: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :

Sonntag, 15. Januar 2006

Luxusprobleme

Das Ekelhafte an Problemen ist nicht ihre Existenz an sich, sondern ihre zumeist banale Ausprägung. Probleme, seien wir ehrlich, kommen selten im Abendkleid daher. Unsere Liebste fickt auswärts, was wir mit einem höflichen Lächeln zur Kenntnis nehmen würden - wäre es wenigstens ein Herr von Rang. Meist aber geschieht es im Suff und mit gänzlich unakzeptablen Leuten, deren einziger Vorzug es war, neben der Badtür zu stehen und dortselbst greifbar zu sein. Fast nie ist es ein Künstler, sondern meist ein übriggebliebener Gesellschaftsrechtler, ein paktizierender Junior-Berater oder ein Assi, noch nach dem rektalen Tagewerk am Professor duftend. Das erst macht das Problem zum Problem; brächte unsere Herzensdame statt dessen, sagen wir mal, vom Treffen mit einem Herrn von Stand eine Sklavia zur Reinigung unserer Messingleuchter mit, es gäbe keinen Grund für Zwist und das Zerschellen von Baccaratgläsern an den stuckverzierten Wänden.

Es ist also das Normale, das aus einer vorübergehenden Störung unseres angenehmen Daseins ein Problem macht, das gelöst werden will, ohne dass es uns gefragt hat, ob wir möchten. Das ist zuerst in höchstem Masse degoutant, schliesslich wurde uns das Problem noch nicht einmal vorgstellt, und es sieht auch so aus, als dass wir ihm auch nur die Dienstbotenpforte öffnen würden. Da ist es immer wieder eine Abwechslung, wenn man sich selbst ein Luxusproblem gönnt, statt von anderen mit banalen Problemen beschenkt zu werden, die man im Zweifelsfalle nie umtauschen kann. Das hier nun ist das Luxusproblem, dessen Lösung mein Tagewerk beschliessen soll:



Wie wir sehen, handelt es sich dabei um zwei Paar Salz- und Pfefferstreuer aus englischem Hause und massivem Sterlingsilber, gänzlich unverbeult und von einer edlen Form, die uns im ersten Moment schlicht erscheint. Die richtige Assoziation, dass eine gewisse Ähnlichkeit mit priapischen Objekten besteht, kommt erst später, wenn wir sie uns in der grazilen Hand einer schönen Frau imaginieren. Das allein ist noch nicht das Problem, schöne Frauen möchten in unserer Vorstellungswelt noch ganz andere Dinge halten, schliesslich kennen wir unseren Aretino. Nein, das Luxusproblem ist ein anderes: Wenn vier gleichförmige Streuer auf dem Tisch stehen, kündet das fraglos von Luxus und Besitz, ja gar von Überfluss - aber es entbindet uns von der Pflicht, der Dame Salz und Pfeffer zu reichen und somit im schicklichen Dienst ihre Hände zu berühren. Die Occasion aus edlem Metall zeigt sich hier als tückisch, gefangen ist der Besitzende zwischen dem Verlangen nach Berührung und der Pflicht, es der Dame bei Tisch so angenehm wie möglich zu machen und ihr ein eigenes Paar zu geben.

Das nun, liebe Freunde, ist nun wirklich ein Luxuproblem, wie ich es schätze. Zumal mir heute in ganz anderem Kontext eine Lösung dafür eingefallen ist. Darin spielt eine Frau eine Rolle, die einen verhängnisvollen Fehler beging, ein sportbuggyverseuchter Platz, ein Sommertag und eine Örtlichkeit, wo angenehme, ausgezeichnete Leute über Daseinsformen reden, die vielleicht unsozial, aber ihnen angemesen ist. Noch wird es etwas dauern, es badarf genauer Planung, doch am Ende, da bin ich mir sicher, wird es neben mir noch einem anderen der happy few vergönnt sein, das Sterling mitsamt der sensiblen Fingerkuppen des Ziels aller Wünsche zu berühren.

Luxusprobleme, wie wir sie lieben.

