vielleicht füllen sie den Pickup mit Benzin und fahren in die Shopping Mall, vielleicht werfen sie es auch nur einer gierigen Bank in den Rachen oder verspekulieren es an der Börse. Ich denke, sie haben so oder so ein schlechtes Geschäft gemacht, nicht so schlecht wie das Geschäft, das uns allen gerade aufgebürdet wird, aber ihr Fehler ist am Ende mein Richtiges im Falschen, wenngleich ich auch zuversichtlich bin, dass die kommende Flut nicht mehr als meine Zehen umspielen wird, und mein Leben ansonsten so wasserdicht wie das Gehäuse einer Longines Admiral ist.
Und nun reise ich nach Frankfurt, dummerweise im offenen Wagen und hoffend, dass das Luftraum unter den Türmen halbwegs frei von tieffliegenden Bankern ist, die vorher hoffentlich die Uhren abgelegt haben.
donalphons, 16:01h
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