: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :

Donnerstag, 21. August 2008

Mit dem Tod auf Du und Du.

Ich habe viele Tote gesehen. Das brachte mein Studium so mit sich, ich habe auf einem Gräberfeld gearbeitet, und in der Regel machte man ein Grab, eine Leiche, ein vergangenes Leben pro Tag. Eine exakte Zeichnung der Lage, Fundnumerierung, Bilder, Grabungstagebuch, Bloggen für Archäologen, und am Abend räumte ich die sterblichen Überreste in einen blauen, reissfesten Müllsack und trug ihn über das Gräberfeld zu einer Holzkiste, wo sie auf den Abtransport zum Medizinmann warteten. Es gehört dazu, ich hatte kein Problem damit, ich konnte gut schlafen, und als einmal der Kleinbagger beim Abziehen knirschend einen Schädel spaltete, der in der Verfüllung des Raubschachts verblieben wär, ging ich eben hin und sortierte die Bruchstücke für die Dokumentation. Zwischendrin gab es Essen, nachher ein wenig Schwimmen im nahen See, man lebt damit und an den Geruch, den so ein Grab verströmt, mit seiner feuchten Erde, dem verrottenden Metall und den austrocknenden Knochen gewöhnt man sich schnell, so schnell, dass man ihn vergisst, sobald das frische Brot aufgeschnitten ist.

Es ist nicht besonders respektvoll, was man da tut, es geht um Wissenschaft, und die hat nun mal keinen Respekt, man tut, was man tun muss, bevor die Bagger für ein neues Baugebiet kommen. Hat ein Adliger eine Spatha dabei und einen Schildbuckel, ist es mehr Arbeit, bei Kindergräbern sind nur selten viele Knochen erhalten, das macht den Unterschied, egal welche Gelegenheit deren Leben beendete. Die Auswertung ist die Sache eines armen Doktoranden, den es dereinst erwischen wird, und der dann hoffen muss, dass die Numerierung der blauen Säcke noch lesbar ist.



Ich muss ganz ehrlich sagen, dass ich so einen blauen Sack für mich bevorzugen würde, mit einer Nummer und den Grabbeigaben in einer anderen Obstkiste. Was ich eher unerfreulich finden würde, ist die Verbringung als noch nicht vergangenes Kadaver in eine wertvolle Kiste, die angebetet und verehrt wird für etwas, das mit mir nichts zu tun hat, angefleht wird um Blagen, Essen, den richtigen Hieb auf den Türkenschädel, und dann, nach dem Rückzug des Glaubens, irgendwo als Kostbarkeit japanische Mädchen erbleichen zu lassen, weil meine verdorrten Beine unter all den Perlen und Seidenstoffen heute nur noch von der Endlichkeit künden, dumm, banal und nur deshalb nicht überflüssig, weil es unerträglich wäre, all die Arschkrampen da draussen mehr als ein Jahrhundert das Antlitz der Erde verschmutzen lassen zu müssen. Natürlich ist es in einem Palast schöner, aber davon hat man später auch nichts. Sterben ist ok, vergehen ist in Ordnung, es gibt sicher nicht zu wenig Leben auf dieser Erde, das Davor ist alles, was zählt, und wenn dann einer kommt und das alles, was bleibt, sorgfältig aufnimmt, um darüber keine Dummheiten zu verbreiten, und danach auch noch gut schlafen kann, dann ist das schon sehr, sehr viel.

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Über das Lächeln

Hier lächeln alle. Als ob sie eine Sammlung archaischer Figuren von einem Tempelfries wären, die bekanntlich auch noch lächeln, wenn sie von Pfeilen durchbohrt dekorativ in den Ecken niedersinken. Hier jedoch sinkt niemand, statt dessen brabbelt ein MG B vorbei, mit einem dickeren, älteren, wirklich sehr dick grinsenden Ehepaar auf den Ledersitzen, die weiter vorne anhalten und mit anderen Gästen ratschen, bevor sie den Wagen abstellen.



Es lächeln die Hunde und der Bauer, wenn er an seinen übervollen Apfelbäumen vorbeigeht. Es lächeln die Konditoren, wenn die Tür aufgeht und die fetten Weiber ankommen, es lächeln die Bauern, deren Kühe man streichelt und die Mädchen im Glanz des Sees, man lächelt sich auf den Bergen an, wenn man sich grüsst, und wer einen Grund zum lächeln braucht, muss sich nur umschauen.



Und wenn man es vor dem Sturm nach Hause schafft, kann man auch über die Naturgewalten lächeln. Manchmal denke ich, die CSU wird hier nur gewählt, damit man ab und an auch die Gesichtsmuskeln entspannen und etwas anderes als lächeln kann.

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