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Real Life 15.01.06 - Sieben um Eins

Es muss an den Jahresgratifikationen liegen, die 05 wieder reichlicher geflossen sind. Parkplätze in der Nähe sind jedenfalls nicht mehr zu bekommen. Das Pacha hat sich radikal verkleinert, an das Kosmetikstartup gegenüber - Vitago, für die, die ein Leben vor Web2.0 hatten - erinnert nichts mehr, die Agentur die Strasse runter, wo einst 40 Leute auf 140 Quadratmetern arbeiteten, hat längst wieder einer Kunsthandlung Platz gemacht. Aber unverändert mit fast schon schützenswertem Prunk der späten 90er steht das Lenbach, das Sieben, oder, um den Anglizismus zu verwenden, das Seven Sins immer noch, unverändert, und hinter den beschlagenen, graugrünen Fensterscheiben biegen sich Shilouetten wie in einer Flashwerbung von 2001.



Wir hätten, sagt sie und fummelt am Verschluss ihrer Handtasche herum, oberhalb der Stelle, wo D und G baumeln wie abgeschnittene Gringohoden am Bastrock des Amazonasbewohners, doch ein Taxi nehmen sollen. Ausserdem schneit es. Tatsächlich wirbeln winzige Flocken wie überdimensionierter Puderzucker durch das Licht der Scheinwerfer, und auf dem Trottoir klammert sich ein dürres Ding rutschend an ihrem Begleiter fest, dessen unvorteilhafter, längsovaler Gesichtsschnitt durch aufrecht stehende Blondstoppel auf dem Schädel stark betont wird.

Wir hätten, erwiderst du, im Puck bleiben sollen. Die schlechten Erinnerungen sind überall die gleichen, aber es macht einen grossen Unterschied, ob einem die schwarzen Gedanken bei einer guten Tasse Tee hochkommen, oder im Stau vor einem Laden, dessen kaltschnäutzige Ausstrahlung so gar nicht zu den drin angeblich abgefeierten sieben heissen Todsünden passen will. Bei der Gelegenheit fällt dir auch gleich noch die Invention der hiesigen Cuisine ein, drei Gänge zusammengepfercht in der Bentobox am Stehtisch, kalorien- und geschmacksbefreit für die dynamische Magenverstimmung von heute, eine Esshölle, ohne dafür Sünden genossen zu haben, und du beginnst zu ahnen, dass da drin etwas überlebt hat, was du vielleicht kennst aus alten Tagen, irgendjemand, dem du erklären musst, was du heute tust und der nicht begreift, wieso du eigentlich nicht mehr dabei bist, und warum du auch gar nicht da drin sein willst.

Der Taxistau löst sich auf, du zockelst los und drehst die nächste Runde um den Block, aber es ist sinnlos um diese Zeit, nur am Landgericht wären sicher noch Plätze frei, aber das ist ihr defnitiv zu weit, mit diesen Schuhen auf diesem Strassenbelag. Du bietest ihr nochmal an, sie vor der Tür im Strom der Taxis abzusetzen, und diesmal willigt sie ein, alles ist besser, als sich weiter im Auto zu langweilen. Mit erstaunlicher Eleganz entwindet sie sich des Sitzes, gleitet hinaus in die kalte Luft und tänzelt, so schnell es der enge Mantel erlaubt, zum fackelgesäumten Eingang, ohne sich umzusehen. Du hast noch nicht überlegt, wie es wohl wäre, wenn du jetzt einfach heimfahren, sie hinter dir lassen würdest, ohne Begründung und Entschuldigung, um am nächsten Tag am Telefon ihren Hass spüren, verbittert und glühend, wie du ihr zuhören würdest, wenn sie dich anschreit und du weisst, dass etwas vorbei ist, ohne dass es je geschehen wäre, alle eigentlich unwichtigen und verzichtbaren Optionen und Möglichkeiten, dass es die letzten Worte sind, bevor sich die durch eine Laune des gelangweilten Schicksals überschneidenden Lebenslinien auf immer voneinander entfernen, das alles ahnst du mehr, denn dass du es planst, aber der Wunsch wühlt schon in den tieferen Eingeweiden, da fährt ein Porschloch weg, und automatisch stellst du den Wagen ab und folgst dem kalten Geruch halb erfrorener Businessfrauendarstellerinnen hinein in einen Laden, der so viele aufregende Sünden enthält wie die Beichte einer 98jährigen, die seit drei Jahren mit Gicht im Bett ihres katholischen Altersheimes vor sich hin fault.

