: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :

Dienstag, 23. Juli 2013

Während ich am See sitze

bringt sich eine Frau um.

Während ich am See sitze, macht ihr Mann, ein überzeugter Neonazi, seine Kinder fertig.

Während ich am See sitze, denkt die Tochter auch oft an Selbstmord.

Während ich am See sitze, wird sie offensichtlich psychisch krank, aber macht auch Dinge wie Tomatenschneiden.

Während ich am See sitze, flüchtet sie sich in eine arg konstruiert wirkende Traumwelt, die wohl so sein muss, weil die Vorgeschichte schon so schlimm ist.





Während ich am See sitze, kommt es mir vor, als wäre das mal wieder so eine kranke Ausgeburt des Literatussystemrudelfickens in Kärnten, von dem der ORF zum Glück Abstand nehmen will, weil wer will schon sehen, was eine Jury, die mindestens so verderbt wie die Jury eines Vertriebenenpreises ist, an ungewaschenem Plebs aus Berlin gezerrt hat? Die ganzen Klischee-Ekzembeschreiber und Anorexieperformancesatzschrauber? Während ich am See sitze, werde ich den Eindruck nicht los, dass da eine ganz miese Nummer läuft, aber es ist nicht deutsch und es ist auch nicht in Klagenfurt.

Es ist französisch.

Und bislang erschien es mir oft so, als wäre man in Frankreich auch in der Lage, schlimme Themen plaudernd zu verwässern, wie man Cidre mit Wasser streckt, damit er das richtige Sommergetränk wird, siehe 39,90. Man kann, so war mein Eindruck, diese typisch deutsche Verkopftheit, die uns Wagners Nazikrach brachte, und für deren moderne Auswüchse man sich in 100 Jahren ebenso schämt, nicht dem französischen Publikum zumuten, das hübsche Häuser mag, gute Einrichtung, ein Familientreffen am Sonntag und viel Familie. Vermutlich kann man das wirklich nicht, und ich habe einfach das Pech, an ein Produkt zu geraten, das man in Frankreich für den deutschen Markt der Ekzem- und Kotzbrechsuchtszene hergestellt hat. Oh wie schlimm das ja alles ist, dieses Leben, diese Verwirrungen, halt, wir brauchen auch noch sowas wie eine Submissionsbeziehung, bitte, liefern wir.





Ich habe, wie sich diese Geschichte nicht leicht entwickelte, sondern sich gedankenschwer mit billigen Cliffhangern durch Klischeestadien des unschönen Lebens schleppte, zum Glück einen Hefezopf der Bäckerei Gschwendtner dabei gehabt. Der Hefezopf ist luftig, süss, aber nicht zu bappig, hat Weinberln drin und ist ein angenehmer Begleiter über Stunden. Ich hätte gern Bücher, die wie dieser Hefezopf sind, und nicht diese Spülwassereinleitung da aus Frankreich, die Kultur vortäuscht, wo nur das Abhaken von schlimmen, schon tausendmal woanders ertragenen Dummheiten ist.

So ein Hefezopf geht hoch, aber dieses Buch bleibt flach und so schnell werde ich sicher kein Buch bei Kunstmann mehr kaufen. Ich würde auch eine Bäckerei meiden, die mir klebrigen Teig, der nicht gebacken wurde, als Hefezopf verkaufen wollte. Dem Buch fehlt die reinigende Kraft eines kritischen Feuers, das ihm sagt: Man kann auch an einem Problem zeigen, wie sich Menschen suchen und finden. Man muss nicht 100 Seiten erst mal zig weitere Probleme dazuschreiben, damit alles so richtig mies wirkt. Weil dann nicht das Leben der Figur mies ist. Sondern das Buch.





Denn während ich am See sitze, möchte ich nicht belästigt werden von einer trüben Welt, die mit dem psychischen Dramaholzhammer genau so zusammengebeult wurde, damit sie auch schön trüb erscheint.

Während ich am See sitze, sehe ich aber so viel anderes, so viele zufriedene Menschen, die auch mal ihre kleinen Tiefs und dafür auch grosse Freuden haben, die sich finden und behalten, oder anderes suchen, und all das kann sehr komisch und anregend sein. Nichts ist so schön wie das Glück und nichts interessiert mich mehr als die Freuden des Daseins. Dass es in Berlin Leute gibt, die nicht schreiben können und Verlegern in die schwarze Stelle kriechen, ist mir nicht neu, aber es ist nicht die Normaliät, und dazu würde ich gerne etwas lesen.

Während ich am See sitze, werde ich so wütend, dass ich mich wieder auf mein Rad setze, nach Hause fahre und einen Ersatz für Veronique Ovalde hole.

Das am See sitzen wäre sonst nicht auszuhalten. Das ist ja, als wären in der nächsten Bucht Kirsten Fuchs und Frau Kakerlake.

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