: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :

Donnerstag, 13. November 2008

Die Kunst der Deflation

Es gibt so eine bestimmte Art der Kunst, die ich als "Bankerkunst" bezeichnen würde. Benkerkunst, das ist der Dreck, den sich zuerst überbezahlter Abschaum der Werbebranche ins Büro gestellt hat, von dem dann die niveualosen Parasiten der diversen Finanzkriminellen dachten, dass es auch was für ihr eigenes Image wäre. Das ist nicht wirklich neu in der Kunstgeschichte; schon in der frühen Neuzeit machten Propagandisten wie Pietro Aretino Stimmung für Maler, die sich dann an Ausbeuter, Mörder und Staatsterroristen verkauften. Man ist nicht wirklich gut beraten, sich an diese Art der Kunst zu halten; auf einen Tizian kommen viele Modemaler, und mit etwas Pech endet man beim modernen Pendant zum Lügner, Aufschneider und Selbstpromoter Benvenuto Cellini; die Namen Damien Hirst, Francis Bacon, Neo Rauch und, für die Damen der White Collar Kriminalität, Sarah Lucas könnten einem da einfallen, um diese lange Linie fortzuziehen. Es gibt eine Kunst, die ohne extreme Geldmittel nicht gedeiht, und was dem Renaissancekünstler Karl der V. und Ungewaschene war, ist heute der russische Oligarch, des Hedge Fonds Managers Gattin oder der Investmentbanker - gewesen.



Vorbei die Zeiten, da man nur ein Körbchen voller kunsthandwerlicher Vergänglichkeit in den grossen Auktionshallen hochheben mussten, und schon strömten die Herren des Geldes vorbei. Das zumindest beobachtete die Times bei der jüngsten Versteigerung von Bacon in New York. Solcherlei passiert gerade vielen Häusern, die zudem so dumm waren, Einlieferern wie zu besten Zeiten hohe Garantiepreise bieten zu müssen; Häuser, die quasi eine Option auf das Bild erworben haben, die nun bei ausbleibenden Käufern für frühere Rekordwerke fällig werden. Es ist müssig zu streiten, ob sich die Wall Street das Hochtreiben der Preise bei den Auktionen abgeschaut hat, oder umgekehrt - zusammen hatten sie tolle Jahre, und nun sind sie in einem deflationären Zirkel gefangen.

Der Kunstmarkt hat eine Art Subprimeproblem. Über Jahre wurden Leipziger Schüler im Dutzend gemacht und gefeiert; wer da nicht die Galerien mit seinem Zeug schnellstens flutete und es den Bankfreunden in Sachen Bentley gleich tat, war dumm. Es gibt sagenhaft viel Leipziger Schule und New British Artists, gigantische Mengen wurden schon gekauft und viel wird noch gemacht werden, der Boom wollte bedient werden und trifft nun auf eine Käuferschaft, die sich mangels Liquidität und mitunter auch geregelter Beschäftigung den Ulf Puder abschminken muss, wie der Sixpacksäufer im kalifornischen Central Valley sein Wohneigentum mit Pool und SUV. Nicht nur, dass die Käufer streiken; sie verkaufen auch wieder: Demnächst gibt es 20 geschätzte Kunstmillionen von Lehman Brothers und weitere 8 Millionen vom Ex-Chef Fuld. Grosse Angebote, kleine Nachfrage. Man hört sowas in der Art übrigens auch von den besseren Münchner Häusern; jetzt kommen die Weihnachtsauktionen, und sollte ich da in der Lage sein, irgendetwas zu erwerben, nun, dann sieht es wirklich schlecht aus.

Aber immer noch besser als in England. Bei den Briten geht es gerade wirklich übel zu. Die Leser hier wissen vielleicht, dass ich einem alten Automobil nicht abgeneigt wäre. Da gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder der Kauf über Angebote wie bei Carandclassic, oder Versteigerung bei Ebay. Manche stellen ihren Rolls, den Sunbeam oder die Spitfire bei beiden Plattformen ein, setzen bei Ebay einen Mindestpreis und behalten sich das Recht vor, den Wagen bei anderem Verkauf zurück zu ziehen. Das Ergebnis ist erstaunlich. Autos, die in den einschlägigen deutsche Magazinen für 10.000 Euro gehandelt werden, gehen bei Ebay in England auf mickrige 3000 Pfund hoch, oder auch nicht.

Von ein paar ganz wenigen, herausragenden Typen wie dem Austin Healey 3000, dem Bentley Continental, Ferraris oder frühen MGs der T-Reihe augesehen, sind die Preise äusserst niedrig. Aber schon bei älteren Porsche 911 wendet sich das Blatt. Weil es einfach keine Käufer gibt. Und das Angebot aufgrund der Kreditkrise zu gross ist; die Begründung, den Unterstellplatz verloren zu haben, bedeutet auf Deutsch: Da muss sich jemand schleunigst verkleinern. Im letzten Winter habe ich in Deutschland keinen fahrbereiten MGB unter 4000 Euro gesehen. Der überflüssige Luxus einen Spassautos für den Sommer ist auf der Insel de facto für weniger als die Hälfte zu haben, dann aber mit einer langen Liste von Ersatzteilen und Reparaturen. Oder wie wäre es mit einem Bentley für 2700 Pfund? Das hat letzte Woche ein Besitzer für einen 74er bei Ebay bekommen, der mit knapp 9000 bei Carandclassic vergeblich offeriert wurde.

Schlimm? Sicher. Es kommt nur auf die Perspektive an, und was man daraus macht. Es war, man kann sich das nicht vorstellen, schon mal schlimmer. Noch schlimmer, wie die Familiengeschichte aus Gewinnersicht zu berichten weiss. 1945 besass ein naher Verwandter meiner väterlichen Familie einen Bauernhof nahe der Stadt, und war klug genug gewesen, für die Zeit nach dem Krieg das Vieh zu verstecken, und verfügte obendrein einen ansonsten eher wertlosen Auwald. Fleisch, Milch, Eier und Brennholz klingt heute banal, aber damals wurden in der Provinzstadt Tauben gejagt und der Stadtpark Nachts gerodet. Dem Bauern brachten die Städter in diesem Annus Horribilis für Brennmaterial und Essen, was ihnen so geblieben war - zum Beispiel verstecktes Silber. Oder für die Kriegsproduktion unbrauchbare Perserteppiche. Viele Perserteppiche. Die waren jetzt verzichtbar, im Sommer 1945, relativ zum Essen. Als dann der strenge 45/46er Winter kam, und es an Isoliermaterial für die neu gebauten Schweineställe fehlte, griff der Bauer zu Hammer, Nagel und Perserteppich und - nun.

DAS ist Deflation. So schlimm wird es hoffentlich nicht kommen, und bei Bildern und Bentleys ist es wirklich so, wie man es über das Geld fälschlicherweise sagt: Sie verschwinden nicht. Es hat sie nur ein anderer.

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10 Zentimeter Neuschnee.

Draussen. Jetzt. Alles weiss.



Wolken weiss, Berge weiss, Auto weiss. Zum Glück habe ich Winterreifen drauf.



Und eine volle Speisekammer.

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