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Samstag, 14. Januar 2006

Auf und über das Podium

Kleine Ermunterung für meist daheim bleibende & nörgelnde Business-Blogger aus der Munich Area, die auch nur zu gerne mal auf einem Podium wären. An der Blogbar.

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Die Möwe, das Herz, die Zeichnerin und die Ruinen

oder Frankfurt am Main an einem weniger schönen Tag im Januar 2006.



Es ist nicht wirklich schwer, in dieser Jahreszeit,



und in einer Stadt, die man länger nicht gesehen hat,



symbolträchtige Bilder zu entdecken, die von Brüchen, Problemen und Ambivalenz erzählen,



ohne dass man dabei die Gesichter der staunenden asiatischen Touristen photographiert, die hier am Freitag auf ihren Weiterflug warten und durch die Strassen ziehen, auf der Suche nach einem guten Motiv, einer günstigen Shoppinggelegenheit, oder der Entspannung irgendwo in einem der rot beleuchteten Häuser beim Bahnhof.

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Freitag, 13. Januar 2006

Lesson learned.

Auch wenn das lernen manchmal 100 Euro kostet. Was eigentlich ziemlich billig ist, verglichen mit anderen Fällen der Urheberrechtsverletzung. Auch Neocon bekommen keine besseren Gesetze. Zumindest nicht vor ihrer Machtübernahmen. Wer sowas nicht glaubt, muss mit sowas rechnen. Aber mir glaubt ja keiner. Wie immer.

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Business to the Top

Da gibt es ein paar Türme, in denen um Mitternacht noch konferiert wird. An den Wänden sind gebeamte Powerpointsheets, und Männer in inzwischen verknitterten Anzügen versuchen, die Awareness ihrer Audience zu bekommen. Awareness, sagte vorgestern der Mann vom Handelsblatt, ist die Währung des Informationszeitalters. Wenn das stimmt, dann wird da oben gerade um das Wechselgeld gebettelt.



Die Lichter der Beamer, Neonröhren und Halogenstrahler, technisch kalt, funktional und hässlich wie der vergangene Tag über der Stadt am Main, spiegeln sich in den Glasfronten anderer Komplexe, die nicht das Glück haben, von einer Bank oder einer Beratungsfirma okkupiert zu werden. Da ist dann die Jagd nach kleineren Kunden angesagt, da wird ganz unrepräsentativ gestückelt, was nicht ganz einfach ist, denn wer nicht auf 200 Meter kommt, wirkt klein und verloren, und ist nicht gesellschaftsfähig. Ab 1000 Quadratmtern soll man dennoch reden, die Entrance Hall ist ebenso leer wie lichtdurchflutet, und es sieht nicht so aus, als ob sich da etwas so schnell ändern könnte. Über ein Jahr der Suche haben immer noch Flächen zum Erstbezug gelassen, die dezent, aber dennoch missmutig an den Scheiben offeriert werden.

Öffentliche Werbung ist mehr als ein Hinweis, es ist ein Zeichen. Inmitten der teuersten Gegend des teuersten Stadtbezirks bleibt nichts als dieses öffentliche Eingestehen des Scheitern, das Hoffen auf den vorbeigleitenden japanischen CEO vielleicht, der sich durch diese Strasse in Richtung Rotlichtbezirk chauffieren lässt und denken mag, das würde doch passen, Arbeit und Vergnügen gleich nebeneinander. Denn diejenigen Neuen Companies, an die man vielleicht dachte, die ihre Embassies am Börsenplatz Frankfurt haben mussten, um die Aktionäre und Analysten bei Laune zu halten, die gibt es nicht mehr. Nur die Träume, die im Rotlichviertel die Strasse runter gehandelt werden, haben sich gehalten.

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Donnerstag, 12. Januar 2006

Ich verneige mich vor "logog"

Ich sass gestern Nacht noch vor dem Rechner und habe lang darüber nachgedacht, was ich über die Veranstaltung beim Medienmittwoch sagen soll. Vielleicht war ich nach 7 Stunden Fahrerei und drei Stunden Schlaf einfach nicht mehr leistungsbereit. Ganz sicher aber hätte ich es nie geschafft, die Diskussion so zusammenzufassen, wie es "logog" in einem Kommentar hier gemacht hat:

"Und man selbst flippt zwangsläufig in den Celebrity-Peep-Modus, begutachtet die Ticks der Vortänzer und fantasiert, ob sie mit dem Schatz der eigenen Vorurteile übereinstimmen:

Google und Yahoo "Weblogs, klar, wir fressen Alles. Hauptsache das Internet wird größer, mehr User, mehr Downloads, mehr von Allem und zwar für uns."

Burda und Handelsblatt "Immer weniger Leute wollen dafür bezahlen, was wir so wegdrucken, aber wir müssen die Leser online irgendwie bei der Stange halten, notfalls mit so 'nem Kram wie Weblogs, hoffentlich krepiert die Konkurrenz vor uns."

Bildblog "Wir machen hier den Drachentöter und wollen ja nicht die ganze Belohnung, sondern nur einen Vorschuß damit unser Pferd nicht unterwegs verhungert und wir machen gar kein Weblog, wir nennen uns nur so, warum weiß ich auch nicht."

Google und Yahoo und Burda und Handelsblatt und Bildblog im schweigenden Chor "Was sollen diese Weblogs eigentlich?"

Und schauen alle den Don Alphonso an, der nimmt tief Luft und legt los "Bloggen ist Lust und Freiheit und..."

Der schweigende Chor wendet sich ab, hält sich die Ohren zu und singt "Bitte sag's uns NICHT!"

Das war so eine Tanzminiatur, die ich wahrgenommen habe."


So war es. Genau so. Vielleicht war der Schultheiss vom Bildblog nicht ganz so, da gab es auch etwas Getuschel, aber ansonsten: Das war´s. Besser kann man es nicht sagen.

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Transfertag zum Podium

Berlin, Mittag.



Wartburg, Sonnenuntergang



Frankfurt, gerade noch rechtzeitig



Volles Podium, und los.



Es war gut, mal ein paar Leute der Medienhäuser auf dem Podium zu haben. Andererseits wäre es nett gewesen, wenn der ein oder andere a) etwas Substanzielleres gesagt und b) auf Präsentationen und Worthülsen verzichtet hätte. Es gab nicht viel Raum für Angriffe und Auseinandersetzungen. Ich habe getan, was ich konnte - Stichworte Überwachung, Meinungsfreiheit - aber ich fürchte, es war nicht genug, um den Randaleerwartungen aller Blogger gerecht zu werden. Mehr im Blog der Veranstalter, bei Sven und dem Betonblog.

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Dirt Picture Contest - Berlin AA

Nachdem der Wagen an dieser Ecke schon seit gut drei Monaten so verharrt, könnte man jetzt wieder über die Unzuverlässigkeiten des Strassenverkehrsamts debattieren. Über die Polizei, der das egal ist. Oder auch über das Einkommen der Berliner, das keine Reparaturen an Fahrzeugen erlaubt, weshalb sich die Spirale des Niedergangs nochmal schneller dreht - wegen ein paar hundert Euro verwandelt sich ein Investitionsgut für ein paar tausend Euro in eine Belästigung der Allgemeinheit.



Aber das ist es nicht. Hinter der gebrochenen Stossstange lugt der tiefste Balkan hervor, oder auch die schlechteren Gegenden der Ukraine. Es könnte Bukarest sein oder ein Randbezirk von Sofia, irgendwo in der hohen Tatra vor einem aufgelassenen Industriekombinat. Berlin ist deren westlichstes Vorslum. Das hier ist kein Betriebsunfall, das ist die Zukunft der Stadt. Man sollte sich an diesen Anblick gewöhnen. Selbst, wenn er sich nicht immer mit dergleichen symbolträchtigen Kennzeichen wie AA manifestiert.

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Mittwoch, 11. Januar 2006

Real Life 11.1.05 - 4 mm

In einem Buch hast du vor kurzem am Ende den Satz gelesen: "Life is o.k.." Ist es wohl auch, nachts um halb eins in Berlin Mitte. Du hat keine echten Sorgen und keine Bedürfnisse. Du bist kein allzu nutzloses, aber auch kein allzu funktionales Teil der Gesellschaft, und du kannst mit dir und der Welt zufrieden sein. Du fährst mit einem hübschen Wagen Richtung Alex, von Berlin durch das 4 Millimeter dicke Glas der Windschutzscheibe und das Blech der Karosserie getrennt, und im Radio läuft statt dem unerträglichen Kuttner auf Fritz eine alte Kasette mit einem Tape von Intosomething, und die warme Stimme von Michi Reinboth aus München begleitet dich durch die Nacht.



Daheim, in München, gibt es ab und zu diese rasend schönen, "asiatischen" Studentinnen aus der westlichen Oberpfalz. Durch eine Laune der Natur entwachsen dem Bogen des bayerischen Waldes Frauen, die wie perfekte Asiatinnen aussehen. Grosse Mandelaugen, eher klein, sehr dunkel, reine Haut, kleine Nasen, feine Gesichtszüge. Sie sind nicht häufig, aber zwischen Amberg und Regensburg werden sie in behüteten Elternhäusern gross und lächeln sich dann dezent durch Studium und Karriere. Man sagt, dass da vielleicht ein paar Hunnen oder Ungarn im frühen Mittelalter ihre Gene in den Bajuwaren hinterlassen haben, wer weiss. Jedenfalls sind sie umwerfend schön.

Sie sind schön, wenn sie die Nacht durchgemacht haben, und sie sind auch noch schön, wenn sie der Grund sind, wenn du schlaflos durch Berlin fährst. Da war dieser Laden in Friedrichshain, den du in guter Erinnerung hattest. Es waren ein paar Meter vom Parkplatz zu den Antiquitäten, über schmutzige Bürgersteige, vorbei an verfallenen Häusern, die auf die Sanierung warten. Noch gibt es hier Punks, die Reste der früheren Hausbesetzerszene. Vor einem der typischen Getränkemärkte, ein paar düstere Räume und zwei Stehtische im Vorraum, ist eine Gruppe von etwa 15 Gestalten und ein Rudel Hunde.

Ganz vorne, mit dem Rücken zu dir steht jemand an der Wand gelehnt, schmutziger Armeeparker, hinten runtergetretene Hose, ein Buschen schwarzer Haare auf dem Kopf. Als du sie fast erreicht hast, dreht sie sich zu dir um. Es sind diese grossen Mandelaugen, tiefgrün und in der Mitte winzig kleine Pupillen. Hi, sagt sie, entschuldige, hättest du etwas Kleingeld?

Es ist 2 Uhr Nachmittags, und sie ist definitiv nicht mehr von dieser Welt. Was immer da in ihrem Körper war, hatte ihr Bewusstsein weit wegkatapultiert, wo es nur noch durch einen grauen Schleier die umgebende Welt mitbekommt. Sie ist dünn, entsetzlich dünn, aber selbst das kann nicht verbergen, dass sie schön ist und sicher noch eine Weile schön sein wird, mit 18 oder 20 hält so ein Körper eine Menge aus, vielleicht auch eine Weile ein Leben, bei dem sie am frühen Nachmittag die Wand als Stütze braucht, um sich auf den Beinen zu halten. Das kann Wochen und Monate so weitergehen, wenn es beim Alkohol bleibt.

Momenterl, sagst du, und im Hintergrund starren die anderen her, reden nur noch fahrig über Sozialismus und die kommende Aktion. Ein gelber Hund trabt her und macht eine neugierige Runde um dich. Du legst ihr einen 20-Euroschein in die Hand. Sie hat weisse Finger, dünn, kurz, kindlich. Irgendwie hoffst du, dass sie sich davon etwas zum Essen kauft, du kämpfst den Wunsch nieder, es ihr zu sagen, sie an ihrem schmutzstarrenden Parka zu packen, sie anzuschreinen, verdammt, was soll diese Scheisse eigentlich, dieses Zudröhnen bis zur Revolution, die nie kommt, die ganzen Lügen in billigem Fusel und das verschwendete Leben im Dreck, wenn sie wenigstens irgendwas im Magen hätte, damit sie nicht irgendwann in der Nacht umkippt und auf diesen gottverdammten Drecksstrassen krepiert in den Müllhaufen, alles ist besser als das hier, es muss irgendwo ein Netz geben, aus früheren Tagen, das sie auffangen kann und nicht einfach das geschehen lässt, was unweigerlich kommen muss, diese verdammte, blöde Kuh mit diesen zugeschnurrten Pupillen und den helleren Strahlen im tiefen Grün, die dich die Nacht kosten werden, weil du damit noch immer nicht umgehen kannst, und weil sie sich an die anderen erinnert, von denen du nicht weisst, wie es ihnen seitdem ergangen ist, und das erste, was du tust, wenn du zurück in der Wärme bist, ist das Googeln nach ihren Namen.

Danké, sagt sie, die zusammengezogene Form des südlichen Danksché, und du weisst, wo sie herkommt. Du fühlst die Blicke der anderen, du hörst sie leise lachen, der Nachmittag ist gerettet, genug Stoff bis zum Abend, keine Notwendigkeit, die Strassenränder nach den letzten Pfandflaschen von Sylvester abzusuchen heute nachmittag. Bittsche, sagst du und kannst dir dann nicht ganz verkneifen zu sagen, dass sie sich bitte was zum essen kaufen soll, du fühlst dich dabei wie ausgespuckt und wie ein alter Sack, auf dem Weg Richtung Laden. Der Hund kommt nochmal hinter dir her, schaut hoch, lässt sich streicheln, bevor hinten jemand pfeift und ihn zurückholt.

Auf dem Rückweg ist sie nicht mehr da. Und deshalb sitzt du Nachts um halb eins in all deinem überflüssigen Luxus auf der funkelnden Strasse Richtung Alex, im Radio läuft Herbalizer, und ausserhalb der vier Millimeter dicken Scheiben sind, irgendwo vielleicht in einer unterkühlten Wohnung in Friedrichshain, die unschönen Antworten auf all die Fragen, die dich nicht schlafen lassen.

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Web2.0 als Dystopie,

und die Zukunft der social Software, schon jetzt am lebenden, voll verflickrten und verplaceden Beispiel aufgezeigt - an der Blogbar.

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Dienstag, 10. Januar 2006

Dirt Picture Contest - Keine Heimkehr

Er kommt aus dem Donautal, aus dem ich auch komme. Er wurde nur ein paar Kilometer von meinem Stadtpalast entfernt gebaut, von den kräftigen Händen bayerischer Metallarbeiter und den Roboterarmen der besten Maschinenbauer. Er ist ein Stück Qualitätsarbeit, hart, schlicht, ehrlich und konsequent wie die Menschen der Region. Er war nicht unbedingt der nobelste unter den Wägen und nicht der schnellste, aber sicher ein Gefährt, auf das man sich verlassen konnte. Die Leute, die ihn geschaffen haben, hatten einen besseren tarifvertrag als andere Metaller. Das merkt man, wenn man die Tür zumacht. Klamp. Oder beim Unfall.



Im Innenraum ist alles intakt, die Konstrukteure und Arbeiter im Süden haben getan, was sie konnten. Jetzt steht er hier in Berlin, im Slum, und wird nie mehr zurück kommen in das breite Tal, in dem sich der Fluss träge durch den Auwald windet. Er steht hier schon seit ein paar Wochen rum, und wird auch noch eine Weile bleiben, bis irgendwann der Abschleppdienst kommt und ihn zur Verschrotten bringt. Aber das kann noch lange dauern.

Er war mal gut. Jetzt ist er nur noch ein Stück Müll auf Berlins Strassen, stahlgewordenes Mahnmal für all die Bayern, die hier in dieser Stadt den Moment verpasst haben, zu dem sie noch abspringen können. Morgen bin ich raus hier.

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Alte Freunde revisited

Einer der längsten, legendären Threads bei Dotcomtod behandelte die Firma bc lab mit ihrem Macher, Herrn Bernskötter, die damals schon Schnüffeldienste anbot, die heute auch von PR-Bloggern und Google-Pressesprechern propagiert werden. Kurz, wir hatten damals eine nette, kleine Google-Bomb für den Herrn online. Das war gestern.

Heute helfen wir natürlich gerne mit bei der Verbreitung der Tatsache, dass Herr Benskötter mit bc lab aka bc.lab aka Krisenradar.de immer noch aktiv ist - und offensichtlich logins und Passwörter für seine Kundenzonen einfach so im Netz rumliegen lässt. Damit jeder bei ihm gucken kann, wer seine Kunden sind, welche Informationen er denen gibt, was sie gefunden haben, und so weiter. Man kann da also einiges über die Vorgehensweise der Schnüffelbranche lernen. Peinlich, dass sich Mercedes mit derartigem Business-Typen einlässt. Pfeiffen.

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Tooncam

Besser als Megapixel und Flickr:




von hier für das. Und die MP3 dauern noch - etwas.

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Montag, 9. Januar 2006

LSD, die Zweite

Es war einmal in einer Zeit nach einer früheren Zeit, da fand sich eine Firma, die dem alten Namen eine neue Bedeutung hinzufügte, es mit drei Andreaskreuzen XXX versah, und sichtbare Zeichen überall im Slum verteilte.



Und so begab es sich, dass sich der Berliner als solcher vom neuen LSD viel besser repräsentiert sah, und er seinen von Molle und Eisbein verunstalteten Körper in diesen neuen Tempel wuchtete. Und dort mehr Geld aus den Transferleistungen liess, als die schwäbischen Eltern je ihren Sprösslingen zum Vertun im alten LSD geschickt hatten.

Und die Schwabenkinder, die keine derartigen Eltern, aber dafür ein Drogenproblem haben, verkaufen im Schatten des neuen LSD ihre Körper. Das ist das neue Berlin, das ist es, was ihnen gefällt, da lassen sie sich so richtig gehen. LSD für alle.

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Nachher

so gegen 2.30 Uhr, in der Torstrasse.



MP3s der Lesung gibt es morgen.

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Sonntag, 8. Januar 2006

Dirt Picture Contest- Du bist was Du ist

und was du isst, erkennt jeder, der mit den Resten konfrontiert wird, die du der Gesellschaft im Szeneviertel zuzumuten dir erlaubt hast, als wärest du auch nur so opportunistischer, philosemitisch lackierter Neoconazi, Ortsgruppe Oberfranken.



Also, dein Speiseplan umfasst braune Wurstersatzstoffe, Fluppen, Süsses in der Girlie-Edition, dass du der gleichen in der Chipskiste bunkerst, ist auch kein Zufall, und auch der MP3-Player deines Digital Lifestyles braucht Batterien. Zm Abschluss drüber eine Pulle Sekt, dann wird das ein cooler Abend.

Rülps, du Sau.

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LSD, aus der Mode

Es waren einmal drei schmutzige Strassen im Prenzlauer Berg und ein Platz voller unangenehmer Leute. Dieses Areal hiess, nach den ersten Buchstaben Strassennamen, "LSD", und galt im blöden Rest der Republik als place to be. Die Strassen sind immer noch schmutzig, und nur die Kälte der Nacht hält die unangenehmen Leute davon ab, ihre nervenden Blagen auf dem Platz auf den Rest der Menschheit loszulassen. Es sind auch noch andere unangenehme Leute unterwegs, die allesamt aussehen, wie aus einem Film über die schlechteren Viertel von Novosibirsk. Aber die Vorreiter dieser Horden des Niedergangs, sagt man, sind inzwischen weitergezogen, weshalb ihre früheren Treffpunkte inzwischen leer oder von Schwaben bevölkert sind. Und ab 2 Uhr ist sowieso die Luft raus.



Es gibt irgendwo noch andere, neue schmutzige Strassen, nur haben die nicht mehr so ein griffiges Kürzel. Das Kürzel wird irgendwann vergessen sein, denn die, die jetzt hier wohnen, haben andere Pläne. Patchwork-Blagen b ekommen etwa, oder eine feste Stelle vielleicht und mittelfristig die Option, zurückzukehren in die Provinz, wo es warm ist und sicher. Die Weggehspiesser mutieren zu Heimspiessern, die ganz froh sind, wenn es da draussen endlich mal ruhig ist. Abgesehen von den Momentern , wo so eine Mutter versucht, den Kreischkünsten der Blagen mit eigenem Kreischgesang noch was draufzusetzen.

Das sind die, die nach Berlin gegangen sind, um in einer Band zu singen. Nehme ich an.

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Nuking the Merkel

Ich kann mich nicht ganz des Eindrucks erwehren, dass momentan genau die Leute für neue Atomkraftwerke - und damit einen Koalitionskrach mit der in dieser Frage unnachgiebigen SPD - sind, die sich für das bessere Merkel halten. Stoiber und Koch testen da wohl gerade den alten, rostigen Bohrer am Merkel aus: An den Koalitionsvertrag quetschen und dann dorthin, wo es weh tut.

Das ist fein, das. Mit dem Inneren Generalverdacht der Bürger ist da ein weiteres, grosses Feld zur Schmerzerzeugung aufgetan. Das kommt davon, wenn man unbedingt Kanzlerin mit einer misogynen Altherrenpartei werden will.